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erschienen im Neuen Deutschland
am 05.03.2010

Robert Kurz

VON DER EURO-KRISE ZUR WELTWÄHRUNGSKRISE?

Seit mehr als einem Jahr gilt der Staat als Retter in der Not der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. In seiner Eigenschaft als „lender of last ressort“, als Kreditgeber letzter Instanz, hat er überall in der Welt mittels Geldschwemme der Notenbanken, quasi-kriegswirtschaftlicher Megaverschuldung, Rettungspaketen und Konjunkturprogrammen Auffang-Linien gebildet, ohne dass allerdings eine neue autonome Akkumulation des Weltkapitals selbst in Sicht wäre. Der Staat hat jedoch nur eine formale Kompetenz für die Geldschöpfung; substantiell bleibt er an die reale Verwertung des Kapitals gebunden. Alle wissen, dass ein gewaltiges Inflationspotential aufgebaut wird, wenn Staatsprogramme die reale Wertschöpfung ersetzen. Wie setzt sich nun dieses Potential ökonomisch um?

Der drohende Staatsbankrott Griechenlands bildet derzeit das schwächste Kettenglied. Bekanntlich lauern ähnliche Fälle im Hintergrund. Man tröstet sich damit, dass Staaten im Unterschied zu Unternehmen oder Banken nicht wirklich bankrott gehen können. Aber was heißt das? Ein Blick auf die Geschichte zeigt, wie Staatsbankrotte gelöst werden: Entweder entschulden sich die Staaten notgedrungen durch Inflation oder in der Steigerungsform durch einen Währungsschnitt. Da Griechenland aber wie die anderen Euro-Staaten gar keine eigene Währung mehr hat, wird sein Problem zu dem des gesamten Währungsraums. Zunächst verfällt der Außenwert des Euro, gegen den bereits die großen Fonds spekulieren. Das ist keine bösartige Willkür von Finanzhaien, sondern die immanente Konsequenz jeder staatlichen Zahlungsunfähigkeit.

Wenn weitere Fälle folgen, schlägt der Verfall des Außenwerts in den Verfall des Binnenwerts um. Der Grund liegt auf der Hand: Ein in der Luft liegender Währungsschnitt als letztmöglicher „Befreiungsschlag“ der Notenbank zwingt die Unternehmen zur galoppierenden Preiserhöhung, um der Entwertung ihres Warenkapitals zu entgehen. Das ist ein selbstläufiger Prozess, weil sich auf diese Weise der Zwang zum Währungsschnitt verstärken würde. Die Gefahr eines Euro-Crashs ist damit gegeben. Allen gegensätzlichen Beteuerungen zum Trotz müssen die zentralen Euro-Staaten für Griechenland und weitere Bankrott-Kandidaten haften. Wenn sie aber Griechenland stützen, um den Euro zu retten, bringen sie sich in eine ähnliche Lage, da sie selber bereits an die Grenzen ihrer regulären Finanzierungsfähigkeit stoßen. Der berühmte „Vertrauensverlust“ gegenüber dem Bankensystem wiederholt sich gegenüber der Währung. Das ist keine bloß „psychologische“ Angelegenheit, sondern eine Folge harter ökonomischer Tatsachen.

Ein Euro-Crash hätte aber verheerende Wirkung auf die Weltkonjunktur und die übrigen Währungsräume. Eine allgemeine Entwertung von Vermögen und Einkommen durch Inflation oder Währungsschnitt würde nicht nur die Binnenkonjunktur der EU abwürgen, weil die Globalisierung einen weit höheren Grad von Verkettung aller Wirtschaftsräume hervorgebracht hat als in der Vergangenheit. Ohnehin steht den Staatsfinanzen und damit der Währung auch in den USA, Japan und China das Wasser bis zum Hals. Die von angelsächsischer und südeuropäischer Seite ins Spiel gebrachte „kontrollierte Inflation“ von maximal 6 Prozent als gebremste Staatsentschuldung droht aus dem Ruder zu laufen, bevor sie begonnen hat. Wie Griechenland innerhalb der Euro-Zone, so bildet diese als Ganzes aufgrund ihrer fragilen Konstruktion das schwächste Kettenglied im Währungsgefüge der kapitalistischen Zentren. Dass alle Währungen schon jetzt dramatisch gegenüber dem Gold abgewertet sind, ist ein Indiz für die Krise des Geldsystems überhaupt.