Betreff: Offener Brief wg. Krisis 28
Absender: "Luther Blissett" <l_blissett + @hotmail.com>
Empfänger: <krisisweb + @gmx.net>; <info + @exit-online.org>; <kontakt + @unrast-verlag.de>; <ntrenkle + @aol.com>
Datum: 19. Sep 2004 02:10

Liebe Leute,

ich schreibe diesen Brief anläßlich der bevorstehenden Herausgabe der Krisis Nr. 28. Wenn ich die Ankündigungen auf der Website www.krisis.org recht verstehe, sieht sich die jetzige Krisis als ungebrochen in ihrem Fortbestand seit 1990, ungeachtet der Spaltung vom Februar diesen Jahres. Das Projekt "Exit" hingegen wird als "Abspaltung" bezeichnet in dem Sinne, daß einige wenige periphere Personen das "Zentrum" verlassen haben, während die Krisis – so wörtlich – "vom bisherigen Stamm der AutorInnen und aktiven Mitglieder weitergeführt" werde. Das soll dann wohl bedeuten, daß Robert Kurz, Roswitha Scholz, Claus Peter Ortlieb, Petra Haarmann und Hanns von Bosse nicht dazugehörten? Hält die Krisis die RezipientInnen des wertkritischen Diskurses wirklich für so dumm?

Wenn ich die Entwicklung seit der Spaltung der alten Krisis-Gruppe – einschließlich der Herausgabe des Buches "Dead Men Working" einerseits, der Exit! Nr.1 und Robert Kurz‘ Buch "Blutige Vernunft" andererseits – betrachte, ist für mich sonnenklar, daß es sich um zwei selbständige Gruppen handelt, die aus der Spaltung – und damit Auflösung – einer früheren Gruppe entstanden sind. Die Gruppe um Robert Kurz und Roswitha Scholz hat daraus jedenfalls die – m.E. richtige – Konsequenz gezogen, mit einem neuen Namen für das Projekt wie auch für die Zeitschrift sowie einem neuen Verein an einem anderen Ort ein neues Kapitel aufzuschlagen und so der veränderten Realität Rechnung zu tragen. Die Gruppe um Norbert Trenkle und Ernst Lohoff dagegen scheint an dem hergebrachten Namen festhalten zu wollen, um sich auf diese Weise Vorteile bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung zu sichern.

Besonders deutlich sticht dies in Hinblick auf die bevorstehende Herausgabe der Krisis 28 hervor. Sogar ungeachtet des Wechsels zum Unrast Verlag scheint die Krisis die Absicht zu hegen, die nächste Ausgabe einfach an alle alten AbonnentInnen zu versenden, so als sei nichts geschehen. Hier fällt der Unterschied zum Verhalten der Gruppe Exit besonders deutlich auf, denn diese hat die AbonnentInnen zunächst angeschrieben und um Neubestellung eines Abonnements für die neue Zeitschrift gebeten. Während also Exit beim Nullpunkt beginnen mußte – gerade auch was allgemein die Finanzen betrifft –, scheint Krisis es sich im gemachten Nest bequem zu machen und sich so auf unfaire Weise einen Vorteil gegenüber Exit erschleichen zu wollen.

Ich nutze nun die Gelegenheit, um an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, daß es mit Sicherheit eine ganze Anzahl von alten Krisis-AbonnentInnen gibt, die sich eine solche Vereinnahmung nicht gefallen lassen werden. Denn bei diesem Vorhaben – bezüglich des Versands der Krisis 28 – handelt es sich um nichts anderes als eine massenhafte Unverlangtsendung. Solche Lieferungen müssen von den Empfängern weder bezahlt noch zurückgesandt werden; vielmehr ist der Absender verpflichtet, rechtzeitig sein Eigentum an der Unverlangtsendung geltend zu machen und die Ware selber beim Empfänger abzuholen. Letzterer ist darüber hinaus berechtigt, eine angemessene Aufbewahrungsgebühr in Rechnung zu stellen.

Mein Fazit ist kurz und klar. Ich halte es für unabdingbar, daß die Krisis der Tatsache der Spaltung endlich Rechnung trägt und sich einen neuen Namen gibt. Außerdem muß sie die Kasse vom Tag der Spaltung mit der Gruppe Exit teilen. Der Versand der Krisis 28 darf nur nach vorheriger Aufforderung zu Neuabonnements erfolgen. Dies sollten eigentlich Selbstverständlichkeiten sein; ich finde es traurig, daß es mit der Krisis so weit gekommen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Luther Blissett