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erschienen im Neuen Deutschland
am 15.12.2006

Robert Kurz

OPTIMISMUS IM REICH PHANTASIEN

Der Frühling beginnt neuerdings schon vor Weihnachten; nicht nur bei der Wettervorhersage, sondern auch bei den Konjunkturprognosen von Medien und Politik für 2007. Es ist freilich eher verdächtig, dass das Pulver des billigen Berufsoptimismus diesmal so frühzeitig verschossen wird. Den Anlass gab die Meldung, dass die offizielle Arbeitslosenzahl im November knapp unter vier Millionen gesunken ist. Tatsächlich konnte wegen des milden Wetters im Freien weitergearbeitet werden, und deshalb hatte das Bauhauptgewerbe die geringste November-Arbeitslosigkeit der letzten 10 Jahre zu verzeichnen. Mit der Lufttemperatur der letzten vier Wochen lässt sich freilich kein allgemeiner Aufschwung begründen. Auch der leichte Wiederanstieg sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ist bloß relativ. Denn erstens bleibt unter dem Strich immer noch ein Minus von 1,5 Millionen seit 2000; und zweitens sind 70 Prozent der neuen Jobs befristet oder laufen über Zeitarbeitsfirmen. Gleichzeitig steigt die Zahl der prekären Arbeitsverhältnisse ebenso weiter an wie die Zahl der durch staatliche Maßnahmen aus der Statistik verschwundenen Arbeitslosen.

Die Binnenkonjunktur wird 2007 durch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit Sicherheit genau so wenig angekurbelt wie in den Jahren zuvor. Umgekehrt ist zu erwarten, dass die erhöhte Mehrwertsteuer negativ zu Buche schlägt. Deshalb liegt die vielbejubelte Wachstumsprognose der Banken und Institute im Schnitt lediglich bei 1,3 Prozent; in Wirklichkeit wie schon bei den notorischen Aufschwunghoffnungen vergangener Jahre viel zu wenig, um die seit zwei Jahrzehnten kontinuierlich aufgebaute Sockelarbeitslosigkeit auch nur anzukratzen. Der Mini-Aufschwung hängt nach wie vor allein vom Export ab, also von der fragilen Weltkonjunktur, die sich hauptsächlich durch Finanzblasen trägt und deshalb abrupt abgewürgt werden kann. Während man gern den Stimmen der Zuversicht aus dem Reich Phantasien lauscht, nimmt gleichzeitig auf den internationalen Anleihe- und Kreditmärkten die Furcht vor einem bevorstehenden Crash zu. Denn die halsbrecherische Kreditfinanzierung der weltweiten Übernahme-Schlachten in den letzten Monaten hat ein riesiges Pleite-Potential bei den Private-Equity-Fonds aufgebaut, das 2007 zu einer Kettenreaktion bei den Firmenanleihen führen kann.

Mit der dünnen Luft auf den globalen Finanzmärkten hängt es auch zusammen, dass der US-Ökonomie als Lokomotive der Weltkonjunktur 2007 endlich die Luft auszugehen scheint. Wenn der Einbruch auf dem US-Immobilienmarkt weiter geht und sich mit einer Krise der globalen Übernahme-Verschuldung und der Firmenanleihen verbindet, wird auch der Aktienmarkt wieder abstürzen. Damit wäre das befürchtete „hard landing“ der langjährigen Konsumkonjunktur in den USA programmiert. Dieser verschuldete Konsum ist es aber bekanntlich gewesen, der immer größere Teile der globalen Exportkonjunktur genährt hat. Für die Unternehmen der BRD ist dabei nicht allein der direkte Export in die USA bestimmend. Auch ein erheblicher Teil der Exporte in die benachbarte EU oder nach China (etwa von Werkzeugmaschinen) hängt indirekt vom US-Konsum ab. Denn alle diese Länder importieren Produktionskomponenten, um ihrerseits die Export-Einbahnstrasse über den Pazifik oder den Atlantik zu bedienen. Die Konjunktur 2007 zeichnet sich mehr denn je als unmittelbare Weltkonjunktur mit nordamerikanischem Schwerpunkt ab. Einen ersten Hinweis könnte das Weihnachtsgeschäft geben; nicht hierzulande, sondern in den USA.