Startseite Krise und Kritik der Warengesellschaft


erschienen im Neuen Deutschland
am 27.03.2009

Robert Kurz

KRIEGSWIRTSCHAFT OHNE KRIEG

Alle wissen oder ahnen es, dass die vermeintliche Krisenbewältigung durch den wieder in Mode gekommenen Staat auf Inflation hinausläuft. Der Staat produziert keinen Mehrwert, sondern er verbraucht Teile davon. Wenn ausgerechnet der größte unproduktive Konsument die absterbende Kapitalverwertung wiederbeleben soll, kann er die dafür nötige Kaufkraft nicht dem Patienten abzapfen. Zuerst tauchte das Problem in den Kriegswirtschaften seit 1914 auf. Der Vernichtungskonsum des industrialisierten Krieges war nur noch durch eine substanzlose Geldschwemme der Notenbanken zu finanzieren. Die Goldbindung fiel. Die prompte Quittung waren Geldentwertung, Vermögensvernichtung und Währungsschnitte. Aber die Inflation war gekommen, um nicht mehr zu gehen. Sie nagte am Kapitalismus des 20. Jahrhunderts, und sie wird den des 21. Jahrhunderts verschlingen.

Es gibt dafür einen einfachen Grund: Die Kriegswirtschaft ist permanent geworden. Das gilt schon in einem ganz unmittelbaren Sinne. Die Rüstung folgte der industriellen Entwicklung und wurde immer teurer. Weder der Kalte Krieg noch die jüngsten Weltordnungskriege waren aus regulärer Mehrwertproduktion zu finanzieren. Vermittelt über die internationalen Finanzmärkte lebte der unproduktive Militärkonsum aus der Kreditschöpfung, also dem Vorgriff auf zukünftigen Mehrwert. Die neue Weltwirtschaftskrise kann nicht mehr durch Krieg „gelöst“ werden. Nicht nur deswegen, weil das transnationale Weltkapital keinen Gegensatz imperialer Machtblöcke enthält und weil die Welt mit Atomwaffen angefüllt ist. Vielmehr hatte der Kapitalismus seine Kriegswirtschaft schon; die Mittel sind bereits verbraucht.

Aber das Problem liegt tiefer. Die ökonomische Form der unproduktiven Kriegswirtschaft hat längst auch die zivile Warenproduktion erfasst. Durch die Produktivkraftentwicklung wurde die Arbeitssubstanz der Mehrwertproduktion insgesamt ausgehöhlt. Die Folge war eine künstliche Ernährung des Verwertungsprozesses durch das Kreditsystem und zuletzt aus den Finanzblasen: im Grunde eine Kriegswirtschaft ohne Krieg. Deshalb wurde auch die Inflation zur permanenten Begleiterscheinung. Solange der Anschein eines Vorgriffs auf zukünftigen realen Mehrwert aufrecht erhalten werden konnte, blieb die Inflation in den Zentren gebremst, während die Peripherie seit den 70er Jahren bereits eine Reihe von Hyperinflationen erlebte; jüngst wieder in Simbabwe. Aber jetzt ist die globale Kreditblase geplatzt. Der Staat muss die Kriegswirtschaft ohne Krieg wieder direkt an die Notenpresse delegieren.

Die quasi-kriegswirtschaftliche substanzlose Geldschwemme hat einen Finanzierungsbedarf zu befriedigen, der den der Weltkriege um ein Vielfaches übersteigt. Schon in den Debatten über die ökologische Krise und die Klimakatastrophe war zu hören, dass die Reparatur der Umwelt nur nach dem Muster der Kriegswirtschaft zu bewerkstelligen sei. Dasselbe gilt nunmehr für die Sanierung der globalen Bilanzen. Aber darüber hinaus müsste die gesamte weitere Mehrwertproduktion von der Notenpresse gefüttert werden. Die Weichen dafür sind bereits gestellt, auch wenn sich die Finanzminister noch zieren. Der Kapitalismus als Kriegswirtschaft ohne Krieg ist nach seinen eigenen Kriterien unproduktiv geworden. Das geheiligte, geliebte Geld, das alle ewig „verdienen“ wollen, muss als Weltbeherrscher abdanken; es wird schließlich nicht einmal mehr ein Fetzen Papier sein.