Krise und Kritik der Warengesellschaft |
erschienen im Neuen Deutschland Robert KurzWETTERLEUCHTEN AM FINANZHIMMELDie kalte Dusche kam just in dem Moment, als der Frühling der Aktienmärkte mit abermaligen Höchstständen nach dem großen Crash um die Jahrhundertwende zu winken schien. Seit Anfang März 2007 haben neue Börsenturbulenzen die Konjunkturoptimisten verunsichert. Ausgehend von der Börse in Schanghai wurden binnen einer Woche weltweit 1,5 Billionen Dollar verbrannt. Nur eine fällige Korrektur, kein Grund zur Beunruhigung? Vor 6 Jahren hatten die Notenbanken in einem beispiellosen Zinssenkungs-Wettlauf den Crash aufgefangen. Aber in den kapitalistischen Zentren floss das billige Geld großenteils wieder bloß in die Finanzmärkte und in die halsbrecherische Kreditfinanzierung einer neuen globalen Übernahme-Welle. Die besonders extreme Niedrigzins-Politik in Japan bei stetig fallendem Yen-Kurs erlaubte es transnationalen Finanzinvestoren, dort in großem Stil Geld zu leihen, um es anderswo anzulegen, vor allem in den USA („carry trade“). Die Immobilienblase und der erneut sich aufblähende Aktienmarkt wurden damit gefüttert. Mit den so erzeugten Geldeinkommen aus steigenden Kursen und Hypothekendarlehen statt aus Reallöhnen und Realprofiten konnte die Konsumkonjunktur in den USA scheinbar ins Unendliche verlängert werden. Deren Sogkraft wiederum hielt die einseitige Exportwalze aus Asien in Gang, die mit ihrer Dynamik 2006 die Weltkonjunktur einschließlich der BRD mitgezogen hat. Aber jetzt könnte der finanzgetriebene Boom an seine Grenzen stoßen. Die überfällige Zinserhöhung in Japan bringt die Geldmaschine der Zinsdifferenz-Geschäfte zum Stehen. Gleichzeitig erzeugen das weiter ausufernde Handelsbilanzdefizit der USA und die entsprechende Anhäufung von Devisenreserven in Asien einen Abwertungsdruck auf den Dollar und einen Aufwertungsdruck gegenüber der chinesischen und japanischen Währung, dem bald nicht mehr standgehalten werden kann. Eine drastische Veränderung der Währungsrelationen aber würde die Exportlawine stoppen. Inzwischen hat der ehemalige US-Notenbank-Guru Alan Greenspan vor einer Rezession in den USA gewarnt. Die Krise des US-Immobilienmarktes hat erst begonnen. Besonders der untere Hypotheken-Sektor mit schwacher Bonität meldet existenzbedrohende Ausfälle, die einen Domino-Effekt auslösen können. „Das dicke Ende“, so der Chefökonom der Investmentbank Merrill Lynch, „kommt erst noch, auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt“. Wenn aber das US-Konsumwunder zu Ende geht, muss auch das chinesisch-asiatische Exportwunder den Geist aufgeben. Ein Umschalten auf die Binnenkonjunktur ist nicht möglich, weil auch diese (ähnlich wie vor der Krise der Tigerländer in den 90er Jahren) wesentlich von Aktien- und Immobilienblasen im Gefolge des Exportbooms abhängig ist. Es war kein Zufall, dass die jüngsten Börsenturbulenzen von Schanghai ausgingen. Jetzt hoffen alle auf eine neue große Zinssenkung der US-Notenbank als deus ex machina, um den globalen Defizitkreislauf noch einmal anzuheizen. Aber eine solche Maßnahme würde erst recht die Finanzierung der US-Außendefizite gefährden, wenn die japanische und die europäische Zentralbank nicht mitziehen. Kommt es aber zu einem neuen, von Angst getriebenen Zinssenkungs-Wettlauf, könnte dieser das längst lauernde inflationäre Potential der Finanzblasen-Konjunktur abrufen. So oder so werden die Widersprüche der berühmten „globalen Ungleichgewichte“ aufbrechen. Das Wetterleuchten am Finanzhimmel war ein Warnzeichen, dass die Tragkräfte des vielbeschworenen Aufschwungs ganz und gar nicht solide sind. |