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EXIT!-Seminarprogramme


Einladung zum Exit!-Seminar 2012
vom 5. - 7. Oktober in Enkenbach (Pfalz)

Die Krise des Geldes und seiner Subjekte

Der seit etwa 40 Jahren – spätestens mit dem Ende des Bretton-Wood-Systems – sich abzeichnende Niedergang des allgemeinen Äquivalents wird in der bürgerlichen Öffentlichkeit nicht oder nur ideologisch gebrochen wahrgenommen. Das liegt auch daran, dass sich eine adäquate bürgerliche Theorie dieses gesellschaftlichen Mediums eben deswegen nie hat entwickeln können, weil es im Zentrum des Warenfetischismus angesiedelt ist. Die daraus resultierenden falschen Vorstellungen vom Geld können – ebenso wie das fehlende Wissen um die Genese bürgerlichen Denkens aus dem Geld – gravierende Auswirkungen auf den weiteren Verlauf seiner Krise haben: Die emanzipatorische Perspektive droht von verkürzter Kapitalismuskritik und dem mit ihr verbundenen strukturellen oder gar offenen Antisemitismus verstellt zu werden.

Freitag, 5. Oktober

19.00 – 21.30
Claus Peter Ortlieb: Die Krise des Geldes
Workshop auf Grundlage des Buches von Robert Kurz: Geld ohne Wert

Dies wurde jedoch keineswegs so wahrgenommen, sondern die Krisenpotenz dieses Vorgangs und dessen Verweis auf eine totale Selbst-Entwertungstendenz des Kapitalismus weitgehend ignoriert. Wissenschaft und Alltagsverstand konnten und wollten durch ihr positivistisches Wahrnehmungsraster hindurch nur eine nunmehr eben veränderte monetäre »Tatsache« erkennen; das Geld schien sich einfach von seiner Substanz und (oberflächlich betrachtet) metallischen Fundierung gelöst zu haben, um nun jenseits jeglicher Golddeckung munter weiter zu funktionieren. So war das nun eben. Umso besser für die Expansion des Kredits und den hinsichtlich seiner Geldmaterie von lästigen Hemmungen befreiten Kapitalismus.“ (Robert Kurz: Geld ohne Wert)

Mit weltweit ca. 100 Billionen Dollar im Finanzhimmel kreisenden Anlagevermögens, dem keine realen Werte mehr gegenüberstehen, ist die Krise auch des Geldes inzwischen manifest geworden, auch wenn von Wirtschaftswissenschaftlern aller Couleur weiterhin versucht wird, diesen Sachverhalt in eine bloße »Vertrauenskrise« umzudeuten.

Kap. 17 des Buches „Geld ohne Wert“ setzt sich unter der Überschrift „Die doppelte Entwertung des Werts. Auf dem Weg zur historischen Krise des Geldes“ sowohl mit dem Niedergang des Geldes als auch mit der Weigerung des positivistischen Mainstreams auseinander, diese Entwicklung wahrzunehmen. Auszüge aus diesem Kapitel sollen vorgestellt und gemeinsam diskutiert werden.

Samstag, 6. Oktober

10.00 – 12:30
Georg Gangl: Geld und Zeichen. Eine kleine Ideologiegeschichte

Diese Kritik ist auch heute noch gegen die modernen ZeichentheoretikerInnen des Geldes hochzuhalten, auch wenn die Marxsche Kulanz gegenüber den ideologiekritisch-aufklärerischen Aspekten der Geldkritiken des 18. Jahrhunderts gegenwärtig nicht mehr angebracht scheint. Denn eine Betonung des Konstruktionscharakters des Geldes geht in der kapitalistischen Ideologiegeschichte nur allzu leicht einher mit dem Benennen von angeblichen Schuldigen, die mit ihren vorgeblichen Machinationen das so wichtige Vertrauen in „unsere“ Konstruktion namens Geld arglistig hintertreiben.

Im Vortrag soll es schwerpunktmäßig um moderne Formen der Zeichentheorie des Geldes gehen, die von einem linguistisch-semiotischen Standpunkt aus argumentieren. Ausgang nimmt diese Art der Geldtheorie von Ferdinand de Saussures Linguistik. Als solche hatte sie zu Marxens Zeiten noch keinen Bestand, aber seine Kritik an der Willkürlichkeit der Zeichentheorien seiner Zeit scheint auch in diesem Fall treffend zu sein. In dieser Hinsicht ist nicht nur De Saussures Verhältnis zu Vilfredo Pareto von Interesse, sondern auch die späteren Weiterentwicklungen dieses ideologischen Gepräges in den Theorien von Jean Baudrillard, Jacques Derrida und Micheal Hardt und Antonio Negri. Dabei sollte klar werden, dass diese „linke“ Form der Geldtheorie und -kritik mit ihrem rechten Gegenpart mehr gemein hat als ihr selbst lieb sein kann und dass sie, akzeptiert bis weit in den bürgerlichen Mainstream, zu nichts Anderem führt als der sozialdemokratischen Illusion einer „demokratischen Kontrolle der Währung“.

Mittagspause

15.00 - 17.30
Peter Bierl: Einige gute Aktionen, neunundneunzig Prozent falsche Analysen.
Eine Zwischenbilanz zur Occupy-Bewegung

Statt einer sozialdemokratischen Einhegung des Kapitalismus stehen der direkte Anspruch auf Gebrauchswerte und eine direkte Demokratie im Vordergrund. Anstelle des Gipfelhopping der Globalisierungskritiker engagieren sich spanische „Empörte“ ebenso wie Occupy in den USA in Alltagskämpfen: gegen den Abbau von Gesundheitszentren und Bildung, gegen Polizeiterror gegen illegale Einwanderer (Spanien), gegen Zwangsräumungen und Zwangsversteigerungen von Häusern, für Gewerkschaftsrechte (USA). Ihre Methoden sind die direkte Aktion und der zivile Ungehorsam. Das sind erfreuliche Aspekte. In Deutschland dagegen beschränkte sich Occupy aufs Zelten, obskure Gruppen wie die Zeitgeist-Bewegung und die marktradikalen Anhänger der Zinstheorien Silvio Gesells mischen mit.

Occupy pflegt wie viele Linke und Globalisierungskritiker einen regressiven Antikapitalismus. Dazu gehören falsche Vorstellungen von einem Gegensatz zwischen Finanzkapital und „Realwirtschaft“ und dass gierige Banker und Börsianer für alle Übel der Welt verantwortlich wären, was einem verbreiteten Unbehagen in der Bevölkerung entspricht und nach rechtsaußen anschlussfähig ist. Praktisch drückt sich das in Camps im Frankfurter Bankenviertel oder an der Wallstreet aus. Der Anthropologe David Graeber verstellt eine stringente Kritik des Kapitalismus schon im Ansatz, insofern er die Marxsche Werttheorie verwirft. Stattdessen entwickelt er konfuse Vorstellungen über Schulden und Schuldenerlass. Geben-und-Nehmen in Familie, Nachbarschaft, Dorf und Stadtviertel gilt ihm als Kommunismus und zusammen mit Warentausch und Hierarchien als Basis menschlichen Zusammenlebens. Solche Verklärungen schätzt das bürgerliche Feuilleton und feiert Graeber als Mastermind der Bewegung.

In dem Vortrag sollen die Occupy-Bewegung und ihre länderspezifischen Ausprägungen, Aktionen und Strukturen skizziert und die Diagnosen und Perspektiven der Bewegung, ihrer Vertreter und Bezugspersonen kritisch analysiert werden.

19.00 - 20.00
Mitgliederversammlung des Exit!-Vereins

Sonntag, 7. Oktober

10:00 – 12:30
JustIn Monday: Money makes the mind go round.
Spekulationen zur Frage, welche Form der Erkenntnis in der gegenwärtigen Krise zerfällt

Im wesentlichen blieb es bis Keynes bei dieser Konstellation. Einerseits verlängerte dieser die liberale Linie, weil er in „Die wesentlichen Eigenschaften von Zins und Geld“, dem einschlägigen Kapitel in seinem epochemachenden Hauptwerk, Geld ebenfalls als naturwüchsig voraussetzt. Was verwundert, denn immerhin soll es sich dabei um die „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ handeln. Gleichzeitig beendete er die liberale Linie aber auch, weil er diejenigen Eigenarten des Geldes herausarbeitete, die es von allen anderen Waren unterscheidet. Betont wurde nicht mehr seine Allgemeinheit, herausgestellt wurden vielmehr seine Spezifika. Dies lief auf nichts anderes hinaus als aufs bewusste Ende des laissez-faire. Darauf, die geldpolitische Kontrollierbarkeit der Gesetze der Wertform unmittelbar evident zu machen, nachdem die Weltwirtschaftskrise die Notwendigkeit, dies zu tun, auf die Tagesordnung gesetzt hatte.

Das allgemeine Äquivalent, das permanent gegen seinen eigenen Realismus verstoßen hatte, weil es in der Realität immer auch nationale Währung war, verwandelte sich so in nationale Währungen, die nur Bestand haben konnten, solange die nun wesentlich gewordene Geldpolitik es ihnen ermöglichte, als allgemeines Äquivalent erhalten zu bleiben. Das Geld als nationale Währung ist seitdem das Ebenbild jener gesellschaftlichen Konstruktion, als die das Erkenntnissubjekt in den Sozialwissenschaften von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an bis heute behandelt wird. Aus der „baren Münze des Apriori“ (Alfred Sohn-Rethel) wurde das Gehalt der Angestellten des Bretton-Woods-Systems, deren erkenntnistheoretischer Relativismus dem System der Wechselkurse entspricht, dass sie verwalten. Seit dem Zusammenbruch des Systems noch zwanghafter als zuvor. Sie scheitern an der Reflexion der herrschaftlichen Genesis dieser Konstruktionen mit der gleichen Notwendigkeit wie ehemals der Liberalismus an Wertform und Geld sowie die idealistische Erkenntniskritik an derjenigen des autonomen Subjekts.

Weil zudem die geldpolitische Kontrollierbarkeit der Gesetze der Wertform aber nicht gegeben ist, musste und muss das Geld im Übergang von nationaler Währung und allgemeinem Äquivalent (und zurück) ausgetrieben werden, als sei es vom Teufel. Die unmittelbare Variante hiervon ist die esoterische Geldkritik, die in den letzten Jahren deutlich an Verbreitung gewonnen hat. Ihre grausame Verallgemeinerung ist der Antisemitismus, in dem die tatsächliche Unkontrollierbarkeit der vermeintlichen Übermacht der Juden zugeschoben wird. Er entsteht auch heute wieder im Zerfall der Erkenntnisform des Subjekts in der Krise. Diesmal aber, in seiner antizionistischen Variante, als Symptom der Unhaltbarkeit der zivilen Institutionen des Weltkapitals.

Zum Tagungsort Haus Mühlberg (Tagungs- und Freizeitstätte der Ev. Kirche der Pfalz), Anreisebeschreibung

Am Mühlberg 17

67677 Enkenbach-Alsenborn (Ortsteil Enkenbach)

Tel.: 06303 - 2337

Vom Bahnhof kommend erreicht man das Haus Mühlberg zu Fuß in ca. 10 Minuten: man verlässt den Bahnhof nach links, an der Hauptstrasse wieder links über einen Bahnübergang und einen Kreisverkehr hinweg; ca. 200 m nach dem Kreisverkehr (der mit einem Elefanten aufwartet) links den Berg hoch (Haus Mühlberg ausgeschildert).

Mit dem Auto von der Autobahn kommend fährt man bis zur Kreuzung mit Ampel in der Ortsmitte, dort rechts und dann weiter über besagten Bahnübergang und Kreisverkehr.

Teilnehmerkosten pro Person mit Übernachtung und Verpflegung
Freitag bis Sonntag:

Doppelzimmer o. Dusche/WC (auf dem Flur): 105 Euro

Einzelzimmer o. Dusche/WC (auf dem Flur): 110 Euro

Doppelzimmer m. Dusche/WC: 110 Euro

Einzelzimmer m. Dusche/WC: 120 Euro

Teilnahme nur am Seminar: Tagungsbeitrag 15 Euro

Ermäßigung

Anmeldung:

Claus Peter Ortlieb für die EXIT!-Redaktion



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