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erschienen in der Wochenzeitung "Freitag"
am 22.02.2008

Robert Kurz

DIE GROSSE GELDVERBRENNUNG

Rettungspakete für Katastrophenbanken und Jagd auf Steuersünder

Mit der drohenden Insolvenz der Düsseldorfer IKB-Mittelstandsbank hat die schwelende Finanzkrise eine neue Dimension erreicht. Gleichzeitig bläst die Steuerfahndung mit Hilfe des Geheimdienstes zum Großangriff auf dubiose Geldanlagen in Liechtenstein, die sich dem Fiskus entziehen. Gibt es da einen Zusammenhang? In der BRD ist vor allem das öffentlich-rechtliche Bankensystem in Schieflage geraten. Zwar handelt es sich bei der IKB um eine private börsennotierte Bank, die mittelständische Unternehmen finanziert. Größter Anteilseigner mit 38 Prozent ist aber die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus der Gründerzeit der alten BRD, die zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Ländern gehört. Seit Sommer letzten Jahres brennt es unterm Dach der IKB, die sich mit US-Hypothekenkrediten verzockt hat. In der Folge mussten von der KfW unter dem Vorsitz der früheren SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Meier bereits zwei Rettungspakete im Volumen von 6 Milliarden Euro geschnürt werden. Jetzt ist das dritte in der Größenordnung von noch einmal 2 Milliarden Euro fällig geworden, das die KfW nicht mehr stemmen kann.

In der letzten Woche jagten sich die Krisensitzungen. Jochen Sanio, Präsident der Finanzaufsichtbehörde BaFin, hatte gewarnt, er müsse die IKB mit unabsehbaren Folgen für den Finanzplatz und die Realwirtschaft schließen, wenn nicht frisches Geld nachgeschossen werde. Finanzminister Steinbrück soll jetzt mit Steuermitteln den Nothelfer spielen, weil die Geschäftsbanken kein Geld mehr in das Fass ohne Boden schütten wollen. Das läuft nach bekanntem Muster: Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste. Die Zwangslage besteht darin, dass die Insolvenz der IKB Kettenreaktion auszulösen droht, die zahlreiche kleinere Unternehmen und das gesamte Sparkassensystem Nordrhein-Westfalens mit sich reißen würde. Dann müsste der Einlagensicherungsfonds des Bankensystems mit mehr als 20 Milliarden Euro einspringen, was zu Panikreaktionen führen könnte.

In den vergangenen Monaten mussten bereits die SachsenLB und die WestLB mit Milliarden aus den Landeshaushalten über Wasser gehalten werden. Jetzt hat auch die BayernLB Abschreibungsbedarf von 1,9 Milliarden Euro zugegeben, deren Chef überstürzt seinen Rücktritt bekannt gab. Es ist zu fragen, warum sich gerade die öffentlichen Banken derart drastisch verspekuliert haben, wobei die faulen Wertpapiere bei den großen Privatbanken vielleicht nur besser versteckt sind. Wie üblich ist die Rede von Managementversagen und mangelnder Kontrolle. Aber die Ursachen liegen tiefer. Durch die Staatshaftung konnten die öffentlichen Banken billigere Kredite für kleine Unternehmen, Wohnungsbau oder Umweltschutz anbieten. Das war ihr Auftrag. Aber damit war Schluss, als die Brüsseler EU-Bürokratie im Zuge ihrer neoliberalen Deregulierungsmaßnahmen den staatlichen Schutzschirm im Juli 2005 liquidierte. Um ihre günstigen Konditionen beibehalten zu können, stürzten sich gerade die öffentlichen Banken und deren Töchter wie die IKB mittels ausgelagerter Investmentgesellschaften auf riskante Wertpapiergeschäfte. Jetzt werden die dramatischen Folgen zum Anlass genommen, um den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Bankensystems, das den neoliberalen Doktrinären längst ein Dorn im Auge ist, gänzlich in Frage zu stellen.

Beendet ist damit freilich erst einmal das Recycling von Finanzblasen-Geld in bestimmte Sektoren der Realökonomie. Der Rückschlag auf Konjunktur und Beschäftigung ist schon jetzt nicht mehr aufzuhalten. Die Rettungspakete haben die Finanzierungsfähigkeit von KfW und IKB für ihre eigentlichen Aufgaben aufgefressen. Geldpolitische Maßnahmen wie die Senkung der Leitzinsen reichen nicht mehr aus, um die Finanzkrise aufzufangen. Jetzt kommt durch die Hintertür die öffentliche Haftung für das marode Finanzsystem wieder herein; allerdings nicht für den realökonomischen Auftrag, sondern für die große Geldverbrennung. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Staat von weiteren Sektoren des Finanzsystems in Anspruch genommen wird. Auf der Strecke bleibt die ohnehin heruntergefahrene, viel beschworene öffentliche Daseinsvorsorge. Die filmreife Jagd auf prominente Steuersünder, die Post-Chef Zumwinkel das Genick gebrochen hat, kann als Flucht nach vorn seitens der Regierung interpretiert werden. Um der drohenden Mega-Belastungen Herr zu werden, greift man zu brachialen Mitteln gegen die Steuerflucht. Gleichzeitig wird als Ablenkungsmanöver die mediale Stimmung gegen „moralische Defizite“ bei den ökonomischen Eliten hochgekocht. Aber nicht subjektive „Gier“ und persönliches Versagen, wie es das Ressentiment will, sind die Ursache der ausufernden Probleme, sondern die kapitalistische Systemkrise. Davon will die ideologische Diskursgemeinschaft freilich nichts wissen.