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exit!-Seminar 2020

09.-10.10.2020 in Mainz

Der Kollaps der Modernisierung heute

Nach dem Finanzcrash 2008, mit dem auch in der Linken kaum jemand gerechnet hatte, machte sich zunächst eine allgemeine Panik breit. Die Angst vor dem „Kapitalkollaps“ (Tomasz Konicz) ging um. Es wurden Rettungspakte für Banken geschnürt, und die EZB versuchte durch Niedrigzinspolitik die Wirtschaft in Gang zu bringen. Schon bald erschien es vielen (zumindest hierzulande) so, als hätte man die Situation wieder im Griff.

Die Flüchtlingsbewegungen bedrohten sodann dieses Gefühl einer wiedergewonnenen Stabilität. Prompt schossen wieder einmal rechte Bewegungen (Pegida, AfD usw.) ins Kraut. „Corona“ steht dabei 2020 für einen neuen Krisenschub, wobei dieses Virus nicht als Ursache, sondern nur als Beschleuniger der fundamentalen Krise zu betrachten ist. Auch ansonsten zischt und lodert es – auch unabhängig von Corona – an allen Ecken und Enden der Welt.

Robert Kurz hatte im „Kollaps der Modernisierung“ (1991) prognostiziert, dass nach dem Niedergang des Ostblocksozialismus die „Krise der Weltökonomie“ folgen werde. Diese Prognose hat sich mehr als bestätigt.

Eigentlich sollte das Seminar zu diesem Thema erst 2021 stattfinden, dann wird das „Kollapsbuch“ nämlich 30 Jahre alt. Die galoppierende Krisenentwicklung hat uns allerdings dazu bewogen, es bereits in diesem Jahr zum Schwerpunkt zu machen und im nächsten Jahr noch ein Nachfolge-Seminar zu veranstalten: „Der Kollaps der Modernisierung heute II“. Aspekte, die wir dieses Jahr behandeln wollen sind: „Das Ende des Westens und Corona“ und der „Kollaps der ökonomischen Kategorien“. Weiterhin erfolgt eine Kritik des Manifests „Feminismus für die 99%“, das der Krise mit weithin traditionell marxistischen Einschätzungen begegnet.

Wir bitten um Verständnis, dass das diesjährige Seminar coronabedingt nur im internen Kreis stattfindet und wir keine weiteren Anmeldungen entgegen nehmen können. Auch findet es nur von Freitag auf Samstag statt und wir haben die Referate auf drei reduziert. Die Mitgliederversammlung vom Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften e.V. findet am Samstag, den 10. Oktober, um 09 Uhr jedoch öffentlich statt. Aufnahmen der Referate und Diskussionen werden wie üblich ins Internet gestellt.

Freitag,09.10.2020 ab 16 Uhr Anreise

Freitag, 09.10.2020, 19–21 Uhr: Tomasz Konicz - Der Tod des Westens und Corona

Im Rahmen des Vortrages soll der Zusammenhang zwischen den aktuellen geopolitischen Zerwürfnissen zwischen den USA und Europa und dem historischen Krisenprozess des kapitalistischen Weltsystems beleuchtet werden. Der Zerfall des Westens als eines einigermaßen kohärenten Bündnissystems unter der Hegemonie der USA wird dabei auf die Erschöpfung der neoliberalen Methoden der Krisenüberbrückung – der Globalisierung und der damit einhergehenden globalen Defizitkreisläufe – zurückgeführt.

Der Referent wird sich bemühen, gerade den Wirtschaftsnationalismus der Regierung Trump als eine der Ursachen für die beschleunigte Erosion der amerikanischen Hegemonie darzustellen. Der Protektionismus Washingtons nimmt den westlichen Bündnispartnern nicht nur die ökonomische Motivation, die Hegemonie der USA hinzunehmen, er dürfte auch mittelfristig die Stellung des US-Dollar als Weltleitwährung gefährden, so die zentrale These des Referats.

Somit soll im Verlauf der Ausführungen der Frage nachgegangen werden, inwiefern Parallelen zwischen der derzeitigen Krise und dem Krisenverlauf bei der Durchsetzungskrise in den 30er Jahren des 20 Jahrhunderts gegeben sind. Droht – in Wechselwirkung mit der Pandemie – ein Kollaps der Globalisierung, der zur Fragmentierung der Weltwirtschaft in konkurrierende Wirtschaftsräume führen würde? Oder sind solche historischen Bezugnahmen angesichts des ungeheuren Krisenpotenzials im 21. Jahrhundert für die Krisenanalyse eher hinderlich?

Samstag, 10.10.2020, 09–10 Uhr: Mitgliederversammlung Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften e.V.

Die Mitgliederversammlung des Vereins für kritische Gedellschaftswissenschaften e.V. ist offen für alle Vereinsmitglieder. Die Einladung finden Sie hier.

Samstag, 10.10.2020, 10–12 Uhr:Knut Hüller - Zum Kollaps ökonomischer Begrifflichkeit

Bedurfte es noch eines Beweises, wie labil die spätkapitalistische Ordnung geworden ist, dann erbrachte ihn Covid-19. Sichtbar zerfallen ideologische Grundlagen dieser Ordnung, indem der „böse Staat“ unter allgemeinem Beifall flächendeckend die „gute Wirtschaft“ rettet.

Das führt offen das bürgerliche Ideal der freien Konkurrenz ad absurdum. Weniger offensichtlich stellt es die marxistische Analyse vor die Frage, wie sich das Explodieren von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit (alias: Schrumpfen der Arbeit) mit einer Geldflutung der „Wirtschaft“ verträgt. Woher kommt „das viele Geld“ überhaupt? Ist es womöglich „Geld ohne Wert“, also etwas, das es nach klassischer wie marxistischer Analyse gar nicht geben dürfte?

Es ist daher höchste Zeit, sich mit der Schlüssigkeit der Basis(!)kategorien ökonomischer Klassik zu befassen. Vielen von ihnen gelang es, über das Werk von Marx und den Marxismus bis in die Gegenwart und in die Wertkritik hinein zu überkommen. Wie aber kann man den positiven Begriff von „Arbeit“ infrage stellen und zugleich mit ihrer klassischen Darstellung als Summe dreier Positiva (C+)V+M operieren? Wie kann man die (u.a.) durch den Dualismus von Tauschwert und Gebrauchswert geprägte Warenform infrage stellen, aber die Komponente „Gebrauchswert“ als – selbstgenügsam alleinstehendes – Positivum behandeln? Wie ist noch Wachstum der 'Wertsubstanz' Arbeit möglich, sobald die kapitalistische Produktionsweise alle Regionen der Erde und alle Schichten der Gesellschaft erfasst hat?

Gegenstand des Vortrags wird weniger die ökonomische Wirklichkeit sein als die verbogene Begrifflichkeit, mit der klassische und marxistische Theoretiker diese Realität erfassen bzw. vernebeln woll(t)en. Gerade dies aber soll zumindest einen Teil dieser Realität sichtbar machen. Als Rahmen werden die endlosen Debatten um den Fall der Profitrate und um die eng damit zusammenhängende Frage nach der Rolle des Geldes dienen; ein Text des Referenten zu diesen Themen in Buchumfang steht auf der Exit!-Homepage.

Samstag, 10.10.2020, 13–15 Uhr: Roswitha Scholz - Frauenkampf = Klassenkampf als Antwort auf die fundamentale Krise? Geschlecht wieder einmal als Nebenwiderspruch!? Eine Kritik des Manifests „Feminismus für die 99 %“

Nach der Zeit eines dekonstruktivistischen Feminismus bestimmen seit den Krisenschüben Ende der 1990er Jahre (Krise der Kleinen Tiger, Etablierung von Hartz-IV, Finanzmarktkrise 2008 ff. u. a.) in den letzten Jahren marxistisch-materialistische Ansätze den feministischen Diskurs. Je mehr sich der „Kollaps der Modernisierung“ (Robert Kurz) seither zeigt, desto mehr droht das Pendel gar in eine vulgärmarxistische Richtung umzuschlagen. Zugespitzt wird das m. E. in dem Manifest: „Feminismus für die 99 %“ von Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser deutlich, dessen Kritik Thema dieses Vortrags sein soll, in dem etwa Rasse, Klasse, Geschlecht nur oberflächlich, vermeintlich gleichberechtigt, miteinander vermittelt werden. Die darin vertretene Position läuft so einfach auf einen androzentrischen Kapitalismus als Master-Komplex hinaus, ohne dem Anderem des Kapitalismus als solchem wirklich Rechnung zu tragen. Ebenso wird Naturbeherrschung nur einem allein auf das „Plusmachen“ ausgerichteten Kapitalismus und seinen Agenten zugeschrieben. In diesem Sinne soll an diesem „feministischen“ Manifest nicht zuletzt kritisiert werden, dass das asymmetrische Geschlechterverhältnis, aber auch Rassismus, Homophobie usw. wieder einmal zu Nebenwidersprüchen gemacht werden, wie vormals schon in marxistisch-traditionellen Konzepten. Dies wird in der folgenden Kritik u. a. Thema sein.

Zum Tagungsort

Jugendherberge Mainz
Otto-Brunfels-Schneise 4
55130 Mainz
Telefon 06131/85332

mainz@diejugendherbergen.de
http://www.diejugendherbergen.de/jugendherbergen/mainz/mainz/portrait/

Anreise

Mit der Bahn: Mainz ist EC- und IC-Station. Vom Hauptbahnhof Buslinien 62 und 63 in Richtung Weisenau-Laubenheim, Haltestelle „Am Viktorstift/Jugendherberge“.
Mit dem Pkw: Über Autobahnring A60 Mainz-Darmstadt, Abfahrt Weisenau/Großberg in Richtung Innenstadt/Volkspark.

Teilnahmekosten pro Person mit Übernachtung und Verpflegung

Freitag bis Samstag:

Vierbettzimmer mit Dusche/WC: 36,50 Euro (14 Plätze)
Einzelzimmer m. Dusche/WC: 48,50 Euro (11 Plätze)
Teilnahmebeiträge bitte nicht vorher überweisen, sondern in bar mitbringen.

Teilnahme nur am Seminar: Tagungsbeitrag 15 Euro
Teilnahme nur am Seminar, inkl. Vollpension: 30 Euro

Es stehen bis zu 25 Plätze zur Verfügung.

Wer nicht im Haus übernachtet, aber bestimmte Mahlzeiten dort einnehmen will, gebe bitte bei der Anmeldung an, welche (Frühstück, Mittagessen, Nachmittagskaffee, Abendessen).

Teilnehmer, die nicht in der Jugendherberge übernachten wollen, bitten wir, sich selbst um eine externe Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern. Die Jugendherbergsleitung hat uns das Hotel Stiftswingert (Am Stiftswingert 4; Tel. 06131-982640) und das Ibis-Hotel (direkt am Südbahnhof; Holzhofstr. 2, Tel. 06131-2470) empfohlen; von beiden ist das Tagungshaus gut zu Fuß zu erreichen; man muss jeweils mit ca. 50 € pro Nacht rechnen.

Ermäßigung: Wer sich den TN-Beitrag nicht leisten kann, muss deswegen nicht auf das Seminar verzichten: Bitte sprecht uns in diesem Fall bei Eurer Anmeldung wegen einer Ermäßigung an!

Roswitha Scholz für die exit!-Redaktion