Krise und Kritik der Warengesellschaft |
erschienen im Neuen Deutschland Robert KurzVOR EINER NEUEN WELTWÄHRUNGSKRISE?So paradox es klingt: Die Globalisierung des Kapitals steht im Widerspruch zum Geld. Denn so wenig es einen Weltstaat geben kann, ebenso wenig kann es ein unmittelbares Weltgeld geben. Geld gibt es nur in Form der national oder weltregional fundierten Währung, reguliert durch die jeweiligen Notenbanken. Bis zum 1. Weltkrieg war das unproblematisch, weil die wichtigsten Währungen an den Goldstandard gebunden blieben und deshalb die Wechselkurse einigermaßen fixiert waren. Als der allgemeine Goldstandard in der Epoche der Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise zusammenbrach, gab es kein Maß für die Währungsrelationen mehr und der Weltmarkt kollabierte. 1944 wurden dann im US-Wintersportort Bretton Woods die Grundlagen für eine weltökonomische Nachkriegsordnung gelegt. Der Dollar als neue Welthandels- und Reservewährung sollte ein System fest fixierter Wechselkurse ermöglichen. Die Stabilität dieses Systems wurde dadurch garantiert, dass der Dollar als einzige Währung goldkonvertierbar war. Auf dieser Basis nahmen Welthandel und Kapitalexport sprunghaft zu. Aber dabei verloren die USA ihre absolute Überlegenheit als Industrie- und Exportstaat. Die Goldreserven von Fort Knox schmolzen dahin. 1973 musste das System von Bretton Woods aufgekündigt werden. Die Wechselkurse gingen in unkontrollierbare Schwankungen über. Diese Weltwährungskrise konnte nur dadurch notdürftig aufgefangen werden, dass der Dollar trotzdem Weltgeld blieb. Jetzt aber war seine einzige irrationale Grundlage die militärische Weltmachtposition der USA („sicherer Hafen“). Als in den 80er Jahren das Leistungsbilanzdefizit der USA vor allem gegenüber Japan ausuferte, drohte der Dollar nach wilden Ausschlägen abzustürzen. Das wurde durch Vereinbarungen der wichtigsten westlichen Notenbanken gerade noch abgebremst. Aber das Problem schwelte weiter. Inzwischen gibt es keine Weltregion mehr, die nicht wachsende Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber den USA aufweist. Nach Japan und den Tigerstaaten ist es vor allem die von transnationalen Konzernen aufgebaute chinesische Exportmaschine, die das gewaltige Schwungrad des pazifischen Defizitkreislaufs und damit die Weltkonjunktur antreibt. Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich seit den 80er Jahren nahezu verdoppelt. Nach dem Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre muss dieses beispiellose „Ungleichgewicht“ durch einen Umsturz der Wechselkurs-Relationen korrigiert werden. Bei einer drastischen Abwertung des Dollar und einer ebensolchen Aufwertung der asiatischen Währungen jedoch würden nicht nur die Exportwalzen abrupt zum Stehen kommen, sondern auch die astronomischen Devisenreserven Japans und Chinas dramatisch entwertet; in den USA wäre ein inflationärer Schub zu erwarten. Deshalb werden die asiatischen Währungen durch Notenbank-Interventionen künstlich niedrig gehalten und man will sich durchwursteln. Der Euro dagegen steigt ebenso wie der Goldpreis. Bis jetzt werden diese Warnzeichen missachtet. Da der Euro weder durch Gold noch durch eine überlegene Militärmaschine „gedeckt“ ist, bleibt es mehr als zweifelhaft, ob er den Dollar als Welthandels- und Reservewährung ablösen kann (selbst dies wäre mit unberechenbaren Turbulenzen verbunden). Je länger die asiatische Wechselkurskorrektur hinausgezögert wird, desto wahrscheinlicher wird eine „harte Landung“ des Dollar und damit eine neue unkontrollierbare Weltwährungskrise. Dann wäre es auch mit der jüngsten Aufschwungherrlichkeit vorbei. |