Krise und Kritik der Warengesellschaft |
Beitrag für eine Debattenseite der Münchner Zeitschrift "Sozialistische Politik und Wirtschaft" Robert KurzSTAATSKAPITALISMUS RELOADEDWarum Konjunkturprogramme keine soziale Perspektive mehr habenAusgerechnet die Linke kommt durch die Krise des Kapitalismus in die Bredouille. Sie wird mit ihrer eigenen Geschichte konfrontiert. Marx hatte nichts übrig für die Lassalleanische Staatsorientierung. Aber seine Kritik der politischen Ökonomie wurde in der sozialistischen Bewegung verflacht. Die Verstaatlichung der unüberwundenen kapitalistischen Kategorien taugte nur für eine „nachholende Modernisierung“ an der Peripherie des Weltmarkts, die historisch gescheitert ist. Dieser Epochenbruch wurde auch von der Linken nicht als Moment einer beginnenden Krise des Weltmarkts erkannt, sondern weitgehend affirmativ verarbeitet als Anerkennung von Markt- und Preismechanismen. Was blieb, war eine entsprechend „abgerüstete“ Staatsorientierung. Praktisch übernahm die Linke das Programm der vom neoliberalen Marktradikalismus abservierten keynesianischen Regulation, die den Sozialabbau konterkarieren sollte. Jetzt wird die „keynesianisierte“ Linke von der staatskapitalistischen Wende der Eliten kalt erwischt. Aber der „pragmatische“ Verzweiflungsakt eines Rückgriffs auf keynesianische Staatsinterventionen findet nicht mehr unter komfortablen Verwertungsbedingungen statt. Verstaatlicht wird die Krise des Finanzkapitals und des Wachstums, die knallharte Bedingungen setzt. Deshalb geht die Forderung nach staatlichen Konjunkturprogrammen sozial ins Leere. Bereits die billionenschweren Rettungspakete zur Verhinderung einer Kernschmelze des Kreditsystems enthalten eine gewaltige inflationäre Potenz ohne jede soziale Perspektive. Diese Tendenz wird sich verstärken, wenn der konjunkturelle Absturz nach dem Ende der Finanzblasen-Ökonomie die realen Verwertungsbedingungen des Weltkapitals zum Vorschein bringt und als nächstes die Bilanzen der Konzerne staatlich aufgefangen werden sollen. Da ist kein Platz für große staatliche Investitionen etwa ins Bildungs- und Gesundheitswesen mit regulären neuen Arbeitsplätzen. Im Gegenteil wird sich die antisoziale Armutsverwaltung dramatisch verschärfen im Namen der Krisenbewältigung. Man darf nicht vergessen, dass der Keynesianismus nie etwas anderes war als ein Programm zur Rettung des Kapitalismus. Auch der gewerkschaftliche und politische Linkskeynesianismus hat die sozialen Lebensbedürfnisse nie als solche geltend gemacht, sondern immer nur unter Verweis auf den Beitrag zur gelingenden Kapitalverwertung und Binnenkonjunktur. Aber wer sich bedingungslos auf den Kapitalismus einlässt, kommt in der Krise darin um. Das Argument der „Finanzierbarkeit“, die man vorrechnen soll, war schon bisher nichts als ein Instrument der Disziplinierung. In der staatskapitalistischen Inflationierung führt es sich ad absurdum. Perspektivisch geht nichts mehr ohne ein neues Programm für die Überwindung des Kapitalismus. Als unmittelbare Gegenwehr steht nicht der Ruf nach kapitalkonformen staatlichen Konjunkturprogrammen auf der Tagesordnung, die sowieso gegenstandslos werden, sondern eine soziale Bewegung für die Erhöhung der Masseneinkommen, den gesetzlichen Mindestlohn und die Liquidierung der Agenda 2010, die sich nicht mehr auf das Funktionieren der herrschenden Produktionsweise vergattern lässt. |