Startseite Krise und Kritik der Warengesellschaft


Robert Kurz: Interview mit Sonia Montaño, IHU-Online-Zeitschrift, Universidade do Vale do Rio dos Sinos (Brasilien), 3.7.2006

1. Wovon ist die Rede, wenn wir von „radikaler Wertkritik“ sprechen?

2. Was kennzeichnet eine merkantile Gesellschaft? Was ist unter Ware zu verstehen? Was für Beziehungen sind Waren zu eigen?

3. Wie sieht eine „radikale Kritik“ an den Grundkategorien des Kapitalismus wie Wert, Arbeit, Ware, Geld, Staat, Politik, Demokratie und Nation aus?

Das Ziel der radikalen Wertkritik ist also eine Gesellschaft jenseits von „abstrakter Arbeit“, Wert, Markt, Staat und geschlechtlicher Abspaltung. Das wirft natürlich enorme Probleme auf, denn die Menschen sind seit Jahrhunderten in diese Kategorien „hineinsozialisiert“ worden und haben sie verinnerlicht. Deshalb gibt es keinen geradlinigen Weg aus der bestehenden Ordnung heraus, sondern es bedarf eines Prozesses der historischen Vermittlung. Vermittlung bedeutet, dass ein neues Verhältnis von immanenten Kämpfen um Geld, staatliche Leistungen usw., sozialem Widerstand gegen die kapitalistische Krisenverwaltung einerseits und den Zielen der kategorialen Kritik andererseits gefunden werden muss. Es ist in gewisser Weise das alte Problem des Verhältnisses von „Weg und Ziel“, aber unter neuen Bedingungen und mit einem ganz anderen, tiefer gehenden Modus der Kritik.

Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es keinen einfachen Gegensatz zu einem bloß äußerlich gedachten Feind („das Kapital“) mehr gibt, sondern wir alle auch in unserem Inneren „das Kapital“ sind. Das bedeutet, dass auch innerhalb sozialer Bewegungen Widersprüche ausgetragen werden müssen, statt sie zu ignorieren. So ist auch in den sozialen Bewegungen die geschlechtliche Abspaltung wirksam und muss kritisiert werden; etwa wenn den Frauen „wie von selbst“ die Lasten der Krise aufgebürdet und Errungenschaften der Frauenbewegung zurückgenommen werden. Auch Ideologien wie Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus übergreifen die sozialen Widersprüche und sind explizit oder implizit bei den „Erniedrigten und Beleidigten“ dieser Welt virulent. Die notwendige Ideologiekritik darf nicht hinter eine abstrakte Dominanz der „sozialen Frage“ zurücktreten; ebenso wenig sind die materiellen Gegensätze in der sozialen Lage verschiedener Gruppen (etwa von Migranten einerseits und „einheimischen“ Prekären andererseits) unter die Allgemeinheit dieser „soziale Frage“ zu subsumieren. Vielmehr müssen die Spannungen und Differenzen ausgehalten und kritisch verarbeitet werden. Eine gemeinsame soziale Bewegung entsteht nicht als abstraktes Postulat, sondern erst als Resultat dieser Auseinandersetzung.

Die Theorie der radikalen Kritik an Wert und Abspaltung kann im Prozess der Vermittlung eine neue historische Zielsetzung zeigen und das Terrain der globalen Krise analysieren, um durch die einzelnen Bewegungen, sozialen Kämpfe, Spannungen und Differenzen hindurch das negative Ganze im Auge zu behalten und die Orientierung für einen „langen Atem“ zu geben. Sie kann aber keine bequeme „Gebrauchsanweisung“ als Schema für das Handeln liefern; eine solche Vorstellung wäre „falsche Unmittelbarkeit“ (Adorno). Es macht gerade die Schwäche der gegenwärtigen sozialen Bewegungen aus, dass sie weitgehend anachronistischen Konzepten verhaftet bleiben und auf „falsche Unmittelbarkeit“ fixiert sind.

4. Ist diese radikale Kritik auch eine Kritik an der modernen realen Metaphysik, an den Grundlagen der Aufklärung, am alltäglichen Leben? In welchem Sinne?

Die Aufklärung hat in mehrfacher Hinsicht dazu beigetragen, dass die Logik des Werts und der Abspaltung von den Menschen verinnerlicht wurde. So hat sie nicht nur eine äußerliche Disziplinierung für die Anforderungen der „abstrakten Arbeit“ propagiert, sondern ein Programm für die innere „Selbstdisziplinierung“ der Individuen entworfen, das bis heute wirksam ist. Gleichzeitig hat sie jene ideologische Fixierung auf die Zirkulation (den Markt und seine Subjekte) hervorgebracht, die bis heute ein falsches Verständnis von „Freiheit“ und „Gleichheit“ auch in der Linken bestimmt. Schließlich hat sie den androzentrischen Charakter des modernen Universalismus ideologisch flankiert; ihre Philosophie ist strukturell „männlich“ und blendet die abgespaltenen Momente auch begrifflich-theoretisch aus. Bei Foucault kann man reichhaltiges Material und kritische Reflexion zu den „Maschinen der Disziplinierung“ finden, wie sie in der Aufklärung konstruiert worden sind. Aber Foucault bleibt in der Kritik der Aufklärung auf halbem Wege stecken. In seiner berechtigten Abstoßung vom mechanischen Parteimarxismus der 60er und 70er Jahre missversteht er die Frage der gesellschaftlichen Form als „Ökonomismus“. So gelangt seine Kritik der Aufklärung nur zu einem positivistischen Begriff der Mechanismen einer kontingenten „Wahrheitsproduktion“, der keinen Bezug mehr zur Logik des Werts und der geschlechtlichen Abspaltung als einer historischen gesellschaftlichen Formation hat.

Die Kritik des Werts ist natürlich auch eine Kritik des davon bestimmten alltäglichen Lebens. Die gesellschaftliche „reale Abstraktion“ hat im Prozess der kapitalistischen Modernisierung alle Lebensbereiche ergriffen, von der Architektur, Ästhetik und Kultur bis zu den Ernährungsgewohnheiten (Agro-Business, Fast Food) und den persönlichen Beziehungen. Die neue globale Krise beschleunigt die Freisetzung des „abstrakten Individuums“, in dem dennoch die geschlechtliche Abspaltung wirksam bleibt. Der Wert und die damit verbundene universelle Konkurrenz dringen bis in die Intimität vor und zerstören alle Bindungen. Die Menschen werden immer empfindlicher und selbstbezogener; der narzisstische und der hysterische Persönlichkeits- und Sozialcharakter breiten sich in allen sozialen Lagen aus. Die Hysterisierung der Krisengesellschaft macht auch vor der Politik, der Wissenschaft, den Gruppen theoretischer Kritik und selbst vor der Liebe und Freundschaft nicht halt. Überall treten die persönliche Denunziation und der persönliche Bruch an die Stelle der inhaltlichen Auseinandersetzung. Gefühle der Konkurrenz, Angst vor Bindung und „Festgelegtwerden“, psychodynamische abstrakte Bereitschaft zum Konflikt in jeder Hinsicht und Gier nach persönlicher „Geltung“ drohen jeden Inhalt und sogar die radikale Kritik selbst zu überschwemmen. Auch theoretische Inhalte und sogar die eigenen Gefühle für andere Menschen sind nur noch auswechselbare Spielmarken im „Kampf um die Plätze“. Die Individuen werden so unberechenbar wie das Klima und die Finanzmärkte. Diese sozio-psychische Tendenz ist gesellschaftlich bedingt und kann nur im Prozess gesellschaftlicher Umwälzung überwunden werden, nicht durch Pädagogik und nicht durch zwanghafte soziale Kontrolle in der Retorte von neo-utopischen „lebensreformerischen“ Projekten. Dennoch muss herausgefunden werden, wie gegen diese Tendenz der inneren Krise des Subjekts innerhalb von sozialen Bewegungen und Gruppen der Theoriebildung Widerstand geleistet werden kann, um in der theoretischen und praktischen Kritik der Verhältnisse überhaupt handlungsfähig zu bleiben.

5. Was sollen wir von Marx übernehmen, und warum ist es notwendig, über ihn hinauszugehen?

Wie jede Theorie hat auch die Marxsche ihren „Zeitkern“ (Adorno). Die Reflexion von Marx ging weit über seine Zeit hinaus, und dennoch blieb sie zugleich in dieser Zeit befangen. Diese Befangenheit lässt sich vor allem an vier Punkten festmachen, die einen inneren Zusammenhang bilden. Erstens hielt Marx am geschichtsphilosophischen Paradigma der Aufklärung und ihrer Metaphysik des „Fortschritts“ fest, obwohl er andererseits die aufklärerische Ideologie der „freien“ und „gleichen“ Subjekte der Zirkulation und die damit verbundene Illusion der Politik kritisierte (vor allem der junge Marx). Zweitens kritisierte Marx zwar im Unterschied zu den meisten Marxisten die „abstrakte Arbeit“, aber er blieb dabei zweideutig und beharrte trotzdem auf einem universalistischen, transhistorischen und abstrakt-allgemeinen Begriff der „Arbeit“; auch in dieser Hinsicht zeigt sich das noch nicht überwundene Erbe der Aufklärung und des Protestantismus. Drittens war es gerade der „positive“, modernisierungs-theoretische Marx, der im Sinne einer „Ontologie der Arbeit“ die „Arbeiterklasse“ und den „Klassenkampf“ als Hebel der sozialen Befreiung missverstand, während es sich dabei in Wirklichkeit nur um die Selbstlegitimierung der Träger von „abstrakter Arbeit“ innerhalb des Werts handelte, deren „Kampf um Anerkennung“ als juristische und staatsbürgerliche Subjekte im Kapitalismus eine Bewegung der Integration in das „eiserne Gehäuse“ (Max Weber) der Moderne war, die jede kategoriale Kritik ausschloss. Marx wollte als jener „doppelte Marx“ den „Klassenkampf“ auf Basis der universellen, ontologisierten „Arbeit“ mit der kategorialen Kritik verbinden; aber das musste misslingen, wie die historische Entwicklung von Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung praktisch bewiesen hat. Viertens schließlich konnte Marx als „Mann des 19. Jahrhunderts“ die geschlechtliche Abspaltung nicht als wesentliches Moment der negativen Vergesellschaftung durch den Wert erkennen; auch in diesem Punkt blieb seine Theorie beim androzentrischen Universalismus der Aufklärung stehen. Deshalb ist es nötig, über Marx hinauszugehen; aber nicht, um seine kritische Theorie zu verwerfen, sondern um sie zu transformieren und eine neue, weiter gehende Theorie zu entwickeln, die der heutigen planetarischen Krise gerecht wird.

6. In welchem Sinne kann man behaupten, dass wir Gefangene des Fetischismus sind?

Gefangene des Fetischismus sind wir nun insofern, als unter den herrschenden Bedingungen die Reproduktion unseres gesamten praktischen Lebens an die „unvernünftige Vernunft“ des Waren- und Kapitalfetischs ausgeliefert ist. Der blinde Roboter des „automatischen Subjekts“ zwingt uns, an unserem eigenen Untergang zu „arbeiten“. Die betriebswirtschaftliche Rationalität untergräbt die menschlichen Lebensgrundlagen, indem sie permanent Kosten „externalisiert“ und dabei die Biosphäre in wachsendem Ausmaß zerstört. Aus demselben Grund werden unabhängig von materiellen und sozialen Bedürfnissen menschliche wie sachliche Ressourcen stillgelegt, sobald sie dem fetischistischen Kriterium der Kapital-Rentabilität nicht mehr genügen. Obwohl genügend menschliche Fähigkeiten, Produktionsmittel und Wissen vorhanden sind, können sie nicht frei eingesetzt werden, sondern unterliegen den Restriktionen der fetischistischen gesellschaftlichen Form. Die Produktion des „abstrakten Reichtums“ (Marx) führt zur Verarmung der Massen. Das ist jedoch kein äußerer Gegensatz der Interessen, sondern auch die Armen selbst arbeiten an ihrer eigenen Verarmung, indem sie ihre materiellen und sozialen Bedürfnisse nur in der gesellschaftlichen Form des Werts artikulieren, also in der Form des Fetischismus. Dieser Widerspruch, der schon immer in den periodischen Krisen des Kapitalismus zugespitzt und dann wieder durch neue Schübe der Kapitalakkumulation relativ überwunden wurde, erhält in der globalen Krise der dritten industriellen Revolution eine existentielle Dimension, weil es keine tragfähige reale Akkumulation des Kapitals mehr gibt. Entweder der Fetischismus der gesellschaftlichen Form wird durchbrochen, oder das gesellschaftliche Leben wird in immer größerem Ausmaß katastrophisch „stillgelegt“.

7. Was wäre nach Ihrer Ansicht das wesentlich Neue im Buch Anselm Jappes „Die Abenteuer der Ware. Für eine neue Wertkritik“, welches gerade in Brasilien herausgegeben wird?

Wichtig an Anselm Jappes Buch ist auch das Schlusskapitel, in dem er sich mit „falschen Freunden“ auseinandersetzt. Jappe kritisiert in diesem Sinne die verkürzte Kapitalismuskritik in der Antiglobalisierungsbewegung und ihren „Sozialforen“, die das Kapitalverhältnis auf seine aktuelle „neoliberale“ Phänomenologie reduziert und eigentlich bloß zurück will zu keynesianischen Formen der Regulation (oder zu traditionellen sozialistischen Vorstellungen). Ebenso setzt er sich mit neo-utopischen Konzepten eines „geldlosen Austauschs“ auseinander, wie sie (teilweise in Anlehnung an die Arbeiten von Marcel Mauss über die „Gabe“ in vormodernen Sozietäten) in den Ideen über „freie Kooperativen“ und in der Bewegung „free software“ propagiert werden. Dabei wird der Kapitalismus wiederum als bloße Zirkulationsweise oder „Marktwirtschaft“ missverstanden; es handelt sich um unzureichende Ideen einer Zirkulation ohne Warenform, die im Sinne einer Förderung von Nischen-Existenzen der „informellen Ökonomie“ sogar für eine Instrumentalisierung seitens der Krisenverwaltung geeignet sein könnten. Schließlich kritisiert Jappe auch die in den vergangenen Jahren prominent gewordene post-operaistische Ideologie von Michael Hardt und Antonio Negri, die mit ihren Begriffen der „immateriellen Arbeit“ und der „Multitude“ jede kategoriale Kritik verfehlt und als „letzte Maskerade des Traditionsmarxismus“ (Jappe) in postmodernen Kleidern auftritt. Solche Kritiken sind notwendig, denn wie die radikale Wert- und Abspaltungskritik nicht im theoretischen Elfenbeinturm entstanden ist, sondern gewissermaßen im „Handgemenge“ des theoretischen Kampfes um ein neues Verständnis von Kritik, so muss sie sich stets von neuem in diesem „Handgemenge“ bewähren; der Prozess der Theoriebildung kann nur in der (auch polemischen) Auseinandersetzung weitergehen.

8. Das Buch lädt dazu ein, „das Zimmer aufzusuchen, in welchem die Geheimnisse aufgehoben sind, von denen die gesamte Menschheit abhängt“. Was sind das für Geheimnisse, welches Zimmer ist denn das?

Das betrifft auch die Theorie der Geschichte. Denn die vormodernen (agrarischen) Sozietäten hatten ebenso wenig wie die Moderne ein bewusstes, direktes Verhältnis zu sich selbst, zu ihren eigenen Möglichkeiten und Ressourcen. Auch sie wurden durch fetischistisch konstituierte Medien gesteuert, nur durch andere und in anderer Weise. Was in der Moderne der Wert ist, war in der Vormoderne Gott; was in der Moderne das „versachlichte“ metaphysisch aufgeladene Medium von Ware und Geld ist, waren in der Vormoderne metaphysisch aufgeladene Personen als Repräsentanzen Gottes. Der Wert ist nicht Gott und der Kapitalismus nicht die Fortsetzung der Religion mit anderen Mitteln, wie es etwa bei Walter Benjamin erscheint, sondern es handelt sich um eine völlig neue historische Konstitution. Zwischen beiden Welten liegen Abgründe nach einem tiefen historischen Bruch. Und doch kann die radikale Kritik ein negatives Moment der Kontinuität erkennen, nämlich jene Unbewusstheit hinsichtlich eines (jeweils ganz anderen) „stummen Apriori“ des sozialen Lebens und der Reproduktion, das wir allgemein als Fetisch-Verhältnis bezeichnen. Insofern spricht die radikale Wertkritik von einer „Geschichte von Fetischverhältnissen“.

Dieser geschichtstheoretische Begriff ist natürlich unausweichlich selber ein moderner, denn aus unserem historischen Standort können wir nicht hinausspringen. Das ist jedoch eine notwendige Aporie, der jedes geschichtstheoretische Denken unabdingbar unterliegt. Im Gegensatz zur klassischen modernen Geschichtsphilosophie nach Hegel, zu der auch noch der marxistische „historische Materialismus“ gehört, ist die wert- und abspaltungskritische Geschichtstheorie aber keine positive mehr im Sinne einer ontologisch verankerten Metaphysik des „Fortschritts“, die einseitig das „universalhistorische“ Moment der Kontinuität betont, sondern eine negative, die eine Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität ermöglicht. Wir sehen die Geschichte unausweichlich mit modernen Augen, aber mit den Augen der Kritik an dieser Geschichte statt mit den Augen der Affirmation. Diese Kritik geht über die traditionelle marxistische Geschichtstheorie hinaus, die noch ein positives Kontinuum von „Arbeit“ und „Fortschritt“ voraussetzte und damit die bürgerliche Geschichtsphilosophie nur verlängerte. Der negative Begriff einer „Geschichte von Fetischverhältnissen“ impliziert dagegen einen „ontologischen Bruch“ mit aller bisherigen Geschichte, denn mit der Überwindung des modernen Wert- und Abspaltungsverhältnisses wird der Fetischismus überhaupt überwunden. Erst damit wird die Marxsche Aussage eingelöst, dass das Ende des Kapitalismus gleichzeitig das „Ende der Vorgeschichte“ sei.

In der wert- und abspaltungskritischen Geschichtstheorie ist so ein „kritischer Überschuss“ enthalten, der erst die nötige Schubkraft für den Bruch mit der falschen Ontologie der Moderne bewirkt. Die bürgerliche Geschichtstheorie bis hin zur Postmoderne hat zwar inzwischen selber das Kontinuum einer positiven „Universalgeschichte des Fortschritts“ kritisiert, aber nur in einem theoretischen Verfallsprozess, wobei nun ebenso einseitig und undialektisch die Diskontinuität betont wird wie zuvor die Kontinuität. An die Stelle der „Metaphysik des Fortschritts“ ist nur eine umgekehrte „Metaphysik der Kontingenz“ (und der bloßen Diskontinuität) getreten, die natürlich erst recht dem modernen Blick geschuldet und völlig affirmativ ist. Allerdings erfolgt diese Affirmation unter dem Gesichtspunkt der Krise, nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des historischen Aufstiegs der Moderne. Hinter der scheinbaren „Metaphysik der Kontingenz“ lauert eine starre und ahistorische Ontologie, etwa die Ontologie der „Macht“ bei Foucault, wie sie aus der „deutschen Ideologie“ von Nietzsche bis Heidegger übernommen wurde. Der „kritische Überschuss“ im Sinne eines „ontologischen Bruchs“ wird so verfehlt und damit verschwindet letztlich auch das spezifisch-historische Fetischverhältnis der Moderne aus dem Blick.

9. Sind Guy Debords Gedanken zur Gesellschaft des Spektakels noch aktuell?

10. Gibt es in der Gegenwart Beziehungen zwischen der Gesellschaft des Spektakels und den Abenteuern der Ware?