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Geschlecht, Differenz und Identität

Über materialistischen Feminismus und Subjektkritik

Der Feminismus beansprucht den Kampf gegen die Gewalt zu führen, die den Einzelnen durch das Geschlechterverhältnis angetan wird. Ausgangspunkt sind die Zurückweisung von gesellschaftlichen Zuschreibungen, Zumutungen und Ausschlüssen, die in der Konstruktion von Geschlecht begründet wurden, und schließlich auch die Absage an dieses Konstrukt selbst. Historisch bedeutete dies zunächst das Streiten von Frauen für Gleichberechtigung und die Selbstermächtigung zum politischen Subjekt, ebenso wie die Kritik von institutionellen Praktiken und den mit ihnen einhergehenden Denkmustern zur Rationalisierung von sozialer Herrschaft. Dies findet seine Zuspitzung in der Frage nach Differenz und Identität durch die zweite Frauenbewegung: Dem Anspruch auf Gleichheit als politisches Subjekt im bürgerlichen Sinne wird die Differenz vom unterdrückenden Patriachat gegenübergesetzt. 

Wiederum zurückgewiesen wird diese Dichotomie im Rahmen des poststrukturalistischen Feminismus, in welchem die Dekonstruktion jedem Biologismus zurückweist und den binären Gegensatz 'männlich-weiblich' als Form sozialer Herrschaft denunziert. Anschließend daran will der new materialism die Materialität der Körper wieder mitdenken, jedoch bedeutet eine materialistische Wende noch keine Gesellschaftskritik. In einem durchaus anderem Verständnis von materialistischem Feminismus gibt es, in feministischer Theorie wie Praxis, auch einen ungebrochenen Bezug auf die Kritik der politischen Ökonomie und die Psychoanalyse, und damit auf die Kritische Theorie in ihrer Anklage des durch die zweite Natur bedingten Leids im Angesichte seiner möglichen Aufhebung. 

In der Tagung wollen wir uns die Frage stellen, wie ein materialistischer Feminismus aussehen kann, der, vor dem Hintergrund der skizzierten Aspekte möglicher Kritik, die Vermittlung von individuellem Leid und geschlechtlicher Identität - in einem kriselnden Kapitalismus - fassen und kritisieren kann. Zentral dafür ist die Diskussion über den Zusammenhang von Identität und Subjektonstitution: Wieviel positiver Bezug auf Identiät ist möglich für Auflehnung gegen eben jenes Unterdrückungsverhältnis, das bekämpft werden soll, oder sind Identitätskategorien überhaupt zu verwerfen?