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erschienen im Neuen Deutschland
am 02.06.2006

Robert Kurz

DOLLARKRISE UND EUROKRISE

Die Krise der realen Kapitalverwertung wird stets auch zur Krise des Geldes. Geld aber gibt es nicht unmittelbar als Weltgeld, sondern nur als Währung mit einem jeweils nationalen Geldnamen. In demselben Maße, wie das Kapital in transnationale Strukturen hineinwächst, macht sich der Widerspruch zum nationalen Währungscharakter des Geldes bemerkbar. Der Dollar als Welthandels- und Weltreservewährung bleibt gleichzeitig an die USA als Nationalstaat gebunden. Grundlage für die Weltgeldfunktion ist jedoch in der Globalisierung keine nationalökonomische Dominanzposition der USA mehr, sondern allein die Rolle als „Garantiemacht“ des planetarischen Krisenkapitalismus aufgrund der konkurrenzlosen Militärmaschine, die gewissermaßen das „Gold“ des Dollar bildet. Nur deshalb fließt das überschüssige globale Geldkapital vorwiegend in Dollaranlagen als vermeintlich „sicheren Hafen“ und finanziert damit das ausufernde Leistungsbilanzdefizit der USA. Aber diese Konstellation ist prekär. Denn sie droht zum Absturz des Dollar und damit zum Verlust der Weltgeldfunktion zu führen, weil das Gewicht der stetig wachsenden Außendefizite auf den nationalen Währungscharakter durchschlägt.

Die sich abzeichnende Dollarkrise könnte als kommender Aufstieg des Euro in die Weltgeldfunktion erscheinen. Dieser Schein trügt jedoch. Denn die EU kann unmöglich die Rolle einer globalen „Garantiemacht“ übernehmen. Eine Militärmaschine von US-Dimensionen wäre unter den herrschenden Krisenbedingungen selbst in einem historischen Zeitraum unfinanzierbar. Und auch den USA droht ja längst der Kontrollverlust, wie sich nicht nur im Irak zeigt. Ökonomisch hat die EU erst recht keine eigene Dominanzposition, sondern ist mit ihren Waren- und Kapitalexporten in die Globalisierung und damit in die Defizitstruktur der USA eingebunden. Vor allem aber ist der Euro ein Kunstprodukt. Der Währungsunion entspricht kein europäischer Nationalstaat. Das ist kein Vorteil gegenüber den USA, sondern der Widerspruch zwischen transnationalem Kapital und Währungsraum nimmt dabei nur eine andere Form an.

Weil die europäische Währungsunion den weiterhin nationalstaatlichen Funktionsräumen mit unterschiedlichen Produktivitätsniveaus nur aufgesetzt ist, droht sie zur Desintegration statt zur Integration zu führen. Die explodierenden Leistungsbilanzdefizite Spaniens, Griechenlands und Portugals in der Größenordnung von 7 bis 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts können nicht mehr über den Wechselkurs durch Abwertung von nationalen Währungen abgepuffert werden, weil diese Länder nun eine gemeinsame Währung mit den Überschussländern (vor allem der BRD) haben. Es zeichnet sich ein ähnliches Desaster ab wie bei der deutschen Vereinigung, als die unterschiedlichen Produktivitätsniveaus von BRD und DDR unter ein gemeinsames Währungsdach gezwungen wurden. Die Folge war bekanntlich das bis heute nicht bewältigte Scheitern der ökonomischen Integration Ostdeutschlands. Innerhalb des Euro-Raums kann das Problem aber nicht wie innerhalb der BRD durch Transferzahlungen übertüncht werden. Unter dem Druck der Globalisierung driftet deshalb die EU zusehends auseinander. Die südeuropäischen Länder beginnen in ihrer Not den europäischen Binnenmarkt durch nationale Schutzmaßnahmen auszuhebeln. Parallel zur Dollarkrise ist mittelfristig eine Eurokrise absehbar. Im globalen Krisenkapitalismus scheitert letztendlich jede Weltgeldfunktion, weil gerade das Medium Geld nicht universell sein kann, sondern an begrenzte Währungsräume gebunden bleibt.