Krise und Kritik der Warengesellschaft |
erschienen im Neuen Deutschland Robert KurzABSCHWUNG ODER ABSTURZ?Kapitalismus ist blinde Dynamik, gesteuert von verselbständigten Gesetzmäßigkeiten. Dazu gehört, dass sich die gesellschaftliche Reproduktion in einer schlingernden Bewegung vollzieht, die niemals ins Gleichgewicht kommt. Das zeigt sich auf zwei Ebenen. Zum einen handelt es sich um eine kurzfristige zyklische Entwicklung von wenigen Jahren im gemäßigten Auf und Ab der Konjunktur. Zum anderen gibt es langfristige, über Jahrzehnte sich erstreckende Strukturveränderungen, die zumindest in den Anfängen mit großen Krisen verbunden sind. In dieser Hinsicht wird von „Akkumulationsmodellen“, „langen Wellen“ oder technologischen „Revolutionen“ gesprochen. Gegenwärtig befinden wir uns auf der langfristigen Ebene in der Weltkrise der 3. industriellen Revolution, bei der sich bislang kein Licht am Ende des Tunnels zeigt, das eine neue große Epoche der Prosperität ankündigen würde. Die lange Welle dieses Krisenprozesses wird jedoch überlagert von den kurzen Wellen der Konjunktur. Mit schöner Regelmäßigkeit macht man dabei den Wunsch zum Vater des Gedankens und verwechselt den kurzwelligen zyklischen Aufschwung mit dem ersehnten Ende der großen Strukturkrise. 2007 war wieder ein Jahr dieser unbegründeten Hoffnungen, weil die Weltkonjunktur mächtig anzog. Der neue Optimismus kam freilich erst auf, als der Höhepunkt schon wieder vorbei war. In der BRD lag die Wachstumsrate 2006 bei 2,9 Prozent und sank 2007 auf 2,5 Prozent, während die Prognosen für 2008 bereits auf 1,9 Prozent herabgesetzt sind. Es wird immer deutlicher, dass der Aufschwung bloß dem kurzatmigen Zyklus angehört, der die tiefer liegende Strukturkrise moduliert, aber nicht überwindet. Allerdings war der konjunkturelle Ausschlag nach oben in den letzten Jahren größer als bei den vorhergehenden Zyklen. Das kann aber bedeuten, dass nun umgekehrt der zyklische Ausschlag nach unten ebenfalls heftiger ausfallen wird. Die Verstärkung der konjunkturellen Wechsellagen vor dem Hintergrund der weiter schwelenden allgemeinen Akkumulationsschwierigkeiten beruht bekanntlich vor allem auf der zentralen Rolle der US-Defizitökonomie. In deren Aufwärts-Sog hatte sich die Weltkonjunktur der letzten Jahre bewegt; nun wird sie in den Abwärts-Sog der bevorstehenden US-Rezession aufgrund der Immobilien- und Kreditkrise hineingerissen. Die Auswirkungen des globalen Abschwungs werden umso heftiger ausfallen, je größer die Exportabhängigkeit eines Landes und damit der Anteil an der Globalisierung ist. Die transnationale Exportindustrialisierung Chinas hat im zyklischen Aufschwung zwar fast das absolute Volumen der BRD erreicht. Aber bei einer um das 15fache größeren Bevölkerungsmasse macht der chinesische Export einen viel kleineren Teil der Gesamtreproduktion aus. Unter allen großen Industriestaaten fällt der Export in der BRD relativ am meisten ins Gewicht. Hierzulande sind die Realeinkommen in den letzten 15 Jahren gemessen am europäischen Durchschnitt am stärksten zurückgegangen, was den Exportboom kostenmäßig befeuerte. Als Kehrseite stagnierte der Binnenkonsum auch im Aufschwung; so ist der Binnenabsatz der deutschen Autoindustrie 2007 um 3,5 Prozent gefallen. Obwohl der US-Automarkt 2007 als Vorbote des Abschwungs ebenfalls schrumpfte, konnten die deutschen Autohersteller dort ihren Marktanteil steigern und damit den Rückgang der BRD-Nachfrage mehr als kompensieren. Jetzt aber verwandelt sich Stärke in Schwäche. Gerade für die BRD könnte eine globale Rezession zum dramatischen Absturz führen. |