Startseite Krise und Kritik der Warengesellschaft


Robert Kurz

Geschlechtsfetischismus

Anmerkungen zur Logik von Weiblichkeit und Männlichkeit

1. Das Ende der alten Kapitalismuskritik und die Leiden des Marxismus-Feminismus (MF)

Das moderne Subjekt ist bekanntlich mindestens so tot wie Gott, aber es scheint trotzdem weiterzuleben in einem ebenso phantastischen wie traurigen und mechanischen Zombie-Dasein. So gehört es sich natürlich letzten Endes auch für die Voodoo-Verfassung der westlichen Fetischgesellschaft und ihrer Aufklärungsvernunft. Und nirgendwo scheint dieser erbärmliche Charakter von substantiell längst dahingeschiedenen Scheinsubjekten deutlicher zu werden als in der Geschlechterdebatte. Das müde Denken der untoten Vernunft mag diese Problemstellung, die seiner eigenen Verfaßtheit vielleicht am tiefsten auf den Grund ginge, noch weniger auskämpfen als alle anderen Fragen der zerfallenden Moderne. Die Kombattanten eines unwirklich gewordenen Sexus haben sich, wie es scheint, beiderseits auf den Boden einer als nicht mehr transzendierbar erlebten (falls dieses Partizip überhaupt noch statthaft ist) bürgerlichen Normalität zurückgezogen. Auf diesem leider schon ziemlich verwüsteten und verseuchten Boden versuchen sie nun ihre claims abzustecken, zwar gewohnheitsmäßig weitervernünftelnd, aber mit einem Grad von Lustlosigkeit, der ihrem tatsächlichen Zustand nahekommen dürfte.
Von den männlichen Charaktermasken des bürgerlichen Sexus war vermutlich auch nichts anderes zu erwarten. Sie waren und sind ja der defensive Teil in der Krise des Geschlechterverhältnisses. Tragischerweise scheint jedoch auch der feministische Angriffsschwung zu erlahmen. Nicht nur in der traurigen Gestalt der Karrierefrau wird die Entschärfung der frauenbewegten Gesellschaftskritik sichtbar. Selbst das gelegentlich radikale Auftreten feministischer Gruppen richtet sich eher gegen empirische männliche "Interessen" oder Verhaltensweisen, nicht mehr gegen die Form des Ganzen. Zunehmend geht es um die Besetzung der Plätze in der totalen Warengesellschaft. Das taktisch sicherlich unverzichtbare Moment von immanenten Ansprüchen (veränderte Rechtsprechung, Quotierung usw.) sinkt, des transzendierenden Willens entkleidet, in der Praxis der Frauenbewegung zur quasi-gewerkschaftlichen Stupidität herab. In der realen Krise der Warengesellschaft aber schlägt eine Härte, die sich auf den Verteilungskampf beschränkt, auch in der Geschlechterfrage allemal auf die eigene Position zurück.
Es wäre zu kurz gegriffen, wollte man diesen neuen Reduktionismus in der Frauenbewegung allein auf die teils dreisten, teils subtilen Abwehrmechanismen des zwangsheterosexuellen Männlichkeitswahns zurückführen. Zwar mag sich die Verbitterung im feministischen Rückzug auf die bürgerliche Immanenz auch durch die perfiden männlichen Verweigerungsstrategien erklären lassen, aber dieser Rückzug geht darin nicht auf. "Laßt endlich die Männer in Ruhe" (Benard/Schlaffer), diese keineswegs freundlich gemeinte Parole erinnert verdächtig an das scheinradikale Weltbild des alten Klassenkampffetischs. Hört auf, die Kapitalisten ändern zu wollen; erkennt sie endlich als eure "natürlichen" Gegner (oder Verhandlungspartner) und bekämpft sie bzw. holt euch von ihnen, was das eure ist: hinter diesem Scheinradikalismus verbarg sich nie etwas anderes als die eigene (für die Arbeiterbewegung auch objektiv nicht überschreitbare) Beschränkung auf den Rahmen der bürgerlichen Vergesellschaftungsformen. Die bloß noch auf empirische warenförmige Interessen und Verhaltensweisen bezogene feministische Mobilisierung läuft auf eine ganz ähnliche Beschränkung hinaus.
Im Geschlechterkampf aber taugt diese ideologische Doppelzüngigkeit nicht einmal mehr zur Selbsttäuschung. Das moderne Geschlechterverhältnis läßt sich beim besten Willen nicht nach dem Muster der verrechtlichten und verstaatsbürgerlichten Lohnarbeit im Sinne kapitalistischer Normalität unter Kontrolle halten, gerade weil es auf tiefere Schichten des warenproduzierenden Systems verweist. Eine bloß oberflächlich "männerkritische" (oder den Mann als antipodisches Aushandlungsssubjekt begreifende) weibliche Scheinopposition trifft sich in ihrer warenförmigen Immanenz ungewollt mit den Rückzugspositionen der männlichen Exrevolutionäre. Die gemeinsame Kapitulation vor den Zumutungen des Warensystems ist einfältig, das Erscheinungsbild dieser Kapitulation dagegen vielfältig. Die Einsamkeit der erfolgreichen Managerin bildet sich auf derselben gesellschaftlichen Folie ab wie der Geschlechterkrieg in den postmodernisierten Miniaturhöllen der Kleinfamilie. Ob kinderwagenschiebende Berufsväter mit Engholm-Pfeife zwischen den Zähnen und säuberlich entleertem Kopf, ob dem sinnlosen Erfolg hinterherhetzende Spätyuppies, akademische StellenjägerInnen, pseudosouveräne Ehrgeizpersönchen in Edelklamotten oder spätberufene Mutter-Mystikerinnen: in dieser Fauna der Beliebigkeit quält sich der Geschlechterkampf ausweglos dahin, eher müde sekundiert von einer abgerüsteten Gesellschaftstheorie und -Kritik.
Dieses Abrüsten scheint sich, dem allgemeinen Trend und der frauenbewegten Praxis folgend, allmählich auch in der feministischen Theoriebildung durchzusetzen. Daß die urbürgerliche Losung der "Gleichheit", getrennt von der sanft entschlafenden marxistischen Gesellschaftskritik, zur theoretischen Plattheit und schnurstracks zur kapitalistischen Immanenz führen würde, war abzusehen. Aber die Kritik des platten Gleichheitsdenkens hat in der feministischen Theoriebildung offenbar nicht zu einer Erneuerung radikaler Gesellschaftskritik geführt, sondern eher zu einem Eiertanz zwischen "Gleichheit" und "Differenz". Selbst der radikale Gestus einer Luce Irigaray vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, daß der Begriff der "Differenz" als Kampfbegriff weiblichen Selbstbewußtseins der totalen Warengesellschaft nicht weh tut. Die Immanenz warenförmiger Daseinsweisen und Interessen wird beibehalten, aber nicht mehr mit einem androgynen Gleichheitsideal begründet, sondern gerade umgekehrt mit einer ins Ontologische oder sogar ins Biologische gewendeten "Differenz", einer ahistorischen weiblichen Identität schlechthin. Diese mystifizierte weibliche Identität soll nun als solche ihre "Interessen" auf dem Boden des (nicht grundsätzlich in Frage gestellten) warenproduzierenden Systems erkennen und ausfechten (Diese Wendung zur "Differenz" war eigentlich schon vorexerziert von den Strömungen der "neuen Mütterlichkeit", in denen ausgerechnet die patriarchalen, gesellschaftlich objektivierten Zuschreibungen auf die Frau (insbesondere die Mutterrolle) selber identitär aufgegriffen und biologisch abgeleitet werden. Ist dieser halsbrecherische theoretische Ansatz aber zumindest bei der "Bielefelder Schule" (Claudia v. Werlhof, Maria Mies u.a.) noch verbunden mit einer geradezu verbissenen radikalen Kritik der Warengesellschaft, so scheinen die neueren Strömungen der "Differenz" mit der Verallgemeinerung des Begriffs über die "Mütterlichkeits"-Ideologie hinaus auch den Anspruch radikaler Kritik des warenproduzierenden Systems fallenzulassen.).
Wir haben es hier mit einer eigentümlich schiefen Konstruktion zu tun. Auf der einen Seite soll weibliche Subjektivität einem schlechthin "anderen", ontologisch differenten, letztlich biologisch abgeleiteten Identitätsmuster folgen und mit dem ewigen männlichen Gegenpol konfligieren; auf der anderen Seite soll jedoch dieser Konflikt auf dem gemeinsamen Boden der Warengesellschaft und in der theoretisch nicht einmal angekratzten gemeinsamen Subjektform der Ware und der daraus abgeleiteten Interessen ausgetragen werden. Wenn Staat und Markt, Recht und Geld explizit oder implizit genauso ontologisiert werden wie die geschlechtliche "Differenz", dann ist diese "Differenz" plötzlich ausgerechnet auf der Ebene der gesamtgesellschaftlichen Formbestimmungen ausgelöscht. Ironischerweise erscheint so gerade hinter dem Ontologisieren der geschlechtlichen "Differenz" die unfreiwillige Gemeinsamkeit mit der gleichfalls gesellschaftskritisch abgerüsteten männlichen Theoriebildung. Und wie bei den (ex-)linken Männern wird das klammheimliche schlechte Gewissen, daß die grundsätzliche Opposition nahezu aufgegeben worden ist, zur stummen Voraussetzung und zum "steinernen Gast" der weiteren Debatte.
Es zeigt sich in dieser verkürzten Debatte um "Gleichheit" und "Differenz", daß die feministische Theorie und Praxis zwar die erscheinende männliche Subjektivität und "Herrschaft" kritisiert, aber eigentlich gar nicht grundsätzlich nach dem "männlichen" Charakter der allgemeinen, gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsformen fragt. Zwar wird das Problem, wie sich soziale und geschlechtliche Subjektivität konstituiert, durchaus immer wieder gestellt, aber weitgehend nur in einem philosophischen oder soziologischen bzw. sozialpsychologischen Sinne. Die Warenform der Gesellschaft bleibt als Problem verbannt in die Ökonomie oder "Wirtschaft" im engeren Sinne, und diese scheint kein entscheidendes Thema für feministisches Denken zu sein (oder höchstens für empirische Untersuchungen, aber nicht für die Theorie selber Bedeutung zu besitzen). Es entgeht damit der feministischen Theoriebildung ebenso wie vorher schon der arbeiterbewegungs-marxistischen, daß die Ware nicht bloß ein äußerliches "Ding" ist und auch nicht bloß einem ausdifferenzierten Subsystem namens "Wirtschaft" angehört, sondern daß sie vielmehr die allgemeine Subjektform der modernen Gesellschaften darstellt. Es wäre gerade herauszufinden, daß und inwiefern diese nicht bloß historisch vom Patriarchat kreierte Subjektform der Moderne an ihr selber strukturell androzentrisch bestimmt ist. Diese allgemeine Subjektform der warenproduzierenden Systeme erscheint jedoch an ihrer glatten Oberfläche als geschlechtsneutral, und von diesem androgynen Schein der Warenförmigkeit als solcher läßt sich offenbar auch der Feminismus weithin täuschen. Indem die feministische Kritik erscheinender "Männerherrschaft" so deren androgyn getarntes Wesen verfehlt, bleibt sie selber in den bürgerlich-androzentrischen Subjekt- und Vergesellschaftungsformen der Moderne befangen.
Die Reproduktion der realen Subjektschranke auch in der feministischen Ideologie verweist auf die gemeinsamen Wurzeln der Neuen Frauenbewegung und der Neuen Linken, somit auf die nicht überwundenen essentials des Arbeiterbewegungs-Marxismus. Die Akzeptanz der Warenform als ebenso stiller wie (schein-)neutraler Hintergrund der gesellschaftlichen Reproduktion moderner Gesellschaften bildet die gemeinsame crux. In dieser unaufgehobenen Konstellation stellt sich mit ermüdender Regelmäßigkeit das Problem her, daß Patriarchat und Kapitalismus zwei ganz verschiedenen, letztlich nicht vermittelbaren Ebenen von gesellschaftlicher Herrschaft (oder gar einem ontologischen Gegensatz) anzugehören scheinen. Jahrelang haben feministische Theoretikerinnen das vorgefundene Spektrum männlicher Gesellschafts- und Emanzipationstheorien durchforstet und umgepflügt, vom kruden Arbeitermarxismus über die Kritische Theorie bis zu den postmodernen Diskursen. Sie wurden von der dominierenden männlich-akademischen Theoriebildung weitgehend und bis zum heutigen Tag mit bodenloser Ignoranz behandelt (Um nur zwei beliebige Beispiele zu nennen: Rolf Peter Sieferle hat eine durchaus lesenswerte Monographie zum Naturverhältnis und seiner modernen Ideengeschichte vorgelegt (Die Krise der menschlichen Natur, Frankfurt/Main 1989), in der die ideologische Identifikation von Frau und Natur bzw. deren gesellschaftliche Konsequenzen vollständig ausgeblendet bleiben; Stefan Böckler bringt es fertig, eine Theorie fordistischer Modernisierung unter Bezugnahme u.a. auf die Theorie der "neuen sozialen Bewegungen" zu unternehmen (Kapitalismus und Moderne, Opladen 1991), in der Frauenbewegung oder Feminismus nicht einmal im (umfangreichen) Stichwortregister vorkommen. Diese weithin zu beobachtende systematische Ignoranz hat nicht nur zur Hermetik weiblicher Theoriebildung beigetragen, sondern auch zur heutigen gesellschaftstheoretischen Paralyse.). Jetzt droht die nie gelungene Vermittlung von Patriarchats- und Kapitalismuskritik vollends zur Gegenstandslosigkeit degradiert zu werden. Die von männlicher Ignoranz verursachte Separierung des feministischen Diskurses treibt auf eine Scheinlösung des Vermittlungsproblems zu, indem sich die alte Kapitalismuskritik auflöst, ohne daß sie aufgearbeitet worden wäre.
Wie sich Frauen und Männer als sexuelle und ökonomische Charaktermasken mit dem hoffnungslosen Dauerclinch in ihrem Alltag lebenspraktisch eingerichtet haben, allerdings um den Preis des Ertragens der Unerträglichkeit, so könnte eine Situation entstehen, in der sich auch die theoretischen Subkulturen sowohl feministischer als auch marxistischer Provenienz in ihrem Elend nicht mehr stören lassen wollen. Je immanenter der Diskurs und je mehr die Kritik des gesellschaftlichen Ganzen abgerüstet wird, und sei es im Zeichen der "Differenz", desto stärker ghettoisiert sich auch die kritische Theorie des Geschlechterverhältnisses und verkommt zur theoretischen Nische für Frauenkarrieren, während die frauenbewegte Praxis zur quasi-gewerkschaftlichen Bornierung herabsinkt (Diese Gefahr wurde schon vor Jahren in der Frauenbewegung selbst gesehen: "Voreilige feministische Selbstverakademisierung zeitigt nicht nur politische und persönliche, sondern auch theoretische Folgen... Der nach wie vor kundgetane Anspruch, feministische Theorie wolle der Befreiung der Frauen dienen, ... wird damit zunehmend ein rhetorischer... Angesichts solcher Tendenzen kann meines Erachtens durchaus die Rede davon sein, daß feministische Theorie ,treibe`: nämlich in eine strukturell angelegte, zugleich aber auch freiwillige Anpassung hinein, die zur Reduktion kritischer (Selbst-)Reflexion wie zu politischer Bescheidenheit führt. Solche feministische Theorie hätte ihren politischen Charakter und ihre Brisanz verloren; sie wäre nicht länger Oppositionstheorie" (Ulrike Helmer, Wohin treibt die feministische Theorie?, in: Feministische Studien 1/86, S. 146).). Paradoxerweise wäre dies gerade der späte Sieg der männlichen Ignoranz, auch wenn die "wissenschaftliche" Wiedervereinigung der Geschlechter auf dem Boden des Marktsystems unmöglich bleibt. Die ungelöste Vermittlung von Patriarchats- und Kapitalismuskritik wird zur theoretischen "Leiche im Keller", während der nur noch feministische Feminismus dem unerkannten Androzentrismus der scheinbar geschlechtsneutralen Warensubjektivität erliegt.
Die Teile der feministischen Literatur, die sich mit dem Verhältnis von Marxismus und Feminismus weiterhin in der alten Weise abquälen (Ursula Beer z.B.), können unter solchen Bedingungen nur noch auf der Stelle treten. Weil der von ihnen besetzte Debattenstrang in der gemeinsamen männlich-weiblichen Absetzbewegung vom völlig unaufgearbeiteten Marxismus auszutrocknen droht, bleiben sie sozusagen mit ihrem feministischen Anliegen hilflos in der einsam werdenden marxistischen Trümmerlandschaft sitzen. Ein Fortschritt ist nur möglich, wenn er mit einer kritischen Überwindung des Arbeiterbewegungs-Marxismus verbunden wird. Gerade in dieser Hinsicht aber wirken die Bemühungen von Beer u.a. so antiquiert, weil sie das Geschlechterverhältnis nicht konsequent auf die Kritik der Warensubjektivität und deren Fetisch-Struktur, sondern immer noch auf die alten Klassenkampf-essentials bezieht (Diese inzwischen anachronistisch gewordene Verkürzung ist kein Privileg der Marxo-Feministinnen. Ob mit positiven oder negativen Bezügen auf die Marxsche Theorie: der erratische Block des Arbeiterbewegungs-Marxismus (der ja ein heute gegenstandslos werdendes Moment der Marxschen Theorie selbst ausmacht) liegt überall einer theoretischen Erneuerung im Wege. Von Schumpeter bis Habermas zentriert sich die Auseinandersetzung mit Marx auf die Klassenkampf-Theorie, während die "esoterische" Marxsche Wertkritik entweder gar nicht in Betracht gezogen oder in einer verkürzten, geradezu verunstaltenden Interpretation (so bei Habermas, dessen schwankender Wertbegriff elementare Fehldeutungen enthält) an die Klassen- oder Akkumulationstheorie angeklatscht wird, ohne den fetischistischen Begriffshorizont jemals zu überschreiten.).
Es wäre also endlich ernst zu machen mit der oft bemühten feministischen Intention, auch Stammvater Marx selber am Zeug zu flicken, d.h. die historisch obsolet werdenden Momente der Marxschen Theorie nicht weiter abzunagen, sondern mit der eigenen theoretischen Vermittlung dort anzusetzen, wo diese Marxsche Theorie noch frisch und unverbraucht ist, ja sogar heute erst aktuell zu werden beginnt. Die Marxsche Kritik der Warenform als solcher und der in ihr eingeschlossenen Fetisch-Konstitution, die der Arbeiterbewegungs-Marxismus in seiner Zeit nahezu unangetastet liegengelassen hatte, könnte überraschende Einsichten in das Geschlechterverhältnis und einen neuen Ansatz für die Vermittlung von Patriarchats- und Kapitalismuskritik bringen. Allerdings nur dann, wenn die Warenform- und Fetischkritik vom historischen Ballast der Arbeits-, Arbeiter- und Klassenkampf-Metaphysik befreit wird (die ihre historische Berechtigung hatte). Vielleicht mußte Marx das Geschlechterverhältnis gerade deswegen ausblenden, weil dieser Ballast der Arbeitsmetaphysik, der zu seiner Zeit noch gar nicht abgeworfen werden konnte, ihm den Blick auf die geschlechtliche Seite der warenförmigen Konstitution verstellte.

2. Das Abspaltungstheorem

Nach der Entkopplung von der Arbeits- und Klassenkampf-Metaphysik stellt sich die theoretische Grundfrage anders: In welcher Beziehung stehen die Warenform als solche und ihr Fetischcharakter zum Geschlechterverhältnis? In der alten, arbeiterbewegten Intention sollte innerhalb der Warenform die "Arbeitermacht" errichtet werden. Die "Frauenfrage" wurde deshalb konsequent von der "Klassenfrage" hierarchisiert. Die neue Intention einer Kritik der Warenform selber führt allerdings keineswegs automatisch dazu, daß die alte Hierarchisierung der "Frauenfrage" überwunden wird. Da die Warenform selber zunächst einmal als "geschlechtsneutral" erscheint, als quasi androgyne Reproduktions- und Subjektform, scheint die Kritik dieser Form, vor allem wenn sie zunächst von einer theoretischen Männer-Riege im Alleingang geleistet wird, dann ihrerseits ebenso "geschlechtsneutral" auftreten zu können. Abermals spräche der Mann als Mann im Namen der Menschheit, bevor die geschlechtliche Besetzung der ganzen Angelegenheit überhaupt vorkäme.
Mit anderen Worten: Das Geschlechterverhältnis droht so, auch in der Kritik der Warenform als solcher zum bloßen "Ableitungszusammenhang" degradiert zu werden. Wert und Ware als geschlechtslose, für alle Gesellschaftsmitglieder gleichermaßen gültige Formhülle besitzen dann die alleinige "Würde" der gesellschaftlichen Allgemeinheit, während alle anderen sozialen Zusammenhänge demgegenüber im Status der "Konkretion" verbleiben. Die Kritik betrachtet somit das Geschlechterverhältnis als besonderes "Gebiet" (neben zahlreichen anderen Gebieten), auf dem die wesentlich schon vorher auf der Ebene gesellschaftlicher Allgemeinheit geleistete "eigentliche" Grundsatzkritik nur noch "anzuwenden" wäre. Diese Auffassung korrespondiert mit dem Begriff der "Sphärentrennung". Im Gegensatz zu traditionellen, vormodernen Agrargesellschaften hat das moderne warenproduzierende System sich hochgradig ausdifferenziert in voneinander getrennte (als Subsysteme erscheinende) Sphären: Ökonomie, Politik, Kultur, Religion etc. Da die Entfesselung der Warenform es ist, die diese Ausdifferenzierung erst hervorgebracht hat, erscheinen die diversen Sphären als subordinierte "Teilsysteme" des warenproduzierenden Gesamtsystems und als abgeleitet aus dessen abstrakt-allgemeinem Begriff. Zumindest für das Denken des männlichen Kritikers der Warengesellschaft liegt es also nahe, das Geschlechterverhältnis und die bürgerliche Familie als die soziale Form, in der dieses Verhältnis am deutlichsten erscheint, unter die diversen nachgeordneten Sphären oder Subsysteme einzureihen.
Diese scheinbare Geschlechtsneutralität auf der grundsätzlichen, allgemeinen Ebene einer Kritik der Warenform wird nun durch das Abspaltungstheorem von Roswitha Scholz gekippt (Es handelt sich dabei um einen Ansatz, der sich mit feministischer Intention kritisch auf die bisherige Neuformulierung einer radikalen Kritik der Warengesellschaft durch die "Krisis"-Gruppe bezieht und schon seit etwa einem Jahr zu zahlreichen Diskussionen geführt hat, die sich Ende Januar 1992 auch in einem von der "Krisis"-Redaktion veranstalteten Seminar niederschlugen. Das Seminarpapier, in dem die Abspaltungs-These erstmals in groben Zügen dargestellt wurde, ist in leicht überarbeiteter Form als Artikel ("Der Wert ist der Mann") in diesem Heft dokumentiert. Im folgenden beziehe ich mich z.T. auf die in diesem Kontext geführten Auseinandersetzungen: in der Hoffnung, diese aufkeimende Diskussion auch für ein größeres Publikum transparent zu machen.). Das Abspaltungstheorem besagt im Kern, daß die Warenform als solche eine geschlechtliche Besetzung und Voraussetzung aufweist: alles, was an sinnlicher Welt des Menschen in dieser Form nicht aufgehen kann, wird als weiblicher Lebenszusammenhang von der Form und den Prozessen abstrakter Ökonomisierung der Welt "abgespalten", wodurch sich die Warenform gleichzeitig als männlich besetzt erweist. Die Abspaltung eines weiblichen Lebenszusammenhangs, der für die wertförmig nicht erfaßbare Seite des menschlichen Lebens "zuständig" ist, wird so zur "Bedingung der Möglichkeit" für die Entfesselung der Warenform - und die von der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung blind erzeugte Möglichkeit einer weiblichen Rollendistanz somit zum Krisenmoment der Warenform als solcher.
Der abgespaltene weibliche Lebenszusammenhang ist demzufolge keineswegs eine ausdifferenzierte Sphäre der abstrakt-allgemeinen Warenform selber. Von den ersten Anfängen warenförmiger Vergesellschaftung an (und in allen ihren Durchsetzungsschüben sich mit ihr zusammen entwickelnd) gibt es vielmehr Seiten, Momente und Bereiche menschlichen Daseins und gesellschaftlicher Reproduktion, die von der Warenform prinzipiell nicht oder nur schwer erfaßbar sind und deshalb zu ihr auch in keinem Verhältnis der bloßen Ableitung und Ausdifferenzierung stehen können. Die abgespaltenen Momente (und auch Tätigkeiten) drücken sich nicht nur in der Familienstruktur aus, sondern in der weiblichen Geschlechtsrolle überhaupt. Diese Rolle umfaßt sowohl materielle (Haushalt, Kinder) als auch immaterielle Momente (Zuwendung, Erotik, "Liebe"). Da der Charakter der Abspaltung für diese Bereiche kein bloßes Ableitungsverhältnis zur Warenform zuläßt und sie nicht unter die ausdifferenzierten Sphären oder Subsysteme einzureihen ist, muß der Begriff der Abspaltung denselben theoretischen Rang wie der Begriff der Warenform als solcher beanspruchen, deren absolute Allgemeinheit er dementiert. Die Abspaltung ist das "andere" oder die Rückseite der Warengesellschaft: kein Subsystem, sondern ihr immanentes Gegenteil, d.h. das Nicht-Warenförmige in der Warengesellschaft. Dies ist in Wahrheit die tiefste, geschlechtlich bestimmte Paradoxie dieser an Paradoxien reichen Vergesellschaftungsform.
Das einem weiblichen Lebenszusammenhang zugewiesene Nicht-Warenförmige in der Warengesellschaft darf allerdings keineswegs verwechselt werden mit dem berühmten Adornoschen "unverdinglichten Rest". Mit diesem Terminus verweist Adorno nicht auf den abgespaltenen weiblichen Lebenszusammenhang, weder explizit noch implizit, sondern er sucht eigentlich den "Rest" des Sinnlichen, der Empathie usw. am Mann selbst, an den entsinnlichten Lebenszusammenhängen des abspaltenden Mannes. Es geht also um den "Rest" des "Unverdinglichten" an der männlich besetzten Warenförmigkeit selbst, nicht um die Abspaltung und deren Formen. Deshalb muß Adorno dabei auch auf die schon etwas ausgelaugte Figur des "Künstlers" zurückgreifen, der schon immer in der modernen bürgerlichen Philosophie für das "Andere", den Bezug zur Sinnlichkeit usw. stand, aber eben als Mann (der Künstler wurde prinzipiell als Mann gedacht). Der Künstler als selber warenförmiger Demiurg und selbstherrlicher Hervorbringer sollte dennoch im Unterschied zu anderen Figuren dieser verdinglichenden, warenförmigen Männlichkeit so etwas wie eine "Potenz der Entdinglichung" besitzen oder mobilisieren helfen. Bezeichnenderweise erscheint das Weibliche dabei immer als Gegenstand der Kunst, nicht als deren Subjekt.
Das Abspaltungstheorem zielt dagegen auf etwas völlig anderes. Die Abspaltung eines weiblichen Lebenszusammenhangs mit inferior gesetzter Zuständigkeit für alle nicht warenförmig erfaßbaren Momente des menschlichen Lebens und der gesellschaftlichen Reproduktion ist erstens kein "Rest", sondern die "andere Hälfte", die inoffizielle Seite des Lebens. Die abgespaltenen Momente sind in Wirklichkeit ein riesiger Raum der Reproduktion, eine stumme (bzw. stumm gehaltene) Voraussetzung der männlich besetzten Warenform. Zweitens handelt es sich bei den abgespaltenen Momenten und Bereichen nicht um das "Unverdinglichte", sondern eben um die andere Seite der Verdinglichung selbst. Diese dunkle, inoffizielle Rückseite der warenförmigen Verdinglichung ist sozusagen der Hinterhof und der Lieferanteneingang oder andererseits das private Separée und der stille Winkel, das Nicht-Systemische des Systems. Das "Weibliche" unterliegt im Prozeß der Abspaltung einer "anderen Art" der Verdinglichung, die im Gegensatz zur männlichen, offiziellen, warenförmigen Verdinglichung gesellschaftlich formlos bleibt. Dabei ist die Frau nicht das "andere Subjekt", sondern das "Nicht-Subjekt", die Repräsentanz des Formlosen, von der abstraktifizierenden männlichen Form nicht Erfaßbaren.
Das Problem für eine Theoriebildung im Anschluß an das Abspaltungstheorem besteht vielleicht darin, daß "Theorie überhaupt" im bisherigen Sinne immer schon männlich besetzt und historisch im Kontext einer Entfesselung der Warenform entstanden ist. Theoriebildung besitzt daher per se schon eine Tendenz zur "Ableitung", zum Definitorischen und begrifflich Hierarchisierenden. Der Gegenstand der Abspaltung sperrt sich freilich dieser Schwerkraft männlichen Theorieverständnisses. Weil die Theorie selber ein Resultat der Abspaltung im historischen Prozeß ist, kann sie weder den Vorgang der Abspaltung noch das Abgespaltene als eigenen gesellschaftlichen Raum erfassen. Diese Blindheit der Theorie stößt freilich immer wieder an die dunklen, unbekannten Gegenstände der aus ihrem Abstraktionsraster herausfallenden Momente der abgespaltenen "Antimaterie". An den Rändern der männlichen, warenförmigen Wissenschaft wird das Problem fühlbar, ohne daß es beim Namen genannt werden könnte. Allenfalls die Widerspruchslogik dialektischen Denkens (das freilich seinem eigenen Selbstverständnis nach immer noch abstrakt-universalistisch bleibt) könnte an jene theoretische Grauzone heranführen, in der das paradoxe Verhältnis von Abspaltendem und Abgespaltenem aufscheint.
Das Hauptproblem für ein "theoretisches", männliches Verständnis scheint im Begriff der Abspaltung das Verhältnis von "innen" und "außen" zu sein. Für das definitorische, klassifizierende und hierarchisierende Denken gibt es hier nur ein Entweder-Oder. Wenn etwas abgespalten wird, dann ist es diesem Denken zufolge "draußen" und muß daher als externer Gegenstand "außerhalb" der Warengesellschaft definitions- und abgrenzungsfähig sein. Und umgekehrt: wenn es sich um etwas "Immanentes" handelt, um einen internen Widerspruch der Warengesellschaft, dann kann es nichts Abgespaltenes und muß also "ableitbar" sein, d.h. der Hierarchie warenförmiger Kategorien unterworfen werden. Nun gibt es aber natürlich immer nur jeweils eine Gesellschaftlichkeit als einen einzigen, wenn auch in sich widersprüchlichen Gesamtzusammenhang. Das Paradoxon ist gerade die Immanenz der Abspaltung, die mit Begriffsbildungen wie "dunkle Rückseite" oder "immanentes Gegenteil" nur unzulänglich angedeutet werden kann. Das "weibliche" Nicht-Warenförmige in der Warengesellschaft versteckt sich sozusagen durch seine gesellschaftliche Formlosigkeit, und gerade deswegen ist es für ein theoretisches Denken nicht faßbar, das in (warenlogisch entstandenen und prädestinierten) Formkategorien sich darzustellen gewohnt ist.
Das abgespaltene "Weibliche", das Nicht-Warenförmige in der Warengesellschaft, ist Teil oder Moment der gesellschaftlichen Totalität und dementiert dadurch den Totalitätscharakter der Warenform; als Teilmoment, getarnt durch seine Formlosigkeit, haftet es jedoch an den sozialen Beziehungen der Warensubjekte selbst. Es ist eine doppelte, in sich gebrochene Welt, aber eben eine (Als Metapher oder Symbol dieser Doppelheit, die das inoffizielle Nicht-Warenförmige in der Warengesellschaft der gesellschaftlichen Totalität aufzwingt, könnte das "doppelte Avalon" im Phantasy-Bestseller von Marion Zimmer-Bradley ("Die Nebel von Avalon") gelten. Es gibt dabei ein "offizielles", christlich-abendländisches Avalon; und gleichzeitig ein ganz anderes, weibliches, "heidnisches" Avalon quasi in einer anderen Raum-Zeit-Dimension, das nur durch Zufall und auf merkwürdigen Wegen erreicht werden kann. Aber immer handelt es sich um ein und dieselbe Insel. Wahrscheinlich muß für böswillige Interpreten dazugesagt werden, daß eine solche Metapher keine Parteinahme für den "Irrationalismus" bedeutet. Allerdings wird Irrationalität nicht zufällig dem abgespaltenen "Weiblichen" zugeschrieben. Nicht um dessen Affirmation geht es, sondern um die Aufhebung eines gespaltenen Bewußtseins, das überhaupt den Gegensatz von "Rationalität" und "Irrationalität" hervorgebracht hat, wie er aus der objektivierten Doppelheit des gesellschaftlichen "Avalon" folgt.). Das ist durchaus kein begrifflicher Hokuspokus, sondern im Detail an den sozialen Beziehungen in ihrer geschlechtlichen Dimension nachzuweisen. So sind die bürgerliche Familie, die Geschlechtsbeziehung und das "Erziehungsverhältnis" nicht etwa in einem solchen Sinne nicht-warenförmige soziale Räume, daß sie außerhalb und unabhängig von der Warengesellschaft existieren würden. Sie sind rechtlich und warenlogisch überformt, und es sind Warensubjekte, die sich dabei in Beziehung setzen. Aber sie tun dies eben in diesen Räumen nicht direkt als Warensubjekte, weil die Warenform an diese Ebenen nicht herankommt; und es sind die Zuweisungen an das "Weibliche", die hier wirksam werden.
So ist es natürlich gerade die Familie (und sei sie reduziert auf "Alleinerziehende"), in der den Kindern die Verkehrsformen der Warengesellschaft am frühesten eingebleut und in der sie zu abstrakten, erfolgsgeilen Warensubjekten getrimmt werden. Aber diese Trimmvorgänge selbst können nicht warenförmig abgeleistet werden, nicht nur aus Kostengründen (eine Vollmonetarisierung der Kinderaufzucht käme in astronomische Größenordnungen hinein), sondern auch deswegen, weil hier wesenhaft warenlogisch nicht erfaßbare Momente wie Zuwendung und Empathie hereinspielen, auch wenn der gesellschaftliche "Zweck" selber die Einübung in warenlogische Verkehrsformen ist. Es kann gar keinen Zweifel geben, daß die nicht-warenförmigen Momente, "Leistungen" und Verhaltensweisen dabei systematisch auf das "Weibliche", die mutternde Frau und deren geforderte "Selbstlosigkeit" abgewälzt werden. Dasselbe gilt für Erotik und Sexualität der Geschlechtsbeziehungen, in denen ebenso systematisch die Frau für die nicht-warenförmigen Momente "zuständig" ist, von den Gefühlserwartungen bis zur Körperlichkeit. Das heißt weder, daß diese nicht-warenförmigen Momente nicht innerhalb warenförmiger Strukturen existieren. Noch heißt es, daß die Frau dabei nicht in anderer Hinsicht selber ein Warensubjekt sein kann und muß (Ein besonders alberner Einwand wäre es z.B., darauf zu verweisen, daß sich die Hausfrau beim Einkaufen als ausgefuchstes Warensubjekt verhalten muß. Das ändert nichts daran, daß sie dies gleichzeitig im Bezugsrahmen einer nicht-warenförmigen Beziehung tut: der Verkäuferin gegenüber ist sie Warensubjekt, aber der Tätigkeitszusammenhang, in dem sie dies ist, hat einen von der Warenform abgespaltenen Grund, nämlich ihre fürsorgliche, nicht-warenförmige Daseinsweise für "ihre Lieben". Das Einkaufen hat hier einen nicht-warenförmigen Tätigkeitsbezug, obwohl es selber in seiner Unmittelbarkeit natürlich warenförmig ist. Erst recht gilt dies, wenn die Frau selber Lohnarbeiterin ist. Dann ist sie insofern ebenso wie der Mann Warensubjekt, bleibt aber trotzdem in der Regel auf der "Beziehungsebene" verwiesen auf deren nicht-warenförmige Momente und Tätigkeiten. Dies erscheint dann z.B. als die bekannte Doppelbelastung, geht aber in seinen immateriellen Momenten (Zuwendung, "Liebe") weit darüber hinaus.). Der abgespaltene weibliche Lebenszusammenhang, das Nicht-Warenförmige in der Warengesellschaft, ist kein äußerlich abgegrenzter sozialer Raum, sondern das "andere Avalon" der Warensubjekte selbst.
Gerade weil die Abspaltung bis in die subtilsten Beziehungsaspekte hineinreicht, kann das männliche Panzer-Ich darüber freilich immer wieder mit dem Brustton der theoretischen Verständnislosigkeit hinwegwalzen, den Kopf schütteln über die weiblichen Schwierigkeiten der Problemartikulation und sich dann wundern, wenn Frauen sich einfach nur noch zurückziehen (Natürlich heißt dies auch für den Autor dieses Co-Artikels: De te fabula narratur. Das Nicht-Verständnis des Problems läßt sich in den Publikationen der "Krisis" leicht nachweisen. Und zwar sowohl in seiner einfachen Abwesenheit, während die Kritik der abstrakt-universalistischen Warenlogik selber abstrakt-universalistisch formuliert wurde. Als auch dort, wo in einigen Artikeln und Publikationen das Geschlechterverhältnis explizit als Gegenstand auftauchte. Allerdings muß auch dazugesagt werden, daß es ja bis vor kurzem das Abspaltungstheorem noch gar nicht gab und die theoretischen Vermittlungsbemühungen von Patriarchats- und Kapitalismuskritik zu recht als unzulänglich empfunden werden mußten. Daß das Abspaltungstheorem von Roswitha Scholz im kritischen Anschluß an unsere neue Fundamentalkritik der Warenform erarbeitet wurde, zeigt zumindest deren "objektive" Offenheit für das Problem. Daß dieser Anschluß andererseits ein kritischer sein und sich mühsam gegen die männliche abstrakt-universalistische Besetzung der Warenform-Kritik behaupten mußte, verweist auf ein gewisses "Mauern", das gar nichts mit bloß theoretischen Schwierigkeiten zu tun hat. Wenn eine Frau es ist, die da mit theoretischen und gar dissidenten Ansprüchen auftritt, so mag dies (mit Verlaub) wenigstens "gefühlsmäßig" manchem männlichen Theoriefürsten insgeheim so erscheinen, als hätte ein Pferd zu sprechen begonnen. Ich begreife die vorstehenden Anmerkungen zum eigentlichen Abspaltungstheorem im engeren Sinne ausdrücklich als Co-Argumentation und als Antwort auf Einwände, wie sie in meinem eigenen (männlichen) Diskussionszusammenhang geäußert worden sind. Womit natürlich eine ausdrückliche Parteinahme und Identifikation verbunden ist, die kein oberflächliches "Anwamsen an den Feminismus" sein soll, sondern einfach die Tatsache akzeptiert, daß ein Knoten der Theoriebildung geplatzt ist. Daß die Urheberin ihr eigenes Theorem weiter präzisiert und ausbaut, ist zu erwarten.). Es ist daher in der weiteren Auseinandersetzung um das Abspaltungstheorem eher ein zäher kalter Krieg zu erwarten, in dem die Verteidigung eines geschlechtsneutralen Begriffs abstrakter Individualität von "atmosphärischen Störungen", männlichen Abwehr-Irrationalismen, verdrängungskünstlerischen Leistungen und Abqualifizierungsversuchen begleitet wird. In der Tat handelt es sich hier vielleicht erstmals um einen Gegenstand, bei dem der "Inhalt" sich nicht mehr dem eigenen höchst subjektiven Lebenszusammenhang gegenüber wasserdicht machen läßt, wie dies männlich-warenförmige "Wissenschaftlichkeit" schlechthin auszeichnet. Die Verschränkung von Inhalts- und Beziehungsebene, von subjektiver und objektiver Seite, von "Innen" und "Außen", von Form und Formlosigkeit der abgespaltenen Momente hat den Charakter einer Entblößung, die für das eigene Selbstverständnis peinlich werden könnte.

3. Exkurs I: Geschlechterverhältnis und Kritik der "Großtheorien"

Das Abspaltungstheorem besitzt einen Vorzug, der in den Augen des momentan gängigen theoretischen Diskurses als unverzeihlicher Fehler erscheinen muß: es begibt sich von vornherein auf die Ebene gesellschaftlicher Totalität. Die Kritik des Ganzen stößt denen sauer auf, die über den Totalitätsbegriff hinaus zu sein sich einbilden. Nicht zulässig sei das angebliche Verlangen, einen "großen Wurf" zu tun; Bescheidenheit sei eine Zier, kleine Brötchen müßten gebacken werden; "konkrete" Teiluntersuchungen seien angesagt, bloß keine neuen abstrakten Verallgemeinerungen. In der feierlichen Verdammung jedes unsittlichen Strebens nach sogenannten "Großtheorien" hat dieser Impuls gesellschaftstheoretischer Abrüstung sein vielzitiertes Stichwort gefunden. Auf eigentümliche Weise ist dieses modische Stichwort in den feministischen Diskurs eingegangen. Indem die männliche Besetztheit wissenschaftlicher Theoriebildung mit dem vagen Begriff der "Großtheorie" identifiziert und kritisiert wird, glaubt frau hinsichtlich der eigenen Leichen im theoretischen Keller aus dem Schneider zu sein.
Ironischerweise wird jedoch gerade im voreiligen, unreflektierten Verdikt gegen die "Großtheorie" die Koinzidenz mit männlichen Positionen im theoretischen Prozeß deutlich. Denn natürlich ist der pejorative Begriff der sogenannten "Großtheorie" wieder von Männern in die Welt gesetzt worden, und zwar aus den durchsichtigsten Gründen. Diese und ähnliche Wortschöpfungen markieren die Rückzugspositionen männlicher Gesellschaftskritik seit Mitte der 70er Jahre. Sie stehen für die bedingungslose Kapitulation einer ganzen Generation. Fast zum Lachen ist es, wenn beobachtet werden kann, wie feministische Diskurse, die vermeintlich getrennt von den männlichen Zusammenhängen ihre eigenen Wege gehen, in Wahrheit die Motive, Verlaufsformen und Abgrenzungspositionen des männlichen Teils der Neuen Linken treu und brav reproduzieren.
Weil das Klima des Rückzugs auf die bürgerliche Immanenz ein allgemeines, "geschlechtsübergreifendes" ist, wird auch überall auf den Inseln der theoretisch und gesellschaftskritisch Schiffbrüchigen die gemeinsame Hilflosigkeit mit Argusaugen gehütet. Das abschätzige Stichwort der "Großtheorie" erhellt eine fast schon grimmige Entschlossenheit, jeden Versuch niederzumachen, der den Horizont des Begreifens jemals wieder über die Selbstaffirmation der Warensubjekte hinausschieben könnte. Mag das Abspaltungstheorem sogar vorsichtig, eher skrupulös formuliert und ohne hinausposaunte Anspruchsprämissen daherkommen, so ist trotzdem der bloße gedankliche Bezug auf die einst heißgeliebte "Totalität" schon viel zu viel. Unter den Blinden ist der Einäugige nicht König, sondern es wird ihm eifersüchtig auch noch das verbliebene Auge ausgekratzt; übrigens ein Aspekt des aufklärerischen Gleichheitsideals.
Wenn die kapitulationsideologische Negation der "Großtheorie" dennoch ein Moment von Wahrheit reflektiert, so keinesfalls im Sinne der Erfinder. Die ideellen Systeme des bürgerlichen Zeitalters traten allesamt mit dem Anspruch sowohl totaler als auch von Grund auf neuer Welterklärung an, wie den bürgerlichen Revolutionen immer eine Tendenz innewohnte, gesellschaftlich tabula rasa machen zu wollen (Sehr erhellend behandelt Stephen Toulmin dieses implizite oder explizite Motiv seit Descartes' Forderung nach "absoluter Gewißheit" in seinem Buch "Kosmopolis" (Frankfurt/Main 1991), auch wenn er seine Analyse nicht auf die Entfesselung der Warenlogik in der Geschichte und "Geheimgeschichte" der Moderne bezieht.). In vieler Hinsicht enthält auch die Marxsche Theorie noch Elemente dieses Anspruchs, vor allem natürlich in den kanonisierten Formen des "Marxismus", seiner diversen Kirchen und Sekten. Es gibt bekanntlich heilige Schriften und Offenbarungen des "Diamat" und "Histomat". Und selbst die kritischen Theoretiker in ihrer vermeintlichen Offenheit können sich auf ihren stolzen Reflexionshöhen gelegentlich eines heiligen Schauders nicht erwehren, wenn sie das Wort "Material-ismus" aussprechen. Vielleicht wird es Zeit, auch diese in den Gefilden linker Theoriebildung noch herumlungernde heilige Kuh endlich abzuschießen.
Das hermetische Ganze einer "materialistischen" Welterklärung verleitet zur Weltanschauungsideologie, auch wenn man sie ausdrücklich nicht will. Warum aber braucht es überhaupt einen "Ismus", wenn historisch begrenzte gesellschaftliche Probleme gelöst werden sollen? Warum der Drang zu einem Rückgriff auf "ewige" ontologische Prinzipien ("Arbeit" zum Beispiel)? Warum das Operieren mit einem absoluten, nicht mehr herleitbaren Vernunftbegriff? Warum soll die Aufhebung unerträglich gewordener gesellschaftlicher Widersprüche gleich irgendwelche Grundsätze einer "materialistischen" Naturerklärung mitverwirklichen bzw. in deren Namen sich rechtfertigen? Warum sollen überhaupt Ideen-Systeme "verwirklicht" werden, ein an sich schon ruinöses Ansinnen? "Komm! ins Offene, Freund!" (Hölderlin) - warum ist dieser vielzitierten Aufforderung so schwer Folge zu leisten? Gewiß stehen solche Fragen in einem Kontext, den auch die neueste Verdammung der sogenannten "Großtheorien" reflektiert. Und es ist sicher nicht falsch, das systemische, totale "Verwirklichungsdenken" und seine Forderung nach "absoluter Gewißheit" in Verbindung zu bringen mit der männlichen abstrakten Selbstbehauptungswut und mit der androzentrischen Bestimmtheit moderner Wissenschaft (Es sollte insofern freilich auch einem selbstreflexiv werdenden Feminismus einfallen, daß er dann selber kein "Ismus" (und also auch kein Femin-Ismus) mehr sein kann, weil er so ja bereits in seinem eigenen Namen den spezifisch männlichen Anspruch an die Welt mit sich herumschleppt.).
Aber die Kritik und Ablehnung jeder Art von "Letztbegründungs-Metaphysik", von positiv sich verstehenden "Großtheorien" oder von Welterklärungs-Systemen mit "Verwirklichungsanspruch", sie hätte sich der realgesellschaftlichen Grundlagen und Voraussetzungen ihrer Gegenstände zu versichern. Es hieße nämlich nur die unverwüstliche politische Aufklärungsillusion vom "Gesellschaftsvertrag" auf dem Gebiet der Theorie fortsetzen, wollte man die Defizite und Gefährdungspotentiale moderner Letztbegründungs- und Welterklärungsansprüche, den Marxismus eingeschlossen, als bloß subjektive Verfehlung nehmen, die sich mit der Kritik und Ablehnung dieser Art von Theoriebildung erledigt hätte. Die Vermessenheit der Theorie zeigt nämlich nur die Vermessenheit der zugrundeliegenden Gesellschaftsformation selbst an. Denn die dogmatischen Systemstrukturen der modernen "Großtheorien" reflektieren nichts anderes als die realdogmatische Systemstruktur der totalisierten Warenform. Die dogmatische, abstrakt-universalistische Theoriebildung folgt nur der dogmatischen, abstrakt-universalistischen Gesellschaftsbildung. Das warenproduzierende System mit dem inzwischen historisch vollzogenen Verwirklichungsanspruch seiner selbst ist es, das hinter der eigenartigen Konstellation des modernen Theorie-Praxis-Verhältnisses lauert. Das männliche Abspaltungs-Denken kann nicht überwunden werden, ohne die realgesellschaftliche männliche Abspaltungs-Struktur aufzuheben. Es ist lächerlich, ersteres mit dem Verdikt gegen die "Großtheorie" zu fordern, gleichzeitig aber letzteres als nicht mehr ernstzunehmenden angeblichen "Utopismus" abzuqualifizieren und die androzentrische Formbestimmtheit nicht einmal wahrzunehmen.
Nur mit einem erheblichen Aufwand an theoretischer Ignoranz kann dieser Zusammenhang verleugnet und verdrängt werden. Die falsche Positivität der "Großtheorien" ist nur dann zu überwinden, wenn die falsche Positivität der gesellschaftlichen Warenform einer theoretischen wie praktischen Kritik unterzogen, wenn sie nicht mehr als allgemeine Subjektform anerkannt wird. Der Nachweis ihrer geschlechtlichen Besetzung ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung. Die sich der Warengesellschaft und ihren Erscheinungsformen gegenüber blind affirmativ gebende wohlfeile Kritik der "Großtheorien" dagegen hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Sie ahnt gar nicht, welche neue Radikalität sie unfreiwillig lostreten könnte, sobald sich hinter ihrem Rücken das wirkliche Verhältnis enthüllt. Denn eine ernstgenommene Kritik der "Großtheorien", die ihren Gegenstand bis auf seine gesellschaftlichen Wurzeln zurückführt, müßte frontal gerade mit jener scheinpragmatischen Welt des Geldes zusammenstoßen, deren Feier als beste aller Welten den heutigen Pseudokritikern des Dogmatismus so sehr am Herzen liegt.
Die Kritik des Marxismus als "Großtheorie" führt zum Gegenteil dessen, was hoffnungsvoll angenommen wird. Sie führt nämlich zur Mobilisierung ausgerechnet des bisher ausgeblendeten, vom Marxismus nicht integrierbaren Moments der Marxschen Theorie - der radikalen Kritik des Geldnexus überhaupt. Insofern muß die Kritik der positiven "Großtheorien" selber negativ "großtheoretisch" werden, indem sie zusammen mit dem ideellen Gefängnis des ontologisierenden Verwirklichungsdenkens gleichzeitig das materielle Gefängnis des warenproduzierenden Systems sprengt. Nur so ist wirklich das "Offene" zu gewinnen. Und gerade das Abspaltungstheorem verspricht, dabei hilfreich zu werden, weil es ein positiv-definitorisches Verständnis der Marxschen ökonomischen Kategorien gar nicht mehr zuläßt.

4. Exkurs II: Die psychoanalytische Dimension in der Warenformkritik

Das tradierte positivistische Verständnis der Marxschen Begriffe war es auch, das die immer wieder versuchte Vermittlung mit den Erkenntnissen der Psychoanalyse scheitern ließ. Auf der Folie des arbeitsontologischen Klassenkampfdenkens, das eine definitorische Affirmation von Wert, Ware und Geld als positiven Gegenständen des Verteilungskampfes generiert, waren die Kategorien der Marxschen Ökonomie- und der Freudschen Bewußtseinskritik in keine sinnvolle Beziehung zu setzen. Nur die Kritische Theorie, die sich bereits vom Arbeiterbewegungs-Marxismus wegbewegte, unternahm anspruchsvolle Versuche einer Synthese und betrachtete die Freudschen Erkenntnisse nicht einfach als Konkurrenz-Ideologie. Allerdings mußte sie dabei an die Grenzen einer Epoche stoßen, in der das warenproduzierende System sich noch in keiner Hinsicht (auch nicht auf der Subjektebene) völlig ausentwickelt hatte. Weder die Marxsche noch die Freudsche Theorie konnten unter diesen Bedingungen "aufgehoben" werden, und so blieb es weitgehend bei einer theoretischen Emulsion. Erst ein Ansatz, der die Marxsche Fetischkritik unter den heutigen neuen Bedingungen kapitalistischer Weltvergesellschaftung ernst nimmt und die Positivität der bürgerlichen Basiskategorien konsequent auflöst, kann sich auch kritisch der Psychoanalyse annähern. Denn deren Kategorien sind dann ebensowenig positiv und ontologisch wie diejenigen der Politischen Ökonomie aufzufassen. Freilich kann eine solche Aufhebung nicht mehr auf dem Boden androzentrischer Wissenschaftlichkeit stattfinden; es würde sich gleichzeitig um die Aufhebung der Marxschen und der Freudschen Theorie in ihrer männlichen Formbestimmtheit und Fixierung handeln.
Auch der Freudsche Begriffsapparat verweist auf einen realgesellschaftlichen Zusammenhang, der nicht durch bloße theoretische Kritik und durch individuelle Therapie oder umgekehrt durch schlichtes Verwerfen der Freudschen Grundannahmen wegeskamotiert werden kann. Nicht umsonst hat ja Freud ebenso wie Marx den Begriff des Fetischismus für seine Theorie fruchtbar gemacht. Wenn die theoretische Vermittlung von Marx und Freud bei den Arbeiterbewegungs-Marxisten nie gelang, so vor allem deswegen, weil sie einen verkürzten Begriff des Warenfetischs besaßen oder diesem Moment der Marxschen Theorie aus guten Gründen überhaupt am liebsten aus dem Wege gingen. Dagegen könnte eine erneuerte und konkretisierte, vom Arbeiterbewegungs-Marxismus entkoppelte radikale Kritik der Warenform sich auch neu mit den Freudschen Begriffen des psychischen Apparats auseinandersetzen. Wie das Verhältnis von Warenform und Denkform (Sohn-Rethel und Rudolf Wolfgang Müller (Geld und Geist, Frankfurt/Main 1977) haben diese Aufgabe erst gestellt, sie aber noch arbeitsontologisch zu lösen versucht. Erst die Ablösung von einer ontologischen Arbeitsmetaphysik kann die genetische Analyse in dieser Hinsicht weitertreiben und auch die psychoanalytischen Kategorien aufnehmen, ohne die eigenen theoretischen Voraussetzungen wieder verwerfen zu müssen.), so wäre auch das Verhältnis von Warenform und psychischen Formen zu dechiffrieren.
Der bewußtlosen historischen Formation und Deformation des theoretischen und handlungspraktischen Waren-Ichs entspräche die Formation und Deformation des Unbewußten. Wenn die bisherige Zivilisation nichts ist als die Höherentwicklung der gesellschaftlichen Bewußtlosigkeit, dann ist die Herausbildung eines differenzierten Unbewußten mit seinen Abwehr-, Projektions- und Verdrängungsmechanismen integraler Bestandteil dieser bis heute andauernden "Vorgeschichte des Menschen" (Marx). Die Herausbildung ökonomischer Charaktermasken ist vermittelt mit dem Entstehungsprozeß sexueller Charaktermasken. Und wohl deswegen erschrak Freud vor der dunklen Fremdartigkeit des "Weiblichen", weil er wie Marx naturwüchsig von der Konstitution des männlichen Bewußtseins in der fetischistisch verzauberten Warenwelt ausging. Das zwangsheterosexuelle Syndrom wäre somit geschichtliches Produkt und parallel gesetzt zur Entwicklung der Wertform. Auch dieser Zusammenhang könnte vermutlich embryonal in der griechischen Antike nachgewiesen werden (So etwa in der stärker negativen Bewertung homosexueller Beziehungen in der attischen "Demokratie" gegenüber dem archaischen Sparta, wo solche Beziehungen teilweise noch initiationsrituell institutionalisiert waren (ähnlich bei Naturvölkern, vgl. dazu die Forschungen von Gisela Bleibtreu-Ehrenberg oder Berichte über die sexuellen Verhältnisse der australischen Aboriginals). Warenform, abstrakt-allgemeine Denkform, Abspaltung eines inferior gesetzten weiblichen Lebenszusammenhangs und Ausbildung einer zwangsheterosexuellen Identität scheinen Momente ein und derselben Entwicklung zu sein, die auch die Grundelemente des heute vorfindbaren Unbewußten hervorgebracht hat.). Wenn es der parallel zu den Durchsetzungsschüben der Warengesellschaft sich entfaltende Abspaltungsmechanismus ist, der die soziale Dichotomie von "Männlichkeit" und "Weiblichkeit" in ihrer einseitigen Zurichtung konstituiert, dann wird von diesem Prozeß auch der in der Moderne als "normal" und "natürlich" erscheinende zwangsheterosexuelle Charakter erst hervorgebracht.
Indem das Abspaltungstheorem den geschlechtslosen Begriff abstrakter, warenförmiger Individualität und Subjektivität kritisiert, eröffnet es (bei aller eingestandenen Vorläufigkeit) überhaupt erst den Zugang zu den Konstitutionen des Unbewußten und des psychischen Apparats vom Standpunkt einer radikalen Kritik der Warengesellschaft. Es ließe auf eine erhebliche Bornierung schließen, sollte der Begriff der "Abspaltung" demgegenüber als psychoanalytisch beschränkter eingeklagt werden, dessen "Übertragung" auf die Kritik der Politischen Ökonomie "unzulässig" (fachfremd) sei. In Wirklichkeit ist es gerade die Stärke dieses Theorems, eine solche Grenzüberschreitung zu wagen (Daß in der Geschichte des Denkens jeder originelle Neuansatz von den konservativen Geistern niedergemacht wird, ist bekannt. Kein Wunder, daß dies erst recht geschieht, wenn die Originalität weiblich ist: "In dem Maße aber, wie feministische Denkerinnen auf den historischen Vorrat an Theorie und Methode zurückgreifen, wie sie z.B. mit existentialistischen, marxistischen oder psychoanalytischen Einsichten arbeiten, gelten ihre Entwürfe lediglich als Anwendungen des von Männern schon Gedachten auf die spezielle Problematik der Frauen. Sie sind dann lesenswert, weil man sie nicht als originell wahrnimmt. Wird allzu offensichtlich, daß ihre Gedanken sich nicht mehr nur in den Bahnen des ihnen Vorgedachten bewegen, wird dies ihnen nicht als Kreativität sondern als mangelnde Qualifikation angerechnet: Sie haben Marx oder Freud nicht sorgfältig genug gelesen" (Carol Hagemann-White, Was heißt weiblich denken?, Osnabrück 1989, S. 16).).
In einer psychoanalytischen oder sozialpsychologischen Beschränkung ist der mit dem "Abspaltungs"-Begriff gemeinte Problemzusammenhang im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis ja durchaus nichts Unbekanntes. Schon ein oberflächlicher Einblick in den breiteren feministischen Diskurs zeigt, daß die Thematik im weiteren Sinne (selbst wenn der "Abspaltungs"-Begriff oft nicht explizit auftaucht) bereits vielfältig behandelt wird, wenn auch nicht im Kontext einer Kritik der Warenform. Soweit politökonomische Bezüge hergestellt werden, bewegen sie sich im Rahmen traditioneller Arbeitsmetaphysik (z.B. Frigga Haug). Aber gerade für diejenigen Denkansätze, die längst der Logik nach auf diesem Dampfer jenseits der "marxistischen" Kategorien sind, könnte das Abspaltungstheorem eine wichtige Vermittlung leisten. Denn natürlich kann die Verbindung von Marxscher Gesellschafts- und Freudscher Bewußtseinskritik keine Einbahnstraße bleiben. Wie die Freudschen Begriffe des psychischen Apparats ökonomiekritisch aufzuladen wären, so auch umgekehrt. Die Anwendung des "Abspaltungs"-Begriffs auf das scheinbar geschlossene Kategoriensystem einer Kritik der Politischen Ökonomie spielt den Verhältnissen vielleicht erst jenen Teil ihrer eigenen Melodie vor, der bisher noch gefehlt hat.

5. Die Metaphysik des Gebrauchswerts

Jeder theoretische Neuansatz wird zunächst einmal vom alten Ufer aus wahrgenommen und unterliegt so unvermeidlichen Mißverständnissen, aus denen er sich freikämpfen muß. Galt und gilt dies schon für die bisherige "Krisis"-Position einer selber noch abstrakt-universalistischen Warenform-Kritik im Verhältnis zu den sterbenden alten Marxismen, so setzt sich dieses Verständnis- und Akzeptanzproblem in der geschlechtlichen Ausformung dieser Kritik erst recht fort. Der Ansatz des Abspaltungstheorems führt die neue Kritik der Warengesellschaft weiter, verändert sie dadurch aber auch grundsätzlich. Dabei muß er die Schwerkraft eines männlichen Denkens überwinden, das geneigt sein könnte, in die gewohnte warenlogische Hierarchisierung auf Schritt und Tritt zurückzufallen. Es muß diesem Denken schwerfallen, die theoretische Gleichrangigkeit des Abspaltungsbegriffs zu akzeptieren. Von daher könnte sich auf leisen Sohlen immer wieder der Versuch einschleichen, das Problem der Abspaltung doch in einen bloßen "Ableitungszusammenhang" zur Hierarchie der warenlogischen Kategorien zu bringen. Es ist sicher kein Zufall, wenn die Abwehr solcher Tendenzen sofort zu neuen Grundsatzproblemen der Warenformanalyse im Kontext einer Kritik der politischen Ökonomie führt.
Es ist die Kategorie des Gebrauchswerts, die sich für eine warenlogisch immanente Interpretation des Abspaltungstheorems anzubieten scheint, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Der Gebrauchswert ist nach herkömmlicher Lesart hierarchisiert durch den abstrakten Tauschwert; er gilt als das untergeordnete, ausgeblendete und sogar aus der Politischen Ökonomie herausfallende Moment der Ware. Es ist insofern leicht und scheint naheliegend zu sein, den Gebrauchswert mit der abgespaltenen Sinnlichkeit und dadurch mit der Frau zu identifizieren (Gerade in den älteren feministischen Diskursen mit marxistischem background findet sich diese Identifikation auch ganz zwanglos, so u.a. gelegentlich bei Rossana Rossanda. Freilich ist dieser Zusammenhang nirgendwo systematisch entfaltet. Die marxo-feministische Zuordnung von Gebrauchswert und Weiblichkeit folgt eher einer unausgeleuchteten Scheinplausibilität und einem marxistischen common sense, in dem der Gebrauchswert als die "gute", sinnliche Seite der Ware figuriert.). Der abstrakte Tauschwert und die davon bestimmten Sphären wären dann zwar sozialhistorisch männlich besetzt, aber die Asymmetrie des Geschlechterverhältnisses könnte warenlogisch immanent gehalten und analytisch bruchlos in die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie integriert werden.
Auf eine theoretisch subtile Weise impliziert diese Interpretation doch wieder die Geschlechtsneutralität des warenproduzierenden Systems im Ganzen, denn die geschlechtliche Polarität, wiewohl asymmetrisch besetzt, folgte dann bloß abgeleitet dem Gegensatz von Gebrauchswert und Tauschwert; der Geschlechterkampf spielte sich bloß im Binnenraum der Ware ab. Die Warenform als solche bliebe die gemeinsame äußere Hülle, deren männliche (Marxsche) Kritik unangetastet bliebe von feministischen Zumutungen, die sich dann wie gehabt in einer Ableitungssphäre "anwendend" austummeln dürften. Die männliche Dominanz bliebe erhalten für die "übergeordnete" theoretische Kritik, in der sich so die geschlechtliche Asymmetrie des Realverhältnisses reproduzieren könnte. Als charmante Gegenleistung für diese wohltätige Zuordnung dürfte die Frau zusammen mit dem Gebrauchswert die eigentlich "gute", sinnliche Seite der Ware repräsentieren. Frau und Gebrauchswert erscheinen dann als das Abgespaltene innerhalb der Warenform, das befreit werden muß - natürlich mit den Männern als eigentlichen Helden, die auch selbstverständlich für die dazugehörige kritische Theorie im Wesentlichen zuständig sind.
Eine solche paradoxe, die Intention ins Gegenteil verkehrende männliche Instrumentalisierung des Abspaltungstheorems fußt allerdings auf einem Verständnis der Gebrauchswert-Kategorie, wie wir es bisher ziemlich unreflektiert aus dem älteren kritischen Marxismus übernommen haben. Die "Gebrauchswert-Orientierung" wurde zum Synonym für die Kritik und mögliche praktische Überwindung der Warengesellschaft. Freilich hätte es schon länger zu denken geben können, daß diese Intention auch von Theorien behauptet wird, die nicht einmal im Traum zu einer Kritik der Warenform als solcher gelangen. So spricht Habermas notorisch von "demokratischen Gebrauchswertorientierungen" (Jürgen Habermas, Die Moderne - ein unvollendetes Projekt, Philosophisch-politische Aufsätze 1977 - 1990, Leipzig 1990, S. 119.), die durchaus vereinbar sein sollen mit den Basisformen des warenproduzierenden Systems. Diese Interpretation ist keine Spezialität eines sozialdemokratischen Reformismus oder (inzwischen) grüner Realpolitik, sondern findet sich ebenso noch im Sprachgebrauch selbst radikaler Marxismen; und bisher eben auch in den Ausformulierungen der "Krisis"-Position, obwohl diese sich ansonsten längst vom arbeiterbewegten Verständnis der Marxschen Theorie entkoppelt hat.
Zu Hilfe kommen kann uns hier vielleicht unerwartet die Kritik aus einem der letzten verbliebenen Zirkel Frankfurter Marx-Exegese, der nicht dem Druck der grünen Realpolitik erlegen ist. In einem Beitrag mit dem bezeichnenden Titel "Gebrauchswertfetischismus" hat sich Kornelia Hafner (Frankfurt) kritisch auf die Theoreme radikaler Gebrauchswert-Metaphysik in der Neuen Linken (Krahl, Reinicke, Pohrt, Breuer) eingeschossen (Der Aufsatz liegt mir nur als unveröffentlichtes Vortragsmanuskript für die ISF Freiburg vom Juli 1989 vor; alle Zitate im folgenden nach diesem Text, der im Sommer 1992 laut Auskunft der Autorin in einer Publikation des Freiburger Ca ira-Verlags erscheinen soll.), die sich daran machten, "den Gebrauchswert als Schlüsselkategorie einer Kapitalismuskritik und Revolutionstheorie zu entdecken", und zwar mit der Intention, "daß das Sinnlich-Konkrete gegen das Abstrakt-Allgemeine revoltiert" (Hafner, a.a.O., S. 4 f.). Kornelia Hafner macht demgegenüber geltend, daß "das Verhältnis von Tauschwert und Gebrauchswert kein Subsumtionsverhältnis ist, sondern eines von gegenseitigen Voraussetzungen und Ausschließungen" (Hafner, a.a.O., S. 12.). Bei Marx sei wichtig, "daß die Gebrauchswerte als Geschöpfe des Kapitals selbst erscheinen" (Hafner, a.a.O., S. 16.), der Gebrauchswert wird zum "allgemeinen Nutzen" erst durch die Selbstverwertung des Geldes: "Bezeichnenderweise ist auch die Vorstellung vom reinen Nutzen, wie sie sich in den utilitaristischen Lehren präsentiert, erst dann entwickelt, wenn sich die Warenproduktion gesellschaftlich einigermaßen durchgesetzt hat" (Hafner, a.a.O., S. 7 f.).
Insofern kann laut Kornelia Hafner von einer revoltistischen oder gar sprengenden Potenz des Gebrauchswerts gegen das Kapital kaum in einem emphatischen Sinne die Rede sein. Da "der Begriff Wert in dem des Gebrauchswerts enthalten ist, ergibt sich die schillernde Bedeutung des Gebrauchswertbegriffs auch bei Marx selbst" (Hafner, a.a.O., S. 7.). Zwar "ließe sich auf der Ebene des Kapitals durchaus einiges anführen, was die Rede von einer Widerständigkeit im Zusammenhang mit dem Begriff des Gebrauchswerts rechtfertigt, nur eben nicht in jener chiliastischen Eindeutigkeit, sondern in der ambivalenten Bedeutung, die dem Kapitalverhältnis überhaupt zukommt" (Hafner, a.a.O., S. 14.). Kornelia Hafner faßt ihre Kritik am "Gebrauchswertfetischismus" zusammen, indem sie auf den schlechten Dualismus der daraus entspringenden Revolutionstheorie hinweist: "Immer sind es zwei Prinzipien, die sich gegenübertreten: Abstraktes und Konkretes, Allgemeines und Einzelnes, Totes und Lebendiges, Identisches und Nichtidentisches, Tauschwert und Gebrauchswert, Kapital und Arbeit. Das schlecht Chiliastische der dazugehörigen ,Revolutionstheorie` zeigte sich in der schlichten Zusammenfassung der jeweils einen Seite dieser Begriffspaare zum unwahren Ganzen und der anderen zum Prinzip Hoffnung, noch schlichter gesagt, zum Bösen und zum Guten" (Hafner, a.a.O., S. 29.).
Die Argumentation von Kornelia Hafner wäre nun im Sinne einer Konkretisierung der Warenformkritik und besonders hinsichtlich des Abspaltungstheorems von Roswitha Scholz weiterzuführen (ob dabei noch der Intention Hafners folgend, muß dahingestellt bleiben). In der Tat kommt diese Argumentation in gewisser Weise einer Grundaussage der "Krisis"-Position nahe, wie sie bisher vor allem in bezug auf den Subjekt- und "Arbeits"-Begriff entwickelt wurde. Diese Überlegung geht in grundsätzlicher Kritik des Marxismus davon aus, daß eine Aufhebung der warenproduzierenden Gesellschaft nicht dadurch möglich ist, daß eine "an sich" schon vorhandene "gute" Subjektform sozusagen wachgeküßt und gegen das "Schlechte" der kapitalistischen Reproduktion mobilisiert wird. Die Vorstellung vom "an sich" schon vorhandenen ontologisch "Guten" ist vielmehr Bestandteil der bürgerlichen Aufklärungsillusion. Es gibt innerhalb der warenförmigen Vergesellschaftung kein "eigentlich" ganz anderes Subjekt. Vielmehr handelt es sich auf der entscheidenden Ebene der gesellschaftlichen Formbestimmung um ein subjektloses System, um einen fetischistischen Konstitutionszusammenhang. Die revolutionstheoretische Aufgabe besteht daher nicht darin, auf "Subjektsuche" zu gehen. Vielmehr wird es nötig, an den lebensgefährlich gewordenen Bruchstellen kapitalistischer, warenförmiger Vergesellschaftung auf derjenigen Ebene Subjektivität zu entwickeln und bewußt zu konstituieren, auf der bisher noch nie ein Subjekt existiert hat, sondern immer nur eine subjektlose fetischistische Form (Freilich stellt sich damit vielleicht auch die Frage nach dem Subjektbegriff überhaupt. Es könnte sein, daß das Verständnis von Subjektivität, wie wir es kennen, als solches an die Warenlogik gebunden ist und deren Aufhebung eine andere Selbstbewußtseins- und Handlungsbestimmung erfordert, die nicht mehr einem äußerlichen, verdinglichenden Objektbezug folgt.).
Mit dieser Argumentation kann die marxistische "Arbeits"- und Klassenkampf-Metaphysik revolutionstheoretisch überwunden werden. Die Berufung auf eine an sich "gute" Ontologie der "Arbeit" und alle daraus entspringenden Elemente der Marxschen Theorie, die den marxistischen Arbeiter- bzw. Klassenstandpunkt und eine Theorie des Klassenkampfs generierten, ist zu dechiffrieren als Bestandteil der Emanzipationsgeschichte des bürgerlichen Subjekts innerhalb der warenförmigen Hülle fetisch-konstituierter Gesellschaftlichkeit. Was aber für die "Arbeits"-Metaphysik gilt, trifft dann auch für alle anderen Momente der Warengesellschaft und ihrer Kritik zu. Es gibt auch kein anderes "An sich" von warengesellschaftlicher Subjektform, das bloß wachzuküssen wäre. Die endlosen Dualismen der immer schon an sich schizophrenen bürgerlichen Subjektivität enthalten auf keiner Ebene einen "guten" und einen "bösen" Pol.
Insofern macht es keine Mühe, diese Argumentation auch auf die Kategorie des Gebrauchswerts auszudehnen. Der Gebrauchswert ist ebensowenig wie die "Arbeit" ein ontologischer Hebel, um die reale Abstraktionslogik der Warenform aufzuheben. Wenn der Gebrauchswert im herkömmlichen Verständnis das Sinnliche, die "Genußseite" der Ware, das konkrete Bedürfnis usw. darstellt, dann liegt hier eine Verwechslung der Ebenen vor. Verwechselt werden kategorial Zirkulation und Konsumtion. Gebrauchs-Wert ist die Ware nur dort, wo sie gerade nicht real "gebraucht" (konsumiert) wird, nämlich im Zirkulationsprozeß, in ihrem Dasein als Markt-Gegenstand. Der "Gebrauch" befindet sich hier prinzipiell im Zustand der bloßen Potentialität, und zwar einer abstrakten Potentialität. Denn es geht für die Ware als Markt-Gegenstand um ihre Gebrauchs-Potenz schlechthin, unabhängig von jedem realen Gebrauch. Als Gebrauchs-Wert befindet sich das Produkt somit im Status der abstrakten Nützlichkeit außerhalb der tatsächlichen Konsumtionssphäre. Insofern bleibt der Gebrauchswert selber eine abstrakt-ökonomische Fetischkategorie.
Der Gebrauchswert stellt in der Beziehung auf den Tauschwert den abstrakten Stoff dar, der Tauschwert umgekehrt die abstrakte Form. Der logisch-strukturelle "Trick" besteht dabei darin, daß die abstrakte Form der einen Ware gerade durch den abstrakten Stoff der anderen Ware "ausgedrückt" wird. Im Verhältnis von Äquivalenzform und relativer Wertform drückt der abstraktifizierte Gebrauchswertkörper der einen den Tauschwert der anderen Ware aus. Dieser "Trick" ermöglicht das Paradox der Warengesellschaft, das buchstäbliche körperliche Erscheinen der Abstraktion als Realabstraktion ("Es ist", schreibt Marx in der 1. Auflage des "Kapital" von 1867, "als ob neben und ausser Löwen, Tigern, Hasen und allen anderen wirklichen Thieren, die gruppirt die verschiednen Geschlechter, Arten, Unterarten, Familien u.s.w. des Thierreichs bilden, auch noch das Thier (Hervorheb. Marx) existirte, die individuelle Incarnation des ganzen Thierreichs" (Karl Marx, Das Kapital Bd. 1, Hamburg 1867, Reprint Hildesheim 1984, S. 27).); das Paradox einer inhaltslosen leeren Form, weil der abstraktifizierte Inhalt selber zum Ausdruck der Form wird. In der ausgesonderten allgemeinen Ware des Geldes ist dieser Vorgang vollendet: der stoffliche Körper der Geldware hat den Gebrauchswert, den allgemeinen Tauschwert darzustellen; sein Stoff ist kein sinnlicher Stoff mehr, sein Inhalt ist die abstrakte Form selber geworden. Dieser Zusammenhang ist von vornherein angelegt in der abstrakten Nützlichkeitspotenz der Ware als "Wert", d.h. als Gebrauchswert, die nicht aus dem sinnlichen Gehalt, sondern einzig aus der warenlogischen Bestimmung des Produkts resultiert.
Mit dieser Argumentation lassen sich einige Unklarheiten der herkömmlichen Gebrauchswertdebatte aufheben. Die oft bemühte "Gebrauchswertorientierung" der Sowjetökonomie als angeblich nichtkapitalistisches Strukturmerkmal kann als innerkapitalistisches Entwicklungsmoment einer nachholenden bürgerlichen Modernisierungsgesellschaft entziffert werden. Diese Gebrauchswertorientierung, dargestellt in der berüchtigten "Tonnen-Ideologie", konnte kein Hinausgehen über die Abstraktionslogik der Warenform sein, weil sie eben bloß auf die abstrakte Nützlichkeit, auf den abstrakten Stoff jenseits sinnlicher Bedürfnisse und sinnlichen Genusses bezogen war. Die verdoppelte Hochrechnung des nationalökonomischen "Wachstums" in Gebrauchswert- und Tauschwertkategorien reflektierte nur die strategische Funktion der Staatsbürokratie, im Prozeß der nachholenden warenförmigen Industrialisierung gesamtgesellschaftliche Prioritäten (Schwerindustrie, Infrastruktur) auch gegen die partikulare Interessenbewegung der einzelnen betriebswirtschaftlichen Einheiten durchzusetzen. Mit einer "Befreiung der Bedürfnisse" vom Zwang der warenförmigen Abstraktion konnte sie gar nichts zu tun haben.
Auch einige andere typische Mißverständnisse, wie sie durch den positiven Bezug auf eine Gebrauchswertorientierung zwangsläufig entstehen, könnten durch eine systematische Kritik des Gebrauchswertbegriffs aufgehoben werden. So wird immer wieder und nicht zu Unrecht gesagt, daß doch gerade die kapitalistische, betriebswirtschaftliche Logik eine strenge Qualitätskontrolle der Gebrauchswerte verlange. Macht es nicht eben den Markterfolg aus, wenn ein Unternehmen die stoffliche Qualität seiner Produkte optimiert und sich dadurch in der Konkurrenz behauptet? Offensichtlich ist hier aber nicht das gemeint, was auf sinnlichen Genuß und gesellschaftliche Bedürfnisbefriedigung zielt. Denn erstens muß ein Gegenstand nicht nach irgendeiner Seite hin unbedingt qualitativ "optimiert" sein, um genußfähig werden zu können (einseitige stoffliche Optimierungen, z.B. Tomatenzüchtungen nach Verpackungsnorm, die aber leider nahezu geschmacklos sind, vermindern die sinnliche Befriedigung eher). Zweitens können auch destruktive Produktionen in ihrer stofflichen Qualität optimiert werden. Wenn ein typisches Pyramidenprojekt der fetischistischen Selbstzweck-Vergesellschaftung (Rüstung, AKWs, Prestigeobjekte usw.) hunderttausend Tonnen Beton in die Landschaft schüttet, dann nützt es gar nichts, wenn dies erstklassiger und stofflich geprüfter Beton ist. Solche Bezüge könnten noch auf vielen Ebenen hergestellt werden. Immer haben wir es dabei in der Tat mit Gebrauchs-Wertorientierung zu tun, d.h. mit der abstrakten Nützlichkeit gesellschaftlich abstraktifizierter Stoffe. Die qualitative Optimierung dieser Stoffe verläßt den Raum der warenlogischen Abstraktion nicht, weil ihre Nützlichkeit selber wiederum auf einen abstrakten, partikularen Vernutzungsstandpunkt bezogen bleibt. Der abstrakte Stoff ist, um einen Ausdruck von Stephen Toulmin zu gebrauchen, "dekontextualisiert"; er steht, obwohl sinnlicher Gegenstand, in keinem konkret-sinnlichen Bezugssystem hinsichtlich seiner Verwendung. Von einer bestimmten Entwicklungsstufe an muß ein solches System der Gebrauchs-Werte lebensgefährlich im planetarischen Maßstab werden, weil es das Paradox fertigbringt, einen globalen Vernetzungszusammenhang sinnlich-stofflicher Kräfte und Bewegungen der menschlichen Reproduktion herzustellen, der gleichzeitig von allen sinnlich-stofflichen Bezügen abstraktifiziert und dekontextualisiert ist.

6. Die Mystik der Konsumtionssphäre

Der Gebrauchswert als abstrakte Nützlichkeit kann so keinen Gegenpol zur Abstraktionslogik des Tauschwerts bilden, sondern er ist selber Moment dieser Realabstraktion und insofern auch integraler Bestandteil des männlichen Universums abstrakter, entsinnlichter Gesellschaftlichkeit. Wenn wir die Beziehung zwischen der Warenform und dem von ihr "Abgespaltenen" finden wollen, dann müssen wir uns derjenigen Sphäre zuwenden, die tatsächlich (im Unterschied zur abstrakten Gebrauchswertgestalt der Zirkulation) aus dem warenlogischen Formzusammenhang der Realabstraktionen herausfällt: nämlich der Konsumtion. Erst in der Konsumtion werden die Produkte in den sinnlichen Genuß oder realen Gebrauch entlassen, nachdem sie durch die abstraktifizierende Formungsmaschine der Warenlogik gesellschaftlich gehämmert und geschmiedet worden sind. Allerdings ist hier eine entscheidende Differenzierung vorzunehmen, um neue Mißverständnisse auszuschließen. "Freigelassen" in den sinnlichen Genuß werden nämlich in der Tat nur diejenigen Produkte, die wirklich für die individuelle Konsumtion (d.h. für den unmittelbaren menschlichen Verbrauch) bestimmt sind. Nur in diesem Sinn kann von der Konsumtion als abgespaltener oder herausfallender Sphäre gesprochen werden. Alle Produkte dagegen, deren Konsumtion direkt wieder Bestandteil eines betriebswirtschaftlichen Vernutzungsprozesses wird (Investitionsgüter wie Maschinen, Werkzeuge usw.), verlassen den abstrakten Formzwang der Warenlogik und damit das "männliche" Universum niemals. In dieser "produktiven Konsumtion" gibt es keine Abspaltung und kein Herausfallen. Auf der heutigen Entwicklungshöhe des totalen Warensystems, das seine absurde Selbstzweckhaftigkeit in aller Nacktheit enthüllt, dürften diese Produkte, deren "produktiver" Konsum den Abstraktionsraum der Warenform nicht mehr verläßt, bereits die große Mehrzahl ausmachen. Erst die individuelle, tatsächlich menschlicher Bedürftigkeit zugeführte Konsumtion erscheint als abgespaltener Raum, in dem der warenlogische Formzwang sich löst.
Diese individuelle, aus der abstrakten Warenförmigkeit herausfallende Konsumtion scheint also die Sphäre zu sein, die zunächst dem abgespaltenen weiblichen Lebenszusammenhang am ehesten entspricht. Von hier aus wäre die Beziehung zwischen Abspaltendem und Abgespaltenem elementar zu klären. Die Logik der Ware in ihrer historischen Entfesselung ist ein Prozeß, in dem eine Form sich paradox selbst zum Inhalt wird; oder anders gesagt: ein Prozeß, in dem eine Abstraktion sich selbst zum sinnlichen Gegenstand wird. Diese gesellschaftliche Paradoxie konstituiert einen Raum der Realabstraktion, der sich als Totalität setzen muß, als Absolutum, das sich seiner selbst als Universum zu versichern hat. Irgendwo aber muß diese scheinbar selbstgenügsame, totalisierte Formbewegung sozusagen einen Ausgang oder eine Schleuse zur Wiederversinnlichung des paradox abstraktifizierten Stoffs offen lassen, weil die selbstgesetzte Logik "logisch unmöglich" ist. Der Übergang zur individuellen Konsumtion ist diese Schleuse. Diese Konsumtion ist die sozusagen widerwillig akzeptierte Notwendigkeit, der realen Nicht-Universalität der abstrakt-universellen Form ein Zugeständnis machen zu müssen. Das abstraktifizierte, warenförmig geschmiedete Produkt "fällt" aus seiner gesellschaftlichen Form heraus in eine andere Welt, die vom Standpunkt der universalistischen Formtotalität aus eigentlich gar nicht existieren dürfte.
Dementsprechend scheel wird diese andere, verräterische Sphäre durch das abstraktifizierende Auge der warenförmig- männlichen Identität betrachtet; wie in einer Mischung aus Wut, Abscheu, Furcht oder sogar Ehrfurcht und schlechtem Gewissen. Aus dem Abstraktionsgefängnis der totalisierten Warenform wird die banale Sphäre der Konsumtion wahrgenommen wie durch eine Luke, die einen schmalen Blick freigibt auf etwas schlechthin Anderes, geradezu Mystisches, aber auch Befremdliches und Abzuwehrendes. Dieses mystische Andere ist der sinnliche Stoff als er selbst, unabhängig von der abstrakten Form, aber eben deshalb als bedrohlich (oder widerwärtig) formlos, amorph, flüssig, quallig erscheinend. An dieser gefährlichen Stelle stoppt auch die (insofern dem männlichen Wissenschaftsverständnis verhaftete) Marxsche Analyse (genauso wie diejenige von Freud) und murmelt nur noch etwas darüber, daß hier der "Gebrauchswert" aus der Politischen Ökonomie herausfalle. Denn an dieser Stelle befindet sich die Schwelle zum "verbotenen Zimmer", zur terra incognita des abgespaltenen weiblichen Lebenszusammenhangs, der gerade in seiner Banalität des Sinnlichen fremdartig erscheint.
Aus dieser Analyse erhellt schon, daß die Konstitution dieser Abspaltung nicht historisch von der Entfesselung der Warenproduktion getrennt werden kann. "Voraussetzung" für die Warenform ist das Abspalten des weiblichen Lebenszusammenhangs nicht etwa im Sinne einer zeitlichen Vorgängigkeit, sondern im Sinne einer "Bedingung der Möglichkeit". Die Männer haben nicht zuerst in einer eigenen (prä)historischen Epoche den weiblichen Lebenszusammenhang abgespalten und dann irgendwann mit der Warenproduktion und ihrer Abstraktionslogik angefangen. Die Voraussetzung entsteht vielmehr zusammen mit dem, was diese Voraussetzung braucht. Abspaltendes und Abgespaltenes stehen im Verhältnis einer wechselseitigen Kausalität, bedingen sich gegenseitig. Dabei sind die historisch-empirischen Verhältnisse und Prozesse, aus denen heraus sich dieses Paradoxon der warenförmigen Zivilisation in seiner geschlechtlichen Besetzung entwickelt hat, gewiß nicht ohne Bedeutung (und Ethnologie, Archäologie, Philologie usw. haben dazu sicherlich auch bereits eine auszuwertende Faktenmasse angehäuft). Für das Verständnis des strukturell-logischen Verhältnisses und damit für die Formulierung des Abspaltungstheorems als solchem kann die Rekonstruktion der historisch-empirischen Genesis aber nicht entscheidend sein.
In dem Maße, wie Abspaltung und Abspaltendes auseinander hervorgehen, festigt sich auch dieses Verhältnis als Struktur, die als Metastruktur der warenförmigen Binnenstrukturen angesehen werden kann. Die abgespaltene Sphäre ist das "Andere" der Warenform als eine für sich seiende Sinnlichkeit, aber sie ist dies eben als abgespaltener und darum gerade wieder nicht für sich seiender Zusammenhang. Das Paradoxon der Warenstruktur selbst reproduziert sich als Paradoxon der Metastruktur. Es kann mit der (männlichen, warenförmigen) Logik der Wissenschaft und ihren Kategorien nicht mehr erfaßt werden, weil diese der warenförmigen Binnenlogik entsprechen und alles daraus Hinausfallende als Nicht-Logik definieren müssen, für die es keine Begriffe und Kategorien mehr gibt, außer eben den Begriff des Nicht-Begrifflichen. Die Logik der Abspaltung ist also die Einheit von Logik und "Unlogischem", von Form und (scheinbarer) Formlosigkeit. Es ist eine Meta-Logik, deren kritische Durchdringung über das bisherige (selber der Abspaltung folgende und insofern sich selbst nicht wissende) Wissenschaftsverständnis hinausführen könnte.
Die negative Einheit von Warenform und abgespaltenem weiblichen Lebenszusammenhang macht aber auch deutlich, daß es auf dieser Ebene der Metastruktur ebensowenig einen ontologisch "guten" Gegenpol gibt wie auf der Ebene der warenförmigen Binnenstruktur selbst. Der abgespaltene weibliche Lebenszusammenhang ist genauso (und gerade in seiner Abgespaltenheit) entfremdetes Moment der warenproduzierenden Deformations- und Destruktionsgeschichte wie "Arbeit" und "Gebrauchswert" im Binnenraum der Ware; er ist im Unterschied dazu bloß ein aus der Form selber hinaussekretiertes Moment, das trotzdem nichts bloß Äußerliches wird, sondern an der "Innenseite" der sozialen Beziehungen von Warensubjekten haftet. Gegenüber der männlich besetzten, realabstraktiven Form repräsentiert das abgespaltene Weibliche nicht die andere, befreite, konkret-gesellschaftliche Form, sondern vielmehr das "Andere" der Form selber und überhaupt, d.h. die Formlosigkeit. Die realabstraktive, totalisierende Warenform duldet keine andere Form neben sich; sie rächt sich an dem, was sie nicht vollends aufsaugen und integrieren kann, indem sie es zur Formlosigkeit degradiert. Gerade diese Formlosigkeit ist es, die den abgespaltenen weiblichen Lebenszusammenhang tatsächlich unheimlich macht, ihn als etwas Fremdes (auch für seine Trägerinnen Entfremdetes), als etwas in seiner fürchterlichen Banalität sowohl Bedrohliches als auch Aufreizendes darstellt. Nicht das Abgespaltene als solches ist also zu mobilisieren (diese wäre die Logik der "Differenz"), noch die Abspaltung bloß zu beseitigen als Vermännlichung und Abstraktifizierung der Frau zu einem ebensolchen Warenwesen (dies wäre die Logik der "Gleichheit"). Sondern die Abspaltung muß aufgehoben werden zusammen mit der männlich besetzten Warenform selbst, die diese Abspaltung "ist" als ihr eigenes "Anderes" im degradierten geschlechtlichen Gegenpol.
Die aus dem Formzusammenhang der Ware herausfallende Konsumtion (und nur mit dieser haben wir es bis jetzt zu tun als Schleuseneingang in das abgespaltene Reich des Weiblichen) ist eben keine eigenständige, gesellschaftlich konstitutionsfähige Sphäre, sondern das abgespaltene Moment der gesellschaftlichen Reproduktion, das von der offiziellen warenförmigen Konstitution nicht erfaßt werden kann. Sie bleibt unselbständig und inferior gesetzt, gerade weil sie eine abgespaltene Sphäre ist, und als solche ist sie auch selber wiederum auf einer Meta-Ebene abstrakt, d.h. getrennt vom männlich besetzten Reich der gesellschaftlichen Formbewegung. Der abstrakten Form entspricht die abstrakte Formlosigkeit. Der sinnliche Gebrauch und Genuß, degradiert zur abgespaltenen Sphäre, kommt so von der Entsinnlichungskraft der Warenform nicht los, weil der Preis für die Erlösung von diesem Formzwang die bloße gesellschaftliche Formlosigkeit ist. Deshalb widerstrebt das abgespaltene Weibliche auch nicht "an sich" der dominierenden Realabstraktion, sondern gestaltet und schmückt bloß jenen gesellschaftlichen Raum des persönlichen Verzehrs, in dem die Produkte vom "männlichen" Standpunkt der kapitalistischen Formbewegung aus gesehen nur noch als sinnliche Exkremente des "eigentlichen" Verwertungsprozesses erscheinen. Die Frau als Frau widerstreitet nicht dem Männlichkeitswahn, sondern sie verfällt dem Wahn der gesellschaftlich formlosen Weiblichkeit. Sie greift nicht qua zugeschriebener Weiblichkeit den zerstörerischen, objektivierten Wahnwitz z.B. des automobilen Individualverkehrs an, sondern häkelt bloß eine wollene Hülle für die Klopapierrolle auf der Ablage.

7. Was ist Sinnlichkeit?

Natürlich geht der abgespaltene weibliche Lebenszusammenhang nicht im Begriff der Konsumtion auf. Die Konsumtion ist eher die "Scharnierstelle" (R. Scholz), die den Übergang markiert. Das Reich der abgespaltenen Weiblichkeit ist insgesamt viel größer; es umfaßt über die Konsumtion im engeren Sinne hinaus auch "Sphären" wie menschliche Zuwendung, Betreuung und Pflege, Erotik und Sexualität, "Liebe". Es geht also nicht allein um die Zubereitung von aus ihrer Warenform herausfallenden Produkten für den tatsächlichen menschlichen Genuß, sondern um einen auratischen Raum von Sinnlichkeit schlechthin. Diese erweiterte Problemstellung wirft natürlich die Frage nach Begriff und Charakter der Sinnlichkeit auf. Nach allem bisher Gesagten müßte klar sein, daß dieser Begriff des Sinnlichen erstens nicht ohne Bezug auf die Warenlogik zu gewinnen ist und zweitens eben deshalb als kritischer Begriff nicht abstrakt-universalistisch formuliert werden kann, sondern nur in seiner doppelten und gegensätzlichen geschlechtlichen Besetzung (Damit ist wieder auf das Problem der logischen Kategorien überhaupt verwiesen, das hier nicht weiter behandelt werden kann. Jedenfalls zeigt sich schon in diesen vorläufigen Andeutungen, daß mit dem Begriff der Abspaltung in diesem erweiterten (über eine bloß psychologische oder psychoanalytische Bedeutung hinausgehenden) Sinne auch eine neue Dimension in der Kritik des definitorischen Denkens, des logischen Kategoriensystems und des Wissenschaftsbegriffs gewonnen werden könnte. Alle bisherigen logischen Kategorien (auch diejenigen der Dialektik) haben die geschlechtliche Besetzung der Begriffe ausgeblendet und damit der definitorischen Verkürzung auch dort noch Vorschub geleistet, wo sie diese in ihrer positivistischen Vulgärgestalt kritisierten.).
Bezeichnenderweise interessierte sich die männliche, abstrakt-universalistische Philosophie für das Sinnliche in seinem konkreten, qualitativen Dasein entweder überhaupt nicht und ließ es (wie Marx den "Gebrauchswert" aus der Politischen Ökonomie) aus der systemischen Logik auf ihren verschiedenen Ebenen herausfallen, oder das Sinnliche wurde als dieses unvermittelte Abstraktum kategorial dem männlich-warenförmigen Denken anverwandelt und insoweit unschädlich gemacht. Mit zunehmendem Fortschreiten der warenförmigen Totalisierung, ihrer Leiden und Defizite, schlug dieser abstrakte Begriff des Sinnlichen (oft synonym zu "Leben") allerdings in die (schon seit der Romantik zu beobachtende) Mobilisierung eines abstrakten Irrationalismus um (Lebensphilosophie, Kulturpessimismus usw.). Wesentlich dabei ist, daß das Sinnliche getrennt von der gesellschaftlichen Form (auch in dieser Hinsicht abstrakt) betrachtet wird und insofern begrifflich unproblematisch bleibt, gerade dadurch aber sozusagen durch die Hintertür wieder problematisch hereinkommt, und in dann allerdings bizarren und merkwürdigen Gestalten.
Die Schwierigkeit besteht offenbar darin, daß eigentlich ein doppelter Begriff von "Sinnlichkeit" transportiert wird, schön aufgeteilt zwischen "Ethik" und "Erkenntnistheorie" (und offenbar diesen philosophischen Dualismus überhaupt erst konstituierend). Vorneherum erscheint das Sinnliche erkenntnistheoretisch neutral und nicht mit Wertungen aufgeladen als schlichte sinnliche Gegenständlichkeit, als äußere Dinglichkeit der "Sinnenwelt"; egal ob küßende Lippe, ob Blatt, Baum, Stuhl - oder "Frau". Weswegen es auch ein alter Witz ist, daß auf der Ebene des Kantschen "Dinges an sich" nicht zwischen einer Frau und einem Stuhl unterschieden werden kann. Diese Verdinglichungsleistung eines rohen Humors kann im Wahn schnell traurige "Realität" werden, etwa bei jenem "Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" (Oliver Sacks). Die ausgeblendete Dimension dabei ist der gesellschaftliche und historische Raster dessen, was die Sinne (verstanden als bloß instrumenteller Erkenntnisapparat) wahrnehmen (Der erwähnte Neurophysiologe Oliver Sacks beschäftigt sich zwar vor allem mit neuronalen Defekten, wie sie z.B. durch Unfälle oder Tumore ausgelöst werden. Er stellt dabei jedoch den herrschenden mechanistischen Realitäts- und Wissenschaftsbegriff in Frage. Die "absurde Abstraktheit der Einstellung", wie sie bei Patienten mit Stirnlappen-Syndromen zu beobachten ist, erscheint ihm als "Warnung und Gleichnis" für die Neurophysiologie selbst und für die Wissenschaft überhaupt: "Infolge einer komischen und beklagenswerten Analogie" habe "unsere gegenwärtige kognitive Neurologie und Psychologie sehr viel Ähnlichkeit" mit den Patienten. Während das "Urteilsvermögen" eines intakten Gehirns zu einem ganzheitlichen Urteil führt, das "intuitiv, persönlich, umfassend und konkret" ist, kann die "abstrakte Einstellung" nur noch abstraktifizierte Elemente wahrnehmen und Gegenstände als solche (z.B. eine Rose oder einen Handschuh) nicht mehr benennen und persönliche Züge (z.B. Gesichter) nicht mehr erkennen; sie hat überhaupt "Probleme mit allem Lebendigen". Indem die kognitiven Wissenschaften "das Fühlen und Urteilen, das Persönliche also" verbannen und derart die "Wahrnehmung des Konkreten und Realen reduzieren", leiden sie "selbst unter einer Agnosie", die sich von derjenigen neuronal Gestörter "nicht wesentlich unterscheidet" (Oliver Sacks, Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte, Reinbek 1990, S. 37 f.). Es fällt nicht schwer, hier die sozialhistorische und geschlechtliche Grundstruktur des Abspaltungsmechanismus wiederzuerkennen.) und wie sie es tun (Kant kommt erstmals auf dieses Rasterproblem zu sprechen, macht es jedoch sofort zum ahistorischen Problem der menschlichen Denkformen schlechthin, deren warenförmige Konstitution somit außer Betracht bleiben muß.). Der "sinnlich-übersinnliche" und "gespenstische" Charakter (Marx) der warenförmig konstituierten (und auch bewußtlos so wahrgenommenen) Dingwelt als Präformation des sinnlichen Apparats entfällt bei diesem allzu schlichten Begriff des Sinnlichen vollständig, damit aber auch die geschlechtlich gegensätzliche Besetzung dieser gesellschaftlichen Wahrnehmungs-, Erfahrungs- und Handlungsstruktur. Die abstrakt-universalistische, blank erkenntnistheoretische (in Wahrheit männlich-warenförmige) Bestimmung des Sinnlichen geht völlig daran vorbei, daß der physiologisch identische sinnliche Erkenntnisapparat Männer und Frauen in einer warenfetischistisch verzauberten Welt das Sinnliche trotzdem völlig unterschiedlich wahrnehmen und erleben läßt.
Hintenherum erscheint das Sinnliche im Kontext des gesellschaftlich-geschlechtlichen Abspaltungsmechanismus dann aber gerade deswegen plötzlich ganz und gar aufgeladen mit "Wertung". "Was soll an einer Hausfrau mit Lockenwicklern denn sinnlich sein?" (Diese exemplarische Frage wurde (gemeint als Kritik des mündlich vorgetragenen Abspaltungstheorems) auf dem von der "Krisis"-Redaktion veranstalteten Seminar zum Geschlechterverhältnis tatsächlich spontan so gestellt.) Das wert- und geschlechtsneutrale, rein erkenntnistheoretische Verständnis des Sinnlichen dementiert und blamiert sich sofort dadurch, daß das Weibliche sinnlich "bewertet" wird, und zwar nicht als wahrnehmendes Erkenntnissubjekt, sondern als Gegenstand desselben. "Wertigkeit" und Gegenständlichkeit (Verdinglichung) des Sinnlichen in der besonderen Gestalt eines weiblichen, abgespaltenen Bereichs (als andere Seite der warenförmigen Verdinglichung) gehen also offenbar konform. Als scheinbar neutrale Sinnenwelt schlechthin fängt sich das Sinnliche im Abstraktionsnetz der männlich-warenförmigen "Erkenntnis"; als weiblicher Gegenstand aber hat das Sinnliche etwas positiv Bewertetes zu sein, eine Art Leistung oder besondere Qualität, die auch verfehlt werden kann.
Im Grunde genommen haben wir es hier wieder mit der Differenz von Gebrauchswert und realem Genuß zu tun. Das Sinnliche überhaupt als neutrale Körperlichkeit oder sinnlich beliebig Wahrnehmbares gehört dem männlichen Universum an; es entspricht ihm der abstraktifizierte Stoff des Gebrauchswerts, unterschiedslos in seiner abstrakten Nützlichkeit und damit abstrakten Sinnlichkeit. Das Sinnliche dagegen als angestrebtes "Behagen", das die Frau u.a. mit den vom Verwertungsprozeß ausgeschiedenen Produkten veranstalten soll, muß über den weiblichen Lebenszusammenhang erzeugt werden; es entspricht ihm der reale Gebrauch oder (zumindest der hoffnungsvollen Intention nach) der reale Genuß. In diesem abgespaltenen Raum werden die qualitativen Unterschiede sicht- und fühlbar; dort gibt es "gute", weniger gute und "schlechte" Sinnlichkeit. Und im Vertrauen gesagt: der "Herr" der Abspaltung, d.h. der zwangsheterosexuelle und abstrakter Entäußerung verpflichtete Mann, bekommt immer genau das, was er verdient - nämlich eben jene Xanthippe mit Lockenwicklern.
Die Frau, soweit sie "abgespaltenes Wesen" ist, wird zuständig für die Bereitung des Konsums. Bekanntlich fallen beim Ausgang der Ware aus ihrem Formzusammenhang an der Stelle, wo sie wieder sinnliches Produkt wird, eine ganze Reihe von Umformungstätigkeiten an, die kaum weniger schweißtreibend sind als die abstrakte Arbeit, die sie hergestellt hat. Als verpackte, normierte, getrocknete, eingefrorene oder jedenfalls einfach tote und rohe Dinge sind die Produkte nicht genießbar. Es ist aber natürlich nicht nur die Tätigkeit der Zubereitung, die der Frau aufgeladen wird. Sie soll dies auch noch mit "Liebe" tun, d.h. um die bloße Zubereitung herum eine Aura der Zuwendung und Erotik schaffen, ergänzt durch Mutterschaft und Kinderbetreuung. Letzten Endes soll sie selber sich in ihrer Körperlichkeit als Produkt des sinnlichen Genusses für den Mann "herrichten". Sie bereitet die Produkte und ist selber Produkt, das sich zubereitet. In diesem abgespaltenen weiblichen Lebenszusammenhang soll der von seinen warenförmigen Abstraktionsleistungen ermattete Mann sein Haupt betten können; es handelt sich also letztlich um einen weiblichen Lebenszusammenhang für den Mann.
In dieser (idealtypischen, strukturell-logischen) Konstellation ist von vornherein ein tiefes Dilemma angelegt. Die auf dem Boden des Warensystems unaufhebbare crux ist zunächst die männliche Sinnlichkeit. Rein physiologisch ist natürlich der Mann genauso ein Sinnenwesen wie die Frau. Als ideal- und prototypischer abstrakter Arbeiter und sozialhistorischer Träger der Realabstraktion muß der Mann jedoch an sich selber dieselbe Abstraktionsleistung vollziehen, die er der Welt auferlegt. Sein Körper wird zur gepanzerten Körpermaschine, die zu funktionieren hat, die getrimmt und mit Ersatzteilen ausgerüstet wird. Ein Mann muß (darf) nicht schön sein. Seine Sexualität reduziert sich auf den berühmten einen Punkt, auf kurze Stöße oder rasche Handbewegungen, auf schnelle und aggressive Penetration (Syndrom des Karnickelbocks). Es handelt sich um ein Geschäft, das verrichtet werden muß (Die Identität der Ausdrücke für monetäre Handlungen und Verrichten der Notdurft kann getrost auf die männliche Sexualität ausgedehnt werden (alles idealtypisch, bitteschön).). Seine Kleidung (vor allem die arbeits- und gesellschaftsoffizielle) ist steif, langweilig, grau oder schwarz oder jedenfalls einfarbig; und immer mit einem Strick um den Hals, umso unabdingbarer, je wichtiger und bedeutsamer der Mann ist. Sein vitales und vitalisierendes Erlebnis ist nicht der sinnliche Genuß, sondern der abstrakte Erfolg. Genuß in der Sinnen- und Erfolg in der Warenwelt schließen einander aus. Die Gefühllosigkeit der Realabstraktion wird zur sprichwörtlichen Gefühllosigkeit des männlichen Erfolgswesens, zur inneren Wüste. Völlig zu Recht kann der Mann sich in seiner warenförmigen Männlichkeit selber nicht leiden. Und dementsprechend unleidlich wird er.
Die männliche Sinnlichkeit ist also bis zur Schwundstufe reduziert, und zwar umso stärker, je mehr sich die Warenform durch vormoderne Reproduktions- und Subjektformen hindurchfrißt. Indem Männer "lieben lassen" (Wilfried Wieck), lassen sie auch "sinnlich sein", weil sie sich selber entsinnlichen müssen. Die Art und Weise, wie der Mann über den vom Abspaltungsmechanismus hervorgebrachten weiblichen Lebenszusammenhang herrscht, erinnert fatal an die Art und Weise, wie das Kapital über die Stofflichkeit der Welt herrscht: beide kommen selber nicht mehr an den wirklichen Inhalt heran. Von Henry Ford gibt es die Anekdote, daß er, in einer Gerichtsverhandlung auf seine persönliche Inkompetenz hinsichtlich eines sachlichen Problems hingewiesen, zur Antwort gab: Ich bin in dieser Frage genauso wie in jeder anderen Frage absoluter Experte, weil ich mir noch zur Stunde die besten Fachleute der Welt kaufen kann. Diese veräußerlichte, verdinglichte, der eigenen Geistigkeit und Körperlichkeit jenseitige "Kompetenz" dem Inhalt gegenüber braucht nur noch um wenige Grade gesteigert zu werden, um ihre völlige Absurdität und Perversität zu enthüllen. Denn Ford könnte ja auch sagen: Ich bin potthäßlich und impotent, aber ich kann den schönsten Adonis für mich vögeln lassen; mir ist der Magen herausoperiert, aber ich kann den raffiniertesten Gourmet für mich fressen lassen usw. Dieselbe abstoßende und pervertierte Beziehung ist es, die der Mann als entsinnlichtes Arbeits- und Erfolgswesen zu jenem Genuß hat, den er in seiner Herrschaft über die "für ihn" bereitete Sinnlichkeit der Frau sich ewig zuführen möchte, aber nicht mehr erreichen kann. Der Mann ist sozusagen der Sisyphos der Sinnlichkeit, aber den Stein läßt er von der Frau rollen.
Die abgespaltene Sinnlichkeit der Frau steht in einem reziproken Verhältnis zu derjenigen des abspaltenden Mannes. In gewisser Weise könnte man für diese strukturelle Beziehung des Abspaltungsmechanismus sogar das biblische Bild nehmen, in dem Eva aus der Rippe des Adam entsteht. Anders interpretiert, zeigt dieses Bild nicht die Überlegenheit, Priorität und "Eigentlichkeit" des Mannes, sondern den objektivierten Verlust des "ganzen Menschen". Adam verliert seine "Rippe" (i.e. seine Sinnlichkeit, Empfindungsfähigkeit), Eva wird zum bloßen Gefäß des Abgespaltenen gemacht. Es ist daher nicht etwa so, daß Eva die Sinnlichkeit lebt, die Adam abhanden gekommen ist. Die Sinnlichkeit leben, hieße sie mit Bewußtsein zu leben, nicht sie bloß zu sein. Bewußtsein, Abstraktionsfähigkeit, "Begreifen" jedoch hat der Mann als von der Sinnlichkeit getrennte Sphäre der "Arbeit" und des Erfolges gepachtet. So stehen sich die herrschende Männlichkeit als abstraktes geistiges Bewußtsein der Warenform, das nicht mehr sinnlich werden kann, und die inferior gesetzte Weiblichkeit als abgespaltene Sinnlichkeit, die nicht mehr geistig-bewußt werden kann, hoffnungslos gegenüber. Ein Wesen, das einen großen (und manchmal den größten) Teil seiner "disponiblen Zeit" damit verbringen muß, sich selbst als "Objekt der Begierde" buchstäblich "zuzurichten", kann schon allein aus diesem Grund kein erhebliches intellektuelles Interesse mehr entwickeln. Jede noch so große intellektuelle Potenz muß zuschanden werden, wenn ihre Trägerin sozialisiert ist als wandelnder Kleiderständer und lebensgroße Barbie-Puppe, von den Freuden der Mutterschaft usw. ganz zu schweigen. Der (ansozialisierte) weibliche Drang, sich permanent aufdonnern zu müssen, um zwanghaft als Objekt Aufsehen zu erregen, hat mit ästhetischer Kompetenz gar nichts zu tun. Dieser neurotische Zwang des Weiblichkeitswahns verhält sich bloß komplementär zur tristen Leichengewandung des abstraktifizierenden, erfolgsgeilen Männlichkeitswahns. Schon an diesen Äußerlichkeiten wird die abgespaltene Sinnlichkeit des Weiblichen deutlich als reduzierte, ihrerseits verdinglichende: die Frau ist dadurch und darin sinnlich, daß sie sich selbst zum Gegenstand macht für den Mann.
Da aber der entsinnlichte Mann mit den entgeistigten Sinnlichkeitsleistungen der Frau herzlich wenig anzufangen weiß, ist jener Zoff angesagt, der seit Jahrhunderten die Geschlechts- und Ehewitze beschäftigt. Deren Unverwüstlichkeit zeigt an, wie zählebig die Konstellation ist. Gerade weil der Mann, der dem Leistungszwang warenförmiger Öffentlichkeit verpflichtet ist, ständig zur totalen Genußunfähigkeit tendiert, nimmt er den andauernden Sinnlichkeitsakkord der Frau im Alltag kaum noch wahr. Er schaufelt das Essen abwesend in sich hinein, "sitzt wie ein Betonpfeiler vor dem Fernseher" (so eine Frau bei einer einschlägigen Befragung), redet autistisch von seinen Projekten, kommuniziert kaum persönlich, nimmt die sinnlichen Darbietungen der Frau hin wie die Leistung eines Zigarettenautomaten. Kein Wunder, daß sich dabei allmählich seitens der Frau jene wurstige Reduktion einstellt, die z.B. zur "Hausfrau mit Lockenwicklern" führt. Mehr noch sind es aber die geradezu irrwitzigen Anforderungen, unter deren Last die geforderte "gute" Sinnlichkeit der Frau zusammenbricht und eine "schlechte" wird. Die Leistungen der berühmten eierlegenden Wollmilchsau sind gering zu veranschlagen gegenüber dem, was von der idealtypischen Weiblichkeit in ihrem abgespaltenen Lebenszusammenhang verlangt wird. Gleichzeitig den Haushalt zu führen (und sei es mit den modernen Geräten), Mutter zu werden bzw. Kinder zu betreuen und sich womöglich bis ins Alter als erotisch begehrenswertes Objekt herzurichten, diese Gesamtanforderung setzt übermenschliche Fähigkeiten voraus und ist praktisch niemals durchzuhalten. So muß die Frau zwangsläufig scheitern und jene düstere männliche Frage provozieren, was an ihr denn sinnlich sein solle, nachdem sie von der unmöglichen Anforderung an die abgespaltene Sphäre zur Vogelscheuche gemacht worden ist.

8. Das Elend des kapitalistischen Luxus

In diesem perversen Zusammenhang von Entsinnlichung und verdinglichter Sinnlichkeit steht auch alles, was im warenproduzierenden System als "Luxus" firmiert. Rein äußerlich betrachtet hat natürlich die kapitalistische Produktivkraftentwicklung die Luxusproduktion ungeheuer angeregt und gesteigert. Mitnichten jedoch handelt es sich dabei um einen Gegenpol zur "protestantischen Ethik" (Weber) der abstrakten Arbeit. Werner Sombart suggeriert dies, indem er in einem misogynen Anfall von Ironie das "Luxusbedürfnis des Weibchens" zum Ursprung des modernen Kapitalismus erklärt. Ausgerechnet einige Spitzenkurtisanen im Rom des 16. Jahrhunderts sollen exemplarisch für den take off des Kapitalismus stehen, indem das "genußsüchtige" und auf schwelgerische "Schäferstündchen" erpichte "Weibchen" sich einen neuen Luxusbegriff quasi erschlichen habe. An die Stelle eines öffentlichen und personalen Luxus (Turniere und Aufzüge etc., zahlreiche Dienerschaft) sei ein privater und versachlichter Luxus (Häuslichkeit, Mobiliar, Kunstgegenstände, verfeinerte Genußmittel) getreten. So habe eigentlich die "Naschsucht" der "Weibchen" die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals angeregt (Werner Sombart, Liebe-Luxus-Kapitalismus, 1912.).
Natürlich ist diese Argumentation derart grotesk überdehnt, daß Sombart selber sie nur mit einem männergrüpplerischen Augenzwinkern vortragen kann. Die Versachlichung des Reichtums im frühesten take off des Kapitalismus seit der iberischen Kolonisation des 16. Jahrhunderts lief in erster Linie gerade über öffentliche Repräsentationsbauten und die Herausbildung stehender Heere mit Ansätzen einer Rüstungsindustrie (Feuerwaffen), was Sombart auch selber weiß und an anderer Stelle bringt. Das hört sich nicht besonders weiblich an. Auch später war der private bürgerliche Luxuskonsum ein viel zu begrenzter Sektor, als daß er eigenständige Akkumulationsschübe hätte auslösen können. Was Marx die "zivilisatorische Seite des Kapitals" nannte, die Vermassung früherer Luxusgüter (die dadurch gerade ihren Luxuscharakter verloren), steht nicht nur auf einem anderen Blatt, sondern hat auch kaum etwas mit der speziellen "Naschsucht des Weibchens" zu tun. Eher tritt uns daher in der Argumentation Sombarts (Das Hauptwerk Sombarts befaßt sich mit den verschiedenen Momenten der Entstehungsgeschichte moderner kapitalistischer Gesellschaften, die jeweils in umfangreichen Monographien herausgearbeitet werden (so u.a. analog zu Max Weber die Ethik des Protestantismus, die Rolle der "Unternehmerpersönlichkeit" etc.). Das bezeichnenderweise schmale Bändchen über Luxus und "Weiblichkeit" in der kapitalistischen Genesis erscheint so nur als eine Art "Sahnehäubchen" auf einem "großen Werk" männlichen Wissenschaftsfleißes.) das bis zur analytischen Groteske sich steigernde misogyne Ressentiment des entsinnlichten Mannes entgegen, der das von ihm abgespaltene Weibliche in dessen inferior gesetztem Dasein zum eigentlichen Motor der Geschichte ironisiert (und sich damit heute noch männerbündischen kichernden Beifalls sicher sein kann).
Vor allem aber ist es nicht so, daß die Frau das sinnliche Luxusbedürfnis "für sich" und als eigenes "Interesse" mobilisieren könnte. Dazu müßte sie jenes bewußte und zur bewußten Aneignung fähige Subjekt sein, das sie nicht ist. Die Frau repräsentiert der "protestantischen Ethik" des abstraktifizierendes Mannes gegenüber nicht den Gegenpol luxurierender Genußfähigkeit, sondern bloß den verdinglichten, objektivierten Reichtum selber, den er nicht mehr genießen kann. Deshalb ist das Nestchen bauende und sich als erotisches Objekt ausstaffierende Weibchen nichts als die andere Seite derselben Genußunfähigkeit. Weil die Frau sich selber und ihre Körperlichkeit unter die Gegenstände des Luxus einordnen muß, kann sie nicht deren Genießerin sein. Im übrigen ist der weibliche Lebenszusammenhang in seinem wirklichen Alltag selber keineswegs frei von "protestantischen" Normen, wie ein Blick auf die heute noch durchschnittliche Hausfrauenexistenz zeigt (Hygienewahn, Pünktlichkeit der Verrichtungen usw.).
Für Mann und Frau gleichermaßen, wenn auch mit seitenverkehrter Logik des Abspaltungsmechanismus, bleibt daher der warenförmige "Luxus" tote Gegenständlichkeit. Für beide wird der "Luxus" verschluckt von der warenförmigen Beliebigkeit, die noch die seltensten Genüsse in den Status des Gleichgültigen versetzt (Natürlich gibt es dabei große historische Unterschiede zwischen den römischen Kurtisanen des 16. Jahrhunderts, Werner Sombarts Lebensgefühl von 1912 (aus dem heraus er sein ironisch apostrophiertes "Luxusweibchen" kreierte) und dem Luxusbegriff des "Kasinokapitalismus" seit Mitte der 80er Jahre, der im folgenden aufs Korn genommen werden soll. Mir geht es dabei grundsätzlich um das strukturell-logische Verhältnis, das zu seiner Illustration die verschiedensten Bezugsebenen rechtfertigt, ohne daß damit die historischen Differenzen eingeebnet werden sollen. Nicht anders verfährt ja z.B. Marx im 1. Kapitel des "Kapital" bei der elementaren Strukturanalyse der Warenform; analog kann verfahren werden, wenn es um die gleichrangige Analyse des Abspaltungsmechanismus und seiner Ausformungen (z.B. hinsichtlich des Luxusbegriffs) geht.). Für beide verkommt der Genuß zum bloß äußerlichen Statussymbol, zu einem ekelhaften Getue, dessen Hintergrund die dürftigste Selbstbehauptung in ewigen Konkurrenzsituationen ist. Die Entsinnlichung des Mannes technisiert seinen Genuß wie seine Sexualität zum maschinellen Vollzug. Mangels anderer Sensorien wähnt er sich im "Luxus", wenn er jeweils das Teuerste bestellt, ohne es wirklich vom Schund unterscheiden zu können. Der Genuß der Frau dagegen mündet in Kaufzwang, Kitsch und Bulimie. Weder das abspaltende noch das abgespaltene Bewußtsein ist zur Schwelgerei fähig, weder unbefangenes Prassen noch verfeinerter Genuß sind ihm zugänglich. Was dafür gehalten wird, sind nur die armseligen Zuckungen quälender Selbstbehauptungswut, Selbstdarstellung und Selbstverdinglichung. Der pseudoluxurierende Yuppie ist die Inkarnation der Lebenslüge.
Der verdinglichte Reichtum der unendlichen Warenwelt ist ja auch kein wahrer Reichtum. Wahrer Reichtum ist Reichtum an "disponibler Zeit" (Marx), nicht nur im quantitativen, sondern auch im qualitativen Sinne: Reichtum an Zeit, die nicht durch den abstrakten Selbstbehauptungs- und Selbstdarstellungszwang des Warensubjekts präformiert wird. Deswegen ist der Krieg gegen die "falschen Bedürfnisse" auch weder einfach falsch gewesen noch ist er beendet. Falsch war die reaktionäre Wendung gegen die Produktivkräfte schlechthin, die Fixierung auf die technisch-industrielle Seite der totalen Warengesellschaft, ohne deren Form radikal in Frage zu stellen (Die gesellschaftliche Formkritik des alten Antikapitalismus war eine verkürzte und daher zu kurz greifende, indem sie sich nur auf die "Aneignung" des "Mehrwerts" durch die "Privateigentümer" bezog, nicht aber auf die fetischistische Warenform selbst. Eine produktivkraftkritische Technik- und Wissenschaftskritik wurde so zur unvermeidlich antipodischen (und ihrerseits genauso verkürzten) "Ergänzung"; in der Geschichte der Neuen Linken löste sie in Gestalt der grün-alternativen Ideologien zunächst den alten Antikapitalismus ab. Heute steht eine abermalige Wendung zur Formkritik an, jetzt aber zur grundsätzlichen Kritik der fetischistischen Warenform als solcher.). Dabei handelt es sich nicht allein um die gesellschaftliche Form der Dinge, die diese vergiftet, sondern gleichzeitig um die Form der Subjekte selbst, die als Dichotomie des Abspaltungsmechanismus an den Geschlechtern erscheint. Es sind arme und unglückselige Wesen, die da im Stehen Tagliatelle mit Lachs hineinfressen und sich für bedeutsam halten, wenn sie sich an einem Sektkelch festhalten können. Gerade an disponibler Zeit sind sie bettelarm oder müssen zumindest krampfhaft sich "beschäftigt" gebärden, weil der permanente abstrakte Selbstvernutzungsprozeß ihr Selbstverständnis ausmacht, das den leeren Gestus des "Erfolgs" gebiert (der sowieso fast immer im Möchtegern-Status verbleibt).
Luxus wäre es, ohne Arbeits-, Putz- und Erfolgszwang, ohne Geldvermittlung und ohne konkurrente Subjekt-Deformation z.B. ein Jahr lang klösterliche Askese üben (Ich wähle dieses Beispiel als bewußte Provokation, auch auf die Gefahr hin, daß sich ein typisch altlinker (oder postmodern abgeklärter) Rezensent genau diese Stelle herauspickt und tönt, ich wolle die Massen ins Armenkloster schicken oder reite auf der Esoterikwelle. Daß ein bewußt selbstgewählter, temporärer Zustand von Askese, Selbstversenkung und Reflexion unter Ausschalten äußerer Reizüberflutung eine genußvolle Erfahrung sein könnte, ist vielleicht trotzdem nachzuvollziehen. Ein krude dinglicher Luxusbegriff mag unter Zuständen verständlich sein, in denen brutale Armut alle anderen Fragen überlagert und buchstäblich der Hunger zum Diktator wird; wenn es jedoch um die Reflexion des historisch erreichten Produktivkraftniveaus geht, kann ein derart reduzierter alt-"materialistischer" Luxusbegriff nur noch als strotzende Dummheit erscheinen. Tatsächlich kann sich wohl kein fordistisch sozialisiertes Individuum den Luxus von einem Jahr klösterlicher Askese leisten, weder objektiv noch subjektiv, auch wenn von Klöstern in Finanznöten neuerdings 14-Tageskurse in Meditation angeboten werden. Kapitalistisch gibt es freilich "alles", aber eben nur als Talmi und Surrogat, eingeschweißt in die Plastikhülle der Warenlogik.) oder aus purer Lust an der Sache ein Forschungsprojekt über barocke Architektur durchziehen zu können. Tomasi di Lampedusa beschreibt in seiner Erzählung "Die Sirene" die erotische Begegnung eines jungen Mannes mit einer Unsterblichen; aber gerade aus einer Situation heraus, in der sich der verdinglichte, warenlogisch deformierte Reichtum zurückgezogen hatte: "Die Sonne, die Einsamkeit, die unter dem Wandel der Gestirne verbrachten Nächte, das Schweigen, die karge Nahrung, das Studium weit zurückliegender Dinge: alles das umgab mich wie eine Bezauberung, die mich für das Wunder empfänglich machte" (Tomasi di Lampedusa, Die Sirene, Erzählungen, München 1961.). Dies ist eine Metapher für wahren Luxus, in dem Momente von Einfachheit und Kargheit nicht als Formen der Armut und des zivilisatorischem Verlusts erscheinen, sondern verbunden mit höchstem Genuß und auf der Höhe kulturellen Bewußtseins.
An einem solchen Luxusbegriff gemessen, kann der leistungs- und erfolgsorientierte Yuppie mit seiner Pseudokennerschaft und seinem entseelten, veräußerlichten Luxusgetue am allerwenigsten als Vorschein eines genußfähigen menschlichen Wesens gelten. Im Gegenteil ist dieser Vorschein vielleicht eher dort zu erkennen, wo konsumkritische Frauen und Männer sich dem Konkurrenz- und Erfolgsdruck zu entziehen suchen, auf die ewige Pose der Selbstdarstellung verzichten und die "Entdeckung der Langsamkeit" (Nicht umsonst wurde dieser Titel eines Romans von Sten Nadolny zum geflügelten Wort. Vielleicht ist die Sehnsucht nach einer "langsamen" Welt, die Zeit und Raum zum Leben läßt, weil sie die Kriterien des warenförmig verdinglichten Reichtums nicht mehr akzeptiert, unter der gesellschaftlichen Oberfläche bereits zu einer überwältigenden (aber noch nicht bewußt mobilisierten) Kraft herangereift.) propagieren. Der äußerliche, hektische und verkasperte Zwangshedonismus der späten 80er Jahre fällt noch hinter die Alternativideologien vom "einfachen Leben" oder konservative Verzichtspredigten zurück, statt darüber hinauszukommen. Eine radikale Kritik des verdinglichten, armselig äußerlichen Konsums bleibt die Voraussetzung jeder Kritik der Warengesellschaft wie ihres Geschlechterverhältnisses mitsamt den darin eingeschlossenen, fetischisierten Rollen.
Der falsche, gesellschaftskritisch zahnlose Gestus eines urbanen Genießertums, das so windig ist wie der dazugehörige "Kasino-Kapitalismus" des globalen Spekulations-Überbaus (und mit diesem zusammen seinem tödlichen crash zusteuert), ist nicht so "erhaben" über die Stereotypie der warenlogischen Geschlechtsrollen, wie er suggerieren möchte. Das verkrampfte, unehrliche und ebenso ignorante wie gefühlsarme "Darüberstehenwollen" ist aus dem alten männlichen "Souveränitätsanspruch" gegen die Natur und gegen das sogenannte Weibliche abgeleitet ("Darüberstehen" und "Souveränität" stellen Grundformeln der männlichen Entsinnlichung dar, die ihre Wurzeln in der Selbst-Domestikation des warenproduzierenden Wesens zum Körperpanzer haben. Das Sinnbild des "Darüberstehers" wäre ein vom Körper losgetrenntes Gehirn, das irgendwo auf dem Mars in einer Nährlösung schwimmt und mit der irdischen Sinnenwelt nur über Funk und technische Apparate verkehrt. Eine solche absolute Distanz ist nicht mehr zur Selbstreflexion fähig, weil die Rückkopplung zur sinnlichen Welt der Empathie abgeschnitten ist. Da er aber real sein sinnliches Dasein nicht vollständig abtrennen kann, ist der "Darübersteher" ein notorischer Selbstvergewaltiger, der mit zusammengekniffenen Hinterbacken lebt, aber immer so tun muß, als könnte ihm nichts etwas anhaben. Das "Darüberstehenwollen" ist eine Erscheinungsform der abstrakten, äußerlichen Pseudokompetenz des Kapitals den sinnlichen Inhalten gegenüber, die sich an den Subjekten selbst niederschlägt.). Es ändert nichts an diesem Verhältnis, wenn es bloß äußerlich kaschiert oder umgepolt wird.

9. Formen der geschlechtlichen Scheinemanzipation

Wie die elementare Struktur der Warenform sich durch alle Überformungen und Umpolungen hindurch im erweiterten Reproduktionsprozeß des Ware-Geld-Nexus erhält, so reproduziert sich auch die elementare Form des geschlechtlichen Abspaltungsmechanismus auf erweiterter Stufenleiter der warenlogischen Entwicklung. Die in Beziehung zur Warenlogik "archaische" Grundform der Abspaltung bildet gleichsam den (nicht biologischen, sondern sozialhistorischen) "genetischen Code" der fetischistischen Geschlechtsrollen, der in allen historischen Um- und Überformungen, Rückkoppelungen und Umpolungen wieder erscheint.
Deswegen geht der Einwand, daß wir doch heute Erfolgsfrauen und maskuline Alleinerziehende, Damenfußball und Männerstriptease, schwule Väter und kirchliche Lesbenhochzeiten vorfinden, am Problem vorbei. Immer handelt es sich dabei um Formen der bloßen Ausdifferenzierung des ursprünglichen Abspaltungsmechanismus, die ihn als solchen nicht aufheben, auch wenn diese Ausdifferenzierung das Verhältnis zunehmend prekär und weniger lebbar macht. Schon immer gingen ja die lebendigen, empirischen Frauen und Männer nicht bruchlos auf in den geschlechtlichen Zwangsrollen, die ihnen der Abspaltungsmechanismus warenproduzierender Gesellschaften auf den Leib geschrieben hatte. Heute sind die Krise der Warenform als solcher und die Krise der geschlechtlichen Abspaltung nicht zufällig identisch. Aber diese Krise und die daraus hervorgehenden Zersetzungs- und Verlaufsformen der Geschlechtscharaktere heben an sich den "genetischen Code" dieses Verhältnisses noch nicht auf, sondern reproduzieren ihn nur vielfach gebrochen im sozialen Prisma der Umpolungen, sekundären Besetzungen und wechselseitigen Überformungen. Der sprichwörtliche Teller des alten bürgerlichen Geschlechter- und Eheverhältnisses liegt zerschmettert in tausend Scherben, aber in jeder einzelnen Scherbe erscheint die Basisstruktur der Abspaltung wieder.
Zwar mögen Frauen heute öfter die sexuelle Initiative ergreifen und Männer sich häufiger als "Objekt der Begierde" darstellen; Parfüms und intime Accessoires für den männlichen Körper sollen auf dem Markt an Boden gewinnen. Aber das vom Abspaltungsmechanismus erzeugte geschlechtliche Subjekt-Objekt-Verhältnis bleibt dabei erhalten und wird nur oberflächlich gebrochen oder umgepolt. Einerseits übernehmen z.B. schwule Männer bzw. lesbische Frauen einfach Gestus und Habitus des geschlechtlichen Gegenpols; andererseits reproduziert sich bei heterosexuellen Subjekt-Objekt-Umpolungen der abgespaltene bzw. abspaltende Geschlechtscharakter nur in gegensätzlicher Besetzung. So ist es keineswegs zufällig, daß die sexuell initiativen und formal selbstbewußten Frauen, ausgestattet mit Erfolgsorientierung und allen Schikanen kapitalistischer Subjektivität, sich weniger den "Softi" oder körperlich den schmalen, knabenhaften Mann zum Lustobjekt erkoren haben, sondern vielmehr gerade umgekehrt eher das erotische Körperbild des "Macho", des gefährlich dreinglotzenden Muskelprotzes und der maskulinistischen Körpermaschine zurückgekehrt ist und als "biologisch vorgegeben" verkauft wird. Natürlich stimmt jetzt die ganze Konstellation nicht mehr, weil sich ja nicht mehr das verhäuslichte Sinnlichkeitswesen der Frau dem männlichen, roboterhaften Welteroberer züchtig hingibt, sondern selber erfolgsgeile und insofern "vermännlichte" feminine Warensubjekte sich das erotische Objekt ihrer Wahl an Land ziehen. Da aber das Basisverhältnis als solches nicht aufgehoben wird, bleiben die vereinseitigten Körperbilder erhalten und reproduzieren sich im sinnlosen Leerlauf (Dies fällt kritischen Frauen sogar beim Männerstriptease auf, in dem sich gerade im stilisierten Objektstatus die alten Klischees reproduzieren: "Als ob der Geschlechterkampf, entgegen allen anderslautenden Gerüchten, nun doch neulich zugunsten der Frauen entschieden worden wäre. Als ob es den Mann als ,Lustobjekt` für Frauen wirklich gäbe und der nicht nur eine der neuesten Erfindungen der Wirtschaftswelt für zahlende Kundinnen wäre. Als hätte sich etwas geändert, nur weil Frauen jetzt für Produkte Geld ausgeben, die mit nackten Burschen beworben werden" (Gabriele Riedle, Heute tun wir so, als ob; in: Die Zeit 26/19.6.92). Diesem Verdikt über die Stripper-Truppe der "California Dream Men" ist nichts hinzuzufügen.). In der Imagination der neuen Karrierefrau muß noch die erfolgreichste Chefin (oder gerade die) Bein zeigen und erotisch aufgerüstet sein bis unter die Haarwurzeln. Es ist kein Schritt zur Aufhebung des Abspaltungsmechanismus, wenn als Sinnlichkeitsdarstellerinnen aufgetakelte und posenhaft ihre Haut offerierende Wesen gleichzeitig in der robotischen Haltung des männlichen Körperpanzers erstarren, um so am Konferenztisch oder in der Medien-Öffentlichkeit zu agieren. Dasselbe gilt für geschlechtsfunktional kastrierte Pseudomachos, die in den Posen von Managern oder Revolverhelden ihren Hohlkörper als Dresspuppe oder Sexualobjekt darbieten. Diese vielfältigen Umpolungen mögen bis zum kichernden Irrsinn fortschreiten, sie bleiben geformt vom "genetischen Code" der Abspaltung.
Ohnehin ist die gesellschaftliche Breiten- und Tiefenwirkung derart umgepolter Körper- und Geschlechtscharaktere fragwürdig. Die Zersetzung des warenlogischen Geschlechterverhältnisses spielt sich wahrscheinlich größtenteils in äußerlich völlig konventionellen Konstellationen ab, an denen stur festgehalten und deren objektiver Untergang als eine Abfolge persönlicher Katastrophen erlebt wird. Auch mit der warenförmigen Emanzipation der Frau in die Räume abstrakter Arbeit hinein ist es nicht so weit her, daß von einer "tendenziellen" Aufhebung des Abspaltungsmechanismus innerhalb der Warengesellschaft gesprochen werden könnte. Die meisten weiblichen Berufsbilder verlängern bloß die diversen Momente der Abspaltung aus dem "privaten" Raum in Markt und bürgerliche Öffentlichkeit hinein. Die Möglichkeit einer "Abspaltung in der Abspaltung" macht einzelne Elemente des objektivierten Weiblichkeitswahns beruflich darstellbar und damit monetarisierbar, von denen freilich die wenigsten wirklich kommerziell verwertet werden können.
Die gesellschaftlich degradierte Sinnlichkeit im weitesten Sinne wurde ja gerade deswegen in den weiblichen Lebenszusammenhang verwiesen, weil sich ihre Inhalte der Warenproduktion per se sperren. So sind es nur ihre grob veräußerlichten Momente, die sich relativ leicht in umgepolten Sekundärabspaltungen kommerzialisieren lassen. Das Klischee, daß die Protagonisten der Modebranche entweder schwul oder weiblich sind, scheint weitgehend der Realität zu entsprechen. Sich ausschmückend und darbietend an den stofflichen Hüllen der Ware zu schaffen machen, läßt sich als berufliche Erfolgsstory natürlich am leichtesten bei Klamotten, Duftwässerchen und ähnlichen Nebensächlichkeiten darstellen. Auch die an sich "private" Selbstverdinglichung der Frau als Körperobjekt wurde bekanntlich im "ältesten Gewerbe der Welt" schon immer auch als marktgängige Ware umgepolt. Die Models und andere kommerzielle Darstellerinnen professionell gestylter Sinnlichkeit mögen noch so äußerlich selbstbewußt als Großfürstinnen-Verschnitte und teure Warensubjekte im Stil einer Claudia Schiffer (Diese als besonders albernes Figürchen zugerichtete Frau repräsentiert eine Situation, in der "das Publikum der Video-Ära Kaugummi-Spots und Seifenreklame so wichtig wie den neuen Godard" nimmt; und in dieser Situation stellt sie, wenn auch für 10 Millionen Dollar, aber doch wieder nur das schnulzenhafte Klischee der entgeistigten weiblichen Körperlichkeit dar: "Wann immer irgendwo eine Kamera klickt, strömt ihr dieser leichte Hauch über die Lippen, der den Mund aufplustert und die Schnute süß und rund werden läßt ... Lächeln, hauchen, strahlen, ein paar Worte dazu. Perfekt." (Spiegel 26, 22.6.92).) auftreten; auch unausgesprochen trifft sie immer noch jenes perfide Verdikt, das einer ihrer Kolleginnen in irgendeinem neuen deutschen Film von einem männlichen Wesen entgegengeschleudert wurde: "Deine größte Begabung ist immer noch dein Hintern". Und daran ändert sich auch nichts, wenn es in einer anderen sekundären Überformung ein Arnold Schwarzenegger ist, der seinen Macho-Hintern meistbietend verkauft und hinhält. Hier hat keine Aufhebung stattgefunden, sondern bloß eine doppelte Umpolung bzw. Rückkoppelung: erstens firmiert hier der Mann nicht mehr als Subjekt der Abstraktion, sondern als Objekt; zweitens ist es gerade der entsinnlichte Körper-Roboter, der als sinnliches Bezugsobjekt erscheint.
Auch die sonstigen Formen, in denen die abstrakte Arbeit der Warenproduktion massenhaft weiblich besetzt ist, lassen sich als prekäre Monetarisierung ursprünglich abgespaltener Momente erkennen. Von der altbekannten Sekretärin bis zu den wuchernden und ausdifferenzierten "Humandienstleistungen" sind es transformierte Elemente des dem weiblichen Lebenszusammenhang Zugewiesenen, die ökonomisiert und dem männlichen Universum der Ware zugeordnet werden (Selbst noch innerhalb dieser ökonomischen Transformation von ursprünglich dem abgespaltenen "Weiblichen" zugeordneten Tätigkeiten setzt sich die geschlechtliche Asymmetrie fort, nicht zuletzt in der Bezahlung. Sobald eine Tätigkeit männlich besetzt wird, steigt ihr gesellschaftliches Ansehen und umgekehrt. In Deutschland sind Ärzte (vor allem niedergelassene) immer noch überwiegend Männer und gehören als "Halbgötter in Weiß" zu den Berufen mit höchstem Einkommen; in der ehemaligen Sowjetunion ist der Arztberuf vor allem weiblich besetzt und gehört daher zu den schlechtbezahlten und wenig attraktiven Tätigkeiten. Je mehr in eine Tätigkeit Frauen einrücken (in der BRD z.B. Ärztinnen im Klinikbereich), desto rascher sackt das Einkommensniveau ab. Allgemein sind die kommerzialisierten bzw. staatlich monetarisierten Bereiche, die sich aus dem abgespaltenen weiblichen Lebenszusammenhang herausentwickelt haben, nicht nur weiterhin mehrheitlich von Frauen besetzt, sondern auch berüchtigt für ihre Hungerlöhne.). Es kann aber keinen Zweifel geben, daß dieses Universum hart industriekapitalistisch bestimmt bleibt. Die meisten "Humandienstleistungen" lassen sich im Gesamtprozeß kapitalistischer Reproduktion als "unproduktiv" ableiten, d.h. die Warenform bleibt ihnen äußerlich und beschränkt sich auf die monetäre Hülle, in der sie als "Kosten" erscheinen. Es ist aber nicht nur die Finanzierungskrise, in der sich die Grenzen einer Ökonomisierung von Teilen des weiblichen Lebenszusammenhangs zeigen. Im Unterschied zu Mode, geschlechtlich normierter und maskenhafter "Schönheit", Styling usw. lassen sich menschliche Zuwendung, Hilfe und Solidarität, Empathie und Gefühlsbeziehung auch ihrem Inhalt nach fast gar nicht kommerzialisieren. Frauen (und natürlich längst auch Männer) in den staatlichen oder staatlich alimentierten "weiblichen" Dienstleistungssektoren leiden bis zur Unerträglichkeit am Widerspruch von Form (abstrakte Arbeit) und Inhalt (menschliche Zuwendung). Die Kritik an der "Apparatemedizin", an Expertentum, Menschenverwaltung usw. verweist darauf, daß der abgespaltene und dem "Weiblichen" zugeordnete Bereich letztlich nicht in die Warenwelt integriert werden kann. Vollends unmöglich ist dies bei der Betreuung kleiner Kinder (Natürlich gibt es Kindergärten und andere Betreuungseinrichtungen, die zu begrüßen und zu erweitern sind. Das Problem ist nicht, daß die "Mutter" nicht durch andere Bezugspersonen und die "Familie" nicht durch andere institutionelle Formen ersetzt werden könnten. Das Problem besteht vielmehr darin, daß kleine Kinder empathische Bezugspersonen "rund um die Uhr" brauchen und diese Tätigkeit nicht als kommerzielle oder staatliche "Dienstleistung" in monetarisierbarer Form erbracht und nicht in Einheiten abstrakter Arbeit geleistet werden kann. Wo dies versucht wird, verfallen Kleinkinder in Hospitalismus oder sterben in manchen Fällen sogar ohne erkennbare äußere Ursache weg, wie Untersuchungen gezeigt haben.). Die gesellschaftliche Funktion, die im Abspaltungsmechanismus der "Mutter" zugewiesen wurde, bleibt der Warenwelt unerreichbar. Als ausgesonderte Momente der Abspaltung stehen sich am einen Ende des Spektrums das zur Körperware zugerichtete Model, das aus rein professionellen Gründen die Schwangerschaft meidet, und am anderen Ende das enterotisierte Mutterwesen gegenüber. Beide Figuren repräsentieren in ihrer Einseitigkeit, Gegensätzlichkeit und Beschränktheit gerade die Identität der Abspaltung.

10. Die "Illusion vom großen Paar" am Ende der Warengesellschaft

Wie sich die Scheinaufhebung des Abspaltungsmechanismus, die in den diversen Umpolungen, Überformungen und Rückkoppelungen erscheint, an den fetischistisch konstituierten einzelnen Polen des Geschlechterverhältnisses stets von neuem blamiert, so blamiert sie sich auch in der bürgerlichen Paarbeziehung, die den sozialhistorischen "genetischen Code" dann logischerweise ebensowenig loswerden kann. Nirgendwo ist das Selbstdementi der "Darübersteher" grotesker als in ihren realen Geschlechtsbeziehungen. Fast muß man von einer schwer gestörten Selbstwahrnehmung sprechen, wenn man die Unverfrorenheit erlebt, mit der geradezu bilderbuchartige "Abspaltungsbeziehungen" als "emanzipiert" und "jenseits der traditionellen Ehe" ausgegeben werden. Es fällt auf, daß oft ausgerechnet diejenigen, die alle Topoi oder Archetypen der bürgerlichen Paarbeziehung gern als "längst überholt" im 19. Jahrhundert verorten möchten, selber am Ausgang des 20. die Imaginationen des verflossenen Säkulums leben, ohne es wahrhaben zu wollen.
Darüber können auch die verschiedenen und scheinbar entgegengesetzten Erscheinungsformen nicht hinwegtäuschen. Schon in den 20er Jahren wurde die "Kameradschaftsehe" propagiert, und die wuchernde Lebenshilfe- und Geschlechterliteratur unserer Tage operiert mit bezeichnenden Begriffen wie "Partnerschaft" und "Beziehung", die aus dem kommerziellen und kybernetischen Vokabular in die Alltagssprache des Geschlechterverhältnisses hinübergewandert sind. Tatsächlich wurde die bürgerliche Paarbeziehung nur einiger altertümlicher Gewänder und Insignien entkleidet, ohne daß sie sich strukturell und substantiell grundsätzlich geändert hätte. Was sich wirklich geändert hat, ist lediglich die Stetigkeit, Festigkeit und Selbstverständlichkeit des Verhältnisses. Darin, daß es jeweils im Einzelfall bloß leichter auflösbar wird, liegt noch keine Befreiung. Unter dem Vorwand einer Ablehnung von "Besitzansprüchen" triumphiert in Wahrheit nur die persönliche Unverbindlichkeit. Und nur in dieser einen Hinsicht narzißtischer Selbstbezogenheit und autistischer Abgrenzung vom "Partner", der zur Spiegelfläche der eigenen hoffnungslosen Selbstdarstellung degradiert wird, sind die beiden Beziehungsschauspieler gleichermaßen zu abstrakten Individuen geworden. Innerhalb dieses neurotischen Narzißmus reproduziert sich jedoch das alte bürgerliche Geschlechterverhältnis in seinen Grundmustern. Der "serielle" Charakter dieses Verhältnisses (im Unterschied zur alten lebenslangen Einehe), wie er nicht zufällig zuerst von Hollywood-Stars vorgeführt wurde, ändert überhaupt nichts an der strukturellen Form, in die sich diese bürgerliche Paarbeziehung unvermeidlich ergießt. Die persönliche Selbstverständlichkeit und Verbindlichkeit ist verschwunden, aber es sind dieselben Rollen, die nun buchstäblich auf einer Beziehungsbühne dargestellt werden.
Die Verlaufsformen sind entsprechend dürftig, durchsichtig und langweilig stereotyp. Für die einen verkommt die Geschlechtsbeziehung tatsächlich zum "Geschäft", zum "Lebensgeschäft" sozusagen, in dem ein modernisiertes Paar unablässig Lebensplanung und -Durchführung betreibt bis zum Erbrechen. Diese "Zurechtkommer" leben nicht, sondern exekutieren Blaupausen eines möglichst kostengünstig ausgerechneten Lebensablaufs, von der Ausbildungsversicherung bis zur Sterbekasse. Alles natürlich streng partnerschaftlich und gleichberechtigt. Da wird ausgehandelt, wer von beiden wann am günstigsten beruflich sachkompetent in Teilkarrieren einsteigt und wieder aussteigt, um dann den "Partner" in der Haushaltsführung abzulösen; selbstverständlich unter exakt getimter Ausnutzung des Steuersplittings. Unvermeidlich treiben diese fortschrittlichen Figuren alsbald die Landschaftszerstörung voran, indem ihre lebensplanerische Emsigkeit sich dem Bau eines Bungalows zuwendet. Und schließlich muß die soziale Leere und Perspektivlosigkeit ihres finsteren Daseins "natürlich" mit Uhrwerkspräzision in die planmäßige Kinderkriegerei münden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt schimmern jedoch die traditionellen Rollenmuster durch. Der weibliche Teil der "Partnerschaft" mutiert zur Mutter und ringt dieser sozialen Reduktion einen esoterischen "Sinn" ab; damit ist der Lebensplan gelaufen. Die Friktionen, die sich aus solchen Tatbeständen ergeben, lassen schließlich irgendwann die "Partnerschaft" ganz außerplanmäßig auf Grund laufen und ernähren Notare, Rechtsanwälte, Erziehungsberater und Lebenshelfer, von denen die versachlichten Errungenschaften der "Zurechtkommer"-Haushalte ordnungsgemäß entsorgt werden müssen.
Schwieriger, aber eigentlich auch altertümlicher wird die Sache, wenn sich ein modernisiertes Paar darauf versteift, die romantischen Imaginationen der bürgerlichen "Partnerschaft" tatsächlich anspruchsvoll leben bzw. bühnenreif darstellen zu wollen. Nicht umsonst ist gerade dieser Versuch steinalt und reicht als Muster bis ins späte 18. Jahrhundert zurück, wo er in den Salons der Romantiker kreiert wurde. Es handelt sich dabei lediglich um eine Variante jenes sozialphilosophischen Spiels, die banale bürgerliche Alltagsrealität mit der "Idealität" desselben Zustands theoretisch und praktisch überwinden zu wollen. Das Ideal ist auch hier die freie, partnerschaftliche, "offene Beziehung" (Der Terminus der "offenen Beziehung" wird häufig im Sinne einer angeblichen Toleranz sexuellen Seitensprüngen des "Partners" gegenüber interpretiert; bis hin zu Konstellationen, in denen eine "Partnerschaft" nur noch Schnittstelle, Ausstattungs- und Ruheraum eines Geflechts erotischer und sexueller Wechselbeziehungen darstellt. Dies ist vielleicht die extremste Form, in der sich die narzißtische Unverbindlichkeit als Unbefangenheit, "Lockerheit" und "Souveränität" maskiert. Die tiefen Verletzungen, die eine solche wechselseitige Verachtung der Individualität erzeugt, müssen "überlegen" lächelnden Gesichts ertragen und verdrängt werden. Ein sicherer Weg in den psychischen Ruin, der dann mit neuen Stimulantien (Alkohol, Drogen, "Erfolgserlebnissen") weggespritzt werden muß.). Lebensplanung, Bungalow und Kinderkriegen sind dabei zwar eher verpönt, aber der Lebenszuschnitt kann dafür umso ruinöser werden. Denn wenn die "Beziehung" als solche jenseits bürgerlicher Alltagsbanalität "dargestellt" werden soll, dann ist mindestens die Bühnenausstattung russischer Adelshaushalte in Paris notwendig (Dies erklärt auch die Affinität der Beziehungs-Schauspielerei zum simulativen Luxusgetue der Yuppiekultur.). Die tatsächlichen Accessoires, deren Bedeutung für die "Offenheits"- und "Souveränitäts"-Darsteller gar nicht zu überschätzen ist, entstammen natürlich dem verdinglichten Kosmos der Werbung und des kapitalistischen Glamours (engl. "Blendwerk").
Hinter diesem Vorhang postmoderner FDP-Ästhetik schlagen jedoch die alten Rollenklischees sogar fast noch schneller und peinlicher durch als bei den planvollen Lebenshandwerkern. Denn jenseits des hausbackenen "Tüchtigseins" bleibt als imaginative Idealität nur noch ein bürgerliches Geschlechtsverhältnis nach den Mustern "Die Schöne und das Tier" oder "Das Genie und die Göttin" übrig, die seit ungefähr zweihundert Jahren zum Gähnen reizen. Der Mann hat nach Männlichkeit (Pferd?) zu riechen (und sei es mittels Parfümierung) oder sich wie King Kong aufzuführen (in gemäßigter Abgebremstheit selbstverständlich). Ferner hat der Mann herausragender Wissenschaftler, genialer (wenn auch vielleicht verkannter) Künstler, berühmter Sportler oder wenigstens in das Guiness-Buch der Rekorde eingetragen zu sein. Auch die Frau darf sich mittlerweile (und sollte sich sogar) beruflich "erfolgreich" darstellen. Freilich entweder möglichst eine Nummer kleiner als der Mann oder "frauenspezifisch"; irgendwo zwischen preisgekrönter Langbeinigkeit und apart androgynem Spezialistentum für Werkstoffkunde. Trotzdem aber hat sie jetzt erst recht wie eh und je nach Schönheit zu riechen, königlich daherzurauschen, "siegreich" zu sein in den Kleinmädchenträumen des damenhaften "Auftritts" usw. - alles notorisch bemühte Klischees der Produktwerbung. Glänzen soll sie im small talk; sie wird nebenher auf Hobby-Ebene intellektuelle Interessen pflegen, aber in dieser Hinsicht ihrem Mann den Vortritt lassen (und zwar stets mit einer ironischen Geste, als würde sie ihn vorführen - ungefähr wie in der Grand Marnier-Werbung, wo ein elegant kuhäugiges Wesen einen Mann mit Leopardenkopf krault: "Männer sind immer das, was Frauen aus ihnen machen". Und wehe, die "bringen" es nicht!).
Diese peinlichen Imaginationen karikieren die bürgerlichen Geschlechtsrollen des Abspaltungsmechanismus sozusagen in artifiziellen Standbildern und in der Äußerlichkeit eines Museums geschlechtsspezifischer Accessoires, werden von ihren Trägern in der spätkapitalistischen Welt am Ende des 20. Jahrhunderts aber als Ausdruck der eigenen "Individualität" in einer "offenen Beziehung" erlebt und mißverstanden. Der showartige Charakter dieser darstellerischen "Partnerschaft" gerät jedoch zum ungemütlichen Zwangsverhältnis, wenn die Beteiligten nicht mehr aus ihrer mühsam einstudierten Rolle schlüpfen können, der Raum der Intimität zur Bühne wird und ständig nach dem Beifall des "Partners" geschielt werden muß. Sartre hätte sich keine schönere Hölle ausdenken können.
Lebenshandwerklerische "Zurechtkommer" und pseudosouveräne, "große Welt" mimende Beziehungsschauspieler als vermeintliche Überwinder der konventionellen Ehe-Konstellation (die gesamtgesellschaftlich sowieso noch in der Überzahl ist) können sich zwar meistens gegenseitig nicht riechen, schleppen aber dieselbe Identität des bürgerlichen Geschlechtsverhältnisses mit sich herum, auch wenn verschiedene Marketing-Abteilungen für sie zuständig sein mögen. Gleichermaßen können sie den Abspaltungsmechanismus nur ausdifferenzieren, aber nicht aufheben. Soweit sie darüber überhaupt Reflexionen anstellen, neigen beide dazu, die nicht abzuleugnenden, offensichtlichen Momente geschlechtlicher Rollenklischees in ihrem Leben scheinsouverän zu ironisieren oder für "zufällig" zu halten und eher unter der Rubrik "persönliche Marotten" zu verbuchen, statt sich ihre hoffnungslose Befangenheit in der eisernen Basisstruktur des bürgerlichen Geschlechtsverhältnisses ("Eisern" ist diese Struktur in ihrem Bezugsverhältnis zur Warenförmigkeit der Reproduktion, und insofern mag diese Metapher aus dem Montan-Zyklus des Kapitals zulässig sein, gerade weil sie auf das Andauern und Weiterschleppen der Grundstruktur durch alle Modifikationen und Modernisierungsprozesse hindurch verweist (ganz abgesehen von der ironischen Beziehung zum Max Weber'schen Begriff des "stählernen Gehäuses" der Moderne). Nur aus der bewußten Negation von warenförmiger Zurichtung und geschlechtlicher Warenästhetik heraus wären Momente der praktischen Kritik und Aufhebung zu gewinnen, nicht aus der Affirmation postmoderner Scheinemanzipation, in der die gespenstische Hohlheit der geschlechtlichen Charaktermasken schon als halbe Aufhebung ausgegeben wird.) einzugestehen.
Schon in den romantischen Salons war die Rede von der egalitären Individualität der Geschlechter eine glatte Lüge. Nach fast zwei Jahrhunderten mußte die Günderode mit geradezu detektivischem Spürsinn als intellektuelle und poetische Kapazität ausgegraben werden, die sich nie hatte ausagieren können. Versteckt in mündlichen und brieflichen Äußerungen, bestaunt bestenfalls in einigen Ausnahmeerscheinungen, mußte die weibliche Intellektualität und Kreativität am Rande der offiziellen Kultur kümmern. Nicht ein bloß äußerer Druck männlichen Herrschaftswillens, sondern die fetischistische Struktur der Abspaltung auch in den Köpfen der Frauen selbst erlegte ihnen diese inferiore Rolle auf. Sogar heute noch häkeln viele Frauen gerade im eigenen Selbstverständnis eher an irgendwelchen Textilien, als daß sie ihre intellektuellen und kreativen Möglichkeiten im gesellschaftlichen Raum dem Mann (vor allem dem "eigenen") gegenüber entfalten würden. Damit aber ist die "individuelle Liebe" des bürgerlichen Zeitalters desavouiert bis auf die Knochen.
Die abstrakte Individualität des warenproduzierenden Systems ist so immer noch wesentlich diejenige der "Männlichkeit", auch bei steigender Berufstätigkeit und Qualifikation von Frauen. Die weibliche Besetzung dieser Individualität ist eine sekundäre, abgeleitete, die den Abspaltungsmechanismus nicht dementiert. Die "Illusion vom Großen Paar", wie sie Ulrike Prokop in einer großangelegten Untersuchung der Goethe-Familie entlarvt hat (Ulrike Prokop, Die Illusion vom Großen Paar, 2 Bde., Frankfurt/Main 1991. Nicht zufällig erschien dieses Werk im Rahmen "psychoanalytischer Studien zur Kultur". In der Deutung des "Abspaltungs-Theorems" könnten seine Aussagen jedoch leicht "politökonomisch" erweitert werden.), enthält den Kern der modernen geschlechtlichen Lebenslüge. Zwar muß die bürgerliche Erfindung der "individuellen Liebe" im 18. Jahrhundert durchaus in gewisser Hinsicht als wirklicher Fortschritt gegenüber den vormodernen Verhältnissen erscheinen, in denen "ein Acker den anderen heiratete" (Marx): "Das Ehepaar bildete in der alten Ordnung der agrarischen Kultur keine abgegrenzte Gefühlsinsel; auch in die Ehe regierte die Gruppe hinein. Intimität, Liebe, Auszeichnung des Einzelnen, all das setzt Abgrenzung von anderen Menschen voraus, und einen Raum, diese Abgrenzung leben zu können. Selbst die räumliche Grenze fehlte in der agrarischen Welt. Die Menschen, auch das Ehepaar, waren fast nie allein. Wie Flandrin feststellt, reichte die Kontrolle bis ins Ehebett" (Prokop, a.a.O., S. 385.).
Natürlich kann es kein Zurück in solche Verhältnisse geben. Die "Individualität", auf die bezogen sich die bürgerliche "individuelle Liebe" entwickelte, war jedoch keineswegs geschlechtsneutral: "Der Entwurf der bürgerlichen Emanzipation findet seinen höchsten Ausdruck im ,schöpferischen Mann`, der seine Welt erzeugt. Der Künstler ist das idealische Bild für die Auffassung der Menschen als Wesen, die sich selbst hervorbringen. Für das Genie gibt es nur Materie, die zu formen ist. Das Modell der bürgerlichen Welteroberung ist die Werkstatt des Künstlers, die Beherrschung der Natur, des Stoffs, der verwandelt wird, bis er ganz Ausdruck der Individualität geworden ist ... In das bürgerlich erfolgreiche Modell der Subjektivität findet nur das Moment des männlichen Produzierens Eingang. Es gilt das abgegrenzte Werk, das dem Einzelnen in Ausschließung aller anderen zugerechnet werden kann, das außerhalb des Einzelnen existiert, letztlich ein Objekt, das verkauft werden kann. Was zählt, ist das Produkt, nicht der Prozeß" (Prokop, a.a.O., S. 381 f.).
Das "weibliche Produzieren" dagegen, die "kulturelle Produktion sozialer Beziehungen", die "reproduktive Erzeugung von Gütern der Alltagskultur", wie sie in den "Frauengemeinschaften der Vergangenheit (vor der bürgerlichen Spaltung in familienzentrierte und marktorientierte Produktion)" und in den Reproduktionsformen des "ganzen Hauses" noch ihren Stellenwert gehabt hatte, "verschwindet aus dem Entwurf des Menschen". Damit wird "als Teil der Volkskultur der gesamte Bereich gesellschaftlicher Kreativität, der den Frauen zugewiesen ist, zweitrangig" (Prokop, a.a.O., S. 382 f.). Die neue bürgerliche Individualität ist also für die Frau untrennbar verbunden mit struktureller Zweitrangigkeit, Bedeutungsverlust und Herabsetzung. Ihr ursprünglicher "Bereich" wird substantiell vom Markt ausgehöhlt und vernichtet, oder eben abgespalten und damit reduziert, während der "Bereich" des Mannes aufsteigt zum totalen Entwurf. Die kulturelle Entwicklung zur Individualität, zur Ausdifferenzierung der Gefühle und zur Ausweitung der Alltagsbedürfnisse, die natürlich auch den "abgespaltenen Raum" der Intimität, der modernen Kleinfamilie und der modernen Paarbeziehungen durchdringt und mit ihm zusammen erst entsteht, ist also erkauft damit, daß "Weiblichkeit" inferior gesetzt wird. Die "individuelle Liebe" maskiert, wenn auch zunehmend prekär durch die wachsende Möglichkeit weiblicher Rollendistanz, eine systematische Asymmetrie innerhalb dieser Individualität auf Kosten der Frau. Für die Frau bedeutet "individuelle Liebe" nichts anderes als "das Aufgehen der eigenen Bedürfnisse, Erwartungen und Lebensmöglichkeiten in der Bildung eines ,großen Paares`". Diese "Illusion vom Großen Paar, dem idealisierten Anderen" wird für die Frau zur strukturellen Beziehungsfalle: "Der Andere als derjenige, der die eigene Verwirklichungsmöglichkeit realisiert" (Prokop, a.a.O., S. 400 passim.).
Diese Beziehungsfalle und dieser reduzierte, inferiore Entwurf der "Weiblichkeit" gerade innerhalb der modernen Individualität (Wie sich das A-tom physikalisch durchaus als spaltbar erwiesen hat, so zeigt sich auch das moderne In-dividuum in seiner geschlechtlichen Binnenstruktur ebenso als teilbar. Der geschlechtliche Abspaltungsmechanismus ist kein Gegensatz zur Individualität, sondern geradezu deren "Bedingung der Möglichkeit". Daran geht der grundsätzlich männliche Theorieentwurf der Moderne in allen seinen Variationen systematisch vorbei.) ist eben kein "Relikt" vormoderner Verhältnisse und kein Spezifikum des 19. Jahrhunderts, sondern strukturelle Basis des modernen warenproduzierenden Systems und seines Begriffs von Subjektivität überhaupt: "Ich war davon ausgegangen, die Idee der Liebe als Teil weiblicher Emanzipation zu begreifen. Heute bin ich nicht mehr dieser Auffassung. Die Idee der Liebe ist im ausgehenden 18. Jahrhundert ein männlicher Entwurf, der dazu dient, das männliche Größen-Ich zu komplettieren. Liebe heißt, daß die Frau der Spiegel des Mannes sein soll ... Dazu muß sie perfekt sein, schön, begehrt und begehrenswert. Für Frauen diente diese Männer-Phantasie dazu, sich von sich selbst ein Bild zu machen. Es ist die Anweisung zur weiblichen Zeichenproduktion im Medium der Körperlichkeit" (Prokop, a.a.O., S. 9.). Gerade diese fetisch-konstituierte "Zeichenproduktion" des Weiblichen blockiert heute deutlicher sichtbar denn je die wirkliche Emanzipation der Frau. Trotz aller Brüche immer noch gefangen im "Medium der Körperlichkeit", wird die weibliche Geschlechtsrolle nicht aufgehoben, sondern nur diversifiziert. Sämtliche Verlängerungen dieser "weiblichen Zeichenproduktion im Medium der Körperlichkeit" hinein in Markt und bürgerliche Öffentlichkeit sind nichts als eine Seitwärts- und Ausweichbewegung des letztlich weiterhin unemanzipierten "Weiblichen", durch die sich der geschlechtliche Abspaltungsmechanismus der Warengesellschaft nicht überlisten läßt. Ob als Claudia Schiffer und Jil Sander, als Dagmar Berghoff oder als namenlose Humandienstleisterin bleibt die Frau ebenso in der fetischistischen Asymmetrie des Geschlechterverhältnisses befangen wie als "Mutter ihrer Kinder". Auch scheinbar abgelöst von der Illusion des Großen Paars (in die frau jeden Augenblick wieder zurückfällt), als weiblicher Narzißmus des spätbürgerlichen Individuums, bleibt die Frau im "Medium der Körperlichkeit" immer noch "der Spiegel des Mannes": der "Männlichkeit" überhaupt, auch unabhängig von der bürgerlichen Ehe. Selbst ihre formale quasi-männliche Einsamkeit im öffentlichen Raum der kapitalistischen Erfolge und Mißerfolge findet wesentlich über dieses verräterische Medium statt. Und noch in der gegenseitigen Selbstbespiegelung verzweifelt selbstbezogener Beziehungsdarsteller erscheint der weibliche Narzißmus stereotyp in der Form der zugerichteten Körperlichkeit.
Das Spektrum der weiblichen Selbstentwürfe zwischen Mutter und Model bleibt an den männlichen Gesamtentwurf gebunden und somit ein Gefängnis der zugeschriebenen Inferiorität. Es bleibt sich dabei gleich, ob "Weiblichkeit" in der verstaubten Gestalt der Ehe und ihrer Rollenklischees erscheint, ob sie sich als Körpermaske oder in dieser Körpermaske (bzw. bezogen auf deren Utensilien) selbst vermarktet, oder ob sie umgekehrt unter Berufung auf ungeschminkte "Natürlichkeit" und in härenem Gewande als "Helferin" und vor sich hin mutternde gesellschaftliche "Männerpflegerin" auftritt. Wenn der Faschismus und die lebensreformerischen Natürlichkeitsapostel das Imago der jungfräulichen Blondgelocktheit und der vollbusigen Mütterlichkeit gegen das Imago des grellgeschminkten und männermordenden Vamps oder der großbürgerlich-eleganten Damenhaftigkeit ausgespielt haben, so handelte es sich dabei immer nur um Alternativbesetzungen ein und derselben Rolle, wie sie seit Rousseau in immer neuen Variationen diskutiert und ausagiert wurde. Diese Zeichenproduktion wird auch von der formalen "Gleichberechtigung" nicht aufgehoben.
Der quälend paralytische Charakter dieses Verhältnisses ist nur dann und insoweit aufzubrechen, wenn die vom Kapitalismus unfreiwillig selbst geschaffene Möglichkeit zur weiblichen Rollendistanz nicht in Seitwärtsbewegungen der immanenten Scheinemanzipation versickert, sondern die "Anweisung zur weiblichen Zeichenproduktion im Medium der Körperlichkeit" bewußt durchbrochen wird. Dies bedeutet eine grundsätzliche Umwälzung der Erotik, und zwar der Erotik im weitesten Sinne, also des auratischen Raums von Sinnlichkeit, Genuß, Intimität und Gefühlsbesetzung. Eine solche Umwälzung ist etwas anderes als eine bloße geschlechtliche Umpolung. Wenn die Hennen bloß gockelhaft und die Gockel hennenhaft werden, ohne daß sie aufhören, weiter Hennen und Gockel zu sein, dann hat sich nichts wesentliches geändert. Angesichts von Männern mit durchaus männlicher Selbstbehauptungswut und männlichem Imponiergehabe, die sich aber jetzt auch noch buntscheckig aufdonnern und herausputzen wie früher nur die Frauen (oder gar anfangen, "Bein zu zeigen"), ist man versucht, um Gnade zu bitten.
Alle Scheinaufhebungen des bürgerlichen Geschlechterverhältnisses, wie sie gegenwärtig in sich spreizenden Posen aufgeführt werden, sind warenästhetisch determiniert und bleiben deshalb äußerlich und unernsthaft. Eine tatsächliche Aufhebung des geschlechtlichen Abspaltungsmechanismus kann logisch wie praktisch nur identisch sein mit einer Aufhebung der fetischistischen Warenform selbst, der die Abspaltung als "dunkle Rückseite" angehört. Das Geschlechterverhältnis verweist auf die tiefste Wurzel der abstrakten Ökonomisierung im Totalisierungsprozeß der Warengesellschaft. Dieser Sachverhalt mag zunächst erst recht erschrecken und paralysierend wirken, weil er die Größe und Tiefe des Problems andeutet. Aber damit würde nur ein verschütteter, nie eingelöster Grundimpuls von 1968 wieder aufgenommen: sich selbst umzuwälzen in der Umwälzung der Gesellschaft, die Kritik des Ganzen wiederzufinden in der Kritik des Einzelnen (und umgekehrt), Alltag und revolutionäre Bewegung miteinander zu vermitteln.
Aus der sexuellen Befreiung wurde bloß die Peepshow oder der verklemmte Nudismus im Familienfernsehen; die kapitalistische Pseudoemanzipation bescherte uns zuletzt die Unternehmerin oder die Amtsrichterin in Minirock und Netzstrümpfen. Die feministische Debatte um "Gleichheit" und "Differenz" bewegt sich in diesem Teufelskreis des Abspaltungsmechanismus und damit der Warenlogik. Die "Gleichheit" verwirklicht sich prekär in den weiblichen Formen von Marktsubjektivität und dementiert sich gleichzeitig selbst in eben jener "Anweisung zur weiblichen Zeichenproduktion im Medium der Körperlichkeit". Umgekehrt kann die fetisch-konstituierte, ansozialisierte "Differenz", die in demselben "Medium" erscheint, keinen Hebel für die Aufhebung bilden (An dieser Stelle ist allerdings so etwas wie eine Ehrenrettung der (auch von uns) gern und viel gegeißelten "Bielefelder Gruppe" um Claudia v. Werlhof, Maria Mies u.a. nötig. Deren reaktionäre Berufung auf "Gebärfähigkeit" und Mütterlichkeit etc. wird zwar den vom Abspaltungsmechanismus determinierten weiblichen Entwurf im "Medium der Körperlichkeit" nicht los und versucht so, die abgespaltene Sinnlichkeit gerade in ihrer "weiblichen", unaufgehobenen Form gesellschaftskritisch zu mobilisieren. Immerhin aber beharren diese Frauen im krassen Gegensatz zum Gros der marktwirtschaftlich geläuterten Linken konsequent auf der Intention einer radikalen Kritik des warenproduzierenden Systems. Wenn es nun unter weltläufig und meta-aufgeklärt postfrankfurterisch sich gebenden Feministinnen Mode geworden ist, über den Bielefelder Ansatz die Nase zu rümpfen und mit inzwischen modisch manikürten Fingern auf die biologistischen Momente und die mangelnde theoretische Weiterentwicklung zu deuten, dann versucht frau damit klammheimlich oder offen die radikale Kritik der Warengesellschaft gleich in einem Aufwasch mitzuerledigen. Denn inzwischen ist ja nicht nur Mann, sondern auch Frau zur postmodernen, zwangshedonistischen, pseudosouveränen Selbstverwertungsleiche mutiert, deren verrenktes urbanes Dauergrinsen zu keiner Kritik der Warengesellschaft mehr paßt. So billig wird freilich niemand davonkommen.). In die vormoderne Frauen- und Männergemeinschaft, in die soziale Produktion der agrarischen Alltagskultur mit ihrer rohen Kollektivität, die das moderne Individuum noch vor sich hatte, kann es kein Zurück geben. Die innerhalb der modernen Individualität als "weiblicher Entwurf" (und Selbstentwurf) abgespaltene Sinnlichkeit bleibt in dieser Abgespaltenheit aber der gesellschaftlich formlose, minderbewertete Pol dieser Individualität, und kann als solcher erst recht nicht positiver Ausgangspunkt für eine Kritik und Umwälzung des Ganzen werden. Die Mobilisierung des aufbrechenden immanenten Widerspruchs muß vielmehr zur Aufhebung des ganzen Verhältnisses drängen. Damit stehen wir wieder vor den Grundfragen der Gesellschaftskritik von 1968, allerdings durch ein Vierteljahrhundert Erfahrung und kapitalistischer Entwicklung hindurchgegangen. Wenn der Feminismus aufhört, ein bloßer "Ismus" (und damit ein immer noch der männlichen, bürgerlich-aufklärerischen Grundanweisung folgender Impuls) zu sein, wird er kein Wasser auf die Mühlen der Warenästheten, kapitalistischen Realisten und neuen Marktwirtschaftsfreunde leiten. Er wird dann im Gegenteil den alten Impuls radikaler Waren- und Konsumkritik in neuer, reflektierterer Form und auf höherer Entwicklungsstufe mobilisieren. In dieser Form wird er kein partikularistischer Weiblichkeitsentwurf mehr sein, sondern die männliche Selbstaufhebung verlangen.