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Robert Kurz


erschienen im Neuen Deutschland
am 25.07.2011

Robert Kurz

GIFTMÜLLDEPONIEN DES KREDITS

Wer noch einen Rest von Erinnerungsvermögen hat, könnte sich fragen, wo eigentlich die riesigen Massen fauler Kredite geblieben sind, für die man nach dem Finanzcrash 2008 eine möglichst unauffällige Ruhestätte suchte. Abbezahlt worden ist da nichts; im Gegenteil sind die imaginären Verbindlichkeiten weiter angeschwollen. Das Spiel, alte Kredite mit neuen scheinbar zu bedienen, und diese wieder mit neuen, ist im Privatsektor längst ausgereizt. Andererseits durften die berüchtigten „toxischen Papiere“ aufgrund ihrer schieren Masse auch nicht in vollem Umfang abgeschrieben werden, von einigen kosmetischen Operationen der Banken abgesehen. Das hätte ja nach eigenen Aussagen der Finanzgurus die berühmte „Kernschmelze“ des globalen Finanzsystems bedeutet. Bilanztechnisch wurde den Banken erlaubt, ihren Giftmüll auszulagern. Aber auch um die „bad banks“, die mit Hilfe von Staatsgarantien den Zusammenbruch des Schattenbanken-Systems nach dem Platzen der Immobilien-Blase vorläufig auffangen sollten, ist es still geworden.

Offiziell wurde die Hoffnung und Erwartung geschürt, die Staatsgarantien könnten alsbald so viel neues „Vertrauen“ schaffen, dass die längst wertlosen Papiere wieder einen halbwegs anständigen Preis erzielen würden. Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass sich der US-Immobiliensektor, von dem ja die Schockwelle ausgegangen war, kräftig erholt. Davon kann keine Rede sein. Die Staatsgarantien wurden aber auch nicht fällig. Das durfte einfach nicht sein, weil sich sonst die „Kernschmelze“ über den Umweg der Staatshaushalte vollzogen hätte. Wo also sind die hochgiftigen Abfälle des Finanzsystems geblieben? Es wurde tatsächlich ein Endlager gefunden, nämlich die Notenbanken. Diese überschwemmen bekanntlich derzeit die Welt mit Dollars, Euros usw., um die eigentlich klinisch tote Weltwirtschaft zu beatmen. Offiziell werfen sie das Geld noch nicht aus dem Hubschrauber ab, sondern geben es den Geschäftsbanken als Kredit; allerdings zu Niedrig- oder sogar Nullzinsen. Wie bei jedem Kredit müssen die Banken dafür „Sicherheiten“ hinterlegen. Und worin bestehen diese inzwischen? In eben jenen Massen von Giftmüll-Papieren, die von den Notenbanken mit Kusshand genommen werden, als handelte es sich um die Kronjuwelen.

Es sind noch keine drei Jahre seit dem Crash der Finanzmärkte vergangen, und schon geht in immer mehr Ländern auch den Staatsfinanzen die Luft aus, weil sie im Zuge der Antikrisenpolitik überstrapaziert wurden. Im Grunde genommen wiederholt sich bei den Staatspapieren dieselbe Entwicklung wie bei den privaten Finanzpapieren. Ein wachsender Teil der kaum noch bedienbaren Schulden wurde in Schattenhaushalte ausgelagert. Immer mehr Staatsanleihen verwandeln sich in Giftmüll wie zuvor die Immobilien-Hypotheken. Und dafür werden die Notenbanken ebenfalls dankbare Abnehmer. Die Asiaten kaufen immer weniger US-Papiere? Macht nichts, die US-Notenbank selber fragt sie nach wie Getreide bei einer Hungersnot. Auch die europäische Staatsschuldenkrise hätte sich trotz aller Rettungspakete noch mehr zugespitzt, würde die Europäische Zentralbank nicht längst wertlose Anleihen der Krisenstaaten en gros aufkaufen. Ausgerechnet die Notenbanken, die angeblichen Gralshüter der finanziellen Stabilität, sind zu Giftmülldeponien des globalen Finanzsystems geworden. Das ist deswegen die Endlagerstätte, weil es dahinter keine Instanz mehr gibt, die ihrerseits die Notenbanken von ihrer Last erlösen könnte. Die Fassade der Normalität, die seit 2008 hochgezogen wurde, besteht in der abenteuerlichen Politik einer Geldschöpfung auf der „Sicherheitsbasis“ fauler Kredite.




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