Krise und Kritik der Warengesellschaft |
DIE
SCHULE DES BELLIZISMUS
Einer der übelsten unter den vielen Orwellschen Begriffe, wie sie die höheren Lehranstalten ihren Zöglingen einimpfen, ist derjenige der "Sachlichkeit". Wenn im scheinheiligen Diskurs des affirmativen, die westlichen Werte anhimmelnden ideologischen Denkens dieses Wort fällt, sollte man nach der Waffe tasten, sofern man eine hat. "Zur Sache" heißt nur eines: den eisernen Rahmen bürgerlicher "Notwendigkeiten" nicht bloß anerkennen, sondern immer schon als die beste aller Welten voraussetzen. Nie zugeben, daß die Sache selber durch und durch ekelhaft ist. Die Sachlichkeitsideologie ist die Mutter aller Verlogenheit. Davon muß die Rede sein, wenn die Sache des antideutschen Linksbellizismus verhandelt wird, wie er sich heute in unterschiedlichem Grad und Ausmaß eines Großteils der ehemals linksradikalen Presse in der BRD bemächtigt hat. Ausgehend vom harten Kern um die Zeitschrift Bahamas, wird der Bellizismus redaktionell vertreten in der Wochenzeitung Jungle World, augenzwinkernd goutiert im Monatsmagazin Konkret und redaktionell geduldet oder publizistisch beherbergt in den Zeitschriften Blätter des Informationszentrums 3. Welt (iz3w) sowie Phase 2. In diesen Medien wird der kapitalistische Weltordnungskrieg unter Führung der letzten Weltmacht USA nicht nur projektiv auf die deutschen ideologischen Verhältnisse reduziert; es wird auch so getan, als stünden hier einsame Rufer in einer deutschen publizistischen Wüste des "Antiamerikanismus". In Wahrheit haben sich Teile der deutschen Medien (ebenso wie große Teile der deutschen Politik und vor allem des Managements) in Treue fest hinter die US-Militärintervention im Irak gestellt, allen voran das Börsenkampfblatt Wirtschaftswoche und das alte antikommunistische Springer-Hetzblatt Die Welt. Die hardcore-bellizistischen Bahamas haben das auch offen anerkannt: "Der Kriegskurs der USA gegen das Regime von Saddam Hussein wurde vorbehaltlos und argumentativ unterstützt...Die Welt hebt sich so entschieden vom Meer der Freunde des falschen Friedens ab..." (Bahamas 41/2003). Die antideutsch-linksbellizistische Presse steht also nicht in heroischer Einsamkeit gegen "die" Deutschen und ihre gleichgeschalteten Medien, wie sie sich selbst stilisiert, sondern fest an der Seite der übelsten reaktionären Kräfte in Deutschland. Ihre Botschaft kommt auf derselben Wellenlänge wie die der ultra-neoliberalen, wirtschaftsradikalen und im "atlantischen" Sinne rechtskonservativen deutschen Blätter. Und die Jungle World hat sich ihren neuen Namen als Kinder-"Welt" der bellizistisch beeinflußten linken Szene redlich verdient. Leise rieselnd, aber nachdrücklich, ist über diese Presse seit dem 11. September eine proimperiale "Befreiungs"-Ideologie eingesickert, die ausgerechnet der High-Tech-Killermaschine der letzten kapitalistischen Weltmacht USA emanzipatorische Qualitäten andichten möchte und diese prachtvolle Idee beim Irak-Feldzug in einer "linken" Variante des embedded journalism zelebriert hat. Zwar ist bis jetzt kein Vertreter dieses Denkens persönlich in einem Abram-Panzer mitgefahren, aber die historische Perspektive aus der Sichtluke dieses technisch einwandfreien Fahrzeugs haben sich einige Redaktionen und zahlreiche Autoren weitgehend zu eigen gemacht. Außer dem Antisemitismus (und dicht daran angeschlossen, wenn auch in scheinbar diametraler Entgegensetzung) ist das in der Tat die letzte Perspektive des bürgerlichen Aufklärungsdenkens an den Grenzen des modernen warenproduzierenden Fetisch-Systems. Die bewaffnete Geldvernunft des Marktradikalismus und die bewaffnete Bluts-Irrationalität der antisemitischen Krisenreaktion treffen sich jenseits der zu Ende gegangenen historischen Entwicklungsbewegung des Kapitals in der perspektivlosen Gewaltsamkeit, in der sich die unlösbaren Widersprüche entladen. Und die antideutschen Linksbellizisten fallen auf die Warenvernunft mit der Illusion zurück, es könne hier noch einmal eine "bessere" Seite positiv besetzt werden. Aber der endemische Wahnsinn der Aufklärungsvernunft läßt sich auf keiner Seite mehr in die Flasche zurückbannen, weil es keinen basalen Entwicklungsschub der "abstrakten Arbeit" mehr gibt. Den Panzerketten-Vordenkern folgt ein ideologisch eingeseiftes Fußvolk aus dem ehemaligen Antifa-Spektrum, gewissermaßen die geistige Infanterie des "linken" proimperialen Bellizismus. Und die Frage ist, wie so etwas überhaupt diskursiv funktioniert und in der Maske einer "linken" Sachlichkeit ausagiert werden kann. Mit feinen Unterschieden allerdings, die zur spezifischen Tücke dieses Subjekts gehören. Natürlich lassen sich einige gemeinsame ideologische Grundmotive des linksbellizistischen oder bellizismusfreundlichen Spektrums durchaus beschreiben. In der (weitgehend verleugneten) Weltkrise des modernen warenproduzierenden Systems besinnt man sich positivierend auf seine eigene kapitalistische Subjektform, erinnert sich lebhaft und mit einem gewissen Sentiment an das sogenannte Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft, beschwört den "zivilisationsschaffenden" Charakter des imperialen Zentrums USA und kehrt heim zu den Essentials der konstitutiven bürgerlichen Aufklärungs-Ideologie des 18. Jahrhunderts. Das ist die wohlige Vereinigung mit dem Mainstream des globalisierten neoliberalen Bewußtseins, auf dem Weg heim ins ideelle Weltreich der Warenvernunft, gerade weil reell fast gar nichts mehr geht außer Militärinterventionen. Und die Barbaren müssen leider draußen bleiben, das sind ungefähr fünf Milliarden verslumte Antisemiten, oder etwa nicht? Ganz davon abgesehen denkt sich das linksbürgerliche Stammhirn sowieso ganz spontan, daß es nie schaden kann, auf der stärkeren Seite zu stehen. Da läßt sich’s leichter räsonieren. Proletariat und Sowjetmacht sind futsch, aber wenigstens gibt’s noch das Pentagon. Und schon zieht die neue Zeit wieder mit uns, samt Glücksversprechen und allem. Als radikale Kritik verpackt man das, indem man eine neue deutsche oder eurasische Weltgefahr erfindet, eine sagenhafte virtuelle Negativ-Supermacht, die an der Seite des Großherzogtums Luxemburg den US-Militärapparat herausfordert, den letzten Garanten der "Zivilisation", dem in seiner Bedrängnis natürlich heftig beigestanden werden muß. Außerdem sind die Iraker, die Al-Kaida-Islamisten und überhaupt "die Moslems da unten" die besten Deutschen, die es je gab. Alles ist eins und ein einziger Beweis dafür, daß "das deutsche Wesen sich in Gestalt des moslemischen Selbstmordattentäters" (Bahamas-Erklärung vom 17.9.2001) nur ein wenig drapiert hat. Und schon hat die antideutsche Ideologie fast alles auf der Reihe, oder fehlt da noch irgendwas? Aber nicht darum soll es hier gehen. Nicht um theoretische Inhalte, nicht um einen Streit über die Wahrheit. Die bürgerliche "Sache" ist eben nie der Inhalt, und schon gar nicht die Wahrheit. Zwar gibt es irgendwie den Inhalt, aber in fetischistischen Gesellschaften, und ganz besonders in der modernen Waren-"Zivilisation", gilt es als unanständig, ihn direkt zu benennen, weil er meistens so schmutzig ist. Man hat gewisse sachliche Schmutznotwendigkeiten, aber man redet nicht darüber. Oder jedenfalls nur so, wie der katholische Religionslehrer den Geschlechtsakt, den zumindest er selbst für schmutzig hält, bekanntlich am Beispiel der Bienen und Blumen erklärt. Es ist die hohe Kunst des bürgerlichen Journalismus, alles so zu sagen, daß gewisse Notwendigkeiten rüberkommen, ohne allzu dreckig zu erscheinen. Und speziell für den linksbürgerlichen Journalismus ist es eine noch höhere Kunst, sich gerade in der Form der Kritik virtuos auf die Seite der Macht zu schlagen, also eine möglichst raffinierte "Verkaufe" zu entwickeln, die ein Publikum bei der Stange hält, das eigentlich etwas ganz anderes wollen können möchte, aber sich doch ganz gern leimen läßt, weil es auf die Mechanismen der Warenvernunft konditioniert ist. Ein wichtiger Punkt bei diesem Spiel ist es, daß die eigentliche "Sache" der bürgerlichen Gesellschaft statt des Inhalts immer schon die Form ist. Der Inhalt gilt an sich als Schmutz, die Form an sich als edel (Kant). Die kapitalistische Form selber ist es allerdings, die den Inhalt erst schmutzig macht, nicht bloß ideologisch, sondern real. Das muß verdrängt werden. Zum Glücksversprechen der Moderne gehört es nun mal, dem schmutzig gemachten Inhalt gegenüber eine gewisse Indifferenz an den Tag legen zu dürfen. Die kapitalistische Vernunft ist die leere Form, die jeglichem Inhalt gegenüber gleichgültige Form des Werts im System der Wertverwertung. Dem entspricht der leere Formcharakter aller bürgerlichen "Zivilisation". Die Umgangsformen der Zivilgesellschaft sind genauso inhaltsleer wie die zugrunde liegende Fetischform. Das macht die Wahrheit nahezu unaussprechlich. Und damit kann der journalistische Linksbellizismus sehr gut leben: Er verkauft den schmutzigen Inhalt, indem er auf dem Formbewußtsein seiner Adressaten surft. Jeder Zahnarztsohn mit Segelschein und solider humanistischer Halbbildung hat die Formfrage mit dem Fläschchen aufgenommen, auch wenn es ihn schicksalhaft unter die antideutsche Linke verschlagen hat. Sobald er dann eines Tages als proimperialer Bellizist zu sich kommt, weiß er sich gerade deswegen zu benehmen. Die Form bestimmt das Bewußtsein. Wenn er auch sonst nichts weiß, aber das ahnt er dumpf. Da rastet die allgemeine inhaltsfremde bürgerliche Formvernunft ein: Genickschuß ist im Prinzip o.k., aber die Form muß gewahrt bleiben. Natürlich gibt es Ausnahmesituationen. Muß man aber schon mal aus der Rolle fallen, dann nur, wenn es niemand sieht. Schnell und geräuschlos bei Nacht und Nebel die Leiche in den Fluß schmeißen, nichts wie weg, und am nächsten Tag wieder frisch geföhnt und mit verbindlichem Sachlichkeitsgrinsen auf der Matte stehen. Da gibt’s gar nichts. So denkt jedes bürgerliche Stammhirn, und speziell das softcore-antideutsche. Wobei "Leiche" hier als Metapher für alle ein wenig schmutzigen und feuchten Notwendigkeiten steht. "Feucht" meint dabei natürlich nichts Erotisches, sondern eher die andere, rotfeuchte Art, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Feuchte Arbeiten (Jargon der Geheimdienste, Spezialkräfte und Folterpolizeien) läßt man erledigen, oder wenn man es schon selbst tun muß, dann macht man kein Aufhebens davon. Das gehört zum Leben, es sollte bloß nicht vulgär in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden. So also geht’s auch "zur Sache", wenn der Bellizismus sich in der Linken verkauft. Der Appell ans Formbewußtsein deckt die feuchte Seite der Angelegenheit zu. Um ermessen zu können, mit welch perfider Heuchelei und gleichzeitig argumentativer Primitivität insbesondere der bloß halb eingestandene Linksbellizismus in Jungle World alias Kinder-"Welt", iz3w und Konkret sich darstellt, ist es leider nötig, ziemlich ins Detail zu gehen.
Am einfachsten kann man auf dem bürgerlichen Formbewußtsein surfen, indem man sich verdoppelt, etwa nach dem Muster von Verhörmethoden der Polizei in einen "bad guy" und einen "good guy". Der eine brüllt und haut in die Fresse, der andere bietet Zigaretten an und läßt durchblicken, daß alles halb so schlimm sei. Ungefähr in dieser Weise funktioniert die Arbeitsteilung zwischen den Fanatikern des proimperialen Kampfblatts Bahamas und dem gemäßigten Rest des antideutschen linksbellizistischen Spektrums. Man weiß, was man aneinander hat, aber man ficht einen innerbellizistischen Strauß aus, der vergessen machen soll, daß eine reflektierte radikale Linke eigentlich überhaupt gegen die imperialen Kriege sein müßte. Die Berliner Bahamas samt ihren Mentoren von der "Initiative Sozialistisches Forum" (ISF) Freiburg, nicht ohne Stolz auf die mittlerweile gut eingeführte Rolle des "bad guy", plaudern alles ganz hemmungslos aus und stehen dazu. Da inszeniert man ohne Wenn und Aber stehende Ovationen für den imperialen Polizeikrieg und schreckt vor keiner noch so absurden Interpretation zurück. "US-amerikanische Militärschläge gegen islamische Zentren hätte jeder bis auf weiteres zu begrüßen, der die Emanzipation von der Warenform, von Markt und Staatlichkeit nach wie vor als Bedingung menschlicher Selbsttätigkeit...begreift. Sollte wirklich Afghanistan das erste Ziel eines US-Gegenschlags sein, wäre zu fordern, daß dieser so konsequent wie möglich erfolgt..." (Bahamas-Erklärung vom 17.9.2001). Diese Logik muß doch wohl einleuchten. Hoffentlich hat die US-Regierung auch gemerkt, daß ihr vom Berliner Bonsai-Weltgeist persönlich die Erlaubnis zum Bombenmassaker erteilt wurde. Und weilīs so schön war, dasselbe gleich nochmal beim Angriff auf den Irak. Sogar die imperialen Hardliner um Rumsfeld und die Ultras vom Schlage eines Ashcroft stehen weit links von derartigen Psilocybin-Auguren einer mittels imperialer Flugzeugträger ins Werk gesetzten "Emanzipation von der Warenform". Und weil solche Trips nicht ohne irreparablen Dachschaden abgehen, gleich noch eins drauf: "Die Redaktion BAHAMAS beglückwünscht die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens und ihre Verbündeten...zu ihrem schnellen Sieg...Die Redaktion stimmt in den Jubel der irakischen Bevölkerung über ihre Befreiung ein" (Bahamas-Erklärung vom 14.04.2003). Das ist nun schon ganz die Sprache der galoppierenden Paranoia, eine Mischung aus realitätsresistenter Propaganda und Größenwahn, die einem Sahhaf zur Ehre gereicht hätte. An dieser Stelle verziehen auch die Softcore-Antideutschen indigniert das Gesicht. So deutlich bürgerlich-vernunftwahnsinnig sollte man nicht reden, das droht unzüchtig den unaussprechlichen Inhalt zu enthüllen. Nudismus in dieser Hinsicht ist verpönt, wenigstens eine Form-Unterhose sollte man schon anbehalten, wenn man kleinere imperiale Weltpolizeigemetzel vernunftgeil findet. Deshalb ringen die Softcore-Bellizisten die Hände über den plumpen Hardcore-Bellizismus. Leiser bitte, und vorsichtiger! "Viele der als Bellizisten gescholtenen Linken wollen den Krieg gar nicht" (Jochen Müller im iz3w 267/März 2003). Sie bemühen sich nämlich lediglich, "die Option auf einen Krieg gegen den Irak als ultima ratio offenzuhalten" (a.a.O.). Harmloser geht’s doch gar nicht, oder? Wer hat schon jemals einen Krieg gewollt, immer ging’s nur darum, sich "Optionen offenzuhalten". Und man beachte den Unterschied zu den größenwahnsinnigen Bahamas, die von Macht zu Macht der US-Administration gratulieren, während man sich beim iz3w lediglich "die Option auf einen Krieg" offen halten will. Wirklich realitätsbewußt, diese Options-Bellizisten in spe. Da macht es fast nichts, daß man die längst durchsichtig verlogene US-Propaganda von den irakischen "Massenvernichtungswaffen" rauf und runter ins Feld geführt hat und der bellizistischen Positionierung etwas abgewinnen konnte, "(weil) dem Baath-Regime tatsächlich zuzutrauen ist, dass es Massenvernichtungswaffen besitzt und diese auch einsetzt" (Christian Stock im iz3w 267). War ja nur so ne Idee, hinterher ist man immer klüger. Und wenn Bush inzwischen nichts mehr über "Massenvernichtungswaffen" sagt, warum soll dann Christian Stock noch was dazu sagen? Er hat ja gleich gemeint: "In dubio contra bellum" (a.a.O.). Und wer derart vor lauter kritischer Skepsis bei grundsätzlich wohlwollendem Verständnis für den US-Weltordnungskrieg kaum laufen kann, hat dann auch die maßgeschneiderte Formel für den Softcore-Bellizismus parat: "Die USA wollen das (partiell) Richtige, aber aus den falschen Gründen und mit den falschen Mitteln" (a.a.O.). Da spricht doch die Ausgewogenheit selbst, oder etwa nicht? Und nun gleich Auftritt Hermann L. Gremliza, seines Zeichens Konkret-Herausgeber, und irgendwie vielleicht gegen den Krieg. Oder fast. Weiß er selber nicht so genau. Da spricht ihm wohl ein Ausbund an Altklugheit von der antideutschen D-Jugend einer "autonomen Antifa Nordost Berlin" (AANO) aus der Seele, der sich unter dem Namen Thomas Sayinski von einem baß erstaunten "Junge Welt"-Redakteur interviewen läßt und über "emanzipatorische Lösungen" folgendes von sich gibt: "Diese lassen sich nicht auf schlichte Befürwortung oder Ablehnung eines Krieges reduzieren. Insofern verweigert sich die Autonome Antifa Nordost (AANO) einer klaren Festlegung...Wir können diese Fragen nicht mit Ja oder Nein beantworten – und das ist im Prinzip unsere Antwort. Wir sagen einerseits, andererseits..." (in: Junge Welt, 1./2.2. 2003). So jung (22) und schon so ausgewogen. Da ahnt man, wofür "AA" nur stehen kann. Zieht sich in postmodernen Zeiten die Pubertät bekanntlich bis 40 hin, so beginnt dafür die sachliche Verkalkung eines bis zur vollendeten Null-Aussage ausdifferenzierten bürgerlichen Denkens schon mit 20. Hat dieses Antifa-Früchtchen vielleicht beschlossen, Politiker zu werden? Zwischen Thomas S. und Hermann L. G. allerdings findet eine rührende Begegnung der Generationen statt. Die Indifferenz ist eine der ästhetisch schönsten Haltungen, vor allem bei einem Krieg. Nun, Hermann L.G., ein wenig gewitzter als Thomas S. Doppel-A, zeigt trotzdem überall sein Alibi vor, nämlich daß er mehrfach gesagt hat, beinahe gegen den Krieg zu sein. Und was fällt einem als "Kriegsgegner" der etwas anderen Art als erstes ein? Na klar, mit einer Zähre im Knopfloch herumzulaufen für die geschundene und vereinsamte letzte kapitalistische Weltmacht, die mit ihrem Präventivschlag so viele Sympathien eingebüßt hat. Das ist ja nun wirklich das Naheliegendste, oder etwa nicht? Armer Bush, armer Rumsfeld! Gremliza leistet anständige Trauerarbeit angesichts der tragisch-traurigen Tatsache, "daß die USA, wenn’s ernst wird, allein sind auf der Welt. Die den Erdball bevölkernden Massen begegnen den Vereinigten Staten mit einer Mischung aus Furcht und Haß" (Konkret 4/2003). Da muß man doch vor Mitleid geradezu zerfließen mit den lonesome Cowboys, während diese gerade ihre High-Tech-Bomben auf einige den Erdball bevölkernde Massen schmeißen. So ist man unheimlich sachlich für, Verzeihung, gegen den Krieg. Oder wie oder was? Man ist eben für/gegen den imperialen Krieg, wie man der/die Doppel-A-In ist, zum Beispiel wieder Thomas S.: "Das heißt, auch wenn ich gegen Krieg bin, eine emanzipatorische Entwicklung des Landes kann zur Zeit nur mit einem militärischen Angriff gedacht werden" (a.a.O.). Da richten sich nun die emanzipatorischen Gedanken der Doppel-A Nordost-Berlin aus unbekannten Gründen gerade auf den Irak, vielleicht weil es dort eine so ausgesprochen emanzipatorische Opposition gibt (dazu später mehr); und wie es der glückliche Zufall wunderbarerweise so fügt, ist ausgerechnet der Irak das Land, das von der US-Militärmaschine überfallen wird. Und flugs ist da ein "emanzipatorischer Zusammenhang" hergestellt und die Doppel-A Nordost-Berlin darf irgendwie mit einmarschieren, im Geiste wenigstens, der leider als erstes dem Kollateralschaden anheimfiel. Auf jeden Fall wissen wir jetzt aus berufenem Kindermund, daß die ehrwürdige "Internationale" ganz und gar Unrecht gehabt hat: Es rettet uns zwar kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun, aber ein Rumsfeld rettet uns, das hat man ja früher noch nicht wissen können. Überhaupt dämmert dem antideutsch geschädigten Geist allmählich der erregende Gedanke, daß Rumsfeld eine Art Reinkarnation von Lenin sein könnte. Vielleicht sollte man mal den Dalai Lama fragen, der müßte es eigentlich genau wissen. Jedenfalls hat Rumsfeld viel für die Revolution im Irak getan, oder etwa nicht? Zumindest indirekt, als Geburtshelfer durch Krieg, und dafür müssen alle wahren Revolutionäre echt dankbar sein. Eigentlich war das ja schon immer so, wie ein Amateur-Revolutionshistoriker namens Jörn Schulz in der Kinder-"Welt" weiß: "Wenn die Bolschewiki sich darauf beschränkt hätten, den Krieg als böse zu geißeln, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Chancen sich für sie aus der bis dahin tiefsten Krise des Kapitalismus ergeben könnten, wäre die Oktoberrevolution zweifellos verschlafen worden. Krieg ist die Zuspitzung der Widersprüche in der Klassengesellschaft und enthüllt deren gewalttätigen Charakter, deshalb folgt ihm fast immer eine Entlegitimierung der Herrschenden und ein emanzipatorischer Schub. Der Erste Weltkrieg brachte unter anderem das Frauenwahlrecht, der Zweite Weltkrieg leitete die Entkolonisierung ein, und die 68er-Bewegung ist ohne den Vietnamkrieg kaum denkbar" (Jungle World 18/2003). Ein emanzipatorisches Hurra für die Weltkriege! So, und jetzt holen wir mal tief Luft, damit wir die Logik dieser Aussage eines ausgeschlafenen Risiko-und-Chancen-Denkers (stets mehr Chancen als Risiken) ganz in uns aufnehmen können. Er hat uns den Grund verraten, warum die Revolutionäre 1914 genauso süß schnäbelnd wie er heute für den Ersten Weltkrieg sein mußten und die 68er für den Vietnamkrieg. Das waren eben Dialektiker, die kannten sich aus mit den logischen Dingen. Was mußte sich ein Lenin abmühen, bis er die damaligen Kriegsgegner davon überzeugt hatte, daß man den kriegführenden Mächten schon ein wenig dankbar sein muß für die Chance zur Emanzipation, die sie bieten, und deswegen händereibend den Krieg emanzipatorisch abnicken darf. Und dasselbe Gefrett mit den störrischen konsequenten Kriegsgegnern haben heute eben die Premium-Logiker der Kinder-"Welt". Die Sache wird vielleicht klarer, wenn man sie noch ein wenig allgemeiner ausdrückt: Der Kapitalismus zum Beispiel ist bei aller Kritik doch auch wieder irgendwie gut und begrüßenswert, weil wenn er nicht existieren würde, könnte man ihn nicht abschaffen, und wo bliebe dann die Emanzipation von ihm? Also darf man nicht so konsequent gegen den Kapitalismus sein, denn sonst zerstört man ja die Voraussetzung dafür, ihn überwinden zu können. Logisch, nicht wahr? Das meint auch ein Internet-Diskutant, der es durchaus irgendwie echt nicht in Ordnung findet, daß der "Bellizismus durch einige antideutsche Kreise vorangetrieben wurde" (bei x-berg.de). Aber warum soll das ein Hinderungsgrund sein, den Krieg zu befürworten? Wir sind eben gegen Bellizismus, aber für den Krieg, capito? Das kriegt man auf die Reihe, wenn man die Abstraktionshöhe der "Gewaltfrage" schlechthin erklimmt: "Die Gewaltfrage – letztendlich ist auch die Frage einer Kriegsbefürwortung eine – kann man instrumentell betrachten, oder?! Das heißt noch lange nicht, dass man den USA bei jedem weiteren Krieg zujubeln muß" (a.a.O.). Aber bei diesem eben jubelt man ein bißchen zu, das ist nun mal so. Diesmal betrachten wir halt die Gewaltfrage instrumentell, und damit ist die Kriegsbefürwortung fast schon dasselbe wie der emanzipatorische bewaffnete Aufstand. Noch Fragen? Diese unglaublichen Verdrehungen der "Gewaltfrage" haben die bellizistischen Hühnchen natürlich wieder aus den Bahamas, die sie alle "furchtbar" finden, aus denen sie aber rund 100 Prozent ihrer Gedanken beziehen. Dort "weiß" man mit Hilfe von Karl Marx ("Gewalt ist die Hebamme bei der Geburt einer neuen Ordnung"), "daß die generelle Ablehnung von Gewalt abgeschmackt ist" (Bahamas 41/2003). Und schon weiß man, warum der US-Weltordnungskrieg aus den allgemeinen Gesetzen des Verhältnisses von Gewalt und Emanzipation heraus zu befürworten ist. Und nun als Zusammenfassung der wundersamen Logik bellizistischer sekundärer Bauernschläue noch eine hübsche Denksport-Aufgabe für die kleinsten unter den Kinder-"Welt"-Lesern: 1. Kriege lösen manchmal irgendwo emanzipatorische Bewegungen aus. 2. Der Überfall auf den Irak war irgendwie so eine Art Krieg. 3. Ergo muß man den Überfall auf den Irak irgendwie ein wenig kritisch befürworten. Oder noch einfacher: 1. Gewalt ist die Hebamme der Emanzipation. 2. Der Angriff der US-Militärmaschine ist Gewalt. 3. Deshalb ist der Angriff der US-Militärmaschine die Hebamme der Emanzipation und zu begrüßen. Was ist hier falsch? Ich verratīs euch nicht, aber es ist babyleicht herauszufinden. Na? Da bleibt nur noch eins, wenn die "internationalistische Intervention gefragt" ist, so der kleine Revolutionshistoriker Jörn S., und wenn nun mal "internationalistische Politik Menschen als handelnde Subjekte und nicht nur als Opfer ökonomischer Gesetze (begreift)" (Jungle World 18/2003). Erst mal kurze Andacht für die "handelnden Subjekte", dieser Topos wird erst richtig schön, wenn er so begriffslos abgeschliffen dahergeplappert wird wie hier. Und wer sind sie? Na die High-Tech-Subjekte der emanzipatorischen US-Militärmaschine natürlich, die sind irgendwie nicht nur Opfer ökonomischer Gesetze, oder? Und deshalb besteht unsere "internationalistische Intervention" nunmehr darin, den Boys und Girls in ihren Kampfmaschinen alles Gute zu wünschen. Da hätten die Erfinder der linken Phrase von den "handelnden Subjekten" aber gestaunt, darauf wären die nie gekommen. So schreitet eben das emanzipatorische Bewußtsein unverzagt voran. Und jetzt wieder Thomas S. Doppel-A: "Wie bekämpfe ich ein Regime, das weltweit rechte, religiöse, nationalistische und islamistische Gruppen und Strukturen unterstützt, die antiemanzipatorisch agieren?" (a.a.O.). Na, ganz einfach, "ich" lasse die US-Army einmarschieren, und schon habe "ich" emanzipatorisch agiert. Daß diese konsequenten Kriegsgegner da nicht drauf kommen, das verstehe "ich" nicht. Die US-Army ist ja richtiggehend Wachs in den emanzipatorischen Händen deutscher Antideutscher. Und wie man sich den Kriegsgegnern gegenüber als Nicht-Pazifist in seiner proimperialen Revolutionsbewußtheit und Gewaltfragen-Reflektiertheit dialektisch sonnt, so ist man jetzt erst so richtig Doppel-A-Antifa, denn schließlich weiß Thomas S.: "Das einzig probate Mittel gegen den Nationalsozialismus war der Krieg" (a.a.O.). Ist also Saddam der Wiedergänger von Hitler? Da erschrickt Doppel-A: "Auf keinen Fall" (a.a.O.). Das wäre ja fast schon O-Ton Bahamas, und die sind bekanntlich schlimm mit ihren falschen historischen Gleichsetzungen, in denen der NS verharmlost wird. So was macht ein kritisches Bübchen nicht. Deshalb Thomas S. Doppel-A stellvertretend für die gesamte Softcore-Gemeinde: "Das machen wir nicht" (a.a.O.). Ja was macht ihr dann? Setzt ihr nun gleich oder nicht? Thomas S. Doppel-A: "Man muß als historische Notwendigkeit erkennen, daß Faschismus mit Krieg bekämpft werden muß" (a.a.O.). Ja schon, aber unser kleines Problem war doch die Gleichsetzung, oder? Also wenn der Irak nicht mit dem NS-Imperium gleichgesetzt werden kann, dann...Thomas S. Doppel-A: "Punkt. Da gibt’s keine Debatte" (a.a.O.). Ach so, Entschuldigung, daß ich gefragt habe. Ich dachte, ihr seid die "Debatte" schlechthin. Es geht ja auch andersrum mit der Legitimation des imperialen Weltordnungskrieges. Gehen wir doch mal weg vom Irak, der ist sowieso unwichtig, weil dort wird ja bloß real Krieg geführt. Aber eigentlich geht’s immer um Deutschland, egal worum es geht. Bleiben wir also im Lande und schauen den Deutschen aufs Maul. Und da finden wir, daß den deutschen Medien immer öfter Dresden einfällt, wenn sie meinen, daß Bagdad nicht bombardiert werden sollte. Eine unverschämte Gleichsetzung, nicht wahr? Es braucht keine antideutsche Ideologie, um da drauf zu kommen. Und nun wieder eine Denksportaufgabe für die kleinen Leser von der Kinder-"Welt": 1. Viele Deutsche sehen bei den Bomben auf Bagdad bloß die Bomben auf Dresden und fühlen sich in ihrem Nazi-apologetischen Bewußtsein getroffen. 2. Damit stilisieren sie den NS und die deutsche Volksgemeinschaft projektiv zum "Opfer". 3. Ergo sind Bomben auf Bagdad genau das Richtige. Na, wo hakt’s diesmal ein wenig mit der Logik? Ich verrat’s euch wieder nicht. Die Hardcore-Bellizisten sind offen und ehrlich für den imperialen Polizeikrieg, ohne Wenn und Aber. Die Softcore-Bellizisten dagegen sind für den Krieg, indem sie gegen den Krieg sind oder umgekehrt; sie ziehen alle Register einer jesuitischen Rabulistik und wollen anderen wie sich selbst ein X für ein U vormachen. Sie möchten gewissermaßen als aufgeklärte bellizistische Kriegsgegner oder kriegsgegnerische Bellizisten firmieren, während Bahamas u.Co. als unaufgeklärte Belliziten deklariert werden und die Abgrenzung von deren formverletzender Direktheit als Alibi dient. Mit einem Wort, wir haben es hier mit dem "vernünftigen Teil der Linken" zu tun, wie Christian Stock (iz3w) in einer seiner Abschieds-Haß-Mails an Krisis diese Bagage hochadelt. Und diese Minimonster der "Sachlichkeit" gefallen sich auch noch selbst in der Pose einer "reflektierten" Linken, die eins nämlich "aushalten" kann, und zwar was? "Ambivalenzen" natürlich, das hat man quer durchs Fraktionsbeet im Grundkurs für postmodernes Nichtdenken gelernt. Ist das nicht wunderbar: Nicht mal im Krieg gibt’s eindeutige Entscheidungsnotwendigkeiten. Jedenfalls hinsichtlich der Weltordnungskriege "da unten", die sich hierzulande "ideologiekritisch" entwirklichen lassen. Und schon hat sich der verschämte, unehrliche Softcore-Bellizismus in eine heroische Dissidenz gegen linke "Rechtgläubigkeit" und in das Löcken wider den Stachel schlechthin verwandelt. Also sprach dazu der Haus-Revolutionshistoriker der Kinder-"Welt": "Zwischenwelten sind gefährlich. Denn dort hausen die Dämonen, die immer wieder auf Erden erscheinen, um die Rechtgläubigen in Versuchung zu führen" (Jungle World 18/2003). Wer Klarheit fordert in der unausweichlichen Entscheidungsfrage Bellizismus oder Kriegsgegnerschaft, der "offenbart seinen autoritären Charakter. Er erträgt den Dämon der Ambivalenz nicht..." (a.a.O.). Sei also weder für noch gegen den Krieg, aber de facto ziemlich ordinär und mit logischen Argumenten zum Steinerweichen dafür, dann lebst du wild und gefährlich und bist ein "antiautoritäres" Mustermiststückchen. So verflüchtigt sich für eine antideutsch weichgekochte Szene die objektiv unversöhnliche Konfrontation von Linksbellizismus einerseits und radikaler Kriegsgegnerschaft andererseits zu einem Schmutzduell der "Rechtgläubigen" und Dogmatiker, während man selber zwar inhaltlich um keinen Deut weniger bellizistisch ist als die Bahamas, aber diesen blutigen Inhalt als gelernter, sich für einen "Dämon" der Kritik haltender Ambivalenztiroler hinter der Form des verschleiernden Räsonnements verschwinden lassen möchte. In Wahrheit werden in der Regel mit einer Verspätung von drei bis vier Wochen seit dem 11. September zumindest die zentralen Aussagen der Bahamas von den "vernünftigen" Softcore-Varianten der antideutschen Ideologie nachgeäfft. Die linksbürgerliche Basisideologie der Bahamas teilt man sowieso; und deshalb gehört diese Sorte von "Rechtgläubigen" auch immer dazu und wird im Sub-Code der Szene trotz allen Geschreis über ihre "Unmöglichkeit" letztlich als eingemeindet betrachtet. Die nicht mehr positiv vermittelbare Konfrontation von konsequentem Bellizismus und konsequenter Kriegsgegnerschaft verwandelt sich so klammheimlich in eine sehr versöhnliche und wunderbar vermittelbare Soft-Auseinandersetzung zwischen aufgeklärt-"vernünftigem" Ambivalenz-Bellizismus und unaufgeklärt-rechtgläubigem Bellizismus. Mit anderen Worten: Die angeblich reflektierte, gegen linken Antisemitismus und völkischen Antiimperialismus antretende Linke soll nur noch zwischen diesen beiden Sorten bellizistischer Ideologie wählen können. Damit ist die ganze "Debatte" in den bellizistischen Diskursraum eingebannt und antideutsch domestiziert. Ein wirklich genialer Schachzug.
Ist die Frage von Krieg und Kriegsgegnerschaft erst mal in eine innerbellizistische Frage von unterschiedlichen Graden und Aussageformen der imperialen Bombengeilheit verwandelt, kann sich die "vernünftige" Linke entspannt zurücklehnen und die unsachlichen Formverletzungen der emotionalisierten Kontrahenten mit der Herablassung eines drüberstehenden Schiedsrichters mehr oder weniger milde tadeln. Macht sich schon verdächtig, wer intellektuell den Inhalt über die Form stellt, so macht sich unmöglich, wer auch noch mit dem Gefühl dabei ist. Das bürgerliche Stammhirn weiß wieder mal was: Seine Emotionen, sofern man derart exotische Empfindungen hat, sollte man unter Kontrolle halten, wenn man mitreden will. Bloß keine unsachliche Polemik, egal worum es geht. Da ist die formbewußte "vernünftige" Linke "not amused", ganz und gar nicht. Ob man für oder gegen den Krieg ist, das ist wurscht, aber richtig schlimm sind die bedauerlichen Entgleisungen von emotional gesteuerten Leuten auf beiden Seiten. Diese Sprache, diese schlimme Sprache! Inhaltlich kann er zwar schon seit ungefähr zwanzig Jahren nicht mehr mitreden, aber als letzter lebender Karl-Kraus-Verschnitt, der dem Original ungefähr so nahe kommt wie die Doris Schröder-Köpf der Rahel Varnhagen, findet der Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza immer mal wieder einen Grammatikfehler bei den hastigen linken Skribenten; und den pickt er dann auf, und dann kräht er. So hat er doch auch was zu sagen, selbst wenn er eigentlich gar nichts zu sagen hat. Und dabei gibt es ein ganz einfach zu merkendes Schema der Bewertung. Bei den Freunden der US-Killerweltmacht ist der Grammatikfehler ein Schönheitsfehler. Bei den Feinden der US-Killerweltmacht dagegen deutet der Grammatikfehler, selbst wenn es bloß ein Druckfehler ist, irgendwie auf Antisemitismus hin; wie übrigens ohnehin alles, was sie sagen, ob mit oder ohne Grammatikfehler. Und schon haben wir wieder sachliche Ausgewogenheit hergestellt, oder etwa nicht? Da der Rest der bellizistenfreundlichen Diskursgemeinde ohnehin selber die Grammatik nicht beherrscht (was für RedakteurInnen der Kinder-"Welt" offenbar aus Paritätsgründen Einstellungsvoraussetzung ist), muß er sich mit gröberem Stoff behelfen, um die unsäglich-unsachliche Formverletzung feststellen zu können. Das geht ganz leicht, denn die antibellizistische Polemik benutzt äußerst schlimme, schmutzige Wörter. Man muß sich, um auf der sicheren Seite zu sein, bloß eins einprägen: Nicht der imperiale Krieg ist schmutzig und nicht die "linke" Kriegsbefürwortung ist infam, sondern die Polemik dagegen ist es. Wie entmenscht diese Polemik daherkommt, das verrät ihre Metaphorik, und da kennt sich natürlich jedes postmodern eingeschulte Erstsemester aus. "Ihr mit eurem Vokabular von >intellektueller Hygiene< und ähnlichen Faschoformulierungen", urteilt in einer erregten E-Mail ein korrekter Herr namens Thomas Schmidinger. "Sogar Tiermetaphern werden verwendet", empört sich ein Lorenz G. aus München. Da sind ehrenwerte Linke ein kleines bißchen für den imperialen Krieg, und schon entlarven sich die Kriegsgegner mit ihrer unmöglichen Sprache! "Etwas brach durch in Robert Kurz, als er die antideutschen Kommunisten als >Seuche< beschimpfte..." (so der erzbellizistische Freiburger ISF-Guru J. Bruhn in Trend-Partisan). Da weiß man’s nun, wo die wahre Killer-Intelligenz ihren Ort hat. Man darf ja auch gegen den Krieg sein, aber doch nicht derart brutal. Sind doch alles Menschen hier! Über den Einsatz von Streubomben im Irak kann man reden, aber Tier- und Seuchenvergleiche in der Auseinandersetzung mit antideutschen Bellizisten gehen zu weit. Schließlich leben wir hier in Mitteleuropa, nicht wahr, wo die semantische Menschenwürde geachtet wird. Ein paar zerfetzte Iraker hin oder her, da kommen wir noch lange nicht in Wallung, aber anti-antideutsche "Faschoformulierungen", da können wir richtig wütend werden. Oder eben "stalinistische" Formulierungen, da weiß man doch, welch finsterer Wille zur Unduldsamkeit dahinter lauert. Ganz unschuldig hatte das antideutsche Orakel von Freiburg lediglich Bomben auf Bagdad gefordert, und was ist das Resultat? Die kriegsgegnerischen Nürnberger Wertkritiker zeigen wieder mal ihr wahres Stalin-Gesicht. Wer die neue B-52-Schule als das denunziert, was sie ist, der hegt "namenlosen Haß auf alles, was die Revolution will" (Bruhn, a.a.O.), weil die Revolution nun mal objektiv von der Militärmaschine der Herren Bush und Rumsfeld repräsentiert wird, das weiß doch jeder antideutsche kritische Held der Dialektik. Nur ein kleines bißchen imperialen Massenmord hat man beklatscht und bejubelt, und schon wird man "zum Unmenschen dequalifiziert" (Bruhn, a.a.O.), schon erweist sich die "Polizeisprache der >Krisis<-Gruppe" (Bruhn, a.a.O.) als "die intellektuelle Vorwegnahme der Säuberung und der Exekutionskommandos" (Bruhn, a.a.O.). Nur ein wenig "für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft" (Bruhn, a.a.O.) hat man sich "engagiert" als Jubelperser der imperialen Weltpolizei, "ohne Liquidation" (Bruhn, a.a.O.), denn die paar Dritte-Welt-Leichen zählen ja nicht, und dann sieht man sich gleich dem Mord drohenden "antikritischen Furor" (Bruhn, a.a.O.) derer ausgesetzt, die den "antisemitischen Haß auf die Kritische Theorie" (Bruhn, a.a.O.) pflegen. Ja, die mörderische Sprache verrät wirklich so einiges! Was ist da zu tun? Als Protagonist einer Redeweise, die das verbale Schamgefühl der Cruise-Missile-Intelligentsia sowie ihrer Freunde, Diskurstechniker und sonstigen Helfer verletzt hat, muß ich meine Entschuldigung aussprechen, wie es sich gehört unter anständigen westlichen Bürgern mit einwandfreien aufgeklärten Umgangsformen und Respekt voreinander. Ich entschuldige mich also hiermit in aller Form bei sämtlichen Seuchen und Tierarten, die ich in der unkontrollierten Emotionalität des Augenblicks mit dem antideutschen Bellizismus (nicht mit den von dieser Ideologie fehlgeleiteten Menschen) verglichen habe. Kein ehrliches Schwein, kein Schaf und nicht einmal eine Seuche sollte man derart beleidigen, das ist durchaus einzusehen. Auch in heiklen Angelegenheiten wie der einen oder anderen kleinen Kriegsbefürwortung ist es unbedingt notwendig, die semantische Feinfühligkeit des bellizistenfreundlichen linken Publikums zufrieden zu stellen, oder etwa nicht? Nun wissen die Softcore-Antideutschen, die aufgeklärten Bellizisten und die aufgeklärten 20-Prozent-Kriegsgegner natürlich, daß der denunziatorische Elan der Freiburger wie der Berliner Hardcore-Antideutschen, deren Sensibilität sich auf die eigene Haut beschränkt, seinerseits keineswegs ohne ist. Aber darüber konnte man solange kopfschüttelnd oder schmunzelnd hinweggehen, wie der längst überfällige frontale Gegenangriff ausblieb. Kaum kommt aber diese Attacke, merkt man plötzlich, wie Pfui so etwas doch ist. "Bahamas-Niveau bei Kurz und Co.", so tönen die Diskutanten beim "Portal für Gesellschaftskritik" x-berg.de, die ihren Auslassungen nach zu urteilen großenteils ungefähr zwölfjährig sein müssen, also reif für die Kinder-"Welt". Das "Bahamas-Niveau", ohnehin nie ein Hinderungsgrund, die dort vertretenen prowestlich-linksbürgerlichen Grundideologeme aufzuschlecken, gilt nicht etwa für sich als negativ, sondern dient bloß als Negativfolie, um die harte antibellizistische Polemik zu skandalieren. Daß den antideutschen Vordenkern ihre proimperiale Primitivpropaganda entsprechend heftig um die Ohren gehauen wird, das ist für die Gesamtgemeinde eben der eigentliche Skandal. Und schon können sich der aufgeklärte Bellizismus und die aufgeklärte verschämte Beinahe-Kriegsgegnerschaft auch in Sachen sprachlicher Sensibilität als "über" den unaufgeklärten Parteien stehend imaginieren. Das immerwährende Rechthaben bleibt auch in diesem Sinne in der antideutschen Familie. Bellizismus hin oder her, wenn die westlichen Grundwerte auf dem Spiel stehen, weiß man doch, was man an den Freunden der Killer-Aufklärung hat. Bloß kein Rassismus gegen Bellizisten, sie stehen unter antideutschem Naturschutz! Schließlich hat man ja noch gemeinsam das Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft abzuarbeiten. Wenn es wirklich konsequent gegen die Bellizisten geht, dann heißt es deshalb sofort: Mach meinen Kumpel nicht an! Bahamas-Niveau ist eben nicht immer gleich Bahamas-Niveau. Im Hinblick auf die wertkritischen konsequenten Kriegsgegner benennt man das Bahamas-Niveau so: "Zu Protokoll: Der Selbstmord des Robert Kurz" (Werbe-Zeile von Konkret im Freitag). Im Hinblick auf die Bahamas selbst dagegen benennt man das Bahamas-Niveau ein wenig anders: "Unter uns, Justus...warum führst du dich so auf?" (Gremliza in Konkret 5/2003). Kaum verhüllter Todeswunsch hier, ein freundschaftlicher Klaps dort: Die feinen Unterschiede im antideutschen PC-Code muß man kennen, dann liegt man immer richtig.
Dabei dürften sie ja durchaus mitdiskutieren, diese wertkritischen Kriegsgegner, wenn sie nur nicht so unvernünftig emotionalisiert wären, sich halbwegs anständig benehmen, sprich den antideutschen Bellizismus als diskutierenswert anerkennen würden. Oder sich jedenfalls durch ein angemessenes antideutsches Diskurs-Umfeld überhaupt ein wenig zweideutig machen ließen. Sie dürfen vorkommen, als eine Art Arabeske, aber letztlich geht’s trotzdem bellizistisch zur Sache. Besonders in der Kinder-"Welt" heißt "Debatte" ja sowieso nicht, daß es ernsthaft um etwas geht, sondern daß man eben eine Debatte "darstellt". "Bless Or Blame", "War & Peace", Fluch oder Segen?, so schulaufsatzt man "kontrovers", obwohl in Wahrheit ein stramm proimperialer Kurs längst vorgegeben ist und sich das Flachblatt als solches nach dem 11. September eindeutig zur kapitalistischen Wertegemeinschaft bekannt hat. Man nennt das wohl kritischen Journalismus für die Oberstufe. Das Niveau einer Schülerzeitung hat man sowieso, und zwar (um nicht die kriegsgegnerischen Schülerdemos zu beleidigen) einer von Mitgliedern der Jungen Union gemachten. Die noch dazu derart erschreckend tolerant sind, daß sie sogar leibhaftigen Kriegsgegnern ein paar Spalten überlassen, sofern diese sich nur an die bellizistische Schulordnung halten. Man strotzt nur so vor Diskussionsbereitschaft und läßt auf Kinder-"Welt"-Veranstaltungen "Kriegsrat" halten im Rahmen der antideutschen Ideologie, die den proimperialen Bellizismus immer schon mit sich führt wie der Hund seinen Schwanz. "Gut 300 Leute kamen am vergangenen Donnerstag in den Roten Salon der Berliner Volksbühne, um zu hören, was Thomas Ebermann und Thomas Uwer sich wohl zu sagen hatten. Es wurde ein, wie wir denken, interessanter Abend, viele Argumente wurden auf ihre Tauglichkeit geprüft...Wider Erwarten zeigten sich die ZuhörerInnen vor allem an einer sachlichen Debatte interessiert...Sollte das der Beginn einer neuen Sachlichkeit sein?" (Jungle World 9/2003). Aber ja doch. Die Sache stinkt zum Himmel, und der antideutsche Demokratendiskurs versachlicht sich, so gehört sich das. Nun gut, irgendeiner hat das mal als "repressive Toleranz" bezeichnet. Auch darüber kann man reden. Es gehört ja zum Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft, daß man über alles reden darf. Bekanntlich wußte schon Rosa Luxemburg, daß Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden ist. Und die anderen sollen ja durchaus zu Wort kommen, so ist es ja nicht. Die einen sind eben für Cruise Missiles, die anderen gegen Cruise Missiles, die einen für ein bißchen Folter, die anderen gegen ein bißchen Folter. Das ist doch alles kein Beinbruch, solange es mit gegenseitigem Respekt geschieht. Im Vertrauen: Die Dialektik der Sachlichkeit gebietet es geradezu, die möglichst inkonsequenten Kriegsgegner derart wohldosiert publizistisch und veranstaltungsmäßig auftreten zu lassen, daß sie eher als diskursive Flankierung der antideutschen bellizistischen Gemeinde funktionieren. Natürlich nicht überall, auch da gibt es wieder die Arbeitsteilung zwischen bad guys und good guys. In den Bahamas herrscht das geschlossene antideutsche Wahnsystem, da paßt keine andersdenkende Maus mehr rein. In den offeneren Publikationen wie der Kinder-"Welt" dagegen braucht man die moderate, in den Grenzen der antideutschen Diskurs-Gummizelle brav den Finger hebende Opposition, um ein wenig Kriegsgegnerschaft einzustreuen – gewissermaßen als das Salz in der Suppe des Bellizismus. Man könnte es auch so sagen: Der antideutsche Bellizismus muß sich in seinem Umfeld ein paar Kriegsgegner im Freilandgehege halten, um diskursfähig werden und bleiben zu können. Schließlich hat man ein linkes Käufer- und Abonnentenpublikum zu versorgen, dem der Bellizismus nur in scheinbar offener Diskursform verabreicht werden kann, weil es sonst vielleicht bockig wird. Seien wir doch mal ehrlich: Wer hätte es vor zehn und selbst noch vor fünf Jahren geglaubt, daß die "radikale Linke" der BRD zu Beginn des 21. Jahrhunderts ernsthaft die "Befreiung" der Dritten Welt durch die US-Militärmaschine "diskutieren" würde oder ein vermutlich in Kalifornien beheimatetes angebliches "Glücksversprechen" des Kapitalismus usw.? Da wäre doch niemand im Traum drauf gekommen. Es bedurfte einer diskursiven Inszenierung repressiver Toleranz und einer weitläufigen Einsickerungsdebatte, um ehemaligen radikalen Kapitalismuskritikern eine derartige Gehirnwäsche zu verpassen. Die Akzeptanz dieser Debatte als Debatte war schon der entscheidende strategische Gewinn für den antideutschen Bellizismus. Jetzt ist er "eingeführt" und man denkt sich nichts mehr dabei. Sachlich, immer nur sachlich! Da gibt es eben eine interessante Version "radikaler Kritik", deren Gedankenflug mittels US-Kampfjets stattfindet, warum auch nicht. Öfter mal was Neues in der neuen Sachlichkeit. Die einzige Funktion dieser absurden "Debatten" seit dem 11. September war es, die proimperiale Kriegsposition in der radikalen Restlinken akzeptanzfähig zu machen. So bemerkte die Zeitschrift iz3w schon im Oktober 2002 auf eigentümlich "sachlich"-neutrale Weise: "...stärker noch als vor zehn Jahren...formiert sich heute eine antideutsche Linke, die einen Militärschlag gegen das Hussein-Regime zumindest als kleineres Übel begreift" (Editorial Nr. 264). "Zumindest"! Wenn nicht gar als hohes Gut der "Demokratisierung", auch darüber kann man reden im Rahmen des Glücksversprechens. Bellizismus trägt man jetzt eben, er ist irgendwie modisch geworden. Der antideutsche proimperiale Diskurs hat sich als Syndrom eines "radical chic" aufgebaut, auf den Knochen von ein paar Leuten, die sowieso eine kurze Lebenserwartung hatten. Beim iz3w sieht man das im Sinne von so genannten "realpolitischen Schlußfolgerungen" (a.a.O.); pragmatisch-praktisch-gut wie man nun mal quadratisch so vor sich hin denkt. Hatte der Begriff der "Realpolitik" in der radikalen Linken bis vor kurzem noch unter dem Eindruck des abschreckenden Beispiels der grünen "Realos" eher den Charakter eines Schimpfworts, so reüssiert er nun passenderweise in der Form des Übergangs zum Bellizismus bei der radikalen Linken selbst. Der Drang zum Machen und Mitmachen schreckt eben vor nichts zurück. "An dieser Stelle müssen Erwägungen einsetzen, die gar keine anderen als realpolitische sein können, da sie politische und militärische Maßnahmen in einer Welt betreffen, die so eingerichtet ist, wie wir sie nun einmal vorfinden". Sprachīs und war Joseph Fischer, nein, Verzeihung, war diesmal iz3w-Redakteur Jochen Müller (Nr. 267, März 2003). Und auch das ist eigentlich bloß abgekupfert von den Bahamas, denn "Realpolitik" ist ja nichts anderes als eine Verbindung von ideologischem Phantasma, kritischer Pose und hemmungslosem Überlaufen zur herrschenden Macht. Insofern kann man die Bahamas-Kombination von radikaler Phrase und konsequenter Parteigängerschaft für die letzte kapitalistische Weltmacht geradezu als Ultra-Realpolitik bezeichnen. Mit schwammigen Begrifflichkeiten von "Kommunismus", "Weltrevolution" usw. um sich werfen, die in das Zwielicht einer Mystifikation der Wertform getaucht sind, und gleichzeitig den Begriff der "Emanzipation" auf das imperiale Zentrum des Weltkapitals projizieren, das ist das beste Identifikationsangebot für desorientierte Jungbürger, das es je gab. Es ist einfach zu verlockend: An der Seite und unter dem Schild des Krisen-Imperialismus vermeintlich die eigene bürgerliche Subjekthaut retten und sich doch als Revoluzzer schlechthin fühlen, das ist die geilste Realo-Identitätspolitik, die sich überhaupt ausdenken läßt. Darauf hätte selbst ein Erich Mühsam keinen Reim mehr gefunden.
Es gibt ein ganz einfaches Mittel, wie man dafür sorgt, daß die Kriegsgegner auch dort, wo sie mal "Ah" sagen dürfen in der antideutsch beherrschten Linkspresse, diskursiv vom Bellizismus eingezäunt bleiben. Das geschieht durch die bellizistische redaktionelle "Einbettung". Auch in dieser Hinsicht haben wir es mit embedded journalism zu tun. Die Kinder-"Welt" zeigt in der Regel schon durch die Titelseite mit großformatigem Bild und großlettriger verbaler Einstimmung, wo es in Wahrheit lang geht mit den Sympathien und was gefälligst zu denken ist, falls man sich was denken möchte. "Friede den Palästen!", nämlich denen Saddams, so bringt man die Antikriegsbewegung auf den pejorativen Begriff der eigenen proimperialen "Zivilisations"-Propaganda: "Am 26. Oktober soll gegen die Kriegspläne der US-Regierung marschiert werden" (Jungle World 44/2002), was natürlich bäh ist. "Amerika spielt Golf" (Jungle World 13/2003) blödelt man verharmlosend über den Kriegs-Jux. Und dann geht’s endlich los: "Demokratie im Anmarsch", titelt es sich ganz ohne Ironie, und: "Die Freiheit kommt aus den Kanonenrohren" (Jungle World 14/2003). Wenn sie auch "über Leichen rollt", aber "Befreiung" juche: "Die Tage des Baīath-Regimes sind gezählt" (a.a.O.). "Wiederaufbau des Irak" (Jungle World 17/2003), fabuliert sich’s nach getaner feuchter Arbeit: "Alles über das Geschäft nach dem Krieg und die Befreiung..." (a.a.O.). Und bald schon die Mühen der Ebene in der Rumsfeld-Revolution, so richtig kreuzdoof krisenkolonialistisch: "Der arabische Patient – Demokratisierung im Nahen Osten" (Jungle World 18/2003). Da diagnostiziert der imperiale Arzt am Krankenbett der Barbaren: "Die Symptome sind autoritäres Verhalten und ungleiche Verteilung des Reichtums...Als Heilmittel werden chirurgische Eingriffe für die Demokratie angeboten" (a.a.O.). Dank des Chirurgen der Geschichte Lenin Rumsfeld ist also jetzt ein antiautoritäres Regime mit gleicher Verteilung des Reichtums unterwegs, oder etwa nicht? Die Regression in vulgärdemokratische Phrasen muß einfach sein, wenn man richtig guten embedded journalism machen will. Und für die uralte vulgäridealistische "gleiche Verteilung des Reichtums" (statt einer Überwindung der kapitalistischen Form des Reichtums) ist schließlich die glorreiche US-"Zivilisation" der lebende Beweis und das große Vorbild, wie alle Freunde von Freiheit, Gleichheit und kapitalistischem Reichtum wissen. Denn dort gönnt man auch jedem Obdachlosen seine Cola. Weiter im Innern des aufklärerischen Kampfkirchenblättchens dann sowieso schon längst und immer wieder mal der Auftritt der Kriegs-Groovies, so richtig in Fahrt für die kosmische Heimmannschaft, mit Frontberichterstattung von der proamerikanischen Demo durch ein Wesen namens Andrea Albertini, das man erfinden müßte, wenn es so ein echtfalsches Mäuschen nicht schon gäbe: "Der Morgen danach beginnt standesgemäß: >Du, das mit dem Habermas-Text hab ich gestern echt nicht mehr geschafft<, entschuldigt sich eine hip gekleidete Frau bei ihrem Gesprächspartner...Die historische Premiere – zum ersten Mal demonstrieren deutsche Linke öffentlich für die USA – wäre dabei fast vom warmen Sonnenschein überstrahlt worden...Der Beifall der sonst eher ruhigen Demonstranten...klingt entschlossen. Und am Rande hat eine übernächtigt aussehende Frau mit bauchfreiem Top einen Spruch dazu am Start: >Koks īn Cola statt Koran!<. Die Party hat gerade erst begonnen, mit oder ohne Habermas"(Jungle World 21/2002). Wer nicht mal einen Habermas-Text schafft, muß wenigstens ein US-Fähnchen schwenken können auf der immerwährenden "Party" in dieser besten aller Hirnwelten. So viel Blödheit auf einem Haufen ist schon wieder genial, das muß man dem schreibenden Groovie der Kinder-"Welt" einfach lassen. Ob’s dafür irgendwann mal einen Medienpreis gibt wegen Unüberbietbarkeit? Und deshalb ein dreifaches demokratisches Koksīn Cola-Hip-Hop-Hurra, Hurra, Hurra! So, jetzt sind wir so richtig sachlich voll in Stimmung, und nun zu den feuchten Arbeiten in ihrer ganzen, na ja, Konkretheit. Mit Leichen sollte man als Bellizist diskursiv vorsichtig umgehen, das könnte das Publikum vergrätzen, wenn man sich allzu forsch freut über den machtvollen Vormarsch der "Befreier". Also läßt man die, na ja, Leichen halt, lieber nur ganz abstrakt vorkommen, sodaß es sie eigentlich gar nicht so richtig gibt. Bloß keine Leichen zum Anfassen, das ist ganz schlecht für’s antideutsche bellizistische Geschäft. Am besten macht man gleich vorab eine Rechnung auf, in der man die Leichenprognose ein wenig ins richtige Licht rückt, als handelte es sich um Stückzahlen von Schweinehälften in Chicago oder um Dollars auf den Euromärkten. In diesem Sinne hat sich nun wieder Gremliza was ungemein Kritisches und Einfühlsames gedacht, kurz vor dem Einmarsch seiner einsamen amerikanischen Freunde im Irak: "Da mein diesbezüglicher Ruf hinreichend ruiniert ist, kann ichīs ja sagen: Wäre gewährleistet, daß Saddam Husseins Regime beseitigt und durch ein menschenfreundlicheres ersetzt werden könnte, ohne fünfzig-, hunderttausend oder mehr Iraker kollateral umzubringen und zugleich an anderen Orten andere Monster zu entfesseln, hätte ich keinen Einwand" (Konkret 3/2003). Die sozialdemokratische "Kriegsgegnerschaft" war ja schon immer etwas, was sich auf der Ebene von "Einwänden" abgespielt hat. Ein "Einwand" ist keine radikale Kritik, sondern erkennt den Adressaten als positiven Gesprächspartner im Rahmen derselben Logik an. "Einwände" sind deshalb bekanntlich etwas, was zum Beispiel der Sachbearbeiter als selbstverantwortlicher Mitdenker dem Chef macht (ja, ja, die Sprache ist eben verräterisch, wie schon der wirkliche Karl Kraus wußte). Wie es nun scheint, hat der mitdenkende Sachbearbeiter Gremliza hier eine Meßlatte gelegt: Mehr als hunderttausend Tote, das bedeutet Daumen nach unten und "Einwände": Krieg nix gut, lieber Mr. Bush, nicht ganz so viel morden, liebe "Zivilisation"! Weniger als hunderttausend Tote, das bedeutet Daumen nach oben: Ist gebongt, Mr. Bush, weiter so mit der "Befreiung", für ein wenig mehr Menschenfreundlichkeit in dieser Welt, keine "Einwände"! Ist das vielleicht eine böswillige Interpretation? Es kann natürlich sein, daß Gremliza schon länger keine Kontrolle mehr über den Sinn seiner Worte hat. Medizinisch ist das Stadium der aufgeklärten Demenz noch nicht beschrieben. Das Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft kann einen eben manchmal ganz schön fertig machen. Eine Überdosis Glücksversprechen, und schon weiß man nicht mehr so genau, was man sagt, wenn man was meint. Und nun sind wir aber gespannt: Mehr als hunderttausend Tote oder weniger? Da darf gefiebert werden, davon hängt es schließlich ab, ob der kleine Angriffskrieg gut oder schlecht ist. Daß es genau so gemeint war, lesen wir in der ersten Nachkriegs-Konkret. Große Erleichterung, großes Aufatmen: Alles nochmal gut gegangen! Blamiert all die antiamerikanischen Experten überall in der Welt, die sich schon die Leichenberge erhofft hatten – nichts war’s. Fast nichts jedenfalls. Gremliza läßt von einem Gert Ockert die Daumen-nach-oben-Option gemäß seiner Meßlatte für die Leichenzahl verkünden: "Ziemlich schnell und (für ihre Verhältnisse) bemerkenswert unblutig haben die amerikanischen Truppen Bagdad erobert...Es war eine Demonstration absoluter militärischer Überlegenheit, mit...geringen Verlusten für die eigenen Truppen. Und mit sehr viel weniger zivilen Opfern als die deutsche Friedensbewegung unter Schirmherrschaft des Kanzlers sich erträumt hatte" (Konkret 5/2003). Alles paletti, es war eine "Befreiung". "Befreiung" von einem "NS-Regime", das nicht ganz an das Original heranreichte. Das war die pflegeleichteste "Weltgefahr", die die Welt je hatte. Aber grundsätzlich hat die antideutsche Interpretation schon gestimmt, oder etwa nicht? Und nun auch noch keinerlei Opfer. Ockert war persönlich im Irak, um die Opfer im Auftrag von Gremliza zu zählen, aber er hat keine gefunden, weil es irgendwie keine gab. Das meint auch der Amateur-Revolutionshistoriker von der Kinder-"Welt": "Doch die nicht selten genüßlich ausgemalte Apokalypse fiel aus" (Jungle World 18/2003). Im Grunde wurde doch der irakischen Bevölkerung nahezu kein Haar gekrümmt. Da lag ein ganzes Land drei Wochen im Bombenhagel, bis auf das Hotel Palestine im Zentrum von Bagdad ohne jede Möglichkeit der genauen Berichterstattung, und trotzdem weiß man: Nahezu keine Leichen! Na ja, ein paar Fernseh-Journalisten des Senders Al Dschasira wurden von US-Soldaten mal so nebenbei gekillt, wie man zufällig mitbekommen konnte, aber das waren eh bloß Araber. Daß auch die unliebsamen Augenzeugen im Palestine von US-Panzern gezielt beschossen und Journalisten der Agentur Reuters und des spanischen Senders Telecinco getötet wurden, je nun, das ist schließlich keine Apokalypse. Und das war doch die Ausnahme, nicht wahr? Zumindest alliierte High-Tech-Killer sind tatsächlich nur ganz wenige umgekommen, ungefähr 100, die meisten wahrscheinlich wieder mal bei Verkehrsunfällen in der Etappe. Aber Widerstand hatten sie ja sowieso kaum zu fürchten. Denn die US-Befreiungstruppen greifen normalerweise sogar Schulhäuser erst an, wenn vorher die satellitengestützten High-Tech-Raketen und Fernbomber alles so platt gemacht haben, daß auch die Veteranen des Vietnamkriegs in ihren Rollstühlen problemlos einmarschieren könnten. Und an die irakischen Rekruten, deren Leichen schon 1991 zu zehntausenden mit Planierraupen beerdigt werden mußten, brauchen wir ja wohl auch diesmal keinen Gedanken verschwenden. Also, falls es doch ein paar Tote gegeben haben sollte, wie viele irakische Soldaten und wie viele irakische Zivilisten wurden endgültig von ihrem wertlosen Leben befreit? Wollen wir das wirklich so genau wissen? Das müssen wir auch gar nicht. Denn gnädigerweise hat die US-Militärverwaltung ein Machtwort hinsichtlich des Leichenzählens gesprochen. Sie gab bekannt, daß es keinerlei Untersuchungen darüber geben wird, wie viele Zivilisten und irakische Soldaten bei den mehrwöchigen verheerenden Luftangriffen und beim Vormarsch der High-Tech-Truppen umgekommen, verstümmelt oder verletzt worden sind. Das ist gut fürs antideutsche Geschäft gerade der "vernünftigen" Linken. Während es immer die Aufgabe emanzipatorischer Kritik war, das Totschweigen der Opfer zu durchbrechen, übertrifft die antideutsche Presse heute sämtliche bürgerliche Medien im Totschweigen und Beschönigen bei weitem. So ist man auf die vereinzelten Augenzeugenberichte von westlichen Korrespondenten vor Ort angewiesen, um wenigstens eine Ahnung von jener "unblutigen Kriegsparty" im April 2003 zu bekommen. "In Bagdad beherrscht nach den massiven Luftangriffen der letzten Woche der Zorn auf die Angreifer die Stimmung. Viele Zivilisten wurden getötet oder schwer verletzt. Die Bevölkerung ist psychisch und physisch erschöpft...Die Dreharbeiten in den Krankenhäusern sind bei allen Kollegen gefürchtet. Das Elend ist unbeschreiblich: vor Schmerzen wimmernde verbrannte Kinder, Erwachsene, denen Arme oder Beine amputiert werden mußten" (Der Spiegel 15/2003), so der Fernsehkorrespondent Christoph Maria Fröhder am Ende der zweiten Kriegswoche. Was fällt dem antideutschen Ideologen von der unblutigen "Befreiung" dazu ein? Nun, "für ihre Verhältnisse" haben die High-Tech-Killer eben relativ wenige Menschen in wimmernde, verbrannte, befreite Fleischbrocken verwandelt, und ein ganz kleines bißchen Opfer muß man ja wohl schon bringen für die "Befreiung". Das sollte sich auch jener Ali hinter die Ohren schreiben, der von Spiegel-Korrespondent Claus Christian Malzahn in einem Lazarett befragt wurde: "Ali desertierte. Er wollte mit seiner Familie im Auto aus Bagdad flüchten. Die Checkpoints von Saddams Schergen konnte er umgehen. Dann sah er Amerikaner, die ihm irgendwas zuriefen. Ali verstand nichts...Ali spricht hastig, in gebrochenem Englisch, Tränen laufen ihm die Wangen hinunter. >My older sister: shot. My younger sister and my parents: in the car. The tank<. Alis Auto wurde von einem amerikanischen Tank gerammt, nachdem er selbst von Kugeln getroffen, seine ältere Schwester erschossen worden war. Die Eltern und seine fünfjährige Schwester wurden von einem Panzer überrollt" (Der Spiegel 16/2003). Ziemlich unblutig das alles, meinen die freundlichen Nicht-Berichterstatter von Kinder-"Welt", Konkret oder iz3w. "Für ihre Verhältnisse" haben die "Befreiungstruppen" relativ wenige Fünfjährige mit dem Panzer überrollt, oder etwa nicht? Außerdem waren das wahrscheinlich sowieso Antisemiten. Auch die Fünfjährige? Da macht sich der/die Antideutsche kein metaphysisches Problem draus. Wenn es um den Krieg gegen die Nazi-Bedrohung der Menschheit geht, darf man nicht so pingelig sein. Und wer nicht glauben will, daß wir 1941 schreiben, daß Saddam gleich Hitler und der Irak das Nazi-Reich ist, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen. Deshalb sollte man sich statt des Gutmenschen-Getues um irgendwelche von Panzern überrollte Vorschulkinder (sowieso bloß Moslems) lieber mit einem US-Offizier freuen, der auch was über den unblutigen Vormarsch weiß: "Bei Kerbala haben die Iraker unsere Panzer mit Gewehren angegriffen. Die hatten keine Chance. Es gab Tausende Tote" (a.a.O.). Da freut sich auch der antideutsche Kämpfer an der ideologischen Heimatfront. Nach der "Befreiung" geht es noch viel unblutiger zu, "die Party hat gerade erst begonnen", oder etwa nicht? "Für ihre Verhältnisse" erschießen die US-Besatzer ziemlich wenige gegen ihr Regime demonstrierende Iraker, richtiggehend vernachlässigenswert ist das. Meint jedenfalls die weiterhin freudig den Irak zur "Demokratisierung" beglückwünschende linksbellizistische Presse. Da kann man auch ein paar andere unwichtige Einzelheiten in einem derart nett "befreiten" Land großzügig übersehen. Zum Beispiel solche, wie sie der Journalist Charles Hanley unbedingt aufdecken zu müssen glaubte: "Die Beweise für den Einsatz von Streubomben im Irak sind offensichtlich: Man sieht sie in dem Muster der Explosionsspuren auf dem Schulhof, man sieht die gelben Metallkästen, die einst die Bomben enthielten, und die kleinen Bomben selbst. >Sie sind überall. Selbst in den Schlafzimmern der Menschen<, sagt ein Bombenräumexperte. Einen Monat, nachdem die Streubomben der US-Armee auf das Gebiet von Hillah herabregneten, einer 90 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Stadt, reißt die tödliche Hinterlassenschaft täglich weitere Menschen in den Tod...Ein Anwohner berichtet von einem Angriff am 8. April. Dabei wurde sein Haus getroffen. Eine Nachbarin und ein Kind, die in seinem Hof Schutz gesucht hatten, wurden getötet, zwei jüngere Brüder von ihm schwer verletzt. >Es gab keinen Grund. Es gab keinen Widerstand hier<, sagt er und schüttelt ratlos den Kopf...Tote gibt es noch weiterhin jeden Tag, denn immer noch explodieren Blindgänger. Nichtexplodierte Bomben seien aus Schulzimmern und Wohnungen geholt worden, berichtet der Leiter des Katastrophenschutzes, Hussein Dschaber. >Ich hatte schon mit 300 Streubomben am Tag zu tun<, sagt ein Mitarbeiter, Hillal Saadi...Saadi zeigt ein gelbes Metallteil mit dem Stempel >Bomb Frag BLU-97 A/B<. Die BLU-97 ist eine der modernsten Streubomben der US-Armee. Sie enthält bis zu 40 Bomben. >Kinder spielten damit, als sie explodierten<. Sagt Hillal Saadi mit erstickter Stimme..." (ap-Bericht, 21.5.2003). Richtiggehend weinerlich, diese Iraker mit den komischen Namen, statt für ihre "Befreiung" ordentlich dankbar zu sein – denkt sich der/die antideutsche GeschichtsphilosophIn. Wie es wirklich zugegangen ist in Vergangenheit und Gegenwart, erfahren wir natürlich aus der Kinder-"Welt". Dort wird wohlwollend eine Untersuchung (Britta Lange, Einen Krieg ausstellen) beworben, die sich anhand der Berliner "Kriegsausstellung" 1916 mit der Frage beschäftigt: Wie funktionierte Propaganda im 1. Weltkrieg? Nun, wie Propaganda in den imperialen Weltordnungskriegen des frühen 21. Jahrhunderts funktioniert, dafür ist die Kinder-"Welt" im Arrangement von Text und Bild selber ein Musterbeispiel und eine Untersuchung wert. So gibt uns ein netter Schnappschuß, großformatig präsentiert, Aufschluß über den nun wirklich unblutigen Charakter der Irak-"Befreiung": Zu sehen ist ein behelmter Mensch im Tarnanzug, der medizinisch behandschuht behutsam ein Neugeborenes hält, während im Hintergrund ein arabisch gewandeter Mann, vermutlich der glückliche Vater, in die Kamera strahlt. Bildlegende: "Die Geburt des Neuen im Krieg. Ein britischer Sanitätssoldat mit Baby am 13. April" (Jungle World 18/2003). So erfahren wir also endlich die Wahrheit über einen Krieg, in dem wochenlang hauptsächlich Sanitätssoldaten unterwegs waren, um den schwangeren Irakerinnen bei der Entbindung zu helfen. Und ein wunderbarer Symbolgehalt ergibt sich als ideologischer Mehrwert obendrein, sodaß sogar den Kinder-"Welt"-LeserInnen der emanzipatorische Aha-Effekt nicht verborgen bleiben kann. Ist das nicht obergeschickt gemacht? Und da Leute, die immer noch Kinder-"Welt" lesen, längst denkresistent sein müssen, brauchen sie nicht mal einen Kotzkübel. So etwas ist doch wirklich nett. Da stellt sich wie von selbst ein Brainstorming für weitere Illustrations-Vorschläge ein. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Kinder streichelnden Tony Blair beim Besuch in Basra? Nur mal zum Warmdenken für die Kriegspropaganda-Abteilung. Damit ist das Repertoire noch lange nicht erschöpft. Manche Tatsachen der netten "Befreiung" müssen nicht mal verschwiegen, sondern bloß uminterpretiert werden. Etwa der marodierende proamerikanische Mob, der nach der "Befreiung" durch Bagdad tobte. "Am Freitag und Samstag raubten und vernichteten die Vandalen im historischen Museum von Bagdad über 50.000 unersetzliche mesopotamische Kunstschätze...Auch die Nationalbibliothek fiel Plünderern anheim und wurde in Brand gesteckt. Die Bagdader waren freilich viel mehr durch die Plünderung mehrerer Spitäler betroffen, wo die Marodeure nicht nur Brutkästen und Kardiographen mitnahmen, sondern auch Betten, nachdem sie die Patienten kurzerhand auf den Boden befördert hatten. Sogar das Pflegepersonal fühlte sich an Leib und Leben bedroht...Das IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) meldete am Samstag, dass nur 3 von 32 Spitälern einen Notbetrieb aufrechterhielten. Diese spektakulären Zwischenfälle verbergen jedoch nachhaltige Schäden in den verschiedenen geplünderten Ministerien, welche die Verwaltung und den Wiederaufbau weit zurückzuwerfen drohen. Wenn erst einmal die verschiedenen ausgebrannten Archive und Karteien untersucht sind, lassen sich Hiobsbotschaften nicht ausschliessen. Wie ist eine Fünfmillionenstadt zu verwalten, falls die Register der Elektrizitätswerke, die Pläne der Trinkwasser- und Abwassernetze...vernichtet sind?" (Neue Zürcher Zeitung, 14. 4.2003). Dieselben Vorgänge stellen sich in der Kinder-"Welt" ein wenig anders dar, nämlich als eine Art Sturm auf die Bastille. Für die revolutionäre Andacht bitte mal kurz strammstehen! Da muß das Glücksversprechen unterwegs sein. Die häßlichen Einzelheiten lassen wir lieber weg. "Befreite Massen" sind nun mal in der Regel ein wenig stürmisch, wie Lenin Rumsfeld im Unterschied zu den linken Kriegsgegnern mit ihrem Affekt gegen "revolutionäre" Massenaufwallungen weiß: "Verglichen mit diesem dumpfen Ressentiment...erscheint Donald Rumsfeld fast wie ein Revolutionär, wenn er kommentiert: >Es ist unordentlich, Freiheit ist unordentlich<. Die meisten deutschen Linken mögen keine Unordnung" (wieder mal Amateur-Revolutionshistoriker Jörn Schulz, Jungle World 18/2003). Da sonnt sich das "antiautoritäre" Miststückchen aber im "Revolutionsbewußtsein" von US-Army-Gnaden. Ein demokratisches Hurra auf Lenin Rumsfeld! Das meint auch ein Leipziger Revolutionsfreund mit dem nom de guerre "Mausebär" im Internet gegen die radikalen wertkritischen Kriegsgegner: "Ich hätte eine Bewegung für sie, eine, die nicht wenige Anzeichen des Agierens >gegen Markt und Staat< aufweist – eine Bewegung, die Ministerien stürmt und die Zentralbank abfackelt...Na, wie wär’s?! Mindestens doch wäre sie nicht zu verteufeln, es könnte in ihr ein Potenzial stecken, an dem anzusetzen wäre?! Schreibt die Gruppe >Krisis< jetzt also einen Unterstützungstext für die irakischen Männer und Frauen, die all das getan haben? Erklärt sie sich mit ihnen >kritisch solidarisch<, auch wenn diesmal so ganz und gar kein Antiamerikanismus dabei war?" (Conne Island-CEE IEH). Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie der antideutsche intellektuelle Mob im brandschatzenden und mordenden proamerikanischen Plünderungsmob von Bagdad die Geistesverwandtschaft erkennt. Und schon haben wir eine neue Revolutionstheorie. Zuerst brauchen wir einen ordentlichen emanzipatorischen Bombenteppich, dann lassen wir die Revolutionstruppen der US-Army einmarschieren. Anschließend fallen wir über die Krankenhäuser als erstes strategisches Ziel der Revolution her, schmeißen die Patienten aus den Betten, reißen ein wenig die Brutkästen heraus und stecken zuletzt alles in Brand. Dann nehmen wir uns die Museen und Bibliotheken vor. Das Wichtigste wird für betuchte US-Gönner mitgenommen, und den Rest stecken wir ebenfalls in Brand. Und dann sind wir fast schon emanzipiert. Das Glücksversprechen winkt, und obendrein ist "so ganz und gar kein Antiamerikanismus dabei". Das ist in der antideutschen ideologischen Sprachregelung sowieso das einzige übrig gebliebene Kriterium, und zwar in bloßer Umkehrung: Proamerikanismus (das heißt "prowestliche" Akzeptanz des imperialen Anspruchs und der Killermaschine) ist gleichbedeutend mit der Lizenz zum Morden und Brennen. Was ist nun eigentlich der Unterschied zwischen der sanft vor sich hin lügenden linksbellizistischen Presse wie Kinder-"Welt", Konkret usw. und der etwas gehobenen bürgerlichen Normalpresse wie Spiegel (dem Irakkrieg gegenüber distanziert, aber von "Befreiung" sprechend) oder Neuer Zürcher Zeitung (dem Irakkrieg gegenüber wohlwollend und natürlich ebenfalls von "Befreiung" sprechend)? Ganz einfach, in der bürgerlichen "Qualitätspresse", die weniger für den Pöbel und mehr für die großen und kleinen Chefs gemacht wird, muß die Realität auch im unschönen Detail zumindest so weit vorkommen, daß die großen und kleinen Chefs sich ein Bild machen können; mit bloßer Propaganda wäre diesem Publikum bürgerlicher Intelligentsia nicht gedient. Die linksbellizistische Presse dagegen braucht keine realistischen Details mehr und keine gewissenhafte Recherche, weil sie nur noch Hirnpropaganda machen muß für den antideutschen Aufklärungs-Mob, der sein Bedürfnis bedient haben will nach einem Weltbild, in dem der kleine Weltordnungskrieg im Irak eben eine blitzsaubere, unblutige, in die Party übergehende Angelegenheit zu sein hat. Ein Bild von den wirklichen Zuständen im Irak und anderswo muß sich kein Antideutscher machen, weil es sowieso immer nur um die deutschen ideologischen Zustände geht. Vom Standpunkt eines altmodischen Berufsethos müßte man die "Berichterstattung" etwa der Kinder-"Welt" als ordinären ideologischen Lumpenjournalismus bezeichnen. Der Linksbellizismus ist also leicht erkennbar als Propaganda im eigentlichen und übelsten Sinne des Wortes. Dabei wirkt die unaufgeklärte Hardcore-Propaganda der Bahamas ziemlich steril, während die aufgeklärte Softcore-Propaganda von Kinder-"Welt", Konkret oder auch iz3w mit der nötigen Portion Unredlichkeit besser und differenzierter die diskursive Verwirrung eines breiteren linken Publikums bedient. Ein wenig erinnert das an die Methoden jener Kulturlinken im Kalten Krieg, die vom CIA gesponsert wurden (darüber gibt’s inzwischen akademische Untersuchungen). Um in der antikommunistischen Gesamtmaschine funktionieren zu können, mußten sie natürlich selber durchaus ein wenig links sein und auf linke Probleme eingehen; und so funktioniert das auch jetzt beim antideutschen Softcore-Bellizismus. Damit kein verschwörungstheoretisches Mißverständnis aufkommt: Diese Leute sind noch nicht einmal bezahlte Kreaturen. Sie machen’s umsonst. Als deutsche Idealisten sind sie natürlich publizistische Überzeugungstäter. Antideutsch sein heißt nun mal, eine Sache um ihrer selbst willen tun.
Auch der Rest vom schmutzigen Inhalt, soweit davon unbedingt ein bißchen die Rede sein muß, ist Sprachregelung. "Befreiung" haben wir schon mal positiv eingeübt, das heißt von der bürgerlichen Presse abgeschrieben. Jetzt gibt’s noch ein paar andere Kleinigkeiten der neuen "linken" Semantik zu trainieren. Bei der Sprachregelung darf man nicht pfuschen. Wie war das noch mal bei den Jugoslawienkriegen? Da mußte man aus antideutscher Sicht die wertkritischen Kriegsgegner angreifen, weil diese das Milosevic-Regime partout nicht als die "gute" Seite und den Protagonisten als antideutschen "Staatsmann" hochjubeln wollten, sondern eine linke Antikriegsposition jenseits der falschen, historisch gegenstandslos gewordenen immanenten Alternativen einforderten. Aber der bürgerliche, immer wieder auf die Warenvernunft zurückfallende Charakter der antideutschen Ideologie zeigt sich nun einmal darin, daß auch noch in den Krisenkonflikten der sich selbst zerstörenden warenproduzierenden Moderne unbedingt eine Seite als die "gute" (oder jedenfalls, für Ambivalenztiroler, die "viel, viel bessere") besetzt werden muß. Sonst kommt innere Unruhe auf, denn die modernisierungsideologische Linke ist darauf geeicht, die vom System jeweils vorgegebenen Alternativen anzunehmen, statt sich selbst als transzendierenden Pol gegenüber beiden Seiten der falschen Immanenz zu positionieren. Saddam, von der anderen "antiimperialistischen" Fakultät auf demselben Campus der modernisierungsideologischen Nostalgie favorisiert, wäre noch peinlicher als Milosevic, aber warum nicht mal zur Abwechslung die letzte Weltmacht selber zur positiven Alternative ernennen, zumal dabei als Mehrwert der Vorteil abfällt, nicht mehr auf einen militärischen Verlierer setzen zu müssen? Seitdem die antideutsche Gemeinde nach dem 11. September wieder mehr oder weniger hart bellizistisch eingeschworen ist, sind natürlich die US-Weltordnungskrieger die "Guten". Eben deshalb mußte ja das Saddam- im krassen Gegensatz zum Milosevic-Regime zur weltbedrohenden "Hitler-Diktatur" zurechtfrisiert werden. Der reale Verlauf und Ausgang des Krieges hat zwar das genaue Gegenteil bewiesen, aber was schert das einen antideutschen Kriegsbefürworter? Obwohl die Struktur des kapitalistischen Weltordnungs-Interesses im Irak und in Jugoslawien vom Grundsatz her durchaus ähnlich ist, verläuft die antideutsche Interpretation dabei diametral entgegengesetzt. In Bezug auf das Saddam-Regime nimmt man genau die Position ein, die Fishermens Friends in Bezug auf das Milosevic-Regime eingenommen hatten. Deshalb mußte man damals die realen Untaten des letzteren herunterspielen, während man die realen Untaten des ersteren heute heraufspielen muß. Für antideutsche dicke Lügen über den Nahen Osten ist inzwischen das Expertensystem Thomas Uwer/Thomas von der Osten-Sacken zuständig. Daß das Saddam-Regime eine mörderische Diktatur ist wie Dutzende andere, meistens von den USA ausgehaltene (zu denen übrigens lange Zeit auch die von Saddam selber gehörte), das ist nun wahrlich nichts Neues. Aber wie bläst man einen Saddam zum Hitler auf, um den US-Krieg zu rechtfertigen? Ganz einfach, indem man an die vermutete Zahl seiner Opfer ein paar Nullen dranhängt. "Das Hussein-Regime stellt eine extreme Bedrohung dar...Tatsächlich hat es Hunderttausende, wenn nicht Millionen auf dem Gewissen" (Jochen Müller in iz3w 267). Da führt bereits ein munteres publizistisches Eigenleben und wird ungeprüft übernommen, was Uwer/Osten-Sacken immer wieder in die Welt gesetzt haben. Die Urversion, wie könnte es anders sein, findet sich in der Kinder-"Welt", wo v. der Osten-Sacken sich im November 2002 über die damalige UNO-Resolution zu Saddams "Massenvernichtungswaffen" mokierte, weil sie nicht weit genug gehe: "Empörung...hätte die Nachricht auslösen müssen, dass, obwohl der UN-Sonderberichterstatter Max van der Stoel den Irak als >wohl schlimmste Diktatur nach 1945< bezeichnete und bislang mehr als eine Million Menschen dem Regime Husseins zum Opfer fielen, in der Resolution mit keinem Wort ein Ende der Unterdrückung der irakischen Bevölkerung gefordert wurde" (Jungle World 47/2002). Keiner von denen, die das im antideutsch-bellizistischen Umfeld seither abgeschrieben oder weiterverbreitet haben, hat es für nötig befunden, die Richtigstellung dieser Behauptungen bei "Steinberg Recherche" zur Kenntnis zu nehmen. Dort heißt es: "v.d. Osten-Sacken gibt für seine Aussagen keine Quelle an. Es existiert aber seit 1995 ein >Interim report on the situation of human rights in Iraq, prepared by Max van der Stoel, Special Rapporteur of the Commission on Human Rights<...Andere Berichte des UN-Sonderberichterstatters zum gleichen Gegenstand gibt es nicht. Eine >wohl schlimmste Diktatur nach 1945< kommt bei van der Stoel nicht vor. Mag sein, daß v. der Osten-Sacken den Satz woanders gelesen hat. Nennt der Bericht >mehr als eine Million Menschen<, die dem Saddam-Regime >zum Opfer< gefallen seien? Achtmal enthält der Bericht das Wort >million<, davon dreimal in Zusammenhang mit Geld, fünfmal mit Leuten. Bei den Leuten geht es an zwei Stellen um soundsoviel Wähler (§57), einmal um über zwei Millionen besonders vom Hunger bedrohte Menschen (§51) und einmal um vier Millionen Menschen in einer prekären Gesundheits- und Ernährungssituation (§43). Nur einmal ist von Millionen und von Toten die Rede, und zwar so: >As such, there can be no doubt that the policy of the Government of Iraq is directly responsible for the physical and mental pain, including long-term disabilities, of millions of people and the death of many thousands more<. Von Millionen Geschädigten und Behinderten spricht der Bericht und darüber hinaus von >vielen Tausend Toten<. Von Millionen Opfern ist nicht die Rede" (Steinberg Recherche, 13. November 2002). So sieht durchgängig die Erfindung oder Verdrehung von Fakten durch die linksbellizistische Propaganda aus, die rein assoziativ vorgeht, um sich unbedingt Saddam doch noch wenigstens zu "einer Art Hitler" hinzubiegen und damit letztlich den Krieg trotz aller scheinheiligen Dementis einer "Gleichsetzung" zu rechtfertigen. Es ist exakt die Wiederholung der Vorgehensweise, mit der die rotgrünen Einpeitscher den Kosovo-Krieg moralisch gutgeredet hatten. Auch das Milosevic-Regime mußte dabei über alle sonstigen, durchaus blutigen Westentaschen- und Krisendiktaturen der Peripherie hinaus zur Nazi-Qualität hochgefahren werden, um sich mit menschenrechtlichem Augenaufschlag daran erfreuen zu dürfen, daß die USA bzw. die NATO "wenigstens in diesem besonders schlimmen Fall" einmal zur Interventionstat schritten. Für eine emanzipatorische Kritik, die sich bewußt ist, daß sie gegenwärtig nicht "realpolitisch" einzugreifen vermag, müßte es einzig und allein darauf ankommen, die realen Opfer sowohl der perspektivlosen Krisenpotentaten als auch der ebenso perspektivlosen imperialen Weltordnungskriege unbestechlich zu benennen und nicht hinter ideologischen Formeln verschwinden zu lassen. Die Greueltaten des Saddam-Regimes und dessen Charakter sind ebenso aufzudecken wie diejenigen der US-Militärmaschine; nicht in einem bloß moralischen Sinne, sondern vor allem, um eine emanzipatorische Perspektive jenseits der falschen Alternativen des globalen Krisenkapitalismus deutlich zu machen. Indem die antideutschen Ideologen sich ebenso wie ihr völkisch-antiimperialistischer Widerpart auf diese destruktiven Scheinalternativen einlassen, werden sie gewissermaßen bestechlich und müssen die Opfermasse der einen falschen Seite ebenso nach oben lügen wie die Opfermasse der anderen falschen Seite nach unten. Diese Lügen dienen einzig dem Zweck, den konsequenten Kriegsgegnern zu unterschieben, sie wollten die Augen vor dem mörderischen Charakter des Saddam-Regimes verschließen. Hingegen will man sich nicht auf die Kritik an der falschen Alternativsetzung einlassen. Dasselbe Spiel wurde schon nach dem 11. September hinsichtlich Al Kaida getrieben. Demgegenüber ist ein für allemal festzuhalten, daß der westliche Krisenimperialismus nie und nimmer eine Kraft darstellt, die der unzweifelhaften Barbarisierung Einhalt gebieten kann. Denn diese Barbarei ist seine ureigene Konsequenz. Der imperiale Zugriff der USA bildet ebensowenig eine Gegenposition zur globalen Krisenbarbarei wie die antideutsche Ideologie eine Gegenposition zu den völkisch-antisemitischen Verfallsformen des Arbeiterbewegungsmarxismus bildet. Statt die barbarischen Tatsachen insgesamt unbeschönigt darzustellen, werden so noch die Toten für die jeweilige ideologische Regression instrumentalisiert. Die antideutschen Bellizisten geben die gefundenen und noch zu findenden Massengräber im Irak auf exakt dieselbe Weise zur propagandistischen Interpretation frei wie die rotgrünen Bellizisten ähnliche Spuren von Massakern im Kosovo und in Bosnien; etwa in folgendem Fall: "In Kirkuk entdeckten die Amerikaner am südlichen Stadtrand bei einer Militärbasis ein Massengrab, das die Gebeine von schätzungsweise über 1500 Personen enthält. Man vermutet darin entweder die kurdischen Opfer der Repressionskampagne des Regimes oder aber irakische Soldaten, die im Krieg von 1991 gefallen waren" (Neue Zürcher Zeitung, 20. 4. 2003). Aus solchen und ähnlichen Funden dürfen sich dann die antideutschen Bellizisten ihr Srebreniza zusammenbasteln; und hätte der Krieg länger gedauert, dann hätten sie auch ihr Pendant zum berüchtigten "Hufeisenplan" gefunden. Das eine Srebreniza wurde aus rein ideologischen Gründen geleugnet, das andere wird aus ebenso rein ideologischen Gründen über seine reale Dimension hinaus ausgeschlachtet.
Wiederum exakt wie bei den Jugoslawienkriegen die rotgrünen Kriegsideologen, so fabulieren heute die antideutschen Bellizisten in Bezug auf den Irak von einer "Demokratisierung". Daß der Lügenbaron von der Osten-Sacken davon schwärmt, ist normal, denn er ist von Haus aus kein gelernter antideutscher "Kommunist" von Gnaden des bürgerlichen Glücksversprechens und der US-Luftwaffe, sondern ein simpler NGO-Lobbyist mit völlig durchsichtigen Interessen, die sich als "humanitärer Flankenschutz" (so ganz positiv das Handelsblatt) der kapitalistischen Weltordnungskriege organisiert haben und deren Verwalter vom Schlage der Uwer/Osten-Sachen damit ihre mehr oder weniger gut belegten Brötchen verdienen. Daß aber auch die antideutsche Szene dieses Mantra übernimmt, zeigt, daß ihr ganzes theoretisches Gespreize und reflektiertes Getue (bis hin zur scheinbaren Annäherung einiger ihrer Teile an die wertkritische Reformulierung der Kapitalismuskritik) nie auch nur das geringste zu bedeuten hatte. Ihrem Urverständnis nach sind sie offenbar nie etwas anderes als habermasianische Sozialkunde-Demokraten auf dem Niveau der Mittelstufe gewesen. Es sind mit einiger Folgerichtigkeit dieselben Leute, denen die dummaufgeklärte Parole "Fanta statt Fattwa" von Kriegs-Groovie Andrea Albertini in der Kinder-"Welt" als Kennzeichnung ihres Geisteszustandes entspricht. "Fanta" steht dabei für den Warenkonsum von westlichen oder westlich orientierten Wertsubjekten der "abstrakten Arbeit". Und dafür gilt dasselbe wie für die "Demokratie": Erstens handelt es sich (auch im metaphorischen Sinne) um ein widerliches, ungenießbares Gesöff, und zweitens werden die Iraker nicht einmal das bekommen aufgrund ihres weit fortgeschrittenen Stadiums in der Weltkrise des modernen warenproduzierenden Systems. Daß sich in Bezug auf diese Situation im Irak wie überall in der Welt eine emanzipatorische Bewegung erst neu konstituieren muß, liegt auf der Hand. Eben deshalb kann eine radikale Linke, die diese Aufgabe ernst nimmt, sich auf keinerlei faulen "realpolitischen" Zauber einlassen, in dem nur die eigene Ohnmacht durch Machtsimulation auf der Ebene der "kapitalistischen Fragen" (Sicherheits- und Ausgrenzungs-Imperialismus) verdrängt wird. Wer sich aber darauf einläßt, und das tun die Linksbellizisten und ihre Freunde, muß sich ein "emanzipatorisches Subjekt" alten Stils auf dem Boden des globalen Krisenkapitalismus herbeihalluzinieren. Die modernisierungsideologische Linke, die an den systemisch produzierten Scheinalternativen klebt, hat sich in ihrer prowestlich-linksbellizistischen Variante ausgerechnet die letzte imperiale Weltmacht des Kapitalverhältnisses als Träger der "emanzipatorischen Intervention" ausgeguckt. Die Absurdität, auf die Militärmaschine der USA als Garantiemacht einer "zivilisatorischen Voraussetzung des Kommunismus" zu setzen, ist offensichtlich. Weil aber selbst dieses wirklich allerletzte Konstrukt eines geschichtsphilosophischen Aufklärungsdenkens nicht völlig ohne eine gewisse Eigentätigkeit der Menschen bei ihrer eigenen Emanzipation auskommt, mußten die Linksbellizisten eine höchst merkwürdige Spezies ins Spiel bringen, nämlich die sogenannte "irakische Opposition". Dieses Subjekt begann plötzlich durch die Spalten besonders der softcore-bellizistischen Presse zu geistern, und seine Propheten wurden die Herren Uwer/Osten-Sacken. Natürlich gibt es in Wirklichkeit keinerlei Anzeichen, daß sich gerade im Irak das notwendige neue Bewußtsein einer Emanzipation gegen das System der Wertverwertung und gegen den Krisenimperialismus zu formieren begonnen hätte. Überall in der Welt sind gegenwärtig völkische, rassistische, antisemitische, ethno-kulturalistische, nationalistische usw. Verfalls- und Regressionsformen der zusammengebrochenen Paradigmen von "nationaler Befreiung" und "Klassenkampf" zu beobachten. Daß es in diesem Kontext keine anzurufende positive Kraft emanzipatorischer Bewegung mehr gibt, schien bei den Antideutschen aber nur so lange eine Erkenntnis zu sein, wie sie nicht bellizistisch abgestürzt waren. Im Kosovokrieg etwa wurde die anti-emanzipatorische Verfaßtheit der "kosovarischen" Ethno-Bewegung klar benannt, wenn auch nicht ohne rassistischen Zungenschlag. Dasselbe galt für die kurdischen Ethno-"Marxisten" der PKK. So sprach etwa Udo Wolter Anfang 1999 von einem "Abwehrdiskurs" traditionell antiimperialistischer Linker, Kurdistan-Soligruppen etc., die sich "stereotyp jede Kritik an ihrem revolutionsromantischen Bezug auf die PKK verbitten..., um eine Ideologiekritik am positiven linken Bezug auf >Völker< und auf autoritär strukturierte nationale Befreiungsbewegungen zu übergehen" (Jungle World 8/1999). Und auch der falsche historische Analogieschluß wurde noch benannt: "Ständige Vergleiche in die Richtung >Gestern Juden, heute Kurden< bewirken vor dem Hintergrund des Normalisierungsdiskurses in Deutschland nur eine Relativierung der NS-Vernichtungspraxis" (a.a.O.). So weit, so richtig. Aber eben doch nur in einem ganz anderen, zunächst noch verborgenen ideologischen Horizont so dahingesagt. Anton Landgraf, heute Chefideologe von redaktionellem Bellizismus und bürgerlicher Glücksversprecherei in der Kinder-"Welt", brachte dieselbe Argumentation drei Jahre später unter dem Eindruck des 11. September noch einmal auf eine allgemeinere Ebene, indem er die "antiimperialistische" Interpretation der barbarischen Terror-Angriffe geißelte: "In mehrfacher Hinsicht kommt diese Sicht einer geistigen Bankrotterklärung gleich. Die antikolonialen Bewegungen des letzten Jahrhunderts waren mehrheitlich sozialistischen oder zumindest republikanischen Zielen verpflichtet. Nun gibt es zum ersten Mal nach dem Ende des Realsozialismus wieder eine revolutionäre Bewegung – diesmal wird sie allerdings getragen von einem reaktionären Gemeinschaftsideal" (iz3w 260, April/Mai 2002). Da war die eigene geistige Bankrotterklärung der antideutschen linksbürgerlichen Aufklärungshuberei und "Zivilisations"-Rettung durch die imperiale Militärmaschine usw. allerdings schon in voller Fahrt. Seither darf man staunen über den Paradigmenwechsel in der linksbellizistischen Sachlichkeit, was den neuen Schauplatz Irak betrifft. Das gilt für die Einschätzung der "irakischen Opposition" im allgemeinen und der Kurden des Nordirak im besonderen. Bei diesem Gegenstand wird kein Klischee ausgelassen, das sonst den "völkischen Antiimperialisten" vorbehalten geblieben war. Natürlich besteht diese "Opposition", wie sollte es auch anders sein ohne eine neue formkritische Emanzipationsbewegung, unter den gegebenen Bedingungen durchwegs aus revitalisierten Clan-Verhältnissen mit "reaktionärem Gemeinschaftsideal" auf blutsverwandtschaftlicher Basis. Das stört aber plötzlich gar nicht mehr. Denn jetzt erinnert sich der antideutsch eingefärbte Linksbellizismus selber in seinem neuen Kontext vergangener "nationalrevolutionärer" Zeiten. Neben den ethno-religiösen Schiiten-Clans im Süden sind ganz besonders die beiden Kurden-Parteien des irakischen Nordens zu Lieblingen des etwas anderen "Emanzipations-Diskurses" geworden. Das von der "Demokratischen Partei Kurdistans" (DPK) unter Führung des Clanchefs Masud Barzani und der "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK) unter Führung des Clanchefs Jalal Talabani beherrschte Territorium wird von Uwer/Osten-Sacken notorisch als das eines "befreiten und selbstverwalteten kurdischen Nordirak" (Interview in: Der Standard, 14. 3.2003) bezeichnet. Der alte maoistische Terminus der "befreiten Gebiete" läßt grüßen. Hier haben wir es mit derselben Semantik einer Umdeutung einstmals kritischer Begriffe der Modernisierungslinken in Terms der kapitalistischen Krisenverwaltung zu tun wie hinsichtlich der Begriffe von "Reform", "Autonomie" usw. im neoliberalen Diskurs. Was macht es da schon aus, daß DPK und PUK nicht nur mörderische Kriege gegeneinander geführt haben, sondern auch dafür bekannt sind, daß ihre "Peschmergas" immer wieder nicht nur die Bevölkerung der Gegenseite, sondern auch die eigenen Leute ausgeplündert haben? Wen stört es, daß es sich hier strukturell um eine Clan-Herrschaft handelt, die derjenigen des Tikrit-Clans von Saddam Hussein gleicht wie ein Ei dem anderen? Erst recht ist es kein Thema, daß die "Parteien" der Herren Barzani und Talabani noch viel völkischer daherreden als die PKK, und zwar ganz ohne steinzeitmarxistischen Ballast. Ebensowenig wird es zum Problem, daß die schiitischen Clans des Südens ungefähr so islamistisch sind wie Al Kaida und nichts anderes wollen als den Gottesstaat. Auf den Inhalt kommt es eben nicht an bei der neuen antideutschen Sachlichkeit. Jetzt kommt es heraus, daß die ganze "Ideologiekritik" am regressiven völkischen Denken gar nicht so ernst gemeint war. Ob völkisch oder nicht, das ist in Wirklichkeit scheißegal. Das wahre Kriterium besteht in der Haltung zum imperialen Zugriff der US-Militärmaschine. Der ganze "ideologiekritische" Budenzauber gegen die völkische Barbarei war bloß Rauchvorhang für die proimperiale Parteinahme. Sind die von antiemanzipatorischen, autoritären Clans und Milizen geführten Kollektive nur proamerikanisch, dann heißt es: hier sind sie "Völker", dürfen sie’s sein. Und dann sind auch die "ständigen Vergleiche in Richtung >gestern Juden, heute Kurden<..." auf einmal sehr genehm, wenn es nur die richtigen, proamerikanischen Kurden sind, die jenseits der türkischen Grenze von Saddams Truppen mit Giftgas beschossen wurden. Da protestiert kein Udo Wolter von wegen "Relativierung der NS-Vernichtungspraxis". Die feinen Unterschiede muß man eben kennen, wenn man im Rahmen der definierten Sachlichkeit mitreden will. Und kein "debatten"-geschädigter antideutscher Kongreßtourist wundert sich mehr, wenn die Kinder-"Welt" unter dem Titel "Saddam – und dann?" eine Tournee veranstaltet, selbstverständlich unter Moderation von Thomas Uwer, auf der die eindeutig völkischen Vertreter von DPK und PUK ihr andächtiges antivölkisches Publikum über "Befreiung" aufklären und dieselben Identifikationen stiften dürfen wie einst in Che-Guevara-Zeiten. "Sag mal, verehrtes Publikum, bist du wirklich so dumm?" (Tucholsky). Unter den Bedingungen der kapitalistischen Weltkrise, in einem aussichtslos an den Kriterien des Weltmarkts gescheiterten, ohne jede kapitalistische Akkumulationsperspektive dahinvegetierenden Land sollen nun "Demokratisierung, Staatsbürgerrechte und Gewaltenteilung" (v.d. Osten-Sacken im Standard, a.a.O.) zu neuen Ufern unter gütiger Ägide der US-Militärverwaltung führen. Selten hat der politische Idealismus seine Dummheit so offen dokumentiert. Die drei Zonen des Irak, wie sie von der Militärverwaltung konzipiert worden sind, verlaufen genau entlang den ethno-kulturellen Grenzen. Man muß kein Prophet sein, um in dieser Einteilung die Konturen eines künftigen Ethno-Kriegs als Fortsetzung der Krisenkonkurrenz mit anderen Mitteln zu erkennen. Es ist exakt dieselbe Logik, die zum Zerfall Jugoslawiens geführt hat, nachdem die nationalökonomische Basis zerstört war. Herr Genscher läßt grüßen. Und in Wahrheit bildet der ethno-kulturelle Völkerzoo ja auch das übergreifende Konzept der imperialen planetarischen Krisenverwaltung. Die Nahostexperten, Lieblings- und Dauerautoren der gesamten linksbellizistischen Presse Uwer/Osten-Sacken haben sich bei ihrer segensreichen kurdisch-völkischen Lobby-Tätigkeit fast schon zu glühenden Antideutschen gemausert und damit bis zur Kenntlichkeit von deren abgrundtiefer Unwahrhaftigkeit, was die Kritik des völkischen Denkens angeht. Als Adepten der antideutschen Ideologie tragen sie selbstverständlich auch deren Basisargument mit, man müsse nicht etwa die reale deutsche Mithilfe beim Gesamtkomplex der krisenkapitalistischen Weltordnungskriege angreifen, sondern die weltweite US-Kriegführung in Schutz nehmen vor irrealer "deutscher Konkurrenz" bei diesem edlen Befreiungsgeschäft. Schon in dieser Hinsicht erweisen sich Uwer/Osten-Sacken als Musterexemplare des flexiblen Menschen. Während sie nämlich bei einschlägigen Kinder-"Welt"-Veranstaltungen dem Publikumsgeschmack entsprechend eher im Ambivalenzlerkostüm kritisch-bedenkenträgerisch für die kapitalistische Weltmacht gegen Allgermania auftreten, sollen sie bei Bahamas-Veranstaltungen als gern gesehene Gastredner auch schon mal mit extra geschlagenem Schaum vor dem Maul gesichtet worden sein. Das Expertenduo ist aber noch viel flexibler. Wenn sie sich bei der Entlarvung des großdeutschen Konkurrenz-Imperialismus verausgabt haben, sind sie noch lange nicht müde, sondern legen mit ihrer zweiten Luft erst richtig los. Dann werden sie nämlich im Berliner Auswärtigen Amt direkt beim ideologischen Lieferanteneingang eben dieses großgermanischen Imperialismus vorstellig und geben dort ein sachdienliches Memorandum ab mit guten Ratschlägen, wie die deutsche kapitalistische Macht ihren Einfluß im Irak retten und geltend machen kann: "Es kann...nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein, alleine am Status quo eines zum Zusammenbruch verurteilten Regimes festzuhalten...Sowohl das Übergangskomitee...als auch die verschiedenen Parteien innerhalb der irakischen Opposition haben den Wunsch geäußert, sich mit Fachleuten, Akademikern und Politikern in Deutschland über die Möglichkeiten...der Schaffung eines föderalen Staatssystems im Nahen Osten auszutauschen...etwa über Gestaltung bundesstaatlicher oder föderaler Institutionen, Polizeirecht...Die Bundesrepublik Deutschland verfügt hier über einen besonderen Erfahrungsschatz. Vielen Irakern gilt Deutschland als besonderes Beispiel, wenn nicht Vorbild für die Transformation einer zentralstaatlich verwalteten, militarisierten Diktatur in einen föderalen Bundesstaat. Aus Deutschland sind in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Initiativen zur Unterstützung und Beratung beim Aufbau föderaler und demokratischer Rechtsstaatsstrukturen in anderen Ländern ausgegangen..." (WADI e.V., Memorandum Irak, Februar 2003). Die antideutsche Ideologie ist nicht nur eine Party, sondern auch eine Achterbahn des Denkens: Vom famosen Glücksversprechen des Kapitalismus geht’s rauf zur Emanzipation von der Warenform mittels Rumsfelds Flugzeugträgern und dann im Hui hinunter zur Demokratisierung des Irak mit dem bundesdeutschen Sozialkundebuch, von der grimmigen Feindschaft gegen das deutsche Unwesen direkt zur freudigen Entdeckung des deutschen Erfahrungsschatzes bei der Gestaltung von Polizeirecht und föderalen Strukturen – Atemlosigkeit, Ausschnaufen und dann Gelächter: Wir sind ja bloß auf dem Rummelplatz für Ambivalenztiroler! Darauf noch ein Koksīn Cola-Hurra! Und Gremliza freut es so recht im Herzen, wie seine lustigen Starautoren hier die DDR als "zentralstaatlich verwaltete, militarisierte Diktatur" ganz schulmäßig mit Saddams Baath-Regime gleichsetzen und die Erfahrung des BRD-Apparats bei der "Transformation" von Neufünfland in ein weiteres Mezzogiorno als "Beispiel, wenn nicht Vorbild" für die Verwandlung des Irak in eine blühende föderale Landschaft anpreisen. Hat man von diesem in vieler Hinsicht meisterhaften Memorandum in Konkret, im iz3w oder gar bei den Weltmeistern der "Debatte" in der Kinder-"Welt" jemals etwas vernommen? Gab’s da auch nur eine einzige schüchterne Anfrage, wie das alles zusammengeht? Kein Sterbenswörtchen natürlich. Aber warum denn das Licht der eigenen Starautoren so unter den Scheffel stellen? Nun, geheim bleibt derartiges sowieso nicht, aber man kann ja immerhin eisern schweigen dazu. Der Mensch ist eben dazu geschaffen, notfalls das Maul zu halten, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Allerdings, dem gläubigen antideutschen Publikum, dem die Peinlichkeit kaum entgangen sein dürfte, müßte doch eigentlich speiübel werden. Erbricht sich deswegen auch nur ein einziger Konkret- oder Kinder-"Welt"-Abonnent über seiner Kloschüssel? Aber nein. Der hartgesottene Ambivalenztiroler und die "hip gekleidete" hartgesottene Ambivalenztirolerin mit ihrer fitneß-gegerbten ideologischen Haut halten das alles aus und noch viel mehr. So bleibt das Expertensystem Uwer/Osten-Sacken der linksbellizistischen Presse erhalten, diese ihrer Szene und die wiederum als ideelle Hilfstruppe der so ungerecht angefeindeten Zivilisationsmacht USA, sodaß die Welt die Hoffnung auf Genesung am antideutschen Wesen noch nicht völlig aufgeben muß. Und das ist doch auch wieder eine feine Sache, da sollte man nicht allzu pingelig sein.
Wenn alle Widersprüche und Gemeinheiten erst mal schön sprachgeregelt und sprachgebügelt sind, wenn der antideutsche Bellizismus irgendwie gut kommt und seine Green Card für den "linken" Diskurs in der Tasche hat, dann muß man nicht immer gleich mit seiner bellizistischen Grundeinstellung provozieren. Es gibt ja so viele Themen, bei denen man wieder ganz unbefangen die "radikale Reflexion" des Lederjacken-Intellektuellen raushängen lassen kann. Zum Beispiel, wenn es gilt, sich in aller theoretischen Pseudo-Abgeklärtheit über die "verkürzte Kapitalismuskritik" der Antiglobalisierungs- und Antikriegsbewegung herzumachen. Dazu veranstaltet dann die gesamte linksbellizistische und dem Linksbellizismus nahe stehende oder ihn publizistisch beherbergende und deckende antideutsche Presse einen netten aufgeklärten, von schierer Sachlichkeit nur so strotzenden Kongreß (unter dem Titel "Spiel ohne Grenzen"/SPOG Ende Mai 2003 in München); wie überhaupt der Kongreßtourismus für diese Szene zum Schmiermittel einer permanenten Selbstbestätigung geworden ist, die das Fußvolk bei der Stange hält, damit das nicht womöglich auf ein paar Gedanken kommt. Man stellt sich am besten erst mal ganz dumm, wenn es jemand als dreiste Provokation anprangert, daß ausgerechnet dieselben Leute, die mit dem imperialen Polizeikrieg liebäugeln und über den "zivilisatorischen" Charakter des Killerkapitalismus samt Glücksversprechen räsonieren, in aller "linken" Unschuld zum Beurteilungskongreß über die "verkürzte Kapitalismuskritik" der Bewegungen einladen. Aber wieso denn, was hat denn das eine mit dem andern zu tun? Gar nicht das geringste, zwei völlig verschiedene Themen. "Von der Kongreßvorbereitungsgruppe existieren keinerlei Stellungnahmen zum Krieg der USA gegen den Irak. Ich weiß also nicht, auf was sich der Vorwurf der >Kriegstreiberei< beziehen soll" (Lorenz G.). Ach woher denn, es sind ja bloß dieselben Periodika, die den antideutschen Bellizismus tragen und beherbergen, und die jetzt eben mal als Träger eines Kongresses zu einem "ganz anderen" Komplex auftreten. Warum auch soll die linke Hand immer wissen wollen, was die rechte tut? "Der Kongreß ruft nicht zum Krieg auf" (Mr. SPOG im Internet). Ist ja toll. Nicht mal direkt zum Krieg wird aufgerufen, was wollt ihr denn? "Es gab lediglich eine Debatte um mögliche positive Auswirkungen eines Krieges. Also nun macht mal halblang" (noch so ein niedlicher Internet-Diskutant). Und das ist ja fast schon die halbe Miete der radikalen Kritik, oder etwa nicht? "Hättet ihr eine Veranstaltung mit dem Bellizisten und Realpolitiker Thomas Uwer >Saddam, und dann?<, gesprengt, hättet ihr meine Zustimmung" (abermals ein apologetischer Internet-Diskutant, alles bei x-berg.de). Dieser Uwer schreibt sich ja lediglich die Seele für den US-Weltordnungskrieg aus dem Leib genau in den Zeitungen und Zeitschriften, die als Träger dieses Kongresses aufgetreten sind, aber was hat der arme Kongreß damit zu tun? Multiple Persönlichkeiten können mit so was eben umgehen und sich dabei sogar beidhändig die Dröhnung geben. Merke: Über Bellizismus redet man nicht bei jeder Gelegenheit, man hat ihn bloß. Und dann nochmal die ganz große Indianer-Ehrenwort-Unschuldsbeteuerung: Eigentlich sind wir doch gar keine Bellizisten! Wir doch nicht, das müssen andere sein. Lediglich die emanzipatorischen Wirkungen der US-Präventivkriege halten wir schon mal für immerhin ein wenig erörternswert hie und da, aber wo sollen sie denn sein, diese sagenhaften Bellizisten? "In den Kongreßvorbereitungskreisen gibt’s jedenfalls nicht einen einzigen. Auch sonst hab ich seit Wochen keinen einzigen mehr gesehen" (schon wieder ein apologetischer Internet-Diskutant). Sie sind eben eine sehr scheue Spezies, diese Bellizisten, lichtscheu gewissermaßen. Die Kinder-"Welt" etwa macht wie verrückt Propaganda für den imperialen Krieg, aber das Zeug muß jemand eingeschmuggelt haben; richtige Nacht- und Nebel-Tiere müssen diese Bellizisten sein, falls es sie gibt. Überhaupt, Bellizismus, was soll das eigentlich sein? Kennen wir im Grunde gar nicht, so was. Und irgendwann muß ja auch mal Schluß sein mit der penetranten Hetze gegen den armen antideutschen aufgeklärten ideellen Gesamtkriegsfreund. Und die Gesamtkriegsfreundin natürlich. Warum denn gleich alles so ernst nehmen? "Der permanente Bellizisten-Alarm ist auf Dauer ein wirklich ödes Spiel" (Christian Stock/iz3w genervt-abwehrend an Krisis). Wir haben doch noch so viele schöne bunte Fragestellungen hier, das sollte man auch mal sehen. Diese ewige aufgeregte Feindseligkeit ist ja wohl ziemlich pathologisch. "Wir hier in der Bergmannstraße versuchen doch nur, eine linke Zeitung zu machen" (Jungle World-Homestory 8/2003). Ja, wenn das so ist, dem sollte man natürlich nicht unsachlich im Wege stehen. Und dann, bei aller sachlichen kontroversen Debatte, es gibt ja auch noch Gemeinsamkeiten. Wann könnte man die besser zur Geltung bringen als am 1. Mai nach dem kleinen Krieg, und durch wen anders als durch eine "Miez" von einer Band MIA, die bei der "richtigen" antideutsch aufgemöbelten Demo aufspielt: "Das ist ja alles etwas Gemachtes...aber ansonsten gehen alle, die am 1. Mai auf die Straße gehen, aus demselben Grund und für dieselbe Sache auf die Straße...eigentlich sollte es...am 1. Mai nicht um das Steineschmeißen gehen, sondern um eine Einigkeit, die uns alle miteinander verbindet. Alle sind wir schließlich gemeinsam für die Revolution" (Jungle World 19/2003). Die einen eben mit Lenin Rumsfeld, die andern vielleicht ein wenig anders, aber eigentlich wollen wir doch alle das Gleiche, oder etwa nicht? Komm, süße Verblödung. Ein bißchen Krieg, ein bißchen Frieden, ein bißchen Luftballon. Ist doch alles Miez und "rotzig frecher Neo-New Wave" hier (Jungle World, a.a.O.).
Nach so viel Müh und Sünden brauchen wir was zu trinken. Ende gut, alles gut. Es gibt etwas zu feiern, den Sieg nämlich. Den Sieg der Alliierten "im ersten antifaschistischen Waffengang des 21. Jahrhunderts" (Bahamas-Erklärung vom 14.4.2003). "Alliierte", wie das klingt und singt, ganz der Sound von 1941. Und die gesamte antideutsche Family samt allen Jungs und Mädels von der Kinder-"Welt" auf der richtigen Seite, und auch ein wenig Sieger, das muß man sich mal vorstellen! Da kommen schon ein wenig Gefühle auf, Siegergefühle, und diesmal braucht man sich seines Sentiments nicht zu schämen. Das ist ja fast schon die Revolution. Danke, Lenin Rumsfeld! Und als glorreicher publizistischer Mitsieger an der Seite der Alliierten kann man schon mal generös sein den Andersdenkenden gegenüber. Schade eigentlich, daß diese verrückten wertkritischen Kriegsgegner nach und nach Selbstmord begangen haben, man hätte sie gern noch ein paar Mal durch den Reifen springen sehen im Diskurszirkus der "vernünftigen" Linken. Jetzt, wo wir gesiegt haben, können wir es ja zugeben: Eigentlich sind wir gar nicht so sehr für Menschenopfer. Wat mut, dat mut, aber es ist eine gemeine Unterstellung, daß wir es begrüßen würden, wenn zum Beispiel schon mal die eine oder andere irakische Fünfjährige von einem US-Panzer überrollt wird. Unbeabsichtigt natürlich, im Eifer des antifaschistischen Gefechts. Auch wenn es sich vielleicht doch um eine Antisemitin gehandelt hat. In den heißen Wüstenländern da unten sind sie bekanntlich sehr frühreif, auch ideologisch. Aber scheiß drauf, wir haben gesiegt, und das allein zählt. Von der Verbitterung der wertkritischen Stalin-Wiedergänger darf man sich nicht anstecken lassen. Aufgeklärte Bellizisten sind im Grunde fröhliche, lebensbejahende Menschen, vor allem wenn sie gesiegt haben. Rechtzeitig und in weiser Siegesvoraussicht hat die Kinder-"Welt" deshalb alles vorbereitet für das Happy End dieses Befreiungskrieges und aller kommenden: "Wir haben neue und großartige Pläne. Das Gute daran ist, dass sie nicht nur uns betreffen, sondern auch unsere Leser, Autoren, Herausgeber und Fans und Feinde angehen. Und das Schönste ist, dass sie nichts mit Weltveränderung zu tun haben...Yes, wir machen eine Bar. Ihr seid eingeladen...Die noch leicht dunstige Programmatik will darauf hinaus,...Hedonismuskonzepte vorzustellen..." (Jungle-World-Home-Story 16/2003). Dort, wo die Lust ein "Hedonismuskonzept" ist, hinter den Mauern des imperialen Limes, weiß man tief innen, warum man die US-Militärmaschine braucht, wenn man weiterhin als warenproduzierender Formdepp in der "Sorge um sich" den eigenen Arsch pflegen möchte, der freilich auch bloß ein "Konzept" ist. Aber Miesmachen gilt nicht. Und jetzt darf endlich gefeiert werden. Her mit der Fanta, hoch die Tassen! Man gönnt sich ja sonst nichts. Auf die Befreiung, immer und überall, im Irak und anderswo, und überhaupt! Auf Bush, Rumsfeld, Cheney, Wolfowitz, Ashcroft, auf alle Frontmänner und Frontfrauen der "Zivilisation"! Wir haben es ja schon immer so geliebt, das Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft...Cheers! Nachsatz: Was ist schon die Cholera in Basra gegen diesen "Diskurs"? Na also... Dieser Text wurde veröffentlicht am: 30.6.2003 |