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Uwe Stelbrink

Die Faszination des Irrationalen

Rezension von Stefan Frank: „Die Weltvernichtungsmaschine“, Saarbrücken 2009

Der Autor gilt als Experte für das Geschehen an den Finanzmärkten und als „linker Volkswirtschaftler“. Man darf also gespannt sein, was er an Ursachenforschung und Folgerungen zur aktuellen Systemkrise anzubieten hat. Der wertkritisch geneigte Leser wähnt hoffnungsfroh wie ein automatisches Subjekt Nämliches schon im Begriff Maschine und in der Weltvernichtung das Ergebnis der Systemkollision mit seiner inneren Schranke. Auch du, Stefan Frank? Wer hätte das gedacht. „Es hat erst angefangen, wir werden immer mehr“ sangen dereinst die Flöhe aus der Hauptstadt des rheinischen Kapitalismus.

Der Titel des exakt 200 Seiten starken Paperbacks trägt aber noch einen Untertitel: „Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“. Da möchte der Leser das Büchlein erst gar nicht mehr aufschlagen, ahnt er doch schon die Richtung, aus der Stefan Frank den Wind wehen lassen wird, aber tapfer taucht der Rezensent in den Text.

Zuerst erfahren wir vom Autor, dass er „im Juni 2002 <entschied> (lieber etwas zu früh als zu spät, sagte ich mir), dass es notwendig sei, die Menschheit vor der hereinbrechenden großen Weltkrise zu warnen…“1, wofür Stefan Frank ein weitverbreitetes Politikmagazin auswählte. Satirischer Einstieg? Nein, denn: „Aus Briefen und E-Mails weiß ich, dass viele Leser der Zeitschrift ´konkret´, in der der Text damals erschienen ist, daraufhin ihre Aktien, Anleihen und Devisen in Gold umgetauscht haben, worüber sie heute sehr froh sind.“2 Frank sei Dank, werden die spekulierenden, ansonsten aber straff kapitalismuskritischen Leser von ´konkret´ gebetet haben.

Aber Frank ist undankbar: „Doch die von mir beabsichtigte Wirkung blieb aus.“ Welche Wirkung denn noch? fragt sich der neugierige Leser: „Eine internationale Konferenz zur Erörterung von Strategien gegen die Weltkrise fand nicht statt…“ und „Die Banken nahmen sich meine Warnung ebenfalls nicht zu Herzen…“.3 Da geht es den Menschen wie den Leuten, möchte man den Autor trösten.

Nachdem er uns einführend den Skyscraper-Index vorstellt, demzufolge vor jeder größeren Finanzblase Wolkenkratzer gebaut wurden und werden (eigentlich bräuchten die Wirtschaftsweisen aller Länder nur die Bauanträge gründlich zu studieren…), kommt Frank dann zur Sache. Der Geschichte der großen Immobilienbooms und -crashs seit 1925 folgt die einschlägiger Finanz-und sonstiger Spekulationsblasen, ein ganzes Kompendium „Von der Goldmünze zum synthetischen CDO“ und eine komplette Produktbeschreibung zur „modernen Finanzalchemie“ mit dem tiefere Einsicht bezeugenden Vortitel: „Aus Stroh Gold machen“.

Das alles wird bis in die diversen „Finanzmarktprodukte“ sachkundig und verständlich vorgestellt – und Frank weiß auch um internationale Defizitkreisläufe, um die Wirkungen von Geldentwertung, kreditfinanzierten Scheinkonjunkturen und die Folgen des Zerplatzens der Blasen am Himmel der Warenwelt.

Was erfahren wir über die Ursachen dieser ewigen Abfolge von Finanzkrisen, auf die sich Frank beschränkt? Der Irrationalismus des Systems tritt uns als alleiniges Ergebnis der Irrationalität der Handelnden entgegen: Banker, Versicherer, Spekulanten, Kleinanleger, Politiker und Rating-Agenturen. Alle sind entweder mit Blindheit gegenüber dem geschlagen, was sie tun (das verwundert Frank offensichtlich immer wieder) oder direkt auf Betrug aus (was im Ergebnis keinen Unterschied macht), in jedem Falle beseelt von dem dringenden und angesichts schwindender Wertsubstanz ja verständlichen Wunsch, aus kleinem Geld großes zu machen.

Die ganze Welt ein einziges Spielkasino. Und die Spieler richten in exponentieller Kurve immer größeres Unheil an. Hättet doch wenigstens ihr Spätgeborenen 2002 ´konkret´ gelesen, möchte man ihnen fortdauernd zurufen.

Warum Unmengen freien Kapitals lieber ganztags ins Spielkasino gehen statt in der „anständigen Realwirtschaft zu arbeiten“, wo es offensichtlich nichts Rechtes mehr zu tun gibt, kommt bei Frank nicht einmal als Gedanke vor.

Seit Geld als die „besondere Ware“ die Gesellschaft beherrscht, lebt auch das Bestreben, aus Geld mehr Geld zu machen, gibt es Finanzmärkte und damit die Spekulation – bei Stefan Frank ist das eben so und hat etwa mit der Produktionsweise der Gesellschaft nichts zu tun.

Der detailgetreu geschilderte Irrsinn aus Jahrhunderten ist quasi selbsterklärend – und die Verrücktheit der vielen großen und kleinen Spieler und die Unwilligkeit oder Unfähigkeit der Politiker, anständige Spielregeln zu schaffen, müssen entweder das Spielkasino in die Luft jagen – oder eben immer neue und größere errichten.

Stefan Frank kommt als hellsichtiger Beobachter und Kritiker der Finanzblasenökonomie des Wegs – er bildet sie faktenreich in ihren Mechanismen, Folgen und ihrer inneren Zwangslogik ab. Gesellschaftliche Zusammenhänge, womöglich tiefer liegende, im ganzen System der Wertvergesellschaftung liegende Ursachen sind ihm fremd oder interessieren ihn schlichtweg nicht.

So bleibt ihm denn auf Seite 200 auch nur ein „Lösungsangebot“, das noch im Feuilleton jedes bürgerlichen Mediums willkommene Aufnahme findet: