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DEAD MEN WRITING

Gebrauchsanweisung, wie man emanzipatorische Kritik in ein Spekulationsobjekt für die persönliche Reproduktion einer Rotte der Lumpenintelligentsia verwandelt

von Robert Kurz

1.

Der vor kurzem erschienene Sammelband "Dead Men Working" gehört in mancher Hinsicht noch zu den Überhängen des alten Krisis-Zusammenhangs, bevor dieser just von den Herausgebern dieses Buches gespalten wurde, indem sie mit Hilfe einiger fauler Tricks die Mehrheit der Redaktion wie des Koordinationskreises davonjagten und die formale Kontrolle an sich rissen; und zwar in einer Manier, an der Foucault und Agamben ihre Theorien zur Konstitution der bürgerlichen Gesellschaft en miniature hätten exemplifizieren können (willkürliche Erklärung eines "Ausnahmezustands", Pathologisierung der Gegner, "Machtübernahme", Legitimation durch eine mit betrügerischen Mitteln durchgezogene formaldemokratische Prozedur). Zur bösen Ironie dieser Geschichte gehört es auch, daß die Herausgabe des nun mit großem Gedöns als angebliche neue Errungenschaft der Wertkritik vorgestellten Sammelbandes im Unrast-Verlag sogar noch auf die Vermittlung eben jenes Robert Kurz zustande kam, den wenig später die Usurpatoren des Krisis-Labels auf besonders infame Art persönlich zu denunzieren versuchten.

Der Inhalt des Buches macht allerdings unfreiwillig einige Hintergründe dieses einer "ehrenwerten Gesellschaft" würdigen Vorgehens deutlich. Es ist kein Zufall, daß die interessanteren Beiträge (so etwa diejenigen von Frank Rentschler und Martin Dornis) nicht von den Herausgebern stammen. Deren eigene Texte bringen nichts, was inhaltlich auch nur im geringsten über das "Manifest gegen die Arbeit" und das "Feierabend"-Buch hinausginge (beides 1999 erschienen, und zwar unter maßgeblicher Beteiligung der von den jetzigen Herausgebern Weggeputschten). Was insbesondere der Autor Lohoff in zwei Beiträgen zu Beginn und Abschluß des Bandes als eine Art theoretischen Rahmen für "Dead Men Working" präsentiert, erweist sich großenteils als bloßes Wiederkäuen der früheren, längst bekannten Aussagen. Diese als innovativ verkaufte Produktion ist nichts als eine einzige Wiederaufbereitungsanlage des arbeitskritischen Fundus. Etwas für Fans, die sich denselben Film hundertmal anschauen gehen und das für intelligent halten.

Eine Ursache für dieses theoretische Wassertreten besteht in einer unausgewiesenen Wendung zur so genannten "Praxis", deren Begriff bewußt diffus gehalten wird. Diese Wendung wurde in einem separaten Paralleldiskurs jener Clique hinter dem Rücken der Mehrheit von Redaktion und Koordinationskreis des Krisis-Zusammenhangs ausgeheckt und stellt einen Aspekt der heimtückisch inszenierten Spaltung dar. Die Triebkraft dafür ist teilweise in einem ordinären gruppendynamischen Konkurrenzverhalten und in Selbstbehauptungsproblemen dieser intriganten Akteure zu suchen, aber auch in deren Schwierigkeiten mit der inhaltlichen theoretischen Entwicklung der Wert-Abspaltungskritik, in der sie sich zuletzt nur noch als Bremser und Relativierer positioniert hatten.

Bei der abspaltungstheoretisch begründeten Subjekt- und Aufklärungskritik nämlich konnten und wollten sie nicht mehr in vollem Umfang mitziehen und die gebotene Konsequenz nicht mehr mittragen, ohne sich jedoch dem auf diese Weise angelegten Konflikt zu stellen. Sie waren und sind bislang nicht bereit (oder auch einfach nicht fähig), diesen Konflikt theoretisch fundiert auszutragen; stattdessen behaupteten sie aus taktischen Gründen ihrer intriganten Vorgehensweise, es gebe eigentlich gar keine inhaltlichen Differenzen, um mit dieser glatten Lüge ihre inhaltliche Regression und ihre Ideologisierung der Wertkritik zu verschleiern - auch wenn sie keine kohärente eigene Position vertreten. Der insofern nicht offengelegte inhaltliche Dissens in der Frage, wie weit die Subjekt- und Aufklärungskritik zu gehen habe oder gehen "dürfe", soll in der Schwebe gehalten werden, um die Affinität der Krisis-Putschisten zum androzentrischen westlichen Universalismus (und zu damit verbundenen bestimmten Momenten der bürgerlichen Gegenaufklärung) zu vertuschen.

Das ist ein wesentlicher Grund, warum sie die theoretische Weiterentwicklung auf kleine Flamme drehen oder geradezu einfrieren wollen, um fortan hauptsächlich das vermeintlich gesicherte Grundwissen der Arbeitskritik in den linken Soziotopen reduktionistisch zu vermarkten, die verflachten Essentials gemächlich breitzutreten, sie mit dem theoretisch stumpfen Bewußtsein bestimmter linker Szenen kompatibel zu machen und sich ein warmes Diskurs-Plätzchen zu ergattern, um auf den Podien der Restlinken und an einigen Katzentischen als gern gesehene, verbindlich-unverbindliche Vertreter einer harmlosen Spezialmarotte mitschwafeln zu dürfen. Es ist sozusagen die Wertkritik im theoretischen Vorruhestand, in dem man(n) gemütlich auf vergangene Leistungen zurückblickt, auch wenn diese großenteils nicht die eigenen waren.

Verraten und buchstäblich verkauft wird damit die theoretische Praxis, die sich als Moment der gesellschaftlichen Praxis weiß und dieser doch gegenübertreten muß, statt sich einem falschen Praxis-Imperativ und unmittelbaren Bedürfnissen der Immanenz unterzuordnen. Es hätte die Wert-Abspaltungskritik und die damit verbundene Arbeitskritik nie gegeben, wenn sich deren TrägerInnen nicht bewußt dem verkürzten Praxisverständnis des gemeinlinken Politikaster-Verstands entzogen hätten, der Theorie immer nur instrumentell und legitimatorisch behandeln will. Es war gerade das Kennzeichen des wertkritischen Ansatzes schon in seiner embryonalen Phase, daß der theoretischen Reflexion ein eigenständiger Stellenwert unabhängig von allen praktisch-politischen Anforderungen zugesprochen wurde, um jeder instrumentalistischen Verkürzung einen Riegel vorzuschieben. Der ursprünglich von Althusser in anderem Kontext kreierte Begriff der "theoretischen Praxis" wurde in diesem, an die Positivismuskritik von Adorno und Horkheimer anschließenden Sinne aufgegriffen. Die Eigendynamik der Theoriebildung sollte befreit werden von den Fesseln eines falschen Praxiszwangs, der gerade nicht auf "Vermittlung" hinausläuft, sondern auf eine Einhegung und Beschränkung des theoretischen Prozesses. Im Resultat wird auch die Praxis selbst beschränkt und auf falsche Immanenz zurückgestutzt.

Sobald jedoch die Wertkritik die Konkretionsstufe der Arbeitskritik erreicht hatte und diese mit dem "Manifest gegen die Arbeit" einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden war, entstand sofort ein Druck, die Kritik und Reflexion auf die Unmittelbarkeit der ewigen Frage "Was tun?" herunterzubrechen. Es galt und gilt, diesem Druck zu widerstehen. Aus den genannten unkoscheren Motiven heraus ist die usurpatorische Clique von Rest-Krisis jedoch diesem Druck erlegen. Ihre Beiträge in "Dead Men Working" und in diversen linken Presseorganen sind Dokumente einer theoretischen Selbstaufgabe.

2.

In Wirklichkeit müssen die selbsternannten Stichwortgeber für die Bewegungspraxis natürlich die Antwort auf jene Gretchenfrage der bornierten Politikaster schuldig bleiben. Ist allein schon das Sich-Einlassen auf diese Art der Fragestellung disqualifizierend, so können die versuchten Antworten auf dieser Ebene nur albern sein. Es ist gegenwärtig gar keine direkte "Umsetzung" der wertkritischen theoretischen Praxis in soziale Bewegungspraxis möglich. Ein derart einseitiges Verhältnis der "Umsetzung" von Theorie in Praxis ist sowieso falsch, illusionär und einem verkürzten Verständnis des Problems geschuldet. Vermittlung kann erstens nicht einseitig von der Theorie aus voluntaristisch "gemacht" werden, sondern auch umgekehrt müssen die sozialen Bewegungen, deren Aktivisten und opinion leaders etc. von sich aus auf die Theorie zukommen. Zweitens ist auch dann, wenn beide Seiten dieser Polarität einander gewissermassen zuwachsen, Vermittlung immer noch ein komplexer Prozess, dessen Reifegrad nicht vorweggenommen werden kann.

Vor allem aber darf die Konkretisierung der Theorie, die sie der Vermittlung näher bringt, nicht mit Popularisierung und Simplifizierung verwechselt werden. Da sie den wirklichen Vermittlungsprozess und dessen Probleme mißachten und voreilig und vorlaut unbedingt bewegungskompatibel "zur Geltung" kommen wollen, müssen die Marktschreier von Rest-Krisis die Theorie auf ein Agitprop-Niveau herunterbrechen, statt sie zu konkretisieren. Konkretisierung ist immer noch ein theoretischer Prozeß, ein Vermittlungsverhältnis innerhalb der theoretischen Praxis selbst, und insofern das genaue Gegenteil einer Verlangsamung der umstürzenden theoretischen Innovation, um sich stattdessen auf dem einmal erreichten Niveau vermeintlich praxis- und bewegungskompatibel zu machen.

Die agitatorisch-feuilletonistische Babysprache etwa eines Franz Schandl und die in "Dead Men Working" bevorzugten unvermittelten "Geschichten aus dem Leben", wie sie in jedem Gewerkschaftsblatt stehen könnten (und dort auch ihren angemessenen Platz hätten), haben ebensowenig etwas mit Vermittlung zu tun wie die peinlichen Auslassungen eines Lothar Galow-Bergemann, der in den mit der Putschisten-Clique von Rest-Krisis liierten Wiener Streifzügen eine Art popularisierte Wertkritik für Postwurfsendungen an Hinz und Kunz einfordert, damit die Wertkritik (W) endlich den durchschnittlichen Gewerkschafter (G) "anbaggern" könne:

Eine Vermittlung von Theorie und Praxis ist das höchstens nach dem Muster der berüchtigten Gebrauchsanleitungen für Videorecorder; noch dazu mit sexistischen Metaphern. Nicht Konkretisierung, sondern Verwässerung und Banalisierung der Theorie zum medialen Kauderwelsch ist das Resultat solcher Vorgaben.

Die publizistische Aufspaltung in die Streifzüge als eine Art Kinderpost von Rest-Krisis und in die "reine Theoriezeitschrift" Krisis selbst bezieht sich dabei nur auf ganz äußerliche Merkmale wie Sprachduktus und Länge der Texte, während inhaltlich dieselbe verkürzte und verflachte "Wertkritik" am Werk ist. Die Theorie wird durch die pseudo-praktische Wendung bereits per se in einen instrumentalistischen und legitimatorischen Bezug gebracht; sie soll nur noch den Anforderungen der propagandistischen Phrase im Kontext einer eindimensionalen, ökonomistisch reduzierten Arbeitskritik und des davon erhofften Reüssierens in den Bewegungen den Anstrich kritischer Reflexion verleihen.

Diese Wendung geht aber nicht nur inhaltlich, sondern auch strategisch ins Leere. Der erhobene Anspruch ist so gar nicht einlösbar. Weder ist die Theorie ausreichend konkretisiert noch befindet sich umgekehrt die soziale Bewegung selber in einem entsprechenden Stadium der Entwicklung. Möglich ist die Vermittlung auf dieser Stufe allein in dem Sinne, daß die theoretische Reflexion zur Verfügung gestellt, das heißt öffentlich gemacht wird für diejenigen Aktivisten der Bewegung, die sich aus der Erfahrung notwendiger Begrenztheit der aktuellen Praxis die theoretische Reflexion zu eigen machen wollen, ohne das Postulat akuter praktischer "Umsetzbarkeit" zu erheben. Es geht darum, eine Perspektive zu gewinnen, keine "Gebrauchsanweisung" für unmittelbares Tun. Einem Verständnis hausbackener Machbarkeit sperrt sich die Wert-Abspaltungskritik. Sowohl seitens der theoretischen Praxis als auch seitens der Bewegungspraxis kann die Vermittlung nur vorangebracht werden, wenn die Beteiligten die Spannung zwischen den beiden Polen aushalten und diese nicht kurzzuschließen versuchen.

Ein solcher Kurzschluß ist es, wenn man(n) so tut, als könne der Kampf um Bedürfnisse, Lebensinteressen und oft buchstäblich ums Überleben hier und heute direkt als "wertkritische" Transzendierung der Warenform in der gesellschaftlichen Praxis geführt werden. Dabei bleibt der Bezug diffus und völlig abstrakt im schlechten Sinne. Einerseits wird implizit oder explizit unterstellt, daß der immanente Kampf um Löhne, Sozialleistungen, Transfers usw. wegen der Objektivität der Krisenschranke ohnehin zwecklos sei. So formuliert es zumindest das objektivistisch sich darstellende "wertkritische" Krisenargument, wie es von Rest-Krisis verwendet wird (auch in dieser Hinsicht bleibt die Rezeption der Wertkritik eindimensional; auch die Krisentheorie wird "heruntergebrochen"), das sich damit fast nahtlos mit dem neoliberalen Argument der systemkonformen "Notwendigkeit" deckt. Andererseits läßt man durchblicken, daß man ja "irgendwie" nicht geradezu gegen immanente Kämpfe sei. Das Verhältnis von Wertkritik und immanentem Kampf bleibt aber völlig im Dunkeln; im Grunde hat man zur Vermittlungsfrage desto weniger zu sagen, je lauter man nach Vermittlung schreit. Das unbestimmte, bloß phrasenhafte Hineinprojizieren einer Überwindung der Warenform in den direkten Überlebenskampf hier und heute schneidet in Wahrheit den Weg zur Vermittlung auch in praktischer Hinsicht ab, denn der Sprung von der Immanenz zur Transzendenz muß so als unmittelbarer Akt imaginiert werden, der gar nicht gelingen kann. Der Abgrund zwischen dem keineswegs überwundenen warenförmigen Interesse und einer Vergesellschaftung jenseits der Warenform wird auf diese Weise nur noch weiter aufgerissen.

Wenn Vermittlung ernsthaft ins Auge gefaßt werden soll, ist zuerst einmal die Getrenntheit der beiden Pole anzuerkennen, die nicht durch agitatorische Verseichtigung der wertkritischen Essentials überbrückt werden kann. Der soziale Kampf wird zunächst unvermeidlich als immanenter Interessenkampf in der Warenform geführt. Das ist nicht nur eine Frage des Bewußtseins, sondern es gibt dafür auch reale Spielräume. Die objektive Schranke des Verwertungsprozesses bedeutet nicht, daß es in jeder gegebenen Situation der Krise keine immanente Entscheidungsalternative mehr gäbe. Damit trotz Krise auch noch innerhalb der Warenform Lebensinteressen geltend gemacht werden können, ist allerdings ein Bewußtsein darüber nötig, daß erstens das System sowieso an absolute Grenzen stößt und daß zweitens eben deshalb auch die noch immanent geltend gemachten Bedürfnisse rücksichtslos gegen die Pseudo-"Naturgesetze" der Warenlogik durchgesetzt werden müssen und man/frau sich nicht von den Krisenverwaltern die Unmöglichkeit der eigenen Existenz "vorrechnen" lassen darf. Insofern besteht ein Moment der Vermittlung zunächst darin, daß die Wert-Abspaltungskritik zum Katalysator für die immanente Kampffähigkeit selbst wird, statt "direkt" auf eine nicht-warenförmige Gesellschaft zusteuern zu können.

Der immanente Interessenkampf kann in seiner weiteren Entwicklung durchaus mit Ansätzen, Keimformen, Momenten nicht-warenförmiger Reproduktion angereichert werden (etwa genossenschaftlichen Einrichtungen, die im Gegensatz zu traditionellen Genossenschafts-Betrieben nicht an den Markt zurückgehen, also sich "im Gebrauch erschöpfen" ohne nochmalige Geldvermittlung). Solche Anreicherungen, die mit naturalen Aneignungsprozessen und entsprechenden Forderungen an den Staat, mit Besetzungen usw. verbunden sein können, sind aber weder im kleinen Projektmaßstab möglich noch auf einem niedrigen Entwicklungsstand sozialer Bewegung, sondern vielmehr erst, wenn diese Bewegung gesellschaftliche Breite und Tiefe erreicht hat. Deshalb können diese Ansätze auch nicht dem immanenten Interessenkampf gegenübergestellt, sondern nur mit ihm zusammen und durch ihn hindurch wirksam werden. Die Popularisierungs-Ideologen von Rest-Krisis haben das Problem nicht kritisch durchdacht; deshalb haben sie darauf auch keine Antwort, sondern wollen es durch Banalisierung der Theorie selbst umgehen.

Damit der immanente Interessenkampf transformiert werden kann, muß er erst einmal wirklich stattfinden, und zwar nicht bloß in symbolisch-simulativen Aktionen. Erst auf einem hohen Niveau sozialer Bewegung und gesellschaftlicher Polarisierung ist die Frage der Aneignung gesellschaftlicher Ressourcen über die Warenform hinaus in angemessener Weise (und selbstverständlich verbunden mit einer emanzipatorischen Neuformulierung der Machtfrage) zu mobilisieren, also auch hinsichtlich der großen gesellschaftlichen Aggregierungen und Infrastrukturen (vgl. dazu die Texte von EXIT!-AutorInnen zur Kritik des verkürzten "Aneignungs"-Begriffs und der Copyleft-Ideologie etc.).

Die dafür nötigen Voraussetzungen des Bewußtseins entstehen durch die Vermittlung einer unverkürzten und konkretisierten Theorie radikaler Wert-Abspaltungskritik einerseits und eigenständig verarbeiteten Erfahrungen der sozialen Bewegungen selbst andererseits, nicht durch eine pädagogisierende Simplifizierung der Theorie, damit sie vermeintlich auch unvermittelt vom "Mann auf der Straße" verstanden werden kann.

Die Möchtegern-Führungstheoretiker und "Anleiter der Bewegungen" von Rest-Krisis wenden sich allerdings sowieso nur an eine restlinke Szene, die gar keine soziale Bewegung ist; jedenfalls keine, die ernsthaft in den gesellschaftlichen Prozeß eingreifen könnte. Es ist bezeichnend, daß die eigene unreflektierte Schwäche in "Dead Men Working" sogleich als Großspurigkeit und Überanspruch daherkommt, nämlich als das Gieren nach der Chance, eine Ausstrahlungskraft weit über die bisherigen oppositionellen Segmente und Subkulturen hinaus zu gewinnen (Vorwort der Herausgeber, S. 11). Das genaue Gegenteil ist der Fall; mit ihrem Stehenbleiben und Heruntertransformieren der Theorie fesseln sich diese aufgeblasenen Möchtegerns gerade an eine irrelevante Subkultur von Pseudo-Praktikern, Projektemachern und ewigen linken Gschaftlhubern. Ein Bezug, der ihnen allerdings wesensgemäß ist.

In Wirklichkeit fehlen hier beide Pole der Vermittlung, von der dauernd diffus geredet wird. In demselben Maße, wie die Ehrgeizler von Rest-Krisis die Theorie popularisierend verseichtigen und ihre Weiterentwicklung bremsen, hören sie auf, den Pol der theoretischen Praxis zu repräsentieren. Umgekehrt bilden die restlinken Szenen, Milieus und selbst Bewegungsorganisationen wie Attac nicht den Pol sozialer Bewegungspraxis, solange ihre Aktionen eher symbolischer Natur sind oder sich im bloßen Räsonnement erschöpfen. Eine Vermittlung von Biertisch-"Theoretikern" für Biertisch-"Praktiker" ist keine oder höchstens die Karikatur von Vermittlung.

Wenn die heruntergebrochene Theorie zu schwach ist, um ernsthaft eine Perspektive anbieten zu können, und wenn die Bewegung (oder was dafür gehalten wird) zu schwach ist, um ernsthaft einen immanenten Interessenkampf führen zu können, dann gibt es auch keine vermittelnde Entwicklung von der Immanenz zur Transzendenz. Stattdessen soll das gähnende schwarze Loch der Unvermitteltheit mit irgendwelchen modischen Schlagworten zugedeckt werden. Den immanenten Interessenkampf scheinradikal zu verwerfen oder ihn unverbindlich und ohne konkreten Bezug zur Rolle der Wertkritik zwar anzuerkennen, gleichzeitig aber durch objektivistischen Reduktionismus in der Theorie seine Möglichkeit abzuleugnen, kann nur dazu führen, die Transzendenz zur Phrase herabzuwürdigen, die in Wirklichkeit selber immanent bleibt; etwa in Gestalt jenes verkürzten Begriffs von "Aneignung", der bloß auf die Paradoxie eines "unbezahlten Warenkonsums" hinausläuft.

Was die Schandl & Co. inzwischen inflationär in den linken Gazetten unterzubringen und breitzutreten suchen, präsentiert Lohoff auch in "Dead Men Working" als Conclusio seines Räsonnements für jene "normalen Bewegungspraktiker", die man ein wenig für dumm verkaufen will; nämlich als Ansinnen, daß die praktische Kritik sich auf die sukzessive direkte kollektive Aneignung der gesellschaftlichen Ressourcen hin orientiert (Ernst Lohoff, Das Schweigen der Lämmer, in: Dead Men Working, S. 40). "Direkt" meint hier nicht die (erst noch zu gewinnende) postkapitalistische Vergesellschaftung ohne Dazwischenkunft eines Fetischmediums, sondern die schlechthin unvermittelte Bewegung vom fetisch-konstituierten Istzustand zur Ressourcenverwaltung jenseits der Fetischform, von der unmittelbaren Leidenserfahrung zur gesellschaftlichen Transformation.

Die Unvermitteltheit selbst wird als Vermittlung ausgegeben. Hier rächt sich auch der zur Identität des MWW gehörige theoretische Objektivismus, den die Populisatoren von Rest-Krisis aus den Kindertagen der Wertkritik weiterschleppen; das komplexe Verhältnis von falscher Fetisch-Objektivität und Leidensbewußtsein, von konstituierter Willensform und emanzipatorisch zu wendendem Willensinhalt wird nicht durchdrungen und aufgerollt, sondern Emanzipation selber als neuer, "höherer" Vollzug von Objektivität mißverstanden.

Die abgestürzten Adepten theoretischer Praxis verfehlen die Transzendenz, weil sie die notwendige Immanenz verfehlen; die von ihnen als "direkte" angepriesene Transzendierung der Warenform bleibt so selber schlecht immanent. Was sie unter "Vermittlung" verstehen, ist nichts als falsche Unmittelbarkeit; was sie als "Öffnung" ausgeben, ist nur ein Verlottern der Wert-Abspaltungskritik zum vulgär vor sich hin räsonierenden Szene-Populismus, der immer wieder seine Konjunkturen von Leerformeln und symbolisch-simulativer Mimetik durchläuft.

3.

Grundsätzlich kann das Verhältnis kritischer Theorie zu den Ansätzen sozialer Bewegung kein ungebrochenes sein. Während die antideutschen Ideologen ihre bedingungslose Kapitulation als radikale Kritiker und ihre Unterstützung des imperialen Krisenkolonialismus folgerichtig mit einer hemmungslosen Denunziation jeglichen sozialen Widerstands verbunden haben, deutet sich nun in den restlinken Szenen und nicht zuletzt in der heruntergebrochenen und verkürzenden "Wertkritik" von Rest-Krisis die bloße Umkehrung dieser Vorgehensweise an.

Der theoretische Pol kann sich aber zum praktischen Pol sozialer Bewegung nur in ein Verhältnis kritischer Solidarität setzen, will er seiner Aufgabe treu bleiben. Lediglich der Phrase nach wird Rest-Krisis diese Bestimmung wahrscheinlich noch anerkennen; als tatsächliches Verhältnis deutet sich in "Dead Men Working" jedoch etwas ganz anderes an. Hatten die antideutschen Ideologen die kritische Solidarität liquidiert, indem sie die Kritik bis zur reinen Denunziation verabsolutierten, um die Solidarität mit sozialem Widerstand gänzlich aufzukündigen, so verabsolutieren die pseudo-wertkritischen Praxispopulisten nun umgekehrt die Solidarität mit den Bewegungen, um die Kritik abzuschwächen und zur oberflächlichen Alibi-Phrase verkommen zu lassen.

Kritik im Verhältnis zu den Ansätzen sozialer Bewegung heißt natürlich vor allem Ideologiekritik. Dies betrifft die begrifflich verkürzte Kapitalismuskritik und entsprechende Konzepte (Tobin-Steuer, Existenzgeldforderung etc.), die den immanenten Interessenkampf in die Sackgasse führen statt ihn voranzubringen bis zur Transzendierung der Warenform; es geht aber auch und besonders um auf diesem Boden der verkürzten Kapitalismuskritik erwachsende Ideologien wie Rassismus und Antisemitismus als irrationale Verarbeitungsformen der Krise. Diese gilt es inhaltlich wie in ihrer Konstitutionsweise ernst zu nehmen, zu analysieren und zu bekämpfen.

Daß Rest-Krisis in dieser Hinsicht systematisch zu kurz greift, davon zeugen die Beiträge der Herausgeber Lohoff und Trenkle unübersehbar. Während bei Lohoff in seinem einführenden ebenso wie in seinem abschließend den Band zusammenfassenden Text Ideologiekritik praktisch überhaupt nicht mehr vorkommt, beschränkt sich Trenkle auf die bloße Alibi-Erwähnung der Tatsache, daß es rassistische und antisemitische Stimmungen und Strömungen in der sozialen Bewegung leider "gibt", ohne darauf einen analytischen oder theoretischen Gedanken zu verschwenden; das Problem ist ihm einen einzigen Satz wert (S. 81).

Stattdessen wird ganz unkritisch und fast schon in der Manier der Hardt-Negri-Adepten oder früherer Sponti-Apostel die angeblich per se schon vorwärtstreibende Wirkung der Bewegungs- und Kampferfahrungen an den Beispielen Argentiniens und Boliviens beschworen, ohne jede Reflexion hinsichtlich der Subjektform:

Was die emanzipatorische Qualität in Frage stellen könne, sei lediglich die noch vorhandene Politik-Illusion. Die Entscheidung über den emanzipatorischen Charakter hänge daher ...nicht zuletzt davon ab, wie die offensichtliche Wirkungslosigkeit der bisherigen Kämpfe auf politischer Ebene reflektiert wird... (Trenkle, a.a.O., S. 64).

Noch schlimmer in dieser Hinsicht ist übrigens der Beitrag von Marco Fernandes in "Dead Men Working", der sich in einer Feier des "Arbeitens ohne Chef" ergeht. Hier wird eine Regression auf das Niveau der westeuropäischen Alternativbewegung der frühen 80er Jahre deutlich, verbunden mit altoperaistischen Illusionen; keine Spur mehr von Kritik des "automatischen Subjekts" und der Subjektform, Beschwörung einer Überwindung des warenproduzierenden Systems nur noch als völlig unvermittelte Phrase, die weder den Aktivisten hilft noch zur Analyse der Krisenverhältnisse beiträgt. Eine solche "Öffnung" der Wertkritik ohne kritische Kommentierung verletzt geradezu die Sorgfaltspflicht gegenüber dem Autor.

Ebenso verkürzt ist es, der politischen Illusion bloß abstrakt die Antipolitik gegenüberzustellen. Sobald es sich darum handelt, die kategoriale Kritik des Politischen in einen konkreten Bezug zu sozialen Massenbewegungen zu setzen, muß die emanzipatorische Antipolitik strikt und explizit von rechten, faschistischen Besetzungen dieses Begriffs abgegrenzt werden, die schon seit den 20er Jahren virulent und übrigens auch in der Geschichte der "deutschen Ideologie" zu finden sind (man denke nur an die Denunziation der Politik durch den frühen, kriegsbegeisterten Thomas Mann nach 1914). Gerade in Argentinien haben die faschistisch-populistischen Momente einer Pseudo-Antipolitik in den peronistischen Strömungen eine lange Tradition; und es ist ein Armutszeugnis, die dortigen Bewegungen zu feiern, ohne sich ideologiekritisch damit auseinanderzusetzen. Nicht umsonst hat die mit antipolitischen Motiven spielende peronistische Ideologie in Argentinien eine Massenbasis, und davon können die spontanen Aneignungs-Bewegungen unmöglich unbeleckt sein. Es ist bestenfalls naiv, wenn der "Kenner" Trenkle diesen Aspekt völlig ausblendet. Und nicht umsonst war Argentinien ein beliebter Zufluchtsort für deutsche Nazis, nicht umsonst ist dort der Antisemitismus stärker als in anderen lateinamerikanischen Ländern verankert. Ist die Abschwächung und Ausblendung von Ideologiekritik (genauer gesagt: ihre Reduktion auf die Kritik von "Arbeit" und "Politik" in einem engen, abstrakten und letztlich ökonomistischen, auf die Legitimationsmuster des "Neoliberalismus" beschränkten Sinne) schon für den lateinamerikanischen Bezug gefährlich, so erst recht für den Bezug auf soziale Bewegungen hierzulande; auf diese ist ja das "Dead-Men-Working"-Buch eigentlich gemünzt.

Die von blinden Bewegungsapologeten, intellektuellenfeindlichen Proletkultlern und Parteimarxisten oft mißbrauchte Klassiker-Sentenz, daß ein Schritt wirklicher Bewegung mehr sei als tausend Programme, kann nach Auschwitz nicht mehr ungestraft reproduziert werden. Mit Trenkle & Co. setzt sich bei den Bewegungen nicht die (ideologiekritische) Unzufriedenheit zu Tisch, sondern die pseudo-wertkritische Selbstzufriedenheit.

Denn Wertkritik ist keine, wenn sie nicht eine reflektierte, umfassende, nicht-reduktionistische Ideologie- und Subjektkritik systematisch einschließt und das Ideologieproblem selber theoretisch durchdringt. Die Populisten von Rest-Krisis transportieren auch hier ein verkürzendes, objektivistisches Verständnis aus den Kindertagen der Wertkritik; Ideologie wurde meist als bloßer Reflex der "objektiven" Entwicklung mißverstanden und eindimensional zugeordnet, statt sie als keineswegs in der Objektivität aufgehende negative Eigenleistung der bürgerlichen Subjekte (unter Einschluß der Lohnabhängigen natürlich) zu begreifen und in dieser Dimension kritisch zu reflektieren. Ein Schandl, der viel Verständnis für "harmlosere" antisemitische Auslassungen aufbringen kann (das wird noch zu dokumentieren sein), meinte unter Ignoranz der ideologiekritischen Defizite noch 2003 in den Diskussionen über die Vorgehensweise gegen die Antideutschen, Krisis hätte zum Antisemitismus und zur Ideologieproblematik überhaupt in der Vergangenheit schon das Wesentliche gesagt, um dabei auf alte objektivistische Texte u.a. von Lohoff zu verweisen.

Von den jetzigen EXIT!-AutorInnen wurde jedoch im Gegensatz zu Schandl & Co. die Kampagne gegen den Bellizismus und die bürgerliche Aufklärungshuberei der Antideutschen nicht geführt, um die alte objektivistische Verkürzung und Vernachlässigung der Ideologiekritik zu verlängern, sondern um sie im Gegenteil zu überwinden und erst auf diese Weise die antideutsche Verabsolutierung von Ideologiekritik (die dann keine mehr ist) zu bekämpfen (vgl. dazu die Erörterungen zu Ideologie und Ideologiekritik in der "antideutschen Ideologie", die mit der alten Krisis-Position nicht mehr vereinbar sind).

Daß die Vulgärtheoretiker von Rest-Krisis Ideologiekritik nicht bloß implizit vernachlässigen und ökonomistisch reduzieren, sondern dabei explizit ein Gegenprogramm zu EXIT! vertreten, wie es ihrem Banalisierungswillen und Bewegungsopportunismus entspricht, daran lassen die Herausgeber von "Dead Men Working" keinen Zweifel, wenn sie die Paralyse der Linken ausgerechnet an "zu viel" über die Unmittelbarkeit der "sozialen Frage" hinausgehender Thematik festmachen wollen:

Diese Gegenüberstellung ist wirklich entlarvend. Man(n) tut so, als hätte man soeben die "soziale Wirklichkeit" entdeckt, weil nämlich die eigene Reproduktion prekär wird, und um diese "Entdeckung" sofort brutal herunterzubrechen auf eine Fokussierung von purer "Sozialkritik" ohne solchen Firlefanz wie die betonte Auseinandersetzung mit Rassismus, Sexismus und Antisemitismus etc. Das ist keine bloß zufällig entgleiste Formulierung, sondern Programm: Hier wird bewußt die "soziale Frage" gegen die wesentlichen Themen von nicht unmittelbar sozialökonomischen Widerstandsbewegungen und von Ideologiekritik ausgespielt; die angebliche "thematische Ausblendung" der "sozialen Wirklichkeit", als Vorwurf an die traditionelle Linke sowieso ein schlechter Witz, erscheint nur als Anlaß, um seinerseits jene "anderen Themen" (als wären etwa Rassismus, Antisemitismus und Sexismus "Themen" jenseits der "sozialen Wirklichkeit") auszublenden oder zumindest unterzubelichten. Es ist eben ein pseudo-"wertkritischer" Ökonomismus, der hier seine Eselsohren zeigt und im übrigen natürlich mit der objektivistischen Erblast bestens zusammenstimmt.

Allerdings geht es nicht allein um eine Unterbelichtung von Ideologiekritik, sondern die Lohoff, Trenkle, Schandl und Konsorten sind selber schwerste Fälle für eine solche. Daß die dummdeutsche Phrase vom "eigenen Land" diese Leute nicht sofort im sozialkritischen Diskurs disqualifiziert hat, zeigt nur an, wie heruntergekommen eine Restlinke schon ist, die so etwas durchgehen läßt. Wer solche Formulierungen losläßt und auch noch der angeblichen Überbetonung der internationalen Solidarität gegenüberstellt, wird von den rechten Querfront-Strategen nicht gegen den eigenen Inhalt vielleicht verzerrend aufgegriffen, sondern liefert ihnen selber ganz positiv eine Steilvorlage. Die Phrase von der "sozialen Wirklichkeit im eigenen Land" ist an sich anschlußfähig für nationalistische, völkische und rassistische Stimmungen, und in der Kombination mit dem Vorwurf an die Linken, sich zu sehr mit Rassismus, Sexismus und Internationalismus beschäftigt zu haben, ist sie einfach eine Bodenlosigkeit. Daß eine androzentrisch-universalistisch, objektivistisch und ökonomistisch verkürzte "Wertkritik" gar nicht mehr so klammheimlich ideologisch nach rechts rückt und die entsprechenden Derivate der bürgerlichen Aufklärung reproduziert, drückt sich hier bereits andeutungsweise aus (eine ausführliche Auseinandersetzung dazu wird von Roswitha Scholz vorbereitet).

4.

Da das Problem des Verhältnisses von Immanenz und Transzendenz nicht kritisch reflektiert sowie die Dimension der Ideologiekritik verharmlost und auf bloße Phrasen heruntergebracht, ökonomistisch reduziert oder ganz ausgeblendet wird, bleiben die Leit- und Rahmentexte der Herausgeber von "Dead Men Working" blasse Rekapitulationen des längst Gesagten und sind, abgesehen von den unfreiwilligen ideologischen Selbstenthüllungen, geradezu erschütternd nichtssagend. Dehnen und strecken kann man die Dürftigkeit immerhin durch Basisbanalitäten. So erzählt uns Lohoff: Durch den großartigen Umbau der Arbeitsämter in >Jobagenturen< bekommen die privaten Zeitarbeitsfirmen Konkurrenz, zusätzliche Arbeitsplätze entstehen deswegen aber noch lange nicht" (Das Schweigen der Lämmer, in: Dead Men Working, S. 15). Das stand sogar schon im "Neuen Deutschland", ungefähr vor einem Jahr; aber vielleicht bedürfen solche Aussagen einer wertkritischen Weihe, die sie dadurch erlangen, daß Herr Lohoff sie zu wiederholen geruht. Er weiß noch mehr Erschreckendes über den Kapitalismus zu berichten, nämlich: ...unter der totalen Herrschaft der Ökonomie ist für die breite Masse der Bevölkerung weltweit nicht einmal ein Minimum an Wohlstand vorgesehen (a.a.O., S. 16). Wären wir darauf jemals von allein gekommen? Nein, es war wohl Norbert Blüm, der uns in dieser Hinsicht schon vor längerer Zeit die Augen geöffnet hat. Daß es jetzt auch Lohoff bemerkt hat, ehrt ihn für seine Verhältnisse.

Und so geht es weiter: Gegen die Entwicklung der Weltkonjunktur und die Steuerflucht hat die hiesige Politik wenig Handhabe; gegen die Arbeitslosen indes sehr wohl (a.a.O., S. 19). Das kommt wahrscheinlich nur denen bekannt vor, die so etwas schon vor zehn Jahren in "Konkret" gelesen haben. Aber das macht nichts, denn eine Seite später wird endgültig wertkritisch aufgetrumpft. Was tut die kapitalistische Gesellschaft?

Da legst di nieder! Und das alles im Brustton dessen, der soeben das Rad erfunden hat. Der Lohoff entdeckt doch immer wieder was ganz Neues und bereichert die Wertkritik auf Schritt und Tritt. Und damit lassen sich Argumente, die auf 2,9 Seiten Platz gehabt hätten, ohne weiteres auf 29 Seiten unterbringen; zur Freude des Lesers, der wieder einmal "mehr in der Tüte" hat.

5.

Wenn die Wiederaufbereitungsanlage seitenfüllend gefüttert werden muß, kann man es mit der Herkunft des Materials nicht so genau nehmen. So werden nicht nur die eigenen alten Gedanken neu aufgemotzt, sondern bevorzugt auch diejenigen der Hinausgeworfenen. Was tut es, "das ist eh alles unseres", so der entzückend bescheidene Anspruch der selbsternannten gebieterischen Herren über das wertkritische Gedankengut. Es müßten schon sehr genaue Leser sein, wie sie sich in der schwadronierenden Szene sowieso nicht finden, die bemerken könnten, daß etwa ein Lohoff unter seinen ideologischen Prämissen (also verfälschend und verzerrend) die Motive, Themen, Gedanken und teilweise sogar die Formulierungen des "Schwarzbuch Kapitalismus" und anderer Texte der Unperson Robert Kurz ausschlachtet wie ein Organhändler die Bürgerkriegsleichen hinter der Front; wahrscheinlich ohne es selber überhaupt noch zu realisieren.

Beispiele gefällig? Robert Kurz im "Schwarzbuch" über die "Abnormität des Arbeitsmarktes" (S. 668):

Ernst Lohoff in "Dead Men Working":

Was vom Standpunkt einer wertkritischen Argumentation überflüssig ist, das ist die Lohoffsche Wiederholung in seinem (ökonomistischen) Kontext ohne jeden Verweis auf das "Schwarzbuch".

Ernst Lohoff in "Dead Men Working":

Das sei nun vorbei, so Lohoff im Folgenden unter der Überschrift "Schluß mit lustig" (a.a.O., S. 35).

Ernst Lohoff in "Dead Men Working":

Oder Robert Kurz im "Schwarzbuch" über das klassenübergreifende Pathos der Arbeit im Fordismus:

Ernst Lohoff in "Dead Men Working" über die fordistische Epoche:

Die Beispiele könnten fortgesetzt werden. Und das Verfahren in "Dead Men Working" ist nicht neu, es wurde nur jahrelang im vermeintlichen Interesse des gemeinsamen Krisis-Zusammenhangs zugedeckt und geradezu verdrängt, weil man es nicht wahrhaben wollte, obwohl Unbehagen und Peinlichkeit spürbar waren. Es mußte erst die Unverschämtheit durch das Hinausputschen der Stichwortgeber auf die Spitze getrieben werden, bis man sich im engeren Kreis der wert-abspaltungskritischen Theoriebildung die Tatsache eingestehen konnte, daß hier ein "Wille zur Ausschlachtung" am Werk war, der schließlich selbst nicht mehr davor zurückschreckte, sich die administrative Macht über den angehäuften Ideenfond und dessen Verwaltung anzumaßen. Selbst wo Lohoff scheinbar publizistische Priorität in Krisis-Texten beanspruchen könnte, gehen von ihm verwendete zentrale Begriffsbildungen (etwa die Ersetzung der "Geschichte von Klassenkämpfen" durch die "Geschichte von Fetischverhältnissen") auf eine Ausschlachtung von internen Papieren oder mitgeschriebenen Diskussionsbeiträgen zurück; das gilt auch für Lohoffs versuchte Usurpation des Konzepts von der frühen Konstitution der Moderne durch die "politische Ökonomie der Feuerwaffen". Alles schon gesagt, alles schon vorgekaut, von Lohoff "mit eigenen Worten" wiedergekäut oder noch nicht einmal mit eigenen Worten. Aber was macht das schon? Bildet sich doch diese nacherzählende publizistische Persönlichkeitsattrappe ein, daß die Bücher und Texte von Robert Kurz eigentlich auf ihrem Geistesmist gewachsen seien (vgl. dazu "Die Revolution der Nettigkeit"). So schreibt Lohoff eigentlich immer nur von sich selbst ab, und das ist doch gewiß aller Ehren wert im Kontext einer "ehrenwerten Gesellschaft".

Lohoff klaut eben gewohnheitsmäßig wie eine Elster; aber was macht das schon, wenn man sowieso auf ein wenig belesenes Publikum zielt, bei dem man sich buchstäblich "in Szene setzen" möchte. Es ist peinlich, solche Dinge zu benennen? Sicherlich, aber für wen? Gerade weil es in solidarischen Zusammenhängen kritischer Theoriebildung nicht darum geht, eifersüchtig seine Gedanken zu hüten wie private Besitztümer, sollte es auch eine Selbstverständlichkeit sein, die eigenen Bezüge offen zu legen. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man sich aus einem gemeinschaftlichen Diskussions- und theoretischen Produktionsprozeß heraus ungezwungen aufeinander bezieht und sich gegenseitig beeinflußt, oder ob wie bei Lohoff ein gieriger, verdeckt-uneingestandener "Aneignungsprozeß" zwecks verkniffener Selbstbehauptung stattfindet, verbunden mit Konkurrenzhaß bis zur organisierten Ausgrenzung der Auszuschlachtenden, um das "angeeignete" Gedankengut schließlich zu vulgarisieren und zu ideologisieren. Was im solidarischen Zusammenhang gegenseitige Hilfe wäre, wird hier zur übelriechenden intellektuellen Unredlichkeit. Der Anspruch emanzipatorischer kritischer Theorie wird so herabgewürdigt zum Modus der Selbstverwertung auf Kosten anderer.

6.

Die Mitarbeit der Herren Lohoff und Trenkle am "Manifest gegen die Arbeit" hatte 1999 darin bestanden, daß sie einen Trümmerhaufen unlesbarer Textfragmente hinterließen, die vollkommen umgeschrieben werden mußten. Was bei ihnen überhaupt nicht vorkam, nämlich Geschlechterverhältnis und Abspaltung, wurde (unter Punkt 7) erst nachträglich eingefügt. Das, was damals schon nicht sein Gedanke gewesen war, käut Lohoff alias Dr. Ballhorn heute in "Dead Men Working" in einer eher verschlechterten, das heißt verballhornten Version wieder.

So heißt es im "Manifest gegen die Arbeit":

Ernst Lohoff in "Dead Men Working":

Was mit großspurigem Anspruch den theoretischen Rahmen setzen soll für das "Dead Men Working"-Buch, ist auch in dieser Hinsicht nichts als Wiederaufbereitung, vermindert um die historische und die kulturell-symbolische Tiefendimension, also eben verkürzt und verballhornt. Und die theoretische Quelle, aus der er hier schöpft, verschweigt Lohoff besonders konsequent. Während es der Natur eines Manifests entspricht, daß nicht zitiert wird und keine AutorInnenverweise erscheinen, würde es in einem gewöhnlichen Aufsatz mit theoretischem Anspruch zum schlichten menschlichen Anstand gehören, daß die theoretische Referenz benannt wird; in diesem Fall selbstverständlich die Texte von Roswitha Scholz, auf deren Abspaltungstheorie letztlich auch die wiederkäuenden Formulierungen Lohoffs zu diesem Thema beruhen.

Dieses schäbige Verhalten hat allerdings Methode, weil es hier auch darum geht, einen inhaltlichen Dissens zu verstecken. Hinsichtlich der Abspaltungstheorie ist für die Herren der "ehrenwerten Gesellschaft" von Rest-Krisis nicht nur Ausschlachten und "Aneignen" angesagt; vielmehr soll die "angeeignete" abspaltungstheoretische Nomenklatur auch zurechtgebogen werden für die eigenen Bedürfnisse männlicher Identität, sprich: heruntertransformiert zu einem hierarchisierten, bloß nachgeordneten Phänomen, dem die theoretische Spitze abgebrochen wird (ohnehin ist man ja gegen "Zuspitzung"), und das von den meisten Rest-Krisis-Autoren sowieso nur auf der historisch-empirischen Ebene "erwähnt" wird. Die wiederkäuende Verballhornung ist auch durch ein geschlechtliches Interessenmoment dieser männlichen Identität in der Krise bedingt.

7.

Die Konturen eines Komplexes vulgärer Gemeinheit deuten sich allerdings in "Dead Men Working" auch in anderer Hinsicht an. Worum es den Herausgebern nicht zuletzt geht, ist ihnen nämlich an einigen Stellen mit geradezu brutaler Offenherzigkeit in ihre Texte eingeflossen. Wenn im Vorwort darauf verwiesen wird, daß die Generalmobilmachung der kapitalistischen Krisenverwalter nebenbei auch die Existenzbedingungen der "linken Soziotope" und der "bisherigen Formen oppositionellen Engagements" (Vorwort, S. 10) zerstöre, worauf es eine Antwort geben müsse, so ist dies durchaus in krudester Weise pro domo gemeint. Nur auf den ersten Blick mag es als unschuldiges Postulat erscheinen, wenn es heißt: Es gilt die >soziale Frage< auch im Bezug auf den eigenen Alltag und die eigenen Lebensverhältnisse ernst zu nehmen (Vorwort, S. 10), um dann an eine alle vom Kapitalismus gezogenen Grenzen überschreitende Solidarisierung (a.a.O.) zu appellieren.

Überlegen wir einen Augenblick. Der allgemeine Appell an die Solidarität kann sich nur auf soziale Kämpfe im gesellschaftlichen Großraum beziehen, die überhaupt erst in dem Maße möglich werden, wie es gelingt, die Konkurrenz in einem ausreichenden Grade zu überwinden. In diesem Bezug aber ist es eine Ungeheuerlichkeit, die spezifisch-eigenen sozialen Lebensverhältnisse von linken Schreibkräften a la Rest-Krisis zu einem besonderen Thema zu machen, das nicht im allgemeinen Thema der sozialen Depravierung aufgeht. Denn die "eigene Reproduktion", die hier thematisiert wird, kann zunächst nur eine solche in der Warenform sein. Über den immanenten Interessenkampf im allgemeinen aber hat man ja unter der theoretischen Prämisse eines verkappten Objektivismus hinsichtlich des Verhältnisses zur Überwindung der Warenform gar nichts Konkretes, Operationalisierbares zu sagen. Während nun für die soziale Bewegung als solche die falsche, unvermittelte Parole von der "direkten Aneignung der materiellen Ressourcen" ausgegeben wird, die bloße Phrase bleiben muß, schielt man für sich selbst durchaus auf die (partikulare) Reproduktion in der unüberwundenen Geldform; allerdings gerade nicht als Resultat von sozialen Kämpfen, sondern als Anspruch gegenüber der sozialen Bewegung selbst.

Was heißt dies anderes, als eine Zwei-Klassen-Rangordnung des sozialen Kampfes und der sozialen Absicherung aufzustellen: Erst kommt die "Sorge um sich", um die ganz ordinäre Knete im hier und heute für die "Gebrauchsanleiter", für die "Elite" (wofür man sich trotz aller pädagogisierenden Anbiederung, trotz alles Pseudo-Egalitarismus, aller billigen Absage an "Besserwisserei", ja geradezu aller Beteuerung der eigenen Stinknormalität dennoch klammheimlich selber hält), für die Hauptamtlichen, die "Wichtigen" usw. - und dann kommt erst die Sorge um die Furage fürs Fußvolk der Szenen und der Bewegungen im unvermittelten Jenseits der "direkten Aneignung", wobei dieses Fußvolk hier und jetzt eigentlich sowieso nur dafür da ist, daß gewisse "wichtige" Herren sich ernähren können. Die intellektuellen Gauner von Rest-Krisis, die genau wissen, daß sie von ihrer noch dazu verplatteten theoretischen Produktion aus zweiter Hand nicht leben können, also in der immanenten Zirkulation keine soziale Existenz als Theoretiker haben, brauchen eigentlich nur hundert oder zweihundert Dummies als Vereinsmitglieder, die sie als selbsternannte Geistesheroen in der schnöden Geldform aushalten. Man kann es nicht anders sagen: Es sind dies ganz eindeutig die Motive einer heruntergekommenen Lumpenintelligentsia, die sich hier geltend machen.

Die Rückkoppelung der "sozialen Frage" auf den konkurrenten individuellen Überlebenswillen von linken Möchtegern-VIPs gibt sich dreist auch noch als Grundfrage der sozialen Emanzipation aus, die als eine Art Geschäftsfeld erscheint:

Kaum mehr bloß durch die Blume wird soziale Bewegung hier als Reproduktionsbasis für das eigene Dasein in der Warenform und emanzipatorische Theorie als Spekulationsobjekt für eine Handvoll intellektueller Glücksritter, Gaukler und reisender Quacksalber der Lumpenintelligentsia begriffen. Wenn in diesem Sinne von einer Orientierung auf die sukzessive direkte kollektive Aneignung der gesellschaftlichen Ressourcen (a.a.O.) die Rede ist, kann man sich das primäre "Aneignungsfeld" dazudenken: Es sind die aufkeimenden Bewegungen selber, die gemolken werden sollen, indem die Herren sich ohne nennenswerte theoretisch innovative Eigenleistung sponsern lassen möchten als mediale kleine Wichtigkeitsmonster.

8.

Für dieses edle Ziel einer "ehrenwerten Gesellschaft" der Lumpenintelligentsia aber bedarf es einer materiellen, intellektuellen und organisatorischen Ausgangsbasis, damit man wer ist oder zumindest als wer erscheinen kann. Und in dieser Hinsicht wird nun das Räsonnement über die Frage der persönlichen Reproduktion erst richtig bösartig. Daß es in Gruppen und Zusammenhängen mit dem Anspruch radikaler Kritik, die keine bloß unverbindliche Freizeitbeschäftigung bleibt, eine Solidarität auch im persönlichen Nahbereich geben muß, die das Materielle nicht ausspart - das ist zu selbstverständlich, als daß es im Gewand der Theorie daherkommen müßte. Wie sich diese gegenseitige Hilfe auf persönlicher Ebene vollzieht, ist nämlich kaum ein Thema allgemeiner theoretischer Reflexion. Die Herren wollen uns freilich auch nicht mitteilen, daß sie als Kommune zusammenziehen, ihre Einkommen untereinander aufteilen oder gemeinsam einen Kartoffelacker bearbeiten. Es geht um die persönliche Reproduktion, auch im Gruppenzusammenhang, aber auf einer ganz anderen Ebene und im Kontext einer spezifischen Art von "Solidarität" der Lumpenintelligentsia. In diesem Sinne ist die Lohoffsche Aussage in ihrer ganzen Unvermitteltheit und mit ihrem verschlagenen Gestus der Entdeckung eines neuen theoretischen Reflexionsfeldes durchaus verräterisch. Ihre ordinäre Wahrheit besteht darin, daß es tatsächlich um die "persönliche Reproduktion" geht - nämlich diejenige einer bestimmten mafiotischen Rotte, die unter einer "alle vom Kapitalismus gezogenen Grenzen überschreitenden Solidarisierung" nichts anderes versteht als ihre eigene Rottenloyalität, deren Kitt vom Konkurrenzhaß und Futterneid gegen andere gebildet wird. In genau diesem Sinne wurde von dieser Rotte im Krisis-Zusammenhang auch nach innen gerichtet die "Reproduktionsfrage" gestellt und einer Lösung nach Art der "ehrenwerten Gesellschaft" zugeführt.

Dazu muß man wissen, daß es in einem scheinbar nebensächlichen Streitpunkt des Konflikts auch um die Krisis-Finanzen ging. Deren Verwaltung wurde von dem informellen "Generalsekretär" Norbert Trenkle weitgehend nach Gutsherrenart geführt, das heißt praktisch unkontrolliert und auf reiner Vertrauensbasis. Die Redaktions-, Koordinationskreis- und sowieso die Vereinsmitglieder bekamen immer nur eine formelle Fassade zu sehen, ohne genaue und konkrete Rechenschaft. Die drei Hauptputschisten Trenkle, Lohoff und Schandl teilten seit Jahren den Löwenanteil der Mitgliederbeiträge für ihre "persönliche Reproduktion" untereinander auf, ohne daß es dazu jemals einen offiziellen Beschluß gegeben hätte. Diese Beute wurde nie ausgewiesen, sondern unter dem Pauschaltitel "Aufwandsentschädigungen" versteckt, ohne daß je die Namen der Empfänger, die Höhe der Beträge und die dafür erbrachten Leistungen explizit aufgeführt worden wären. Insbesondere bei Lohoff hätte da auch nicht viel anderes als seine Hochbedeutsamkeit qua Existenz genannt werden können. Dieses illegitime (und auch formal illegale) Verfahren hat sich übrigens im Rumpf-Krisis-Förderverein, den jene Rotte nun ganz unter ihre Fuchtel gebracht hat, bis heute erhalten. Da werden außer einem geringen Bandenanhang nur noch zahlende Karteileichen verwaltet.

Als es brenzlig wurde, versuchten die Rottenmitglieder die Sache herunterzuspielen (sowieso ihre Spezialstrecke) durch Verweis auf das relativ kleine Beitrags- und Spendenaufkommen. Daß der Krisis-Zusammenhang nicht mit Reichtümern gesegnet war, versteht sich von selbst. Unter den Bedingungen der Prekarisierung ist es dennoch erheblich, wenn etwa ein weder durch überwältigende Originalität noch durch überwältigende Produktivität aufgefallener Skribent wie Lohoff Jahr für Jahr rund 6.000 Euro oder 12.000 Mark rübergeschoben bekommt; nicht als Erlös seiner Theorieproduktion, sondern als undurchsichtiges Sponsoring eines informell kontrollierten Vereins von Gutgläubigen. Das ist schon fast der Gegenwert eines Billigjobs, den man nicht machen muß. Übrigens war da auch ein dicker Spendenanteil aus dem "Schwarzbuch"-Honorar von Robert Kurz dabei; Lohoff wurde also teilweise davon ernährt, damit er genug disponible Zeit hatte, um gegen den "Schwarzbuch"-Autor nach Herzenslust intrigieren und seine persönlichen Ressentiments ausleben zu können.

Als die Finanzfrage aufs Tapet kam, ging es eigentlich gar nicht darum, irgendjemandem das anscheinend zum Gewohnheitsrecht gewordene Salär zu beschneiden oder gar wegzunehmen. Die Gelder sollten nur korrekt ausgewiesen und (auch namentlich) aufgeschlüsselt werden, statt unter dem verschleiernden Pauschaltitel "Aufwandsentschädigungen" versteckt zu bleiben. Es ging also schlicht um Transparenz, nachdem die Vertrauensbasis durch zunehmende Inhalts- und Beziehungskonflikte bereits erschüttert war.

Allerdings hätte Transparenz samt Aufschlüsselung der erbrachten Leistungen auch grundsätzliche Disponibilität durch die offiziellen Krisis-Gremien (Redaktion, Koordinationskreis, Mitgliederversammlung) bedeutet. Das war der mafiotischen Rotte schon zu viel an Risiko, zumal sich abzeichnete, daß auch andere aktive Mitglieder als die bisherigen Geldempfänger unter dem zunehmenden Prekarisierungsdruck im gesamten medialen und kulturellen Bereich hätten Ansprüche anmelden können. Die Rotte wollte die informelle Kontrolle über die Finanzen nicht abgeben, und sie wollte nicht teilen.

Da wurde denn kurzerhand entschieden, was wenig später sogar in den Rang der theoretischen Reflexion rücken sollte, nämlich "die Frage der persönlichen Reproduktion und die Verfolgung gesellschaftlicher Ziele perspektivisch zusammenzuführen", und zwar durch den Hinauswurf und die Enteignung jener als KonkurrentInnen erlebten Genossinnen und Genossen, die dem Kontroll- und Aneignungsanspruch der Rotte im Wege zu stehen schienen.

Es ging dabei nicht bloß um Geld, sondern auch um die Gier nach Reputation, die als Ausweis für die eigene Wichtigkeit dienen soll, um sich eine Sponsor-Gemeinde halten zu können. Deshalb geriert sich die Rotte auch als intellektuelle Nachlaßverwaltung der Hinausgeputschten, als wären diese schon gestorben, usurpiert deren Texte gegen den Willen der AutorInnen auf ihrer Homepage und maßt sich Interpretations- und Publikationsmacht qua ihrer erschlichenen und ergaunerten formalen Herrschaft über den Krisis-Verein an.

Der Unrast-Verlag war schlecht beraten, daß er dieser Bande von lumpenintellektuellen Hochstaplern, Falschmünzern und Etikettenschwindlern inzwischen für das usurpierte Krisis-Label ein Verlagsdach geboten und damit auf eine Weise Partei ergriffen hat, die sein eigenes Verlagsprogramm dementiert. Die Substanzlosigkeit und Unselbständigkeit einer Theoriebildung, die schon keine mehr ist, die Vulgarisierung und ideologische Verballhornung der zusammengeräuberten Ideen aus dem wert-abspaltungskritischen Fundus werden sich jedoch auf die Dauer nicht kaschieren lassen.

3,2,1,meins!

Für die Illustration sei M.S. herzlichst gedankt.