Robert Kurz
Die Himmelfahrt des Geldes
Strukturelle Schranken der Kapitalverwertung,
Kasinokapitalismus und globale Finanzkrise
1. Realkapital und zinstragendes
Kapital
Zu den vielen schizoiden Strukturen
der modernen Welt gehört auch das widersprüchliche Verhältnis
von Arbeit und Geld. Arbeit als abstrakte Entäußerung menschlicher
Energie im Prozeß betriebswirtschaftlicher Rationalität und Geld
als die Erscheinungsform des dadurch erzeugten ökonomischen »Werts«
(d.h. einer fetischistischen Phantasmagorie des objektivierten gesellschaftlichen
Bewußtseins) sind die beiden Seiten derselben Medaille. Geld repräsentiert
oder »ist« im kapitalistischen Selbstzweck einer unaufhörlich
gesteigerten Akkumulation dieses Fetisch-Mediums nichts anderes als »tote
Arbeit«, real abstraktifiziert zur dinglichen Gestalt. Der menschliche
»Stoffwechselprozeß mit der Natur« (Marx) ist gerade dadurch
zur abstrakten, an sich sinnlosen Entäußerung von Arbeitskraft geworden,
daß sich in der potenzierten Fetischform des Kapitals das Geld dem menschlichen
Aktor gegenüber verselbständigt hat: Nicht der menschliche Bedürfniszweck
steuert die Verausgabung von Energie, sondern umgekehrt hat sich die dinglich
verselbständigte »tote« Form der verausgabten Energie die Befriedigung
der menschlichen Bedürfniszwecke untergeordnet. Die Naturbeziehung ebenso
wie die gesellschaftlichen Beziehungen sind zu bloßen Durchlaufprozessen
der »Verwertung von Geld« geworden.
Dieser Verwertungsprozeß, in dem sich das Fetisch-Medium auf sich selbst
rückgekoppelt hat, läuft freilich keineswegs ohne Friktionen ab. Allein
dadurch, daß Arbeit und Geld überhaupt als verschiedene Durchgangsstadien
der Selbstzweck-Verwertung sich darstellen, können diese beiden Momente
auch krisenhaft auseinanderfallen, d.h. in ihrer Aggregierung nicht mehr übereinstimmen.
Der Natur der Sache nach erscheint diese mangelnde Übereinstimmung als
Entkoppelung des Geldes von der abstrakten Arbeits-Substanz: Die Vermehrung
des Geldes läuft dann schneller als die Anhäufung abstraktifizierter
»toter Arbeit« und hebt somit von ihrer eigenen Grundlage ab. Da sich
aber die beiden Erscheinungen Arbeit und Geld in einem blinden historischen
Prozeß hinter dem Rücken der menschlichen Subjekte herausgebildet
haben, ist ihr innerer Zusammenhang weder im Alltagsdenken des »gesunden
Menschenverstandes« noch im wissenschaftlichen Denken bewußt. Wie
Arbeit und Geld in den diversen Ideologien gegeneinander ausgespielt werden
können, so auch in der Auffassung des ökonomischen Prozesses.
Zwar gilt die moderne Gesellschaft allgemein als »Arbeitsgesellschaft«
oder »Erwerbsgesellschaft«, und es ist unbestritten, daß Arbeit
und Geldeinkommen letztlich eine Identität darstellen. Aber dieser logische
Zusammenhang wird nur in einem flachen soziologischen Sinne verstanden oder
als eine Art moralisches Postulat geltend gemacht, etwa in den Ideologien von
der »ehrlichen Arbeit«, während die ökonomische Notwendigkeit
einer Übereinstimmung dieser beiden Erscheinungsformen des Verwertungsprozesses
nicht unbedingt für plausibel gehalten wird. Durch die keineswegs leicht
erkennbaren, im Laufe der Modernisierung immer komplexeren Vermittlungsformen
zwischen Arbeit und Geld entsteht die Illusion, das Geld könne auch unabhängig
von seiner abstrakten Arbeits-Substanz prozessieren.
Das theoretische Denken der Volkswirtschaftslehre verkennt die kapitallogisch
notwendige Übereinstimmung von abstrakter Arbeit und Geld bekanntlich deswegen,
weil seit dem Aufkommen der Grenznutzentheorie im Unterschied zu den eigenen
Klassikern (Adam Smith und David Ricardo) der Wertbegriff entweder ganz fallengelassen
oder oberflächlich mit den erzielbaren Preisen in eins gesetzt und subjektiviert
wurde, während eine objektive Wertsubstanz als widerlegt und die Arbeitswerttheorie
als bloßes Fossil gilt. In diesem Punkt sind sich auch die beiden konträren
ökonomischen Doktrinen der Nachkriegszeit, Keynesianismus und Monetarismus,
theoretisch durchaus einig, ohne jedoch den tatsächlichen Zusammenhang
von Arbeit und Geld völlig ignorieren zu können. Der Keynesianismus
muß der basistheoretisch verleugneten Logik der abstrakten Arbeit wenigstens
oberflächlich durch den Zusammenhang von »Beschäftigung«
und »Geldeinkommen« Rechnung tragen. Auch im Monetarismus von Milton
Friedman erscheint das Problem auf eine ebenso ahnungsvolle wie begriffslose
Weise wieder, indem er die Entkoppelung der Geldmenge von der Menge der Produktion
(für den Markt) als Grundübel kritisiert. Weder der keynesianische
Begriff der »Beschäftigung« (Nachfrage-Faktor) noch der monetaristische
Begriff der »Produktion« (Angebots-Faktor) stellt jedoch irgendeine
innere, substantielle Beziehung von Arbeitsmenge und Geldmenge her, in der die
Illusion von der selbständigen Bewegung des Geldes überwunden wäre.
Nur indirekt scheint das Problem auf.
In der Praxis des kapitalistischen Prozesses entsteht diese Illusion aus der
besonderen Natur des im Bankensystem konzentrierten Geldkapitals. Geld wird
eigentlich zu Kapital, indem es direkt für die Vernutzungsbewegung abstrakter
Arbeit verausgabt und dadurch »aus einem gegebnen Wert zu einem sich selbst
verwertenden, sich vermehrenden Wert« (Kapital Bd. 3, 350) wird: Eingekaufte
Produktionsmittel einschließlich der menschlichen Arbeitskraft verwandeln
sich gemäß betriebswirtschaftlicher Rationalität in Waren, die
auf dem Markt verkauft werden und deren Resultat ein Überschuß in
der Abstraktionsform Geld ist. Diese Logik, von Marx in die Formel G-W-G' gefaßt,
kann nur durch abstrakte Arbeit vermittelt werden, die sich in Waren inkarniert.
Die Ausgangsmenge »G« des als Kapital fungierenden Geldes kann jedoch
vom betriebswirtschaftlichen, warenproduzierenden Unternehmen auch (ganz oder
teilweise) geliehen sein, wenn das eigene Geldkapital nicht ausreicht. Dafür
dienen die im Bankensystem konzentrierten Spargelder der Gesellschaft: Geld,
das von seinen Besitzern weder für Konsum noch für betriebswirtschaftliche
Anlagen verwendet, sondern in der Art des von einem Hund vergrabenen Knochens
zwecks späterer Verknusperung deponiert wird.
Dennoch ist auch dieses Geld Kapital, und zwar in der Form des Kredits: Es wird
einstweilen über das Bankensystem an »fungierendes« betriebswirtschaftliches
Kapital verliehen. Das Geld dient hier weder der Vermittlung von Waren noch
ist es direkt ein betriebswirtschaftliches Geldkapital, das für seinen
Verwertungsprozeß abstrakte Arbeit anwendet, sondern es wird paradoxerweise
selber zur Ware, die auf speziellen Märkten (nämlich den Finanzmärkten)
gehandelt wird und deren Preis der Zins ist.1 Das
Geld als Ware auf den Finanzmärkten ist also zinstragendes Kapital
im Unterschied zum »reellen« betriebswirtschaftlichen Kapital, von
dem die tatsächliche substantielle Verwertungsbewegung getragen wird. Vom
Standpunkt dieses zinstragenden Kapitals aus verkürzt sich die Formel der
Verwertung auf G-G'; d.h. scheinbar ohne Dazwischenkunft realer Produktion von
»W« gewinnt das Geld unmittelbar als Ware die geradezu »okkulte
Qualität« (Marx), vermeintlich aus sich heraus »mehr Geld«
zu hecken: »Die charakteristische Bewegung des Kapitals überhaupt
... die Rückkehr des Kapitals zu seinem Ausgangspunkt, erhält im zinstragenden
Kapital eine ganz äußerliche, von der wirklichen Bewegung, deren
Form sie ist, getrennte Gestalt ... Weggeben, Verleihen von Geld für eine
gewisse Zeit, und Rückempfang desselben mit Zins (Mehrwert) ist die ganze
Form der Bewegung, die dem zinstragenden Kapital als solchem zukommt. Die wirkliche
Bewegung des ausgeliehenen Geldes als Kapital ist eine Operation, die jenseits
der Transaktionen zwischen Verleihern und Anleihern liegt. In diesen selbst
ist diese Vermittlung ausgelöscht, nicht sichtbar, nicht unmittelbar einbegriffen...
Die Rückkehr drückt sich daher hier auch nicht aus als Konsequenz
und Resultat einer bestimmten Reihe ökonomischer Vorgänge, sondern
als Folge einer speziellen juristischen Abmachung zwischen Käufer und Verkäufer«
(Kapital Bd. 3, 360 f.).
Einerseits kann es natürlich nicht ernsthaft abgestritten werden, daß
Geld ohne Waren (oder Geld für sich allein als Ware) ein gesellschaftliches
Unding wäre; andererseits stellt im allgemeinen Vorurteil von Geld als
Kapital nicht so sehr das warenproduzierende Betriebskapital als vielmehr das
zinstragende Kapital die reine und »eigentliche« Form des Kapitals
dar. Die tatsächliche einzige Quelle des »Geld heckenden Geldes«
(Marx), der Vernutzungsprozeß abstrakter Arbeit in der wirklichen Warenproduktion,
verschwindet so hinter der »inhaltslosen Form« (Marx) seiner eigenen
Bewegung. Im zinstragenden Kapital erscheint die Hervorbringung von »mehr
Geld« nicht etwa als (fetischistischer) gesellschaftlicher Ausdruck
der kapitalistischen Produktion von Waren, sondern vielmehr als eine eigene
Warenproduktion neben den anderen, so gut wie die Produktion von Strumpfsocken,
Zündkerzen oder Erlebnisreisen. Die im Bankensystem verausgabte abstrakte
Arbeit wird umstandslos (auch im VWL-Begriff der »Wertschöpfung«)
der Arbeit in den Produktions- und Dienstleistungsbetrieben gleichgesetzt; es
ist sogar von einer »Finanzindustrie« die Rede.2
Die geisterhafte Verdopplung der Produkte des warenproduzierenden
Systems in Ware und Geld ist eskamotiert zugunsten einer kruden Identifizierung
des Geldes als Ware.
Zunächst mag es den Anschein haben, daß es sich hier nur um eine
subjektive Illusion handelt, also um die bloße Ideologie des zinstragenden
Geldkapitals, dessen Agenten die tatsächliche substantielle Gesamtbewegung
nicht bewußt ist. Solange der reale Verwertungsprozeß auf seinen
eigenen Grundlagen funktioniert, mag es sich in der Tat so verhalten. Dem verleihenden
Geldbesitzer kann es ja wirklich egal sein, woher der Zins eigentlich stammt,
der seinem wundersamen »Geld heckenden Geld« entwächst. Problematisch
wird es jedoch, wenn das verliehene Geld nicht wirklich für eine gelingende
betriebswirtschaftliche Vernutzungsbewegung abstrakter Arbeit verausgabt wird.
Dieser Fehleinsatz ist auf einer ganzen Stufenleiter möglich, auf der das
zinstragende Kapital in wachsendem Maße vom realen Verwertungsprozeß
abhebt und zum »fiktiven Kapital« (Marx) wird.3
Der einfachste Fall ist natürlich der, daß das reelle Betriebskapital,
das sich Geld geliehen hat, mit seinen Waren auf dem Markt nicht reüssieren
kann und bankrottiert. Dann schlägt die Nichtübereinstimmung von Arbeit
und Geld (die Arbeit des warenproduzierenden Unternehmens wurde vom Markt für
ungültig erklärt) unmittelbar auf das zinstragende Kapital zurück:
die verausgabten Kredite müssen »abgeschrieben« werden.4
Derselbe Effekt ergibt sich, wenn das verliehene Geld sowieso
von vornherein nicht für reale betriebswirtschaftliche Warenproduktion,
sondern z.B. für Luxus- oder Prestigekonsum verausgabt wurde; das war seit
den 70er Jahren bei vielen Krediten der Fall, die vom internationalen Finanzsystem
an diverse Potentaten und befreundete Mordregimes der Dritten Welt vergeben
wurden.
Im eigentlichen Sinne »fiktiv« wird die scheinbar direkte Bewegung
G-G' erst dann, wenn das Fiasko des substantiellen Verwertungsprozesses dadurch
überspielt wird, daß die faul gewordenen Kredite mit anderen, neuen
Krediten »bedient« werden; das ist heute in großem Maßstab
nicht nur bei den Dritte-Welt-Krediten der Fall, sondern auch bei einer globalen
Masse von Unternehmens- und Konsumentenkrediten. Das Finanzsystem schiebt auf
diese Weise einen unaufhörlich wachsenden Berg von »substanzlosem«
Kreditgeld vor sich her, das behandelt wird, »als ob« es einen realen
Verwertungsprozeß durchlaufen würde, der jedoch lediglich durch Meta-Kredite
simuliert wird. In dieser Form verlängert sich der Verkettungszusammenhang
von abstrakter Arbeit und Geld derart, daß die Nichtübereinstimmung
der beiden Erscheinungsformen nicht sofort wirksam, sondern gewissermaßen
»gestreckt« wird. Unvermeidlich muß aber schließlich auch
die fiktive Verlängerungskette reißen, weil die Meta-Verzinsung der
über ihren substantiellen Gehalt hinausgewachsenen Bewegung G-G' an Grenzen
stößt.5
Eine noch höhere Stufe der Entkoppelung von Arbeit und Geld wird erreicht,
wenn das Kreditgeld als Ausgangsbasis einer spekulativen Bewegung dient, in
der nicht einmal mehr der Anschein einer realen Warenproduktion erweckt wird.
Der Handel mit den bloßen Eigentumstiteln von Aktien und Immobilien
erzeugt dabei fiktive Wertsteigerungen, die mit den tatsächlichen Gewinnen
aus der betriebswirtschaftlichen Vernutzung abstrakter Arbeit auch formell überhaupt
nichts mehr zu tun haben. Eine solche spekulative Bewegung setzt immer dann
im großen gesellschaftlichen Maßstab ein, wenn die betriebswirtschaftliche
Realakkumulation des Kapitals an Grenzen stößt und die Gewinne aus
vergangenen Produktionsperioden nicht mehr ausreichend für eine erweiterte
reale Warenproduktion investiert werden können, sondern rein im Finanzsystem
angelegt werden müssen. Der Druck in Richtung einer unmittelbaren Bewegung
G-G' wächst dann so stark an, daß bei den Aktien die spekulative
Wertsteigerung der Kurse die realen Dividenden zu »Peanuts« herabstuft;
das Kurs/Gewinn-Verhältnis läuft aus dem Ruder. Solche spekulativen
Blasen aus der fiktiven Wertsteigerung von Eigentumstiteln hat es mehrfach in
der kapitalistischen Geschichte gegeben, und jedesmal endeten sie unvermeidlich
mit einem großen Finanzkrach.
2. Die historisch zunehmende
Abhängigkeit des Realkapitals vom Kredit
Die »Bedingung der Möglichkeit«
für das Abheben des Geldes von seiner realen Arbeits-Substanz ist umso
mehr gegeben, je größer der Anteil des zinstragenden Kapitals an
der gesamten Reproduktion ist. Historisch kann in dieser Hinsicht tatsächlich
eine Verlagerung zugunsten des Kredits beobachtet werden. Die allmähliche
Ausdehnung der betriebswirtschaftlichen Rationalität zum flächendeckenden
Prinzip der Produktion, deren Verwissenschaftlichung und die dadurch im säkularen
Maßstab steigende Kapitalintensität (d.h. immer höhere Vorauskosten
für eine konkurrenzfähige Warenproduktion) sowie die damit einhergehende
Ausdehnung des anonymen Aktienkapitals erforderten immer größere
Massen von Kreditgeld, um die kapitalistische Produktionsweise überhaupt
noch in Gang halten zu können.
Auf der Stufe des von heute aus gesehen geradezu archaischen Privatkapitals
im 19. Jahrhundert mit seinen persönlichen patriarchalischen Eigentümern
und den dazugehörigen Familienclans6
waren noch Prinzipien der Seriosität und »Solvenz« gültig,
die eine ständige größere Kreditaufnahme geradezu als unanständig
und als »Anfang vom Ende« erscheinen ließen; die damalige Trivialliteratur
ist voll von Geschichten, in denen »große Häuser« durch
Abhängigkeit vom Kredit zugrunde gerichtet werden, und Thomas Mann hat
dieses Sujet in einigen Passagen seiner »Buddenbrooks« bis zum Nobelpreis
hochgefahren. Natürlich war das zinstragende Kapital als solches von Anfang
an unentbehrlich für das sich herausbildende System, aber es erreichte
noch keinen entscheidenden Anteil an der kapitalistischen Gesamtreproduktion;
und namentlich die Geschäfte des »fiktiven Kapitals« galten sozusagen
als Gauklerszene der Hochstapler und »unehrlichen Leute« am Rande
des eigentlichen Kapitalismus (an die sich freilich auch damals schon bei Spekulationswellen
die Honoratioren des Bürgertums anschlossen). Noch Henry Ford lehnte lange
Zeit eine Kreditaufnahme seines Unternehmens bei den Banken ab und wollte seine
Investitionen nur aus Eigenkapital finanzieren.
Dieser noch eher patriarchalische Begriff der Solvenz hat sich im Laufe des
20. Jahrhunderts gründlich verflüchtigt, weil er ganz einfach auch
im normalen kapitalistischen Geschäftsleben nicht mehr durchgehalten werden
konnte. Die marxistischen Theorien von der neuen Macht des »Finanzkapitals«
(Hilferding, Lenin u.a.) nach der Jahrhundertwende waren schon Reflex auf einen
Entwicklungsprozeß, in dem das betriebswirtschaftliche Realkapital strukturell
von seiner eigenen Grundlage der abstrakten Arbeit abzuheben begann; auch wenn
die Marxisten der alten Arbeiterbewegung weniger den eigentlichen ökonomischen
Inhalt (nämlich als aufscheinende Grenze der Wert-Ökonomie selbst)
reflektierten, sondern nur die Veränderung der kapitalistischen Oberflächenstruktur
und der soziologischen Machtverhältnisse wahrnahmen.
Dieses Abheben des Kreditsystems läßt sich als wachsendes strukturelles
Mißverhältnis zwischen verwissenschaftlichtem Sachkapital und noch
anwendbarer rentabler Arbeitsmasse beschreiben; die säkular ansteigende
Kapitalintensität (bei Marx als »wachsende organische Zusammensetzung«
des Kapitals figurierend) erfordert immer mehr Einsatz von Geldkapital, um immer
weniger Arbeit pro Kapitaleinheit mobilisieren zu können. Dieser krisentheoretisch
faßbare Sachverhalt drückt sich auch auf der monetären Ebene
als die dargestellte wachsende Bedeutung des zinstragenden Kapitals aus. Mit
anderen Worten: das »fungierende« reelle Betriebskapital, das abstrakte
Arbeit in tatsächlicher Warenproduktion anwendet, muß in steigendem
Maße auf geliehenes Geldkapital aus dem Bankensystem zurückgreifen,
um den bereits akkumulierten Wert noch weiterverwerten zu können. Die sogenannte
Eigenkapitalquote ist daher über lange Zeiträume hinweg drastisch
gesunken; sie liegt heute, von Ausnahmen abgesehen, durchwegs unter 50 Prozent.7
Das bedeutet nichts anderes, als daß das reale Betriebskapital
immer mehr zukünftige vernutzte Arbeitsmengen (zu erwartende Gewinne) im
voraus verpfänden muß, um aktuell weiterproduzieren zu können.
Das real warenproduzierende Kapital saugt also gewissermaßen seine eigene
(fiktive) Zukunft an und verlängert damit auf einer Meta-Ebene sein Leben
über die bereits aufscheinende innere Schranke hinaus. Das funktioniert
nur, solange sich die Produktionsweise als solche noch ausdehnt (wie es bis
zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts der Fall war) und die fiktional vorweggenommene
zukünftige Wertmasse auch tatsächlich wenigstens insoweit nachfolgt,
als damit die Kredite verzinst werden können. Daß aber die säkular
steigenden Kapital-Investitionen grundsätzlich und im gesellschaftlichen
Durchschnitt nicht mehr aus eigenen Mitteln, also nicht mehr aus der realen
Profitmasse vollfinanziert werden können, ist ein starkes Indiz für
den prekär werdenden Charakter der ganzen Veranstaltung. Diese strukturelle
Verschiebung zugunsten des zinstragenden Kapitals ist zwar noch nicht dasselbe
wie die direkte Bedienung von Krediten mit anderen Krediten; aber dennoch wird
die reale Akkumulationsbewegung indirekt abhängig von den konzentrierten
Spar- geldern der Gesellschaft.
Für das Absaugen dieser Gelder in die Vorfinanzierung des Akkumulationsprozesses
muß ihren Eignern ein Anreiz geboten werden, d.h. das Zinsniveau muß
nicht nur akut und zyklisch bei vorübergehender Knappheit an Geldkapital
(als Folge einer Verschleierung der Krise in der realen Warenproduktion durch
Kredite), sondern säkular und strukturell ansteigen, was zumindest nach
dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich durch die starken zyklischen Schwankungen
hindurch als langfristiger Trend beobachtet werden kann; konterkariert wird
dieser säkulare Anstieg nur durch eine enthemmte Liquiditätsschöpfung
des Zentralbankensystems, womit allerdings der Entkoppelungsprozeß des
Geldes von der kapitalproduktiven Grundlage sich beschleunigt und der Zinsdruck
dennoch nur zeitweilig sich lockert. Schon auf dieser Ebene wird also sichtbar,
daß der zyklische Prozeß allmählich von einer strukturellen
Erschöpfung eingeschnürt wird.8 Die
hinausgeschobene strukturelle Grenze des gesamten Verwertungsprozesses muß
sich irgendwann auf der Ebene des Geldkapitals neu aufrichten, d.h. die reale
Produktion durch die Verteuerung (und schließlich die Krise) des Geldes
ausbremsen. Gleichzeitig werden die Kapitalien der realen Warenproduktion anfälliger
für die Schwankungen der Geldmärkte; auf den Geldmärkten wiederum
verbessern sich durch die wachsende gesellschaftliche Bedeutung des zinstragenden
Kapitals die Bedingungen für spekulative Entkoppelungsbewegungen über
die bekannten historischen Beispiele hinaus. Mit einem Wort: der industrielle
Kapitalismus wird aufgrund seiner eigenen inneren Entwicklung in zunehmendem
Maße »unseriös« nach seinen eigenen Kriterien.
3. Die tertiäre Revolution
Die bisherige Argumentation bezog
sich ausschließlich auf den Entwicklungsprozeß des industriellen
Kapitals bzw. das Verhältnis von realer industrieller Warenproduktion und
zinstragendem Geldkapital. Über diese basale Struktur hat sich jedoch im
Laufe des 20. Jahrhunderts (und in gesteigertem Tempo nach dem Zweiten Weltkrieg)
ein stetig wachsender »tertiärer Sektor« der sogenannten Dienstleistungen
gelegt. Daraus haben Ökonomen und Gesellschaftstheoretiker auf die allmähliche
Herausbildung eines »postindustriellen« Dienstleistungskapitalismus
geschlossen (Jean Fourastié, Daniel Bell u.a.). Wie der »primäre
Sektor« der Landwirtschaft seine Bedeutung an den »sekundären
Sektor« der Industrie verloren habe, so gebe nun eben die Industrie ihrerseits
den Staffelstab der Reproduktionssektoren an den »tertiären Sektor«
der Dienstleistungen weiter.
Diese oberflächliche Betrachtung übersieht jedoch völlig, daß
es sich beim ersten der genannten großen Wandlungsprozesse in der Reproduktionsstruktur
keineswegs um eine innerkapitalistische Entwicklung gehandelt hat, sondern vielmehr
um die Herausbildungs- und Durchsetzungsgeschichte des Kapitalismus selbst.
Nicht bloß die Technik und der materielle Inhalt der Produktion haben
sich dabei geändert, sondern auch die elementaren gesellschaftlichen Beziehungsformen
wurden in einer langen, schmerzhaften und turbulenten Transformation umgestürzt.
Die vorindustrielle Agrargesellschaft kannte wohl das Kaufmanns- und das zinstragende
Kapital als Nischenformen, aber keine produktive Kapitalverwertung; es gab Märkte,
aber keine Marktwirtschaft; und es gab Geld, aber keine Geldwirtschaft. Der
Zusammenhang von Ware und Geld als geschlossenes System der Reproduktion entstand
erst mit der Verwandlung von Produktionsmitteln und menschlicher Arbeitskraft
in industrielles Kapital.
Wenn nun ein ähnlich tiefgreifender historischer Wandel von der Industrie-
zur Dienstleistungsgesellschaft auf der Tagesordnung steht, so ist eigentlich
zu erwarten, daß dieser ebensowenig auf eine bloß sektorale Umgruppierung
innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Beziehungsformen von allgemeiner
Markt- und Geldwirtschaft beschränkt bleiben wird. Mit anderen Worten:
der gesellschaftliche Bedeutungsverlust des industriellen »Sektors«
könnte identisch sein mit einem krisenhaften Bedeutungsverlust der kapitalistischen
Markt- und Geldform als allgemeiner Reproduktionsform; ganz genauso, wie einst
das Schrumpfen des agrarischen »Sektors« identisch war mit einem krisenhaften
Schrumpfen der nicht-warenförmigen Subsistenzwirtschaft und der Feudalbeziehungen.
Aus dieser Sicht, in der die Tiefe des Strukturwandels ernst genommen wird,
erscheint die kapitalistische Produktionsweise als identisch mit dem Aufstieg
des industriellen Systems; und folglich die »tertiäre Revolution«
als der Abstieg und das Ende des Kapitalismus selbst, der ebensowenig wie die
alte Agrargesellschaft für die Ewigkeit gemacht ist.
Darstellbar wäre eine solche These nur aus dem unterschiedlichen historischen
Charakter der jeweiligen Tätigkeit in den verschiedenen Sektoren. Entscheidend
für die kapitalistische Reproduktion ist dabei der Begriff der »produktiven
Arbeit«; ein Attribut, das logisch sein Gegenteil impliziert, also »unproduktive
Arbeit«. In der historischen Abgrenzung nach rückwärts, gegenüber
subsistenzwirtschaftlichen bzw. feudalen Verhältnissen, ist vom kapitalistischen
Standpunkt aus alle Arbeit »unproduktiv«, weil (noch) nicht der Kapitalverwertung
dienend; strenggenommen handelt es sich dabei überhaupt nicht um »Arbeit«,
da diese Abstraktion reproduktiver Tätigkeit überhaupt erst zusammen
mit dem modernen warenproduzierenden System entstand.9 Innerhalb
dieses Systems nun ist zwar alle Tätigkeit, die für Geld geleistet
wird, bzw. in irgendeinem Kontext der Geldverwertung steht, formell gesehen
abstrakte Arbeit. Damit aber ist noch nicht gesagt, daß sie dies auch
in einem substantiellen Sinne ist. Nur »produktive« (d.h. kapitalproduktive)
Arbeit, die tatsächlich Mehrwert schöpft, ist auch substantiell abstrakte
Arbeit, deren Energieveraus- gabung real die kapitalistische Reproduktion trägt.10
Es scheint zunächst schwer vorstellbar, wie diese Unterscheidung analytisch
klar durchgehalten werden soll, ohne in willkürliche Annahmen zu verfallen.
Die Marxsche Theorie hält dafür kein Instrumentarium bereit, das zu
eindeutigen Aussagen führen könnte; und dementsprechend unentschieden
ist die (insgesamt spärliche) marxistische Debatte über »produktive
und unproduktive Arbeit« geblieben.11
Es müssen also Kriterien benannt werden, nach denen die Differenzierung
zwischen bloß formeller und substantieller Verausgabung menschlicher Arbeitskraft
im warenproduzierenden System überhaupt möglich wird. Dabei ist zunächst
zwischen produktiver/unproduktiver Arbeit in einem absoluten und in einem
bloß relativen Sinne zu unterscheiden.
In absoluter Hinsicht unproduktiv ist eine Arbeit im warenproduzierenden System
dann, wenn sie zwar gegen Geldlohn verrichtet wird und im Kontext der geldförmigen
Reproduktion steht, aber entweder selber keine Waren produziert (d.h. nicht
in die Warenproduktion als solche eingeht) oder die von ihr dargestellten Quasi-Produkte
nur formellen, nicht aber substantiellen Warencharakter annehmen. Es wäre
nun eine allzu krude Scheinlösung des Problems, den substantiellen Warencharakter
an der »materiellen« Handfestigkeit des Produkts festmachen zu wollen,
also etwa die Arbeit für die Produktion von Waschmaschinen oder Autos für
»produktiv« zu erklären, die Arbeit des Friseurs, des Schalterbeamten
oder des Polizisten hingegen deswegen als »unproduktiv« darzustellen,
weil die »Produkte« Haarschnitt, Briefabfertigung oder »Sicherheit«
nicht als materielle im engeren Sinne greifbar sind. Bestenfalls eine Ahnung
des Problems kann bei einer solchen theoretischen Bestimmung aufscheinen, deren
Hintergrund aber nur allzu deutlich noch der produktivistische Vulgärmaterialismus
der alten (industriellen) Arbeiterbewegung mit ihrem falschen Stolz auf das
industriekapitalistische Produkt ist.
Mit einer positivistischen Definition des unmittelbaren, isolierten Einzelfalls
ist dem Problem überhaupt nicht beizukommen. Vielmehr ist der Charakter
der »an sich« unproduktiven Arbeit nur aus dem Reproduktionsprozeß
des Kapitals herzuleiten, in dem die abstrakte Arbeit verschiedene Umwandlungs-
und Darstellungsformen durchläuft. Der unproduktive Charakter bestimmter
Arbeiten braucht nicht äußerlich durch willkürliche Definitionen
bestimmt werden; er muß vielmehr durch den Stellenwert als »Kostenfaktor«
im Kalkül selbst nachweisbar auftauchen. Die kapitalistisch unproduktiven
Arbeitsmengen und ihre Bezahlung erscheinen als »faux frais« (Marx),
als tote Kosten. Dabei ist allerdings zu differenzieren zwischen der Ebene des
Einzelkapitals und der Ebene des Gesamtkapitals. Einzelkapitalistisch
(auf Betriebsebene) ist die unproduktive, aber notwendige Arbeit leicht nachzuweisen
in Gestalt der »Gemeinkosten« etwa für Personalverwaltung, Lohnabrechnung,
Putzfrauen usw. Diese Tätigkeiten sind zwar in einem technisch-organisatorischen
Sinne unerläßlich für das allgemeine Funktionieren des Betriebs;
sie gehen jedoch nicht in dessen eigentliche Warenproduktion (z.B. die Herstellung
von Autos oder Klobürsten) substantiell ein, obwohl sie natürlich
ebenso wie die Arbeit der eigentlichen betrieblichen Warenproduktion entlohnt
werden müssen.
Im einzelkapitalistischen Sinne erscheint der unproduktive Charakter dieser
Arbeiten jedoch nicht absolut (»an sich«), sondern insofern relativ,
als die unproduktiven »Gemeinkosten« des einen Unternehmens als substantielle
Dienstleistungs-Warenproduktion eines zweiten Unternehmens erscheinen können,
das sich auf diese Leistung für andere Unternehmen spezialisiert hat; etwa
eine Firma, die Putzkolonnen beschäftigt und dieses »Produkt Putzen«
anderen Firmen anbietet. Betriebswirtschaftlich gesehen macht nun die Putzarbeit,
die in einem Unternehmen der Automobilproduktion unproduktiv ist, umgekehrt
die produktive Arbeit des Dienstleistungs-Unternehmens aus, geht also in dessen
substantielle Warenproduktion ein, während die Arbeit der Angestellten
in der Lohnabrechnung der Putzkolonnen-Firma wiederum zu deren unproduktiven
»Gemeinkosten« gehört. Nun kann z.B. eine dritte Firma ihrerseits
die Lohnabrechnung für jede Art von Unternehmen zu ihrer speziellen Dienstleistungs-Ware
machen und diese anbieten, womit dann auch die Lohnabrechnung für diesen
speziellen Dienstleister im betriebswirtschaftlichen Sinne zur produktiven Arbeit
wird. So ist eine ganze Staffelung denkbar; und tatsächlich macht die Auslagerung
von unter »Gemeinkosten« verbuchten Arbeiten an Dienstleistungs-Unternehmen
einen der großen Trends zur Tertiarisierung aus: aufgrund ihrer Spezialisierung
können die Dienstleister rationalisieren und daher so billig anbieten,
daß sich die betriebsinterne Eigenorganisation dieser Arbeiten nicht mehr
lohnt.12
Scheinbar verwandelt also die Tertiarisierung im bisher behandelten Sinne unproduktive
in produktive Arbeit, rein durch die formelle Verselbständigung als eigene
Unternehmen.13 Anders verhält es sich
jedoch auf der Ebene des Gesamtkapitals, die freilich im Kalkül
der sogenannten Wirtschaftssubjekte nicht unmittelbar in Erscheinung tritt,
dennoch aber theoretisch und analytisch rekonstruiert werden kann. Zunächst
wäre zu sagen, daß die unproduktiven »Gemeinkosten« auf
der Ebene des Gesamtkapitals wiedererscheinen, also die einzelbetrieblichen
Auslagerungen und Umgruppierungen innerhalb der Gesamt-Reproduktion sich sozusagen
wieder »herausrechnen«. Die unproduktiven »Gemeinkosten«
können zwar durch die Auslagerung auf selbständige Unternehmen aus
den genannten Gründen gesenkt werden; sie bleiben jedoch gesamtgesellschaftlich
ein Abzug vom Gesamt-Mehrwert und können diesem nicht etwa hinzuaddiert
werden. Die Darstellung von »Kosten« (des mehrwertschöpfenden
Unternehmens) als »Gewinne« (des dienstleistenden Unternehmens) verschwindet
auf der Ebene des Gesamtkapitals wieder. Marx hat dies exemplarisch an den Kosten
der rein kommerziellen Transaktionen (Kauf/Verkauf, Geldverkehr etc.) gezeigt:
ein großer Teil der Arbeiten im Einzelhandel und die gesamte Arbeit im
Banken-, Kredit- und Versicherungssystem etc. ebenso wie im juristischen »Überbau«
ist »an sich« unproduktiv, weil sie Ware-Geld-Beziehungen bloß
»vermittelt«, ohne substantiell Warenproduktion zu sein. Die in diesen
Sektoren beschäftigten Lohnarbeiter erwirtschaften zwar einen betriebswirtschaftlichen
Gewinn; tatsächlich vermittelt ihre Tätigkeit jedoch nur die Umverteilung
des allein in den produktiven Sektoren geschöpften Mehrwerts innerhalb
der Einzelkapitalien: das kommerzielle Kapital eignet sich durch diese unproduktive
Vermittlungsarbeit einen Teil des Gesamtmehrwerts an (vgl. dazu ausführlich
Kapital Bd. 2 und 3).
Was aber ist nun das entscheidende ökonomische Kriterium, das es erlaubt,
auf der Ebene des Gesamtkapitals (d.h. bereinigt um die einzelkapitalistische
Verzerrung) den Charakter der produktiven/unproduktiven Arbeit begrifflich zu
bestimmen? Die Differenzierung zwischen »eigentlicher« Wertschöpfung
und »bloß vermittelnder« Tätigkeit (im kommerziellen, monetären
oder juristischen Sinne) reicht dafür nicht aus, weil sie immer noch an
der unmittelbaren Definition der einzelnen Arbeitsverausgabung klebt. Diese
Bestimmung kann also nur den äußeren Grund dafür angeben, warum
eine Tätigkeit unter die unproduktive Arbeit zu rechnen ist, nicht jedoch
deren ökonomischen Begriff selbst. Ein auf den Vermittlungsprozeß
der gesamtkapitalistischen Reproduktion bezogener Begriff der produktiven/unproduktiven
Arbeit kann letztlich nur kreislauftheoretisch gewonnen werden. Damit
ist folgendes gemeint: kreislauftheoretisch ist nur diejenige Arbeit kapitalproduktiv,
deren Produkte (und damit ihre Reproduktionskosten) in den Akkumulationsprozeß
des Kapitals zurückkehren, d.h. deren Konsumtion wieder in die erweiterte
Reproduktion eingespeist wird. Nur diese Konsumtion ist nicht bloß unmittelbar,
sondern auch reproduktiv vermittelt eine »produktive Konsumtion«.14
Das ist zum einen dann der Fall, wenn Produkte der Konsumgüterindustrie
von ihrerseits kapitalproduktiven Arbeitern verzehrt werden, deren Konsum nicht
etwa verfällt, sondern in Form des »Feuers« kapitalproduktiver
Energie wieder in einen neuen Produktionszyklus des Mehrwerts zurückkehrt.
Alle Konsumgüter hingegen, die von unproduktiven Arbeitern oder Nicht-Arbeitern
(Kindern, Rentnern, Kranken usw.) verzehrt werden und deren Verbrauch also nicht
wieder in Form erneuerter Energie in die Mehrwertschöpfung zurückkehrt,
ist auch gesamtgesellschaftlich nichts als Konsum, der spurlos verschwindet
und nicht die kapitalistische Reproduktion trägt. Dasselbe gilt dann für
die Produktion der Investitionsgüter: auch diese Arbeit ist nur dann kreislauftheoretisch
produktiv, wenn der Konsum ihrer Produkte seinerseits wieder im Kontext der
Mehrwertschöpfung stattfindet, also in den Produktionszyklus des Mehrwerts
zurückkehrt. Alle Investitionsgüter hingegen, deren Verbrauch außerhalb
der Mehrwertproduktion stattfindet, gehören wiederum gesamtgesellschaftlich
dem reinen Konsum an, der nicht mehr kapitalproduktiv wiedererscheint, sondern
aus der Reproduktion des Gesamtkapitals und dessen Akkumulationsbewegung »herausfällt«.
Dieser kreislauftheoretische Begriff von produktiver/unproduktiver Arbeit mag
dem positivistisch verseuchten definitorischen Denken ungewöhnlich erscheinen;
er erlaubt es aber, das Problem jenseits einer kruden »Materialität«
der produzierten Ware aufzulösen. Aus dieser Sicht wäre also die Arbeit
des Verwaltungsbeamten oder des Polizisten grundsätzlich unproduktiv, weil
die Konsumtion ihrer »Produkte« (egal ob staatlich oder kommerziell
organisiert) von vornherein in keinster Weise in die »produktive Konsumtion«
eingeht. Unproduktiv ist aber auch die Produktion des »Leopard« bei
Krauss-Maffei, obwohl es sich dabei um eine mehr als handfeste Ware handelt;
denn die Konsumtion von Panzern (die dafür verausgabte Energie von »Nerv,
Muskel, Hirn«) kann beim besten Willen nicht im Zyklus der Mehrwertschöpfung
wiedererscheinen, sondern »fällt heraus«. Unproduktiv ist dann
auch der Straßenbau, weil der Konsum der Straßen nicht seinerseits
»produktive Konsumtion« der Mehrwertschöpfung ist, sondern in
der Regel ebenfalls »herausfällt«. Produktiv wäre die Arbeit
des Friseurs, soweit er produktiven Arbeitern die Haare schneidet (was zu den
Erneuerungskosten ihrer kapitalproduktiven Energie gehört); unproduktiv
hingegen dieselbe Dienstleistung, wenn sie an unproduktiven Arbeitern vollzogen
wird. Aber auch die Produktion von Autos, Kühlschränken und Waschmaschinen
ist in all den Fällen unproduktiv, in denen diese Produkte von unproduktiven
Arbeitern konsumiert werden und somit die dafür verausgabte Energie aus
dem Reproduktionsprozeß des Gesamtkapitals wiederum rein konsumtiv »herausfällt«.
Mit anderen Worten: Kapitalismus ist substantiell nur möglich, wenn ein
hinreichend großer (und zusammen mit der Kapitalakkumulation wachsender)
Teil der »Beschäftigung« im Kontext der Ware-Geld-Beziehungen
eine in sich vermittelte und verzahnte Identität von »produktiver
Konsumtion« herstellen kann, in der Produktion und Konsumtion des »Werts«
so ineinandergreifen, daß Fetisch-Form und Fetisch-Substanz in genügendem
Umfang übereinstimmen. Rosa Luxemburg ist übrigens an diese Fragestellung
herangekommen, konnte diese jedoch nicht entwickeln, weil sie ihre Argumentation
auf die Oberflächenebene der (zirkulativen) »Realisation« des
Mehrwerts beschränkte, statt den Sachverhalt vom inneren Reproduktionszyklus
des Kapitals selbst (der auf der Marktebene nur indirekt »erscheint«)
und damit von den Kategorien der produktiven/unproduktiven Arbeit her aufzurollen.
Immerhin verweist ihre These einer zunehmenden Abhängigkeit der Kapitalakkumulation
vom Geldeinkommen »dritter Personen« (d.h. von außerhalb der
eigentlichen produktiven Reproduktion des Kapitals) auf das Problem. Freilich
sah Rosa Luxemburg zeitbedingt diese »dritten Personen« noch eher
im Kontext einer vor- bzw. nichtkapitalistischen Warenproduktion (Bauern, Handwerker,
Kolonien), deren Kaufkraft den (wegen der strukturbedingten industrieproletarischen
»Unterkonsumtion«) zu eng werdenden kapitalistischen Markt speisen
müsse. Der Kapitalismus erscheint so rein auf der Ebene der Marktrealisation
als von nichtkapitalistischen Sektoren der Produktion bzw. von nichtkapitalistischen
Gebieten der Erde abhängig; seine absolute Schranke müsse er demzufolge
in demselben Maße erreichen, wie er selber diese Sektoren und Gebiete
aufsaugt und sich anverwandelt. Zwar erwähnt Rosa Luxemburg nebenbei unter
den »dritten Personen« auch die Staatsbeamten; sie kommt jedoch noch
nicht auf die Idee, daß die strukturelle Schranke des Kapitals gerade
umgekehrt zu ihrer Argumentation darin bestehen könnte, daß es aus
seiner eigenen Dynamik heraus eine wachsende Anzahl von unproduktiven Sektoren
und »dritten Personen« erzeugt, deren Einkommen und Konsum jedoch
eben deswegen zur wachsenden und schließlich untragbaren Kostenbelastung
der Kapitalreproduktion wird.15
Tatsächlich stellt sich das von Rosa Luxemburg erkannte, jedoch sozusagen
verkehrt herum aufgerollte Problem genau in dieser Form dar: der Anteil der
nicht mehr in den Kreislauf der erweiterten Reproduktion des Kapitals zurückkehrenden
Verausgabung von Arbeitskraft wächst strukturell so stark an, daß
die Schmerzgrenze schließlich historisch überschritten wird. Ironisch
könnte man sagen, daß die »Geschäftskosten« oder »Gemeinkosten«
der famosen Marktwirtschaft derart überproportional ansteigen, daß
sie schließlich als solche nach ihren eigenen Kriterien unrentabel wird.
Die Gründe dafür, warum die meisten der strukturell anwachsenden tertiären
Arbeiten nicht in die Mehrwertproduktion als »produktive Konsumtion«
zurückkehren können, mögen verschieden sein; teilweise liegen
sie in der Natur oder Art dieser Arbeiten selber, teilweise handelt es sich
um äußere Schranken.
Ist es etwa bei den rein kommerziellen, juristischen und monetären Transaktionsarbeiten
ihr von Marx genannter reiner Vermittlungscharakter, der es ihnen (obwohl ihre
»Produkte« auf dem Markt erscheinen) verbietet, in die substantielle
Mehrwertproduktion einzugehen bzw. zurückzukehren, so können andere
»Produkte« von vornherein nicht einmal Warenform annehmen, weil ihr
Konsum nicht privatisierbar ist (z.B. notwendige Maßnahmen zur Luftreinhaltung);
dennoch müssen natürlich in einer totalen Geldwirtschaft auch diese
Arbeiten bezahlt werden und auf dem Arbeitsmarkt erscheinen. Bei anderen Produkten
(Straßen, Kanalisation, Schulen, Krankenhäuser usw.) ist zwar eine
Privatisierung des Konsums (jeweils mehr oder weniger mühsam) im Prinzip
möglich; dann müßte dieser Konsum jedoch für eine zahlungsfähige
Minderheit isoliert werden, was dem seiner Natur nach flächendeckenden
Charakter einer gesellschaftlichen Infrastruktur widersprechen würde.
Der Betrieb des größten Teils der Infrastruktur ist daher nicht als
betriebswirtschaftliche Produktion für den Markt möglich (dann müßten
die Masseneinkommen 150 oder 200 oder 300 Prozent des marktwirtschaftlich erzielbaren
Einkommens betragen). Wieder anders verhält es sich bei kommerziellen Sektoren
wie dem Tourismus; hier mag es strittig sein, ob es sich um einen unproduktiven
Luxuskonsum der wenigen reichen Länder handelt, der nur über deren
besondere Potenz in der Aneignung und Umverteilung von Welt-Mehrwert vermittelt
ist (immerhin machen drei Viertel der Menschheit keinen Tourismus), oder ob
dieser Konsum teilweise (d.h. soweit er von produktiven Arbeitern genossen wird)
in produktive Reproduktionskosten eingeht und damit in die Mehrwertproduktion
zurückkehrt.16
Das hier aufscheinende Problem ist freilich wesentlich komplizierter, als es
in den diversen »Gerechtigkeits«-Diskursen den Anschein hat, die oft
unterstellen, daß den armen Ländern ein Teil »ihrer« Wertschöpfung
womöglich qua politische Pression etc. weggenommen wird. In Wirklichkeit
ist es gerade die »Gleichheit« des Wertmaßstabs, die dazu führt,
daß die kapitalschwachen Länder relativ weniger Wertmasse als die
kapitalstarken Länder aneignen können. Das Bezugssystem sind nicht
getrennte »nationale« Wertschöpfungsprozesse, sondern die Wertschöpfung
des globalen Gesamtkapitals, deren Maßstab der auf dem Weltmarkt gültige
Produktivitätsstandard ist. Wie ein betriebswirtschaftliches Einzelkapital
auf dem Markt nicht etwa einen »individuellen« Wert nach Maßgabe
seiner tatsächlich aufgewendeten Arbeitszeit vergütet bekommt, sondern
über den erzielbaren Marktpreis nur einen Teil der gesamtgesellschaftlichen
Wertschöpfung nach Maßgabe des gesellschaftlich gültigen Produktivitätsstandards,
ebensowenig kann eine Nationalökonomie auf dem Weltmarkt eine ihrem nationalen
Arbeitsaufwand entsprechende Wertmasse hereinholen, sondern immer nur jenen
Anteil der globalen Wertproduktion, der ihrer Produktivität entspricht;
und diese ist bei kapitalschwachen Ländern eben relativ geringer. Sowohl
im Verhältnis von Einzelkapital und Gesamtkapital als auch im Verhältnis
von Nationalökonomie und Weltmarkt besteht die Paradoxie gerade darin,
daß diejenigen Unternehmen/Länder, die aufgrund ihrer relativ höheren
Produktivität am wenigsten Wert (d.h. fiktional »geronnene Arbeit«)
erzeugen, weil sie mit weniger Arbeit pro Produkt bzw. pro Kapitaleinsatz auskommen,
sich in der Konkurrenz auf dem Markt das größte Stück vom gesamt-
bzw. weltkapitalistisch erzeugten realen (gültigen) Wert aneignen können.
Daß dieser Prozeß der Konkurrenz in seinem Endstadium einer unmittelbaren
Globalisierung des Kapitals die Wert- und Mehrwertproduktion als solche ad absurdum
führt, steht auf einem anderen Blatt (dazu ausführlicher weiter unten).
Wie auch immer: die Tourismus-»Industrie«, jedenfalls der Massentourismus,
stellt im Kontext globaler Mehrwert-Aneignung sicherlich mindestens eine Grauzone
in der Aggregierung von produktiver und unproduktiver Arbeit dar. Auch wenn
es sicherlich noch weitere Grenzfälle, Grauzonen und »gemischte«
Formen der Tätigkeit gibt, so steht doch fest, daß sich insgesamt
historisch der Anteil der kapitalistisch unproduktiven Arbeiten, die (vom Standpunkt
der Mehrwertproduktion aus) nichts als gesellschaftlichen Konsum und somit »Gemeinkosten«
darstellen, unaufhaltsam erhöht. Die Ursachen sind letztlich der konkurrenzvermittelte
Prozeß der Verwissenschaftlichung einerseits und die wachsenden »Reparaturkosten«
an Mensch und Natur durch die »Systemschäden« andererseits. Durch
betriebswirtschaftliche Auslagerung und damit verbundene Rationalisierung von
betrieblichen »Gemeinkosten« kann zwar eine Kostensenkung der unproduktiven
Arbeit erzielt werden; diese wird jedoch bei weitem überkompensiert durch
die totale strukturelle Expansion dieser »sachlich« notwendigen, jedoch
substantiell nicht mehrwertproduzierenden Sektoren. Die kommerziellen, monetären
und juristischen Transaktionskosten, die sekundären Kosten des unproduktiven
Luxuskonsums, die Verwaltungskosten, die gesamtgesellschaftlichen Voraus- und
(sozial-ökologischen) Folgekosten sowie die Kosten für die allgemeinen
Rahmenbedingungen und für die Logistik der eigentlichen Mehrwertproduktion
beginnen diese so stark zu überwuchern, daß sie daran zu ersticken
beginnt.
4. Tertiarisierung, zinstragendes
Kapital und Staatskredit
Um dieses Ersticken hinauszuzögern,
muß wiederum der Kredit einspringen, d.h. das zinstragende Kapital, dessen
Anteil an der kapitalistischen Reproduktion damit noch einmal sprunghaft ansteigt.
Denn zu den säkular ansteigenden Kreditkosten der industriellen Mehrwertproduktion
selbst, die dem wachsenden Anteil des Sachkapitals geschuldet sind, treten nun
die ebenso säkular ansteigenden Kreditkosten der allgemeinen Geschäfts-
und Rahmenbedingungen des totalen Marktsystems auf den genannten Ebenen. Damit
verschärft sich jedoch das Problem um ein Vielfaches; denn werden die steigenden
Kreditgelder im ersten Falle wenigstens noch für die tatsächliche
Mehrwertproduktion verwendet (auch wenn allmählich ein Mißverhältnis
von Kreditkosten und nachfolgendem Mehrwert zu entstehen droht), so muß
der Kredit im zweiten Falle rein für kapitalistisch unproduktiven Konsum
verpulvert werden. Soweit es sich dabei um kommerzielle unproduktive Sektoren
handelt, drücken diese indirekt auf die gesamtgesellschaftliche Profitrate;
soweit es sich um staatlich vermittelte Sektoren der Infrastruktur, der sozialökologischen
Folgekosten usw. handelt, entsteht ein direkter Abgabendruck auf die Löhne
und Gewinne bzw. der Staat muß eben selber zum Mittel des Kredits greifen,
weil seine reellen Einnahmen nicht mehr ausreichen.17 Insofern
finden wir dann den wachsenden Anteil der unproduktiven Arbeit in verwandelter
Form auch wieder im Kalkül der Wirtschaftssubjekte, und zwar als wachsenden
Kostendruck (des staatlich vermittelten, z.B. auch als »Lohnnebenkosten«
erscheinenden Teils der gesellschaftlichen »Gemeinkosten«), der bekanntlich
nicht nur nach dem unternehmerischen Motto »lerne klagen ohne zu leiden«
bejammert wird, sondern auch tatsächlich zum Krisenproblem der gesellschaftlichen
Reproduktion geworden ist.
Gleichzeitig entsteht jedoch ein weiteres, theoretisch kaum beachtetes Phänomen.
Denn in demselben Maße, wie der Anteil der unproduktiven Sektoren an der
gesamtgesellschaftlichen Reproduktion wächst, verwandelt sich auch ein
zunehmender Teil der industriellen Produktion selbst in eine strukturell unproduktive.
Dieser Sachverhalt geht, wie gezeigt, erst aus einer kreislauftheoretischen
Betrachtung hervor. Die unaufhaltsam wachsende, zunehmend nur noch aus dem immer
weiter gestreckten Kreditgeld bezahlte Masse der unproduktiven Arbeiter muß
natürlich essen, trinken und wohnen, fährt Auto, konsumiert Fernseher,
Kühlschränke usw. Da dieser Konsum jedoch in ihrem Fall kein produktiver
ist und also nicht in die Mehrwertproduktion zurückkehrt, bedeutet das
nichts anderes, als daß indirekt ein wachsender Teil der industriellen
Produktion paradoxerweise nur noch am Tropf der kreditfinanzierten unproduktiven
Sektoren hängt.
Die paradoxe Doppelbödigkeit besteht darin, daß einerseits grundsätzlich
die unproduktiven Sektoren (über welche Vermittlungen auch immer) in letzter
Instanz aus der realen Mehrwertproduktion gespeist werden müssen, andererseits
jedoch die industrielle Produktion als zentraler Träger der Mehrwertschöpfung
aufgrund des zunehmenden Konsums der unproduktiven Arbeiter selber immer weniger
(oder nur noch scheinbar) reale Mehrwertproduktion ist und ihrerseits von den
unproduktiven Einkommen genährt wird. Die wirkliche Basis ist also bereits
viel kleiner, als es den Anschein hat. Denn die entscheidende Differenzierung
von produktiver und unproduktiver Arbeit ist nicht deckungsgleich mit den absoluten
Größenverhältnissen von nomineller Industrieproduktion und »tertiärem
Sektor«, sondern verläuft (kreislauftheoretisch betrachtet) quer dazu.
In Wahrheit ist die basale industrielle Produktion nicht nur in erster Potenz,
d.h. hinsichtlich der Finanzierung ihres eigenen Sachkapitals, vom Kredit abhängig,
sondern auch in zweiter Potenz, nämlich von kreditfinanzierten Konsumgütermärkten.18
Daß dabei der lawinenartig gestiegene Staatskonsum bzw.
Staatskredit eine Hauptrolle spielt, hat natürlich auch etwas damit zu
tun, daß der Staat (im Gegensatz zum privaten Kreditnehmer) als »infallibler
Schuldner« gilt, was aber wiederum nur heißt, daß er im Falle
einer großen Geld- und Kreditkrise nicht selbst bankrottieren kann, sondern
stattdessen seine Bürger-Gläubiger schlicht enteignet.19
5. Globalisierung und Phantom-Industrien
Bisher wurde nur der Begriff der
absolut (»an sich«) unproduktiven Arbeit auf der Ebene des Gesamtkapitals
dargestellt, wie er in seiner Vielschichtigkeit kreislauftheoretisch erschlossen
werden kann. Ebenso wächst jedoch auch historisch der Anteil der bloß
in einem relativen Sinne unproduktiven Arbeit innerhalb des Industriesystems
an. In relativer Hinsicht unproduktiv ist eine warenproduzierende Tätigkeit
ungeachtet ihres sonstigen Charakters bekanntlich dann, wenn ihre Produktivität
(das Verhältnis von Arbeitsaufwand und Produktionsergebnis) unter den gegebenen
gesellschaftlichen Standard (die gesellschaftliche Durchschnittsproduktivität)
fällt. Dabei kommt es natürlich auf den Bezugsraum dieses Standards
an, d.h. ob dieser Raum die Region, die Nationalökonomie oder der Weltmarkt
ist. Eine regional beschränkte Warenproduktion ist meistens noch nicht
völlig nach betriebswirtschaftlicher Rationalität durchorganisiert
und steht nur indirekt mit der Verwertung des Kapitals in Beziehung (sogenannte
kleine Warenproduktion, Handwerk, Reparaturbetriebe etc.). Der Druck eines ständig
höher geschraubten gesellschaftlichen Standards ist auf dieser Ebene noch
nicht oder nur in geringem Maße wirksam. Erst auf der Ebene der historisch
herausgebildeten kohärenten Nationalökonomien entsteht zusammen mit
der »Durchschnittsprofitrate« auch eine gesellschaftliche Durchschnittsproduktivität
in den einzelnen Sektoren, die zum Diktat für die Unternehmen wird.
Wieder anders dagegen verhält es sich auf dem Weltmarkt. Hier bildet sich
kein weltgesellschaftlicher Durchschnitt aus, sondern es setzt sich das Produktivitätsniveau
der höchstentwickelten Länder durch. Der Grund dafür ist einfach
der, daß sich ein gesellschaftlicher Durchschnitt nur im Kontext historischer
Gleichzeitigkeit entwickeln kann, d.h. im Rahmen historisch gewachsener
Nationalökonomien, deren Produktionssektoren auch auf einem gemeinsamen
Niveau entstanden sind und deshalb im fortlaufenden Prozeß der Verwissenschaftlichung,
der steigenden Kapitalintensität etc. überhaupt einen gemeinsamen
Maßstab der Produktivität bilden konnten. Das ist jedoch nicht der
Fall, wenn historisch ungleichzeitig entwickelte Industriesysteme ungefiltert
aufeinandertreffen. Dann bildet sich nicht etwa ein neues Durchschnittsniveau,
das den Standard der höherentwickelten (weil früher in die Industrialisierung/Kapitalisierung
»eingestiegenen«) Nationalökonomien rapide absenken würde,
wie es etwa Paul Mattick fälschlicherweise annahm, sondern die historisch
ungleichzeitige niedrigproduktive Produktion wird niedergewalzt und liquidiert.20
Es ist wiederum der Staat, der hier ebenso wie hinsichtlich eines Großteils
der inneren »Gemeinkosten« des warenproduzierenden Systems auch gegenüber
dem äußeren Konkurrenzdruck einspringen muß. Das einfachste
Mittel, die Ungleichheit bzw. Ungleichzeitigkeit der Produktivitätsniveaus
zu filtern, ist ein rein administratives, nämlich das Errichten von Zollschranken.
Dieses Mittel wirkt jedoch nur bei einer relativ geringen Weltmarkt-Integration
(was gleichbedeutend wäre mit einer Abkoppelung von allen Welt-Errungenschaften
und einem umso rascheren Zurückfallen in der Produktivität). Sobald
die Vermittlung mit dem Weltmarkt unvermeidlich ein größeres Ausmaß
angenommen hat, stellt sich sehr schnell heraus, daß die Einmauerung durch
Zölle alles andere als kostenneutral ist; denn alles, was notgedrungen
importiert wird, muß zu Weltmarktpreisen gekauft werden, und dafür
muß man erst einmal die Devisen durch eigene Exporte verdienen. Die eigene
unterproduktive Industrie kann nun zwar durch Zollmauern gegen ausländische
Billigkonkurrenz geschützt werden; soweit ihre Produkte jedoch ihrerseits
zwecks Devisen-Erwirtschaftung exportiert werden müssen, können sie
ebenfalls nur zu Weltmarktpreisen verkauft werden, d.h. gemäß dem
Produktivitätsstandard der höchstentwickelten, den Weltmarkt dominierenden
Länder. Dann aber tut sich rasch eine Schere bei den »terms of trade«
auf, d.h. immer größere eigene Arbeitsmengen müssen gegen immer
kleinere fremde Arbeitsmengen getauscht werden.21 Dieser
Sachverhalt ist es auch, der die kurzschlüssige Illusion vom »gerechten/ungerechten
Tausch« hervorgerufen hat.
Erschwert wird die Situation dadurch, daß hohe Zölle im Gegenzug
ebenso hohe Zölle für die eigenen Waren beim Export in andere Länder
hervorrufen, womit sich das Devisenproblem weiter verschärft. Letztlich
bleibt dem Staat nichts anderes übrig, als die eigenen Industrien zu subventionieren,
sowohl um sie auch bei gesenkten Zöllen auf dem Binnenmarkt zu erhalten,
als auch um sie auf den Exportmärkten künstlich konkurrenzfähig
zu machen (Exportsubventionen). Diese Subventionen nun sind erst recht ein monströser
Kreditfresser, und zwar umso mehr, je größere Teile der jeweiligen
Industrie hinter dem hochgeschraubten (an den Spitzenreitern orientierten) globalen
Produktivitätsstandard herhinken. Bei einzelnen Industrien (Kohlebergbau,
Stahl, Schiffbau, Textil- und Schuhindustrie, Möbel etc.) gilt dies inzwischen
auch für die hochentwickelten Weltmarktführer selbst.
Im Zuge der vielbeschworenen Globalisierung der Finanz- und Warenmärkte,
der internationalen Zerlegung von Produktionsprozessen und der globalen Konkurrenz
um »Standorte« beginnt sich heute sogar die nationalökonomische
Kohärenz überhaupt zu zersetzen. Im Grunde genommen könnten wenige
über den Globus nach Maßgabe der Kostengünstigkeit (monetaristischer
»Angebotsfaktor«) verstreute hochproduktive Produktionszentren die
gesamte Welt mit Waren überschwemmen und die Mehrzahl der vorhandenen Industrien
niederwalzen. Das Ergebnis wäre natürlich der Zusammenbruch der ohnehin
prekären globalen Kaufkraft; das warenproduzierende System hätte sich
damit nicht nur strukturell und binnenökonomisch, sondern auch auf der
Ebene der Weltmarktvermittlung selber ad absurdum geführt. Also muß
der Staatskredit noch einmal unabsehbar gedehnt werden, die Subventionskosten
übersteigen alle bisherigen Grenzen. Für viele Länder macht dieser
Faktor sogar bereits den Hauptposten des gesamten Kredits aus. Die Alternative
wäre der offene Zusammenbruch der jeweiligen Nationalökonomie und
der Rückzug der kapitalistischen Reproduktion auf eine extreme Minderheitsposition,
d.h. auf wenige »Produktivitätsinseln« für den Weltmarkt,
den es bei einer Verallgemeinerung dieses Zustands nicht mehr gäbe. Tatsächlich
verhält es sich momentan so, daß die Kreditkosten für die Subventionierung
im Weltmaßstab trotz gegenteiliger ideologischer Bekenntnisse notgedrungen
weiter ansteigen. Nicht ein schrumpfender, sondern ein wachsender Anteil des
globalen Industriesystems hängt bereits unmittelbar (also nicht
bloß vermittelt über den Konsum der wachsenden unproduktiven Sektoren)
am Tropf der kreditären Simulation; vom Standpunkt der Systemlogik aus
handelt es sich um bloße Phantomindustrien, die künstlich erzeugt
und am Leben gehalten werden.22 Hier haben
wir es also nach den steigenden Kreditkosten für die eigentliche Mehrwertproduktion
und dem wachsenden Anteil der kreditfinanzierten strukturell unproduktiven Arbeit
bereits mit der dritten Potenz der gesamtgesellschaftlichen Kreditabhängigkeit
zu tun.
6. Entsubstantialisierung des
Geldes und strukturelle Inflation
Nimmt man die drei Potenzen der
strukturellen Kreditabhängigkeit zusammen, dann ist es klar, daß
die unaufhaltsam wachsende Entfernung des Kreditgeldes von der abstrakten Arbeits-Substanz
des Systems logisch zum Kollaps führen muß. Faktisch hieß dies
zunächst für eine jahrzehntelange Inkubationszeit, daß die Kreditketten
immer weiter gespannt werden und immer tiefer in die Zukunft vorgreifen mußten.
Dabei wuchsen nicht nur die Finanzinstitutionen im säkularen Maßstab
an,23 sondern vor allem der Staatskredit
explodierte geradezu. Historisch markiert wurde die neue Entwicklungsstufe des
Kapitalismus, die seinen Höhepunkt wie seine absolute Schranke ankündigen
sollte, bereits durch den Ersten Weltkrieg. Insofern witterten so unterschiedliche
Theoretiker des Arbeiterbewegungs-Marxismus wie Lenin und Rosa Luxemburg (letztere
wie gezeigt sogar an das Problem herankommend und auf weit höherem Reflexionsniveau
als der »Politizist« Lenin) durchaus etwas Richtiges, wenn sie vom
»letzten und höchsten Stadium« (Lenin) und sogar vom »Zusammenbruch«
(Luxemburg) sprachen; nur daß dieses »Stadium« sich eben selber
erst bis zum Ende des Jahrhunderts ausentwickeln mußte und die tatsächliche
historische Grenze mit den damaligen Begriffen nicht mehr adäquat erfaßt
werden kann, weil damit auch der theoretische Horizont der Arbeiterbewegung
als solcher überschritten wird.
Vor dem Ersten Weltkrieg war der Kapitalismus nur ein (wenn auch stetig wachsendes)
Segment der gesellschaftlichen Reproduktion gewesen, das sich noch nicht durch
sämtliche Produktionssektoren hindurchgefressen hatte; der Staat hatte
noch keine tragende Funktion des Reproduktionsprozesses übernommen und
bezog seine Einnahmen noch hauptsächlich durch Steuern (ein einigermaßen
ausgeglichener Haushalt galt als Grundbedingung seriöser Staatsführung);
und das Geld im eigentlichen Sinne war das Edelmetall (vor allem Gold), d.h.
die umlaufenden Banknoten waren jederzeit goldkonvertibel. Diese drei Momente
lösten sich allesamt durch den Weltkrieg auf, der sich ebenso wie der schon
zwei Dekaden später folgende zweite globale Waffengang als gewaltiger Durchlauferhitzer
der kapitalistischen Entwicklung erweisen sollte. Die industrialisierte Kriegführung
stieß nicht nur das Tor für den folgenden Durchbruch der fordistischen
Industrien und eine flächendeckende Durchkapitalisierung der Gesellschaft
weit auf, sondern sie zwang auch den Staat endgültig in jene (natürlich
schon lange vorbereitete) Rolle als Träger der Logistik und der allgemeinen
Geschäftskosten dieses Prozesses hinein.
Den Zeitgenossen war dies keineswegs klar; sie sahen großenteils zunächst
nur eine Unterbrechung der vermeintlichen Normalität durch den Krieg. Aber
rasch wurde deutlich, daß es kein Zurück mehr in die Strukturen der
Zeit vor 1914 geben konnte. Die »Finanzkrise des Steuerstaats« wurde
zum großen Thema, das im Abstand von einem halben Jahrhundert mehrfach
zu heftigen Diskussionen Anlaß gab (Rudolf Goldscheid und Joseph Schumpeter
1917/18, James O'Connor 1973, Klaus-Martin Groth 1978 u.a.). Von 1914/15 bis
heute, also im Verlauf von 80 Jahren, wurden alle Grundlagen von Staatsökonomie,
Geldtheorie, Wirtschafts- und Finanzpolitik umgestoßen. Der Staatskredit
ist in diesem gesamten Zeitraum fast ununterbrochen gewachsen, und die Theorie
verhielt sich eigentlich nur reaktiv zu diesem erstaunlichen Prozeß; zuerst
erschreckt, dann immer dreister und gleichzeitig vergeßlicher. Wurde die
gefährliche Expansion der Staatsfinanzen über alle reellen Einnahmen
hinaus am Ende des Ersten Weltkriegs noch als zu überwindendes Krisenphänomen
betrachtet, so sollten schon bald Keynes und der Keynesianismus eine Legitimation
dafür liefern, die neuen Phänomene auch als neue Normalität zu
betrachten, die (wie Schumpeter schon frühzeitig bemerkt hatte) keineswegs
akut in den Zusammenbruch führen müsse. Daraus zog man allmählich
den Schluß, daß es den über das aufgeblähte Kreditsystem
vermittelten strukturellen Zusammenbruch überhaupt nie geben werde.
Fast dieselben Ängste und fast dieselbe Entwarnung wiederholten sich in
den 70er Jahren, als die Verschuldungsgrenzen nicht nur des Weltmachtkonsums
der USA, sondern des Steuerstaats überhaupt wieder ins Blickfeld rückten
(in Deutschland wurde die damalige Krisenkulmination durch das turbulente Ende
der sozialliberalen Koalition markiert). Als auch diesmal der »big bang«
ausblieb, lehnte man sich abermals zurück und wurde noch viel ungenierter
als jemals zuvor seit dem Beginn der strukturellen Disproportionalität
von (kapitalproduktiver) Arbeit und Geld. Je weiter das Kreditsystem abhob,
desto mehr wurden aus früheren Schreckensmeldungen und Krisenproblemen
harmlose, im Prinzip leicht zu bewältigende »Nebenwidersprüche«
gemacht.24 Als äußerst durchsichtiges
und historisch unreflektiertes Argument erscheint in diesem Zusammenhang immer
wieder die Behauptung, das Problem sei überhaupt nicht neu; schon in allen
Jahrhunderten seit der Renaissance und selbst im berühmten alten Rom habe
es hohe Staatsverschuldung ohne Zusammenbruchskonsequenzen gegeben.
Wer so argumentiert, weiß gar nicht, wovon er redet. Sowohl absolut als
auch relativ lassen sich die früheren Beispiele überhaupt nicht mit
der Entwicklung seit dem Ersten Weltkrieg vergleichen. Die Überschuldung
von Staaten bzw. Herrscherhäusern war keine strukturelle im Sinne des 20.
Jahrhunderts; sie war entweder an die (temporäre) Finanzierung von Kriegen
gebunden oder (soweit länger andauernd) an die Kosten einer allzu üppigen
Hofhaltung etc.; niemals aber hatte sie die gesellschaftliche Reproduktion als
solche erfaßt und in zunehmendem Maße getragen. Das »Gesetz
der wachsenden Staatsquote« (am gesamten Sozialprodukt), das der deutsche
Ökonom und »Kathedersozialist« Adolph Wagner schon 1863 aufgestellt
hatte und das durch die reale Entwicklung voll bestätigt worden ist, verweist
auf die neue Qualität der Staatsverschuldung unter den Bedingungen der
vollkapitalistischen, verwissenschaftlichten Reproduktion.25
Damit aber hat sich eine völlig neue, nie dagewesene
Situation herausgebildet: das Problem der Staatsfinanzen und damit des »fiktiven
Kapitals« in Form des Staatskredits betrifft nicht mehr bloß den
Staatsapparat als solchen, sondern in Wirklichkeit ist davon das warenförmig
organisierte Leben der Gesellschaft selber abhängig geworden.
Daß die Geschäftskosten und Rahmenbedingungen des Wertschöpfungsprozesses
auf hohem Niveau der Verwissenschaftlichung und Kapitalintensität die Wertschöpfung
selber überwuchern, drückt sich in einer paradoxen Verkehrung des
Verhältnisses von Staat und Gesellschaft aus: nicht die Gesellschaft nährt
mehr den Staat, damit dieser ihre »allgemeinen Angelegenheiten« besorge,
sondern umgekehrt muß zunehmend der Staat durch »fiktives Kapital«
die Gesellschaft nähren, damit sie in ihrer obsolet gewordenen Form als
warenproduzierendes System verharren kann. Das vampirartige Ansaugen der Zukunft,
die Verpfändung und »Kapitalisierung« von immer mehr zukünftiger
Arbeitsmasse, erfaßt nun also sowohl die Reproduktion des Kapitals als
auch die Reproduktion des Staates; und beide Formen der Kreditabhängigkeit
verzahnen sich miteinander. Damit aber tritt auch die Geldnachfrage des Staatskredits
in Konkurrenz zur Geldnachfrage des Unternehmenskredits und des Privatkredits,
wodurch erst endgültig das Zinsniveau zyklusunabhängig nach oben gedrückt
wird. Auf diese Weise gleiten dem Staat die soeben erst ergriffenen Zügel
der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder aus der Hand, weil seine eigene unersättlich
gewordene Nachfrage auf den Kreditmärkten keine konsequente Zinssenkungspolitik
mehr erlaubt.26
Der hemmungslose Kreditbedarf konnte natürlich auch das Geld nicht in seiner
bis dahin gültigen Form belassen. Die Goldkonvertibilität und damit
die reale Wertsubstanz der Währungssysteme mußte fallen. Hatten schon
die ersten Monate des Weltkriegs 1914/15 gezeigt, daß eine industrialisierte
Kriegführung mit Geld auf Goldbasis nicht mehr zu finanzieren ist, so zeigte
die seitherige Entwicklung, daß die durch den Weltkrieg entfesselte fordistische
Mobilisierung und Vollkapitalisierung auch in den zivilen Sektoren die kreditfinanzierte
Steigerung des Staatskonsums irreversibel gemacht hatte. Hatte Keynes selber
den Staatskonsum noch als bloße Not- oder Überbrückungsmaßnahme
zur »Ankurbelung« der Konjunktur und somit als mehr äußerlichen
Eingriff gesehen, so handelte es sich, wie nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich
wurde, in Wirklichkeit um eine dauerhafte Strukturveränderung, die aus
den inneren Systemnotwendigkeiten selbst resultierte. Das vermeintliche keynesianische
Programm zur Krisenbewältigung (»deficit spending«) wurde zum
Dauerbrenner, auf dem die verpfändete Zukunft verfeuert werden mußte.
Damit war natürlich eine Rückkehr zum Goldstandard völlig unmöglich
geworden, denn die nunmehr benötigten Massen von Kreditgeld konnten beim
besten Willen nicht mehr in irgendeine Relation zu einer eigenen Wertsubstanz
des Geldes gesetzt werden.27
Mit anderen Worten: die Entsubstantialisierung des Geldes selber ist zur Tatsache
geworden. In der oberflächlichen Betrachtungsweise der VWL, die ohnehin
nie mit den vermeintlich »philosophischen« Implikationen des klassischen
ökonomischen Wertbegriffs klargekommen war und die sich längst (praktisch)
auf die Entwicklung finanztechnischer Manipulationen bzw. (theoretisch) auf
wirklichkeitsfremde mathematisierte Modellplatonismen ohne jeden Substanzbegriff
zurückgezogen hatte, war das natürlich kein Beinbruch; im Gegenteil,
seit Keynes beeilte man sich zu versichern, daß das Gold bloß »ein
barbarisches Metall« und fortan ohne jede monetäre Bedeutung sei.
Auf die Idee, daß die gesellschaftliche Geldvermittlung und fetischistische
Selbstbewegung des »Werts« selber ein barbarischer Primitivismus sein
könnte, der des »barbarischen Metalls« letztendlich gar nicht
entraten kann, kam man natürlich nicht. Entsubstantialisierung des Geldes
bedeutet aber nichts geringeres als seine faktische Entwertung, und damit den
Verlust einer wesentlichen Geldfunktion: nämlich der des Wertaufbewahrungsmittels.
Anders gesagt: die Wertaufbewahrung mittels des Geldes beruht nach dem Verlust
der Goldkonvertibilität nur noch auf Konvention und subjektiver Akzeptanz,
hat aber keinerlei objektiven Grund mehr. Das bedeutet, daß diese Geldfunktion
der Wertaufbewahrung auf Gedeih und Verderb an ökonomische Schönwetterzeiten
gebunden ist; eine tiefere Reproduktionskrise hingegen würde sie nicht
überstehen. Damit hat das System aber sein eigenes inneres Sicherungssystem
abgeschaltet. Hier haben wir es bereits mit der vierten Potenz der Entkoppelung
von »Arbeit« und Geld zu tun, die die anderen Potenzen überhaupt
erst längerfristig möglich gemacht hat, und zwar auf der Ebene und
in der Gestalt des Geldes selber. Die logische Konsequenz dieser strukturellen
Entsubstantialisierung des Geldes ist aber notwendig die strukturelle Inflationierung.
Auch in dieser Hinsicht waren und sind die Entwarnungen der affirmativen keynesianischen
(und großenteils auch der marxistischen) Ökonomen äußerst
voreilig. Daß die rasche große Preisinflation bei der (offenen oder
heimlichen) Aufhebung des Gehalts an Edelmetall in den »Münzverschlechterungen«
etwa des Spätmittelalters oder bei der Aufhebung der Gold- bzw. Silberkonvertibilität
von Papiernoten (etwa des berüchtigten Law'schen Papiergelds im französischen
Absolutismus, der Assignaten der französischen Revolutionsregierung oder
des Papierdollars im US-Bürgerkrieg) nur mangelnder Gewöhnung und
mangelnder Finanztechnik geschuldet gewesen sei, ist nicht einmal die halbe
Wahrheit. Denn zum einen wurde die temporäre Geldentwertung in der Vergangenheit
nicht durch Gewöhnung an ein entsubstantialisiertes Geld überwunden,
sondern im Gegenteil vermittels der allgemeinen Durchsetzung des Goldstandards.
Zum andern aber folgte auch auf die Kriegswirtschaften der beiden Weltkriege
jeweils eine drastische Geldentwertung, besonders natürlich beim Verlierer
Deutschland: 1923 als Hyperinflation, 1945/48 als deflationärer Schock
(Ungültigwerden der Guthaben und Geldscheine).
Aber auch in der Epoche keynesianischer Expansion des Kredits (vor allem des
Staatskredits) nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Inflation allgegenwärtig
geblieben; gerade in dieser Zeit hat sie sich aus dem Zustand temporärer
Ausschläge in einen strukturellen Dauerzustand verwandelt. In dieser strukturellen
Dauerinflation, die durch geldpolitische Eingriffe der Notenbanken oder der
Gesetzgeber gelegentlich vermindert, aber nie mehr ganz beseitigt werden konnte,
erscheint die verborgene Masse der unproduktiven Arbeit ebenso an der monetären
Oberfläche und in der Kalkulation der Wirtschaftssubjekte wie bei der wachsenden
Belastung durch Lohnnebenkosten oder durch die Bedienung von Unternehmens-,
Staats- und Konsumentenkrediten. Daß diese strukturelle Inflationierung
zumindest in den OECD-Ländern auf relativ niedrigem Niveau köchelt,
ist zum einen der immer noch »laufenden« (wenn auch schon von tieferen
Einbrüchen gekennzeichneten) Konjunktur geschuldet, zum andern aber auch
der teilweisen Problem-Externalisierung in die Verliererländer des Weltmarkts.28
Durch ihren Vorsprung in der Produktivität und Kapitalintensität konnten
die industriellen Metropolen über längere Zeit die Masse des globalen
Mehrwerts abschöpfen und sich über die nationalen Finanzmärkte
hinaus den Zugang zum internationalen Kredit offenhalten, während die Peripherie
und die historischen Späteinsteiger zunehmend nur noch durch die substanzlose
staatliche Geldschöpfung, d.h. vermittels der direkten Notenpressen-Inflation,
eine notdürftige Kohärenz der Reproduktion aufrechtzuerhalten vermochten.
Durch den Prozeß der Globalisierung werden jedoch seit dem Ende der 80er
Jahre auch die alten kapitalistischen Zentren selber immer mehr in die Nähe
dieses Zustands gerückt. Strenggenommen ist diese Erscheinung, in der sich
die temporäre Notenpressen-Finanzierung der Kriegswirtschaft in der Weltkriegsepoche
heute in großen Teilen der Welt nicht nur wiederholt, sondern zum Dauerzustand
der gesellschaftlichen Reproduktion als ganzer geworden ist, sogar als fünfte
Potenz der Entkoppelung von »Arbeit« und Geld zu betrachten; denn
dabei wird das entsubstantialisierte Geld nicht einmal mehr durch die regulären
Finanzmärkte geschleust, sondern die gesellschaftliche Reproduktion in
der Warenform wird unmittelbar geheizt mit aus dem Nichts geschöpften,
lediglich dem staatlichen Ukas folgenden Geldmengen der jeweiligen Währung.
In Lateinamerika, Afrika, großen Teilen Asiens und mittlerweile auch Osteuropas
haben wir es auf diese Weise mit der völlig neuen Erscheinung von hyperinflationären
Zyklen zu tun; d.h. mit einer Bewegung der Ökonomie, die nicht mehr
dem »regulären« Zyklus der Kapitalakkumulation, sondern dem Pulsieren
der Notenpresse in einer nicht mehr abreißenden Kette von Währungsschnitten
und Währungsreformen folgt. Es ist keineswegs eine Übertreibung, bereits
heute vom globalen Zusammenbruch der Geldwirtschaft (und damit der modernen
»Arbeitsgesellschaft« und des dazugehörigen Marktsystems) zu
sprechen. Einzig und allein der in dieser Hinsicht merkwürdigerweise so
gut wie gar nicht kritisierte alte Eurozentrismus ist es, der eine adäquate
Beurteilung der tatsächlichen Weltentwicklung verhindert. Während
der Westen vorläufig noch in der Nachkriegsphase der strukturellen Inflationierung
auf niedrigem Niveau verharrt, muß die überwältigende Mehrzahl
der Menschheit bereits unter den Bedingungen einer zwei- bis dreistelligen Inflation
oder der Hyperinflation mit Raten zwischen tausend und einer Million Prozent
leben. Die globale Pro-Kopf-Inflationsrate dürfte mittlerweile im dreistelligen
Bereich liegen. Dieser Tatbestand zeigt an, daß die globale unproduktive
Arbeit sowohl im absoluten als auch im relativen Sinne die historische Schmerzgrenze
des Systems überschritten hat und die verwissenschaftlichte Weltgesellschaft
über die Formen des warenproduzierenden Systems irreversibel hinausgewachsen
ist.
7. Von der fordistischen Expansion
zur mikroelektronischen Revolution
In der Epoche vom 1. Weltkrieg bis
zum Ende der 70er Jahre trat die Strukturkrise der systemischen »Geschäftskosten«
durch unproduktive Arbeit, der Staatsfinanzen und der Inflation nur als Nebenproblem
in Erscheinung, d.h. entweder beschränkt auf temporäre Krisenschübe
oder strukturell auf kleiner Flamme köchelnd. Der Grund für diese
scheinbare Bewältigbarkeit des Problems, der diese Epoche erst zur Inkubationszeit
des eigentlichen und absoluten Systemdesasters machte, ist im Charakter der
fordistischen Expansion zu suchen. Diese ebenfalls vom 1. Weltkrieg ausgehende
Expansion der neuen Industrien mit der Automobilproduktion im Zentrum überlagerte
zunächst für mehr als ein halbes Jahrhundert die Strukturkrise der
gleichzeitigen Expansion unproduktiver Arbeit.
Genauer gesagt haben wir es dabei mit einer paradoxen Verschränkung in
der simultanen Expansion produktiver und unproduktiver Arbeit zu tun. Einerseits
mobilisierte der Fordismus neue Massen produktiver Arbeit in bis dahin nicht
für möglich gehaltenen Dimensionen; andererseits war dieselbe Entwicklung
nur durch eine sprunghafte Ausdehnung der gesellschaftlichen Logistik, der allgemeinen
Rahmenbedingungen etc. und damit der unproduktiven Arbeit möglich. Die
Disproportionalität in der Expansion dieser beiden gegenläufigen Momente
brachte zwar mehrfach das strukturelle Krisenproblem (vor allem auf der Ebene
der Staatsfinanzen) auf die Tagesordnung; aber letztendlich konnte doch auf
längere Sicht die Expansion der unproduktiven durch die gleichzeitige Expansion
der produktiven Arbeit in den fordistischen Industrien »gefüttert«
werden, d.h. der absolute Zuwachs an realer Wertsubstanz kompensierte die absolute
und relative Zunahme der unproduktiven Sektoren.
Phänomenologisch kann die fordistische Expansion von produktiver Arbeit/realer
Wertsubstanz auf mehreren sich überlagernden Ebenen beschrieben werden.
Zum einen war es natürlich in der Tat die innere und äußere
Ausdehnung der Kapitalverwertung und damit der betriebswirtschaftlichen Rationalität,
die neue Felder der realen Mehrwertproduktion erschloß. Nach außen
trugen das fortgesetzte, schon im »Kommunistischen Manifest« erwähnte
Hineinziehen bis dahin nicht-kapitalistischer Gebiete der Erde in die kapitalistische
Reproduktionsform und der damit verbundene Kapitalexport (ein wesentliches,
wenn auch verkürzt aufgenommenes Moment in der Theorie von Lenin) diese
Erweiterung; nach innen bewirkte die Verwandlung bis dahin nicht-kapitalistischer
(bäuerlicher, handwerklicher und subsistenzwirtschaftlicher) Reproduktionsformen
in Sektoren der Kapitalverwertung, wie sie durch die neuen fordistischen Methoden
möglich wurde, denselben Effekt. Insofern war es (gerade umgekehrt wie
in der theoretischen Schlußfolgerung von Rosa Luxemburg) die Verwandlung
ehemals »dritter Personen« in kapitalistische Lohnarbeiter, die zunächst
die Mehrwertschöpfung von der Produktionsebene her steigerte statt von
der Markt- und damit Realisationsebene her eine Schranke darzustellen. Zusammen
mit der Expansion der realen Wertschöpfung wurden ja auch mehr relle kapitalistische
Geldeinkommen erzeugt.
Vor allem aber war es die Verbindung neuer Industrien und neuer Massenbedürfnisse,
die den eigentlichen Expansionsschub trug. Die bloße Expansion in bereits
vorhandene Produktionssektoren hinein hätte niemals den säkularen
fordistischen Boom (vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg) ermöglicht. Aber
der Übergang in der energetischen Basis der fossilen Brennstoffe von Kohle-Dampfmaschinen
zu Erdöl-Verbrennungsmotoren in Verbindung mit der fordistischen Rationalisierung
(»Arbeitswissenschaft«, Fließproduktion) ermöglichte einen
gesellschaftlichen Entwicklungssprung, der frühere Luxusgüter wie
Autos, Kühlschränke, Waschmaschinen etc., die bis zum 1. Weltkrieg
den upper ten vorbehalten waren, in den großen Massenkonsum eingehen
ließ. Hinzu kamen die Produkte neuer Erfindungen wie Radio und Fernsehen,
die von vornherein in diesem Aggregatzustand von Massenproduktion und Massenkonsum
ins Leben traten. Die allesamt direkt oder indirekt auf Erdölbasis hergestellten
fordistischen Massenprodukte führten erst in jenen fordistischen Verbrennungskapitalismus
mit seinem ungeheuerlichen und bis zum Schwachsinn gesteigerten Verbrennnungskonsum
sowie zu der darauf aufbauenden Verbrennungsdemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg,
die trotz ihrer historischen Kurzlebigkeit heute noch in den Kernländern
der OECD (und in den Mittelschichten auf globaler Ebene) als Normalzustand erlebt
wird.
Für die warenförmige Reproduktion entscheidend ist jedoch die Expansion
der realen Wertsubstanz und ihrer gesellschaftlichen Vermittlungsformen, die
sich hinter dieser Phänomenologie des Fordismus verbergen. Das von der
längst bemoosten marxistischen Debatte immer wieder ergebnislos hin- und
hergewälzte Problem des berühmten »tendenziellen Falls der Profitrate«
spielt dabei natürlich eine Rolle. Die historisch zusammen mit der zunehmenden
Verwissenschaftlichung »steigende organische Zusammensetzung des Kapitals«
(Marx), die im kapitalistischen Kalkül als steigende Kapitalintensität,
d.h. als steigende Kapitalkosten pro Arbeitsplatz in Erscheinung tritt, verweist
auf eine gegenläufige Bewegung innerhalb des Wertschöpfungsprozesses
(und damit der Mehrwertproduktion).
Die schnelle Zunahme von Verwissenschaftlichung, Technisierung und Rationalisierung
war erst notwendig geworden, als die Expansion des »absoluten Mehrwerts«
(Marx) durch schrankenlose Ausdehnung des Arbeitstages und schrankenlosen Verschleiß
der Arbeitskraft im Lauf des 19. Jahrhunderts an natürliche und gesellschaftliche
(Arbeiterbewegung, Staatseingriffe) Grenzen stieß. An die Stelle des »absoluten
Mehrwerts« als Hauptmittel der Akkumulation trat nun der »relative
Mehrwert«, d.h. die Verminderung der Reproduktionskosten der Arbeitskraft
durch »Verwohlfeilerung« der Lebensmittel, wie sie wiederum durch
angewandte Naturwissenschaft möglich wurde; erst der Fordismus hat diese
Tendenz forciert und verallgemeinert.29
Die Produktion des relativen Mehrwerts führt aber zu einem logischen Widerspruch.
Denn zwar erhöht sich dadurch der Anteil des Mehrwerts pro Arbeitskraft,
gleichzeitig können jedoch aufgrund der Rationalisierungseffekte derselben
Entwicklung immer weniger Arbeitskräfte pro Kapitalsumme angewendet werden
(eben dadurch erhöhen sich wie gezeigt die Vorauskosten pro Arbeitsplatz,
d.h. die Kapitalintensität oder der Anteil des Sachkapitals an der »organischen
Zusammensetzung«). Dieser zweite, gegenläufige Effekt überkompensiert
den ersten langfristig. Das bedeutet nichts anderes, als daß die Erhöhung
der gesamtgesellschaftlichen relativen Mehrwertrate pro Arbeitskraft erkauft
ist mit einem gleichzeitigen Fall der Profitrate pro vorgeschossene Kapitalsumme.
Dieser Effekt wiederum kann nun seinerseits einzig und allein dadurch überkompensiert
werden, daß die absolute Menge der angewendeten (produktiven!) Arbeitskraft
und damit zusammen mit der absoluten Mehrwertmasse die absolute Profitmasse
steigt, was nur durch eine permanente Ausdehnung der Produktionsweise als solcher
möglich ist. Dies wurde in Gestalt der fordistischen Expansion tatsächlich
bis zu einem gewissen Grad gewährleistet.
Es gibt freilich einen gewaltigen Schönheitsfehler schon in dieser Logik
der fordistischen Ausdehnung der absoluten Mehrwertmasse/Profitmasse.30
Denn diese Expansion war ja nur möglich durch die gleichzeitige
Expansion der (kapitalistisch) unproduktiven Rahmenbedingungen. Ein erheblicher
Teil der zusätzlichen fordistischen Industrieprodukte wurde in zunehmendem
Maße von unproduktiven Arbeitern verzehrt, was eine grundsätzliche
Veränderung des Akkumulationsregimes zur Voraussetzung hatte. Eben deswegen
war das keynesianische »deficit spending« von Anfang an weder Start-
noch Überbrückungshilfe, sondern strukturelle Daseinsbedingung und
politisches Regulationsinstrument der fordistischen Expansion, die im globalen
Maßstab erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte. Das aber bedeutet nichts
anderes, als daß die fordistische Expansion mitsamt ihrem »Wirtschaftswunder«
grundsätzlich schon kein wirklich selbsttragender säkularer Aufschwung
der Kapitalakkumulation mehr war, sondern bereits teilweise durch Verpfändung
zukünftiger Wertmasse gespeist werden mußte. Was an der fordistischen
Ära und ihrem »Akkumulationsmodell« noch selbsttragend war, das
war einzig und allein die reguläre Bedienung der exponentiell anwachsenden
Kreditmasse durch reale Erweiterung der absoluten Profitmasse. Diese Ausdehnung
der absoluten Profitmasse war jedoch bereits kleiner als die damit notwendig
verbundene gleichzeitige Ausdehnung der unproduktiven »Geschäftskosten«
des sich totalisierenden Marktsystems.
Daraus erhellt, daß es sich bei der fordistischen Expansion von vornherein
nur um einen historisch kurzlebigen Prozeß handeln konnte. Mehr noch:
da ja der Kapitalismus und seine betriebswirtschaftliche Rationalität bis
zum 1. Weltkrieg nur ein Segment der gesellschaftlichen Reproduktion gewesen
war, muß die fordistische Akkumulationsära als unwiederholbares Durchgangsstadium
der kapitalistischen Binnengeschichte begriffen werden, statt sie davon losgelöst
als abstrakten »Strukturzustand« darzustellen. Kapitalismus ist ein
historischer Verallgemeinerungsprozeß seiner eigenen Kriterien, der sich
auf immer höherem Niveau fortsetzen muß und niemals auf ein früheres
Niveau zurückkehren kann. Deshalb ist es verfehlt, seine Geschichte als
bloße Abfolge von Strukturen zu begreifen, ohne die selbstzerstörerische
Dynamik des Gesamtprozesses in Rechnung zu stellen. Man könnte es auch
so sagen: in demselben Maße, wie der Kapitalismus »siegt« und
zur flächendeckenden Reproduktionsform der Gesellschaft (und schließlich
der Weltgesellschaft) wird, was erst durch den Fordismus auf den Weg gebracht
wurde, beweist er auch seine logische Unmöglichkeit. Seine absolute Durchsetzung
muß daher historisch mit seiner absoluten Grenze in eins fallen, auch
wenn das gerade die marxistische Linke nicht hören will, die das Problem
der Reproduktionssektoren (und damit der »tertiären Revolution«)
nie theoretisch durchdrungen und sich auf die immanente Verewigungsfähigkeit
der kapitalistischen Produktionsweise zunehmend selbst vergattert hat.31
Die Expansion der kapitalistischen Produktionsweise als Voraussetzung für
die fordistische Ausdehnung der Profitmasse und damit die Kompensation der fallenden
Profitrate bedeutete den Zwang zur permanenten Erweiterung der Produktion und
damit der Märkte. Das ging aber nur, solange die Produkt- und Erweiterungsinvestitionen
die Prozeß- oder Rationalisierungsinvestitionen in genügendem Ausmaß
überstiegen, denn nur auf diese Weise wurden trotz Rationalisierung eine
absolut wachsende Masse industrieller Arbeitskräfte vernutzt und wachsende
»produktiv« fundierte Geldeinkommen erzeugt. Nur solange diese Relation
einigermaßen eingehalten wurde, konnte das »Schneeballsystem«
der fordistischen Expansion bei gleichzeitig überproportionalem Anteil
der unproduktiven Sektoren am Laufen gehalten und die Verzinsung des komplementär
anwachsenden Kreditgebirges aus realer Wertmasse bedient werden.
Diese entscheidende Differenzierung läßt der größte Teil
sowohl der VWL- als auch der marxistischen Argumentation zur »Wachstumstheorie«
vermissen: fast durchgängig wird die »Steigerung der Produktivität«
oder das Produktivitätswachstum an sich und überhaupt gleichgesetzt
mit dem Wachstum der Märkte, der Wertschöpfung und damit der realen
Akkumulation des Kapitals.32 Dies gilt jedoch
nur unter einer ganz bestimmten prekären Bedingung: dann nämlich,
wenn die Steigerung der Produktivität kleiner ist als die damit möglich
werdende innere und äußere Ausdehnung der Märkte. Der von Henry
Ford organisierte Produktivitätssprung in der Automobilindustrie bedeutete,
daß pro Auto viel weniger Arbeitskraft vernutzt werden mußte; aber
die dadurch ermöglichte Verwandlung des Autos in ein Produkt des Massenkonsums
ließ die Automobilproduktion derart explodieren, daß insgesamt trotz
Rationalisierung/Produktivitätswachstum wesentlich mehr Arbeitskraft in
der Autoindustrie produktiv vernutzt werden konnte und somit auch die reale
Wertschöpfung stieg. Es ist jedoch klar, daß diese Bedingung nicht
automatisch existiert und nicht für immer fortgeschrieben werden kann.
Im Gegenteil muß zwangsläufig der Punkt erreicht werden, wo das Verhältnis
kippt und bei relativer Sättigung der Märkte neue Sprünge des
Produktivitätswachstums den gegenteiligen Effekt haben, d.h. größer
werden als die dadurch noch mögliche Ausdehnung der Arbeits- und Warenmärkte.
Der gesamte Kompensationsmechanismus mußte also zum Stehen kommen in demselben
Maße, wie die fordistische Expansionskraft erlosch. Hinsichtlich der äußeren
Expansion wurde dieser kritische Punkt schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg
erreicht; der Kapitalexport wurde zunehmend zum Nullsummen-, wenn nicht zum
Negativsummenspiel, d.h. es handelte sich immer weniger um Produktionserweiterung
und immer mehr um bloße Produktionsverlagerung aus Kostengründen;
eine heute durch die Globalisierung der Produktion in sein Reifestadium eintretender
Prozeß (ablesbar schon frühzeitig daran, daß der Welthandel
schneller wuchs als die Weltproduktion). Insofern trat (und tritt) auch der
krisentheoretische Gedanke von Rosa Luxemburg sozusagen wieder in sein Recht
ein, da die kompensatorische Qualität der äußeren Expansion
erlischt und ihre unmittelbare Krisenqualität als Grenze der Produktionsweise
wieder sichtbar wird.
Wesentlich aber wurde erst der Zusammenbruch des Kompensationsmechanismus auf
der Ebene der inneren Expansion, der mit der mikroelektronischen Revolution
ein kritisches Stadium erreichte. Ende der 60er Jahre hatte sich auch die fordistische
Expansion nach innen erschöpft. Denn erstens waren Landwirtschaft, kleine
Warenproduktion und -Distribution etc. nun vollends in die betriebswirtschaftliche
Rationalität eingesaugt und fordistisch industrialisiert; zweitens erreichten
die fordistischen Produktinnovationen ebenso wie die Märkte des nun nicht
mehr so neuen Massenkonsums ihre Sättigungsgrenzen. Danach konnten Innovationen
wie z.B. die Ablösung der Langspielplatte durch die CD und ähnliche
neue Produkte auf der Ebene der realen Wertschöpfung keine großen
Schübe mehr bewirken; bei den alten fordistischen Gütern (Automobile,
weiße und braune Ware etc.) gab es nur noch Ersatzkäufe (beschleunigt
allenfalls durch »künstlichen Verschleiß«, d.h. bewußt
eingebaute schnellere Materialermüdung und somit Qualitätsverschlechterung),
aber es konnten keine neuen großen Käuferschichten mehr erschlossen
werden.
Diese hochfordistische Stagnation ließ sich noch ein wenig strecken durch
die Expansion der Investitionsgüterindustrie. Nach innen waren dies jedoch
schon zunehmend reine Rationalisierungs-Investitionen, die das reale gesamtgesellschaftliche
Wertschöpfungspotential insgesamt zu untergraben begannen; nach außen
waren es die fordistischen Nachzügler an der kapitalistischen Peripherie
und in der Dritten Welt, die ein gewisses Exportpotential zusätzlich erschlossen.
In dieser Hinsicht zeigte es sich jedoch schon bald, daß die fordistische
Expansion nicht verallgemeinerungsfähig ist, sondern sich auf wenige Länder
beschränken muß. Sowohl die Vorauskosten des betrieblichen Sachkapitals
als auch die Kosten der notwendigen gesellschaftlichen Infrastruktur sind seit
dem Zweiten Weltkrieg in derart astronomische Höhen gestiegen, daß
sie für die allermeisten Länder schon in den 70er Jahren unerschwinglich
wurden. Die fordistische Expansion blieb hier in den Anfängen oder auf
halbem Wege stecken. Importe betrieblicher und infrastruktureller Investitionsgüter
mußten durch Kredite vorfinanziert werden, ohne daß die damit in
Gang gebrachten Produktionsprozesse ausreichten, auch nur die Verzinsung dieser
Kredite zu bedienen. Das Resultat sollte schon bald die berüchtigte Schuldenkrise
der Dritten Welt sein, die bis heute anhält und inzwischen ein Volumen
von 1,8 Billionen Dollar erreicht hat. In vielen Fällen handelte es sich
von vornherein um völlig unsinnige Investitionsruinen (Staudämme,
Atomkraftwerke etc.), die nur im Zusammenspiel von korrupten Politikern und
internationalen Konzernen (vom Schlage Siemens z.B.) zwecks Abkassieren ins
Werk gesetzt wurden.33
Das in den meisten Fällen katastrophale Steckenbleiben der fordistischen
Expansion an der kapitalistischen Peripherie kündigte aber das krisenhafte
Ende auch in den Kernländern selbst an. Schon die Ölkrise Mitte der
70er Jahre zeigte, daß die stagnierende reale Wertschöpfung der fordistischen
Industrien für zusätzliche Kostenbelastungen empfindlich geworden
war. Es begann eine historisch gegenläufige Bewegung, deren augenfälligste
Erscheinung die strukturelle Massenarbeitslosigkeit in allen fordistischen Sektoren
ist, die von Zyklus zu Zyklus weiter anschwillt. Der Hauptmotor dieses Prozesses
war seit Beginn der 80er Jahre die mikroelektronische Revolution, die den industriellen
Beschäftigungskern abschmelzen ließ wie Schnee an der Sonne. In mehreren
Schüben ging die industrielle Beschäftigung zwischen 1980 und 1995
allein in der BRD um mehrere Millionen zurück. Dasselbe gilt für die
übrigen Industrieländer. Dieser Rückgang wurde keineswegs durch
die nachholende fordistische Expansion in Asien und anderswo ausgeglichen oder
gar überkompensiert, wie eine akkumulationstheoretisch naive Argumentation
nicht zuletzt marxistischer Provenienz meint.34
Diese Aufrechnung auf den ersten Blick beeindruckender Zahlen der industriellen
Expansion etwa in Indien, China oder bei den »kleinen Tigern« Südostasiens
übersieht aber zweierlei. Erstens handelt es sich gerade im Fall von Großstaaten
wie China immer noch großenteils um das von Jahr zu Jahr prekärer
werdende Auslaufmodell jener staatlich subventionierten Phantom-Industrien (vom
Standpunkt des Weltmarkts aus), die bei einer zunehmenden Öffnung, wie
sie durch die neue Exportindustrialisierung erzwungen wird, nicht mehr haltbar
sind. Per Saldo wird viel weniger zusätzliche Beschäftigung in den
Sektoren der weltmarktorientierten Exportindustrialisierung geschaffen, als
mittelfristig durch denselben Prozeß bei den alten Staatsindustrien über
den Jordan gehen muß.
Zweitens aber heißt mehr industrielle Beschäftigung bei einigen (insgesamt
wenigen) fordistischen Nachzüglern keineswegs auch mehr reale Wertschöpfung,
deren Standard mit zunehmender Globalisierung vom Produktivitätsniveau
des Weltmarkts und damit von den höchstentwickelten Industriesystemen diktiert
wird. Da auch für die asiatischen Newcomer diese betrieblichen und infrastrukturellen
Standards im großen Maßstab unerschwinglich sind, versuchen sie
diesen Nachteil vor allem durch Billiglohn, miserable Arbeitsbedingungen und
rücksichtslose Umweltzerstörung wettzumachen. Langfristig ist das
auch betriebswirtschaftlich unhaltbar, kurzfristig aber kann dadurch die Überlegenheit
der industriellen Kernländer in der Kapitalausstattung teilweise ausgeglichen
werden. Unter den Bedingungen der Globalisierung sind es zunehmend westliche
Konzerne selbst, die durch weltweit flexibilisierte Investitionen das Gefälle
bei Löhnen und politischen Auflagen ausnützen. All dies spielt sich
aber wieder nur im betriebswirtschaftlich beschränkten Rahmen und auf der
Marktoberfläche ab. Die reale Wertschöpfung des Weltkapitals wird
dadurch keineswegs erweitert. Denn gemessen am globalen Produktivitätsstandard
kann es sein, daß 100 oder 1000 Billiglohnarbeiter mit relativ geringer
Sachkapital-Ausstattung kein bißchen mehr Wert produzieren als ein einziger
High-tech-Arbeiter mit hoher Sachkapital-Ausstattung in demselben Sektor. Was
sich für die partikulare Kostenrechnung des Einzelkapitals, das gegenüber
dem Gesamtprozeß der Verwertung seiner Natur nach blind sein muß,
als vorteilhaft darstellt, hat mit der substantiellen gesellschaftlichen (heute:
weltgesellschaftlichen) Wertschöpfung gar nichts zu tun.35
Natürlich wird sich das Problem der realen Wertsubstanz letzten Endes
auch auf der Marktoberfläche krisenhaft bemerkbar machen, als scheinbar
äußere und unerwartete Begrenzung für das betriebswirtschaftliche
Kalkül.
Per Saldo kann heute grundsätzlich gesagt werden, daß im Zuge der
mikroelektronischen Revolution, deren Potential noch längst nicht ausgeschöpft
ist, zusammen mit der fordistischen Expansion die Ausdehnung der produktiven
Arbeit und damit der realen Wertschöpfung seit Beginn der 80er Jahre zum
Stillstand gekommen und inzwischen global negativ geworden ist. Das aber bedeutet
nichts anderes, als daß der historische Kompensationsmechanismus, der
die gleichzeitige Expansion der kapitalistisch unproduktiven Arbeit trug, bereits
nicht mehr existiert. Die Basis der kapitalistischen Reproduktion ist eigentlich
schon an ihre absolute Grenze gestoßen, auch wenn dieser Kollaps (im substantiellen
Sinne) auf der formellen Erscheinungsebene noch nicht realisiert ist. Diese
Realisierung aber stellt sich nicht mehr als bloß verschärfte Degression
der Profitrate dar. Denn dieser Ausdruck bezeichnet ja nur die Art und Weise,
wie die relative Grenze kapitalistischer Reproduktion unter den Bedingungen
einer noch anwachsenden absoluten Profitmasse (Ausdehnung der Produktionsweise)
erscheint.36 Insofern hat Rosa Luxemburg
in ihrer »Antikritik« wieder recht, auch wenn sich diese relative
Begrenzung keineswegs »bis zum Erlöschen der Sonne« hinzieht.
Die absolute Grenze erscheint jedoch nicht in der Form, daß der »tendenzielle
Fall« sich einfach linear beschleunigt, sodaß der Kapitalismus womöglich
vom Management mangels Rentabilität resigniert aufgegeben würde. Vielmehr
hört mit dem Erreichen der absoluten Grenze die absolute Akkumulation von
realem »Wert« überhaupt auf. Substantiell gesehen »sinkt«
dann die Profitrate nicht, sondern zusammen mit dem Verschwinden zusätzlicher
Wertmasse hört sie überhaupt zu existieren auf. Der Begriff wird sinnlos.37
Formell geht allerdings trotzdem gleichzeitig der Akkumulationsprozeß
noch eine Zeitlang weiter (und somit werden formell auch weiter Profite gemacht),
jetzt aber gänzlich abgehoben von der (schrumpfenden) realen Wertsubstanz
und nur noch den nunmehr endgültig enthemmten Kreationen des »fiktiven
Kapitals« und des substanzlosen Geldes in seinen diversen Erscheinungsformen
folgend.
Die kapitalistischen Institutionen haben in den 80er Jahren durchaus auf diese
Entwicklung reagiert. Einerseits wurden im Zuge der weltweit durchgesetzten
neoliberalen Ideologie die Finanzmärkte in einem nie dagewesenen Ausmaß
»dereguliert« (d.h. von allen noch vorhandenen Sicherungsmechanismen
»befreit«), um genügend globale Liquidität für den
»entkoppelten« Prozeß der Phantom-Akkumulation zu schaffen.
Andererseits wurde eine Offensive gegen den Staatskonsum gestartet (vor allem
gegen den Sozialstaat), um die Staatsquote zu senken und vermeintlich wieder
»reguläre« Verhältnisse herzustellen; insofern ist der Monetarismus
gewissermaßen als eine Art düstere Vorahnung und als instinktive
Reaktion der kapitalistischen Institutionen zu werten. Diese Hoffnung auf Rückkehr
zur »regulären« Akkumulation des Kapitals ist jedoch eine eitle,
denn an die Stelle des Staatskonsums tritt keineswegs ein entsprechend großes
privatkapitalistisches Segment, sondern es kommt lediglich das substantielle
Vakuum der Reproduktion zum Vorschein; d.h. die Tatsache, daß ein zu großer
Teil der kapitalistischen Produktion selber längst vom »fiktiven Kapital«
des Staatskonsums abhängig ist und einen wirklich »schlanken Staat«
gar nicht verkraften kann. Die »reaganomische« und »thatcheristische«
Offensive gegen den Staatskonsum ist daher selbst in den USA und Großbritannien
zum Erliegen gekommen. Der Knoten der großen, auch empirisch fühlbarer
als bisher in Erscheinung tretenden Krise schürzt sich zwangsläufig
auf der Ebene der entkoppelten Finanzmärkte.
8. Die globalen Defizitstrukturen
und der kurze Sommer des Kasinokapitalismus
Für das notorische Kurzzeitgedächnis
von marktsozialisierten Wesen (und dazu gehören längst auch linke
bzw. ex-linke Theoretiker) mag sich all dies phantastisch anhören, weil
sie an die absolute Krise erst »glauben«, wenn sie selber aus der
Mülltonne fressen oder unter Artilleriebeschuß liegen; und, Verdrängungskünstler,
die sie sind, wahrscheinlich nicht einmal dann. Wo bricht denn hier etwas zusammen?,
so fragen sie mehr oder weniger milde lächelnd. Nun haben wir es zwar tatsächlich
mit historischen Prozessen zu tun; allerdings sind es im historischen Sinne
eher kurze Prozesse, auch wenn sie dem markt- und politikförmigen Bewußtsein
vorerst noch lang erscheinen mögen. War der sibirische Sommer des fordistischen
Nachkriegsbooms schon kurz, so wird die darauffolgende Ära des entkoppelten
»Kasinokapitalismus« noch kürzer sein. Seit der Mitte der 80er
Jahre ist die Scheinakkumulation in einen rein spekulativen Boom übergegangen,
der in den 90er Jahren auf hohem Niveau verharrt, obwohl sich das »Platzen
der Blase« schon mehrfach angedeutet hat.
Welche Folgen hätte es, wenn die globale Blase platzt? Naive Gemüter
glauben: gar keine oder nur geringe; und einige führen dabei sogar Marx
ins Feld, der in der Tat geschrieben hatte: »Soweit die Entwertung oder
Wertsteigerung dieser Papiere unabhängig ist von der Wertbewegung des wirklichen
Kapitals, das sie repräsentieren, ist der Reichtum einer Nation gerade
so groß vor wie nach der Entwertung oder Wertsteigerung« (Kapital
Bd. 3, 486). Das gilt aber natürlich nur, soweit das »fiktive Kapital«
sich ausschließlich im Finanz- und Kreditüberbau bewegt ohne Rückkoppelung
auf die reale Reproduktion. Schon Marx machte deshalb gewisse Einschränkungen:
»Soweit ihre Entwertung nicht wirklichen Stillstand der Produktion und
des Verkehrs auf Eisenbahnen und Kanälen, oder Aufgeben von angefangenen
Unternehmungen ausdrückte, oder Wegwerfen von Kapital in positiv wertlosen
Unternehmungen, wurde die Nation um keinen Heller ärmer durch das Zerplatzen
dieser Seifenblasen von nominellem Geldkapital« (a.a.O.).
Wie reich aber »die Nation« wirklich ist, ob sie sich »reich
gerechnet« und Produktion wie Einkommen scheinfinanziert hat, oder ob sich
der Krach wirklich bloß im Finanzolymp abspielt und lediglich »die
Spekulanten« arm macht: das eben ist die Frage. Schon zur Zeit von Marx
ging es bei Entwertungsschocks des »fiktiven Kapitals« keineswegs
ohne mehr oder minder schwere Blessuren der industriellen Produktion ab; etwa
beim Gründerzeitkrach der Eisenbahnspekulation, dem eine fast zwanzigjährige
Stagnationsperiode folgte.38 Sicherlich
war aber die Bewegung des »fiktiven Kapitals« unter den Bedingungen
des 19. Jahrhunderts, als der Kapitalismus erstens bloß ein gesellschaftliches
Segment und zweitens seine Reproduktion noch viel weniger vom Kreditsystem abhängig
war, tatsächlich relativ beschränkt sowohl von ihrem Volumen her als
auch in der Rückwirkung auf die reale Produktion. Die heutige Situation
dagegen hätte sich wohl selbst Marx nicht vorstellen können. Denn
nach dem Ende der fordistischen Expansion hat sich ja das Verhältnis geradezu
umgekehrt: die reale Reproduktion ist zum Anhängsel einer riesigen Blase
des »fiktiven Kapitals« in seinen diversen Erscheinungsformen und
Aggregatzuständen geworden, statt diese Blase ihrerseits als bloße
Emanation aus sich hervorzutreiben.
Wie aber stellt sich dieser Sachverhalt genauer dar? Staatskredit und spekulatives
Geldkapital sind auf vielfache Weise miteinander verwoben, sodaß ein Entwertungsschock
des Finanzüberbaus in der einen oder anderen Weise auch die Staatspapiere
mit sich reißen bzw. die Refinanzierungsfähigkeit des Staates zerstören
würde. Insofern muß sich in diesem Fall die Subventionierung ganzer
Sektoren von Industrie und Landwirtschaft, die heute schon in vielen Ländern
der ehemaligen Dritten Welt zusammengebrochen ist, auch in den anderen Ländern
auflösen; in Rußland, Indien und China ebenso wie in den OECD-Ländern
selbst. Diese global immer noch erhebliche Subventionsmasse ist ja de facto
von der Logik des Marktes her nichts anderes als »Wegwerfen von Kapital
in positiv wertlosen Unternehmungen«; und es versteht sich von selbst,
daß dieser Faktor heute ein ganz anderes Gewicht hat als zur Zeit von
Marx, wo er in der Tat eher vernachlässigenswert bzw. auf einen relativ
geringen Teil der privaten Investitionen beschränkt war.
Inzwischen übersteigt allerdings das private Spekulationskapital in seinen
phantasievollen derivativen Kreationen den Staatskredit bei weitem; was nur
ein Ausdruck dafür ist, daß seit Beginn des Kasinokapitalismus erstens
eine immer größere Masse des nicht mehr real reinvestierbaren fordistischen
Geldkapitals in den Finanzüberbau geströmt ist (»Überakkumulation«
der fordistischen Industrien seit den 70er Jahren) und zweitens dort in seiner
Scheinakkumulation (G-G') inzwischen eine beispiellose Masse fiktiver Werte
aufgehäuft hat, die verbucht und als reale Geldvermögen behandelt
werden. Es ist ganz sicher, daß ein gewisser Teil dieser fiktiven kommerziellen
Gelder entweder direkt oder durch Beleihen (was die Blase natürlich noch
weiter aufbläht) als scheinbar reale Nachfrage in die Reproduktion zurückkehrt.
Es werden damit also Produktionsprozesse angeheizt, die gar keine substantielle
Grundlage haben und bei einem Entwertungskrach zum Stillstand kommen müssen.
Auch dieser Faktor ist sicher um vieles bedeutender als zur Zeit von Marx.
Gemessen an der Gesamtmasse des kommerziellen »fiktiven Kapitals«
ist diese Art der Rückwirkung auf die reale Reproduktion in Form des Einspeisens
von Nachfrage ohne reale Wertsubstanz allerdings bis jetzt äußerst
gering, im Unterschied zum Staatskonsum. Würde sich das gesamte Gebirge
der fiktiven kommerziellen Werte heute als realwirtschaftlicher Nachfrageschub
in Bewegung setzen, dann würde das die sofortige Hyperinflation auch im
Westen bedeuten.39 Dennoch kann auch dieser
Hauptteil der fiktiven Werte, der gegenwärtig nicht als Nachfrage in die
reale Reproduktion eingespeist wird, sondern im Spekulationsüberbau verbleibt,
durchaus indirekt große Sektoren der scheinbar realen und produktiven
Reproduktion tragen. Die Lösung dieses Rätsels findet sich auf der
Ebene der Bilanzen. Eine Bilanz, das darf man nie vergessen, ist grundsätzlich
eine frisierte Angelegenheit, die immer erst entschlüsselt werden muß.
Dennoch ist für eine positive oder wenigstens ausgeglichene Bilanz natürlich
stets ein tatsächliches »Haben« (»tatsächlich«
im Sinne von Guthaben in welcher Form auch immer) notwendig, wenn es sich nicht
um eine einfache Fälschung handeln soll (daß auch die bloßen
Fälschungen rapide zunehmen, ist ein Indiz für die Annäherung
an die Grenze der fiktiven Akkumulation). Woher dieses Guthaben stammt und in
welcher Form es aggregiert wird, das steht aber auf einem anderen Blatt.
Wie stellt sich nun die Verschiebung vom industriellen Real- zum spekulativen
Kasinokapitalismus auf der Ebene der Bilanzen dar? Die Antwort muß lauten:
dadurch, daß sich das Gewicht bei den Gewinnen und Guthaben von Einkommen,
die aus der industriellen Realakkumulation abgeleitet sind (G-W-G') zu Einkommen
verlagert, die aus dem spekulativen Finanzüberbau stammen (G-G'). Mit anderen
Worten: nicht mehr die reale Produktion und deren Erfolg auf dem Markt ist der
entscheidende Faktor, sondern eine clevere Finanzabteilung, die eine marode
Bilanz in die schwarzen Zahlen zocken kann. Oder andersherum: die Behauptung
von Marktanteilen gelingt ganz oder teilweise nur noch durch Zufuhr von spekulativen
Gewinnen. Natürlich verhält es sich nicht in jedem Einzelfall so;
entscheidend aber ist, welches Gewicht gesamtgesellschaftlich das »fiktive
Kapital« an der Bilanzierung hat. Diese Guthaben müssen weder als
investive noch als konsumtive Realnachfrage erscheinen und können trotzdem
einen erheblichen Teil der realen Reproduktion dadurch tragen, daß sie
Unternehmen, Produktion und Beschäftigung über Wasser halten, indem
sie nur die Bilanz »schwärzen«. Würde das »fiktive
Kapital« im großen Maßstab entwertet, dann hätte dies
den schnellen Bankrott einer ungeahnt großen Zahl von scheinbar »kerngesunden«
Firmen zur Folge.
Daß es sich dabei nicht um bloße Vermutungen handelt, zeigen die
Skandale, Großbankrotte und plötzlich notwendigen »Rettungsaktionen«
der letzten Jahre, an denen die Spitze eines Eisbergs sichtbar wird. Ob es sich
um den Fall der Frankfurter Metallgesellschaft, um die Milliardenpleite des
Baulöwen Schneider oder um den Bankrott der Londoner Traditionsbank Barings
handelt: stets gab es einen scheinbar unvermittelten Übergang von guten
Bilanzen zur Insolvenz, weil die Finanzabteilung sich verspekuliert hatte; sei
es im Bereich von Immobilien, Devisen, Termingeschäften oder sonstigen
derivativen Spekulationsformen. Die Banken sind zum Zentrum nicht mehr so sehr
des reellen kapitalistischen Kreditgeschäfts, sondern der globalen Zockerei
geworden; und es klingt durchaus glaubhaft, wenn der geflüchtete Ex-Unternehmerstar
Schneider die Deutsche Bank beschuldigt, das unseriöse Abheben seiner Geschäfte
nach Leibeskräften und durchaus bewußt gefördert zu haben. Symptomatisch
ist auch der Fall Barings. Am 4. Februar 1995 wurde die Bank in einem schmeichelhaften
Report der FAZ als extrafeine Adresse und als »eine der stärksten
in Asien« gerühmt, mit 54 Prozent Gewinn in 1994. Und ihr Chef Peter
Baring wurde mit den Worten zitiert: »Wir müssen nicht jede Modeerscheinung
mitmachen. Wir können langfristig denken«. Wahrhaftig ein Fall für
die linksradikalen Gesundbeter des Kapitalismus, um zu zeigen, wie gut »das
Kapital« dasteht. Nicht einmal eine Woche später war Barings bankrott,
zu Tode gezockt durch einen 29jährigen Broker in Singapur, der sich an
der Tokioter Börse vergaloppiert hatte. So etwas wäre bei einem nach
seinen eigenen Kriterien reellen Kapitalismus, in dem das Bankensystem wirklich
in erster Linie die Finanzierung realer marktfähiger Produktion vermittelt,
gar nicht möglich gewesen.
Es sind aber keineswegs nur die Banken und die Finanzabteilungen der Unternehmen,
die zu ganovenartigen Wettgemeinschaften im globalen Spielkasino geworden sind.
Auch Rentenversicherer, staatliche Finanzverwaltungen, Stadtkämmerer von
Tokio bis Hintertupfing, Kassierer von Parteien, Vereinen und privaten Gesellschaften
mischen immer hemmungsloser mit; teils schon von der Not getrieben, weil die
reellen Einkünfte hinten und vorne nicht mehr ausreichen. Dabei verhält
es sich ganz ähnlich wie bei den Unternehmensbilanzen: Mehr oder weniger
katastrophale Finanzverhältnisse werden durch Zockerei mit Derivaten geschönt.
Es kann im Einzelfall auch sein, daß es die diversen Finanzverantwortlichen
einfach in den Fingern juckt und sie ihrer jeweiligen Institution etwas Gutes
tun wollen, wenn es scheinbar so leicht ist, mit genügend Spielgeld aus
dem Nichts dicke Finanzpolster zu hecken. Daß man dabei baden gehen kann,
mußte z.B. 1994 ein Schatzmeister der PDS erfahren, der eine Landes-Parteikasse
mit den besten Absichten verzockt hatte. Als 1994 der US-Landkreis Orange County
Bankrott anmelden mußte, weil seine Finanzverwaltung sich verspekuliert
hatte, beeilten sich bundesdeutsche Länderfinanzminister und Pressesprecher
der Verwaltungen zu versichern, so etwas könne hierzulande nicht passieren.
Das ist jedoch völlig unglaubwürdig, denn gleichzeitig wurde bekannt,
daß den Finanzverwaltungen die »Investition« in derivative Finanzanlagen
durchaus gestattet ist.
Bei den bisher betrachteten Aggregierungen des »fiktiven Kapitals«
und ihrer Rückkoppelung auf die reale Reproduktion handelt es sich im wesentlichen
um einen allgemeinen Zustand der globalen »strukturellen Überakkumulation«,
der mehr oder weniger ausgeprägt in allen Volkswirtschaften bis hin zu
den Zusammenbruchsökonomien eine kasinokapitalistische Struktur ohne realkapitalistische
Tragfähigkeit auf dem Boden des jeweiligen nationalen Geldes hervorgetrieben
hat.40 Solange die absurde globale Liquiditätsschöpfung
des »fiktiven Kapitals« noch weiter (und heute hemmungsloser denn
je) expandiert, können die Entwertungskatastrophen auf signifikante Einzelfälle
beschränkt bleiben, die sich erst bei der unvermeidlichen Kontraktion verallgemeinern
werden. Daß die Größenordnung bereits irrsinnig geworden ist,
läßt sich an den Schätzungen der Finanzanalytiker ablesen, die
allein für die neuen derivativen Spekulationsformen ein Volumen zwischen
10 und 50 Billionen Dollar annehmen. Die Schwankungen erklären sich daraus,
daß niemand mehr einen Überblick besitzt und das Herausnehmen der
institutionellen Sicherungen auch die statistische Kontrolle ausgehebelt hat.
Jedenfalls ist es klar, daß bei solchen Größenordnungen die
»lumpigen« 1,8 Billionen Dollar der Dritte-Welt-Verschuldung fast
schon wieder als vernachlässigenswerte Größe erscheinen. Nur
aus dieser Hybris einer maßlos gewordenen und realwirtschaftlich ungedeckten
Liquiditätsschöpfung konnten die diversen Schuldenkrisen als angeblich
entschärft erklärt werden: »entschärft« durch maßlose
Anhäufung neuen Explosivstoffes (von den sozialen Folgen der weiterschwelenden
Schuldenkrisen spricht ohnehin kaum noch jemand).
Der Kasinokapitalismus ist jedoch seit den 80er Jahren nicht nur zum Strukturzustand
innerhalb der einzelnen Nationalökonomien geworden, sondern diese Struktur
hat sich auf einer zweiten Ebene auch internationalisiert; und zwar nicht nur
im Sinne einer Globalisierung der spekulativen Finanzmärkte, sondern auch
in der Form internationaler Defizitkreisläufe zwischen den verschiedenen,
durch die Globalisierung in Auflösung begriffenen Nationalökonomien.
Ein solcher Defizitkreislauf kann auf zwei Ebenen stattfinden, und in beiden
Fällen wird die Realökonomie durch von außen zugeführtes
Geldkapital gefüttert. Zum einen handelt es sich um die Finanzierung der
Staatsschuld nicht mehr durch inländische Spargelder (oder inländische
Notenpressen-Inflation), sondern durch ausländisches Geldkapital; dasselbe
kann sich auch auf der Ebene der Unternehmensverschuldung abspielen. Die Schuldenkrise
der Dritten Welt ist nur ein bereits prekär gewordener Spezialfall dieser
Außenverschuldung. Das Brisante daran ist, daß die ständige
Aufnahme von Fremdkapital durch Devisen bedient werden muß, d.h. nur durch
dauerhafte Exportüberschüsse möglich wäre; was dann allerdings
wiederum zu Defiziten anderswo führen müßte.41
Realwirtschaftlich wirksam wird diese Außenverschuldung
dadurch, daß das anderswo geliehene Geld als Staats- bzw. Unternehmensnachfrage
im Inland wiedererscheint und entweder konsumtiv verpulvert oder kapitalistisch
fehlinvestiert wird (Rüstung, Investitionsruinen, Subvention unrentabler
Bereiche usw.).
Zweitens handelt es sich um die verschuldete Finanzierung von negativen Handelsbilanzen,
d.h. mehr oder weniger hohe realwirtschaftliche Importüberschüsse
werden nicht aus einheimischen Spargeldern, sondern durch fremdes Geldkapital
bezahlt. Ein solches Konstrukt stellt eigentlich ökonomisch eine logische
Unmöglichkeit dar. Denn entweder leiht man sich im Ausland Geld, dann muß
man es durch Exportüberschüsse abbezahlen, oder man hat Importüberschüsse,
dann muß man sie durch inländische Finanzpolster und früher
erwirtschaftete Devisenguthaben bezahlen können; beides zusammen aber schließt
sich aus. Wenn dennoch Außenverschuldung und negative Handelsbilanz zusammenfallen,
dann handelt es sich von vornherein um ein prekäres Konstrukt im Kontext
des »fiktiven Kapitals« und/oder aufgrund von politischen Vorgaben,
die irregulär das ökonomische System und seine Gesetzmäßigkeiten
zu überspielen suchen. Auf jeden Fall ist diese ökonomische Unmöglichkeit
nicht lange durchzuhalten.
Sowohl Kapital- als auch Handelsbilanzdefizite hat es natürlich auch schon
früher gegeben, aber hier gilt dasselbe wie hinsichtlich der Staatsverschuldung
und der Expansion des Kredits überhaupt: in vergangenen Epochen waren es
vergleichsweise bescheidene Defizitmengen, die nicht über längere
Zeiträume hinweg aufakkumuliert wurden, sondern bald wieder abgetragen
werden mußten (und im Zuge der jeweiligen kapitalistischen Expansion auch
relativ leicht abgetragen werden konnten). Heute aber haben wir es mit nicht
nur wesentlich größeren Dimensionen der Außenverschuldung,
sondern auch mit strukturell verfestigten und bereits seit zehn bis zwanzig
Jahren hochgeschraubten regelrechten Defizitkreisläufen zu tun, die nicht
mehr im Zeichen realökonomischer Expansion stehen, sondern im Gegenteil
diese Realexpansion nur noch simulieren.
Es gibt mehrere solcher Defizitkreisläufe über den ganzen Globus verstreut;
die beiden wichtigsten sind jedoch der europäische und der pazifische Defizitkreislauf.
In Europa steht das in den Zeiten der fordistischen Expansion nach dem Zweiten
Weltkrieg aufgehäufte Finanzkapital der BRD im Zentrum der Defizitkreisläufe
auf allen Ebenen. Zum einen leihen sich die durchwegs in ihren außenwirtschaftlichen
Bilanzen der BRD gegenüber defizitären Länder der EU in der BRD
das nötige Geldkapital zu Marktzinsen; zum andern fließen über
die diversen Ausgleichsfonds der EU (wobei die BRD den Löwenanteil trägt)
den maroden Nationalökonomien permanent Sanierungsgelder zu; drittens muß
die BRD auch wachsende Massen von Geldkapital großenteils auf Nimmerwiedersehen
in die osteuropäischen Länder und vor allem nach Rußland (das
mit der unberechenbar gewordenen Atomkeule winkt) pumpen, um den längst
fälligen zweiten, diesmal streng marktwirtschaftlichen Zusammenbruch hinauszuzögern;
und viertens ist schließlich die Kleinigkeit eines Nettokapitaltransfers
zwischen 150 und 200 Milliarden DM jährlich in die Ex-DDR notwendig geworden,
um die nach dem ökonomisch »harten« Anschluß klinisch tote
ostdeutsche Wirtschaft auf unabsehbare Zeit weiter künstlich zu beatmen.42
Der Finanzüberbau der nach landläufiger Meinung kapitalistisch noch
relativ seriösen BRD ist daher nicht nur durch die auch hierzulande längst
zum allgemeinen Zustand gewordene kasinokapitalistische Binnenstruktur, sondern
auch durch die prominente Einbindung in den Gesamtkomplex der europäischen
Defizitkreisläufe bereits viel wackliger, als es oberflächlich den
Anschein hat.
Die bei weitem größte ökonomische Frechheit und Maßlosigkeit
aber ist wohl im pazifischen Defizitkreislauf zwischen Ostasien und den USA
zu sehen. Hier haben wir es mit einer besonders delikaten Verzahnung zu tun.
Von Japan und den diversen »kleinen Tigern« aus betrachtet stellt
sich das pazifische Defizit-Konstrukt folgendermaßen dar: Zunächst
machte die spezifische Verfassung der japanischen Finanzmärkte und ihrer
paternalistischen, großenteils informellen Verflechtung mit der Exportindustrie
in den 80er Jahren ein finanzielles Kunststück ohnegleichen möglich.
Die Japaner finanzierten nämlich die überall sonst bereits nahezu
unbezahlbar gewordene durchgehende High-tech-Aufrüstung ihrer Exportindustrie
praktisch zum (scheinbaren) Nulltarif, indem sie als einziges hochindustrialisiertes
Land den riesigen fiktiven Wertzuwachs der Spekulationsära zu erheblichen
Teilen in Realnachfrage nach extrem teuren Investitionsgütern verwandelten;
hier hat also die erwähnte unmittelbare Rückkoppelung des »fiktiven
Kapitals« auf die reale Produktion tatsächlich stattgefunden, und
zwar ohne ebenso unmittelbare inflationäre Wirkung auf die japanische Binnenökonomie,
da diese Rückkoppelung in Form einer Exportflut stattfand,43
die vor allem in die USA ging.
Auf prekäre Weise haben sich die »kleinen Tiger« an diese japanische
Exportwalze angekoppelt. Allesamt konnten sie natürlich ihre Exportindustrialisierung
nicht mit einheimischen Spargeldern finanzieren, sondern nur durch eine zunehmende
Verschuldung, und zwar in Japan. Dort wurden und werden sowohl die Gelder für
die erforderlichen Investitionen aufgenommen als auch die Investitionsgüter
größtenteils eingekauft (teilweise handelt es sich auch direkt um
Kapitalexport japanischer und zu einem viel geringeren Teil sogar westlicher
Unternehmen). In gewisser Weise kann also von einem innerasiatischen Defizitkreislauf
oder einer Art kleiner Münchhausiade gesprochen werden: Japan leiht den
»kleinen Tigern« das Geld, damit diese in Japan Investitionsgüter
kaufen können. Das geht nur dadurch, daß diese Länder dann ebenso
wie Japan auf Teufel komm raus exportieren, und ebenso vor allem in die USA
als aufnehmenden Schwamm. Ablesbar ist das letztlich desaströse Konstrukt
daran, daß die »kleinen Tiger« hohe Exportüberschüsse
gegenüber Europa (die inzwischen aber schon wieder abschmelzen) und den
USA, gegenüber Japan jedoch (und größtenteils auch absolut!)
allesamt hochgradig defizitäre Handels- und Kapitalbilanzen aufzuweisen
haben.
Die kleine innerasiatische Münchhausiade wiederum nährt sich von der
großen pazifischen Münchhausiade, die von den USA aus sichtbar wird.
Unter dem Druck des unproduktiven Weltmacht-Konsums, der die Größenordnungen
in den übrigen fordistischen Industrieländern noch bei weitem übertraf,
ging die relative Wirtschaftskraft der USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg in
allen Bereichen haushoch überlegen gewesen waren, schon seit den 60er Jahren
rapide zurück. Die industrielle Basis schmolz noch stärker ab als
anderswo, jedoch nicht so sehr in Form eines Rückgangs der industriellen
Beschäftigung aufgrund von High-tech-Rationalisierung bei gleichzeitig
erweiterter Produktion, sondern als völlige Preisgabe ganzer Produktionssektoren,
die durch Importe ersetzt wurden.44 Da jedoch
gleichzeitig die Sparquote der äußerst konsumfreudigen US-Bürger
immer stärker zurückging und heute eine der niedrigsten in der Welt
ist, mußte zusätzlich zur exorbitanten Binnenverschuldung zunehmend
auf ausländisches Geldkapital zurückgegriffen werden.45
Die USA waren und sind zu der ökonomisch eigentlich unmöglichen Gleichzeitigkeit
von Außenverschuldung durch Aufnahme ausländischen Geldkapitals einerseits
und ständig hohen Handelsbilanzdefiziten andererseits nur deswegen in der
Lage, weil der Dollar die Funktion eines Weltgelds hatte und (in abgeschwächter
Form) teilweise auch heute noch hat. Das bedeutet, daß die USA ihre Außenverschuldung
in eigenem Geld begleichen können und nicht erst durch Exportüberschüsse
Devisen verdienen müssen, um die Außenschulden verzinsen und tilgen
zu können. Im Grunde genommen lassen sie sogar das Ausland einen Teil ihrer
Schulden durch die Achterbahnfahrt des Dollar-Wechselkurses bezahlen; ein Verfahren,
das allerdings heute ziemlich ausgereizt zu sein scheint und irgendwann zu einer
allgemeinen Flucht aus dem Dollar führen muß, was dann wiederum den
Dollarsturz und die Krise des Welthandels zur Folge hat. Daß die Entwicklung
in diese Richtung geht, hat der Verfall des Dollar und die Krise des Weltwährungssystems
in den letzten Jahren bereits deutlich gezeigt.
Durch das Doppeldefizit von Außenverschuldung und negativer Handelsbilanz
sind die USA in den letzten 15 Jahren auch zum doppelten weltökonomischen
Schwamm geworden: auf der einen Seite saugen sie das ausländische Geldkapital
an, auf der anderen Seite bezahlen sie mit diesem geliehenen Geld ihre riesigen
Importüberschüsse und saugen fremde Industrieprodukte in Massen an.
Dieses phantastische Mißverhältnis konzentriert sich fast vollständig
auf die pazifische Region. Das ganze Gerede vom angeblich bevorstehenden »pazifischen
Jahrhundert« beruht auf nichts als heißer Luft, d.h. auf dem Defizitkreislauf
zwischen Ostasien und den USA. Die Japaner leihen den USA das Geld, um im Handel
mit den USA Exportüberschüsse machen zu können, und mit den Exportüberschüssen
verdienen sie das Geld, das sie den USA leihen können. Es ist klar, daß
dieses paradoxe ökonomische Konstrukt, in das inzwischen ganz Südostasien
eingebunden ist, innerhalb weniger Jahre zu Bruch gehen muß.
Die asiatische Exportindustrialisierung auf der Basis von Billiglohn und Raubbau
kann also nicht nur wenig zusätzliche globale Wertschöpfung induzieren
und gibt nicht nur die binnenökonomischen Staatsindustrien der ehemaligen
»nachholenden Modernisierung« dem Untergang preis, sondern darüberhinaus
hängen viele Millionen der dadurch geschaffenen Arbeitsplätze am Tropf
der US-Außendefizite. Die asiatische Exportindustrialisierung ist somit
nicht nur vom absoluten Volumen her zu klein, um die fordistische Expansion
noch einmal wiederholen zu können, sondern sie war von vornherein durch
und durch unseriös nach den Kriterien des Kapitalismus selbst. Es handelt
sich überhaupt nur um eine durch den pazifischen Mammut-Defizitkreislauf
simulierte fordistische Expansion, die den westlichen Entwicklungsweg nicht
wiederholen kann, sondern auf ein abruptes Ende zusteuert.
9. Auf dem Weg zum Entwertungsschock
Im Sinne der eigentlichen reellen
Mehrwertschöpfung und des damit verbundenen Wachstumszwangs hat das Herz
des Weltkapitals bereits zu schlagen aufgehört. Seit mindestens einer Dekade
wird der kapitalistische Akkumulationsprozeß nur noch monetär simuliert
und das Kapital hängt somit an der Herz-Lungenmaschine fiktiver Wertschöpfungsprozesse,
sowohl binnenökonomisch über die Staatsverschuldung und die kasinokapitalistische
Struktur als auch weltökonomisch über die Erweiterung des Kasinokapitalismus
auf unkontrollierte internationale Finanzmärkte und über die großen
internationalen Defizitkreisläufe. Logischerweise muß irgendwann
die kapitalistische Reproduktion durch eine gewaltsame Kontraktion der entkoppelten
Geldmengen auf ihre reale Basis zurückgeführt werden; d.h. es ist
dann festzustellen, daß es sich eigentlich bereits um eine Leiche handelt.
Mit anderen Worten: die fiktive, ohne kapitalproduktive Grundlage geschöpfte
Liquidität wird so oder so, früher oder später entwertet.
Es muß dahingestellt bleiben, wie dieser Entwertungsprozeß im einzelnen
ablaufen wird; ob er zeitlich versetzt auf den verschiedenen Ebenen getrennt
vor sich geht oder alle Ebenen gleichzeitig erfaßt, ob er in längeren
Intervallen verläuft oder als großer globaler Entwertungsknall in
Erscheinung tritt, sozusagen als monetäre Atombombenexplosion. Die kritische
Masse dafür ist längst aufgehäuft, und die Initialzündung
kann jederzeit durch krisenhafte Ereignisse sowohl im ökonomischen als
auch im politischen Bereich erfolgen. Ein verdächtiger Kandidat ist zweifellos
der pazifische Defizitkreislauf, und ein neuralgischer Punkt ist der japanische
Finanzmarkt.46 Denn die Tatsache, daß
Japan als einziges Land in den 80er Jahren die riesige spekulative Blase für
ebenso riesige Real-Investitionen angezapft hat, mußte der kasinokapitalistischen
Struktur in Japan auch eine besondere Verlaufsform geben.
Während der große Börsencrash von 1987 und der Absturz der Immobilienspekulation
Ende der 80er Jahre in den USA und in Europa nur als Delle in der ungebremst
weiterlaufenden kasinokapitalistischen Akkumulation fiktiver Werte erschien,
die durch neue Liquidität geheizt wurde, stand Japan unmittelbar vor der
großen Finanzkatastrophe. Denn im Westen ist die Vermittlung der spekulativen
fiktiven Werte mit der Realökonomie größtenteils eine indirekte
geblieben, und die gewaltigen Buchverluste konnten nach einer kritischen Übergangszeit
durch neue Höhenflüge des spekulativen Prozesses wieder ausgeglichen
und sogar durch abermalige fiktive Wertsteigerungen überholt werden (der
New Yorker Dow-Jones-Index, das Barometer der Wall Street, ist seitdem um mehr
als das Doppelte gestiegen). In Japan dagegen waren die fiktiven Werte ja zu
großen Teilen real investiert worden, sodaß der Crash eine nicht
wieder zu schließende Lücke riß. Die Blase mußte platzen,
und die japanischen Aktien- und Immobilienpreise haben sich bis heute nicht
mehr erholen können (der Nikkei-Index, das Börsenbarometer von Tokio,
ist seitdem um mehr als die Hälfte gefallen).
Und warum ist die offene Finanzkatastrophe in Japan vorerst trotzdem ausgeblieben?
Die Antwort ist wiederum in der spezifischen paternalistischen Struktur der
japanischen Ökonomie mit ihren archaischen Zügen zu suchen. Der informelle
Verbund von Regierung, Banken und Konzernen brachte es fertig, eine nationale
Auffanggesellschaft zu gründen, in der die faulen Kredite gesammelt und
damit die eigentlich fälligen Großbankrotte vermieden wurden. So
etwas wäre in keinem westlichen Land möglich gewesen. Aber natürlich
sind auch die Japaner nicht clever genug, die Gesetze des Geldes sozusagen durch
paternalistische Bauernschläue zu überlisten. Die Masse der faulen
Kredite kann durch keinen Trick aus der Welt geschafft werden, und sie wächst
durch den Verzinsungszwang weiter an, obwohl die Nippon-AG verzweifelt versucht,
sie durch tröpfchenweise Abschreibungen (die das Bankensystem verkraften
kann) zu vermindern. Gelegentlich läßt man einen mittelgroßen
Partner über die Klinge springen, um ein wenig Luft zu schaffen; so mußte
die Tokioter Kreditgenossenschaft Cosmos Credit Corp., eine der größten
japanischen Genossenschaftsbanken, Anfang August 1995 unter Treuhandverwaltung
gestellt werden und die Sparer stürmten in dramatischen Szenen die Bank,
um ihr Geld abzuheben.
Nach Angaben des japanischen Finanzministeriums vom Sommer 1995 beträgt
das Volumen der faulen Kredite etwa 650 Milliarden Dollar. Berücksichtigt
man den finanzdiplomatischen Sprachgebrauch, dann ist daraus zweierlei zu schließen:
erstens, daß die wirkliche Masse noch wesentlich größer sein
muß; und zweitens, daß ein Dammbruch drohen könnte, der mit
diskretem Lächeln höflich angekündigt wird. Die Sogwirkung der
dann fälligen Flut von Bankrotten wäre groß genug, um das Defizitgebirge
der USA mitzureißen und den pazifischen Defizitkreislauf zu ersticken.
Denn schon jetzt wird Japan in die Zange genommen durch den Zwang, die Kosten
für die Eindämmung des Sumpfs von inländischen faulen Krediten
aufzubringen und dennoch gleichzeitig ungebremst weiter US-Schuldscheine zu
kaufen, um die Export-Einbahnstraße über den Pazifik nicht zu gefährden.
Exportüberschüsse in solcher Größenordnung sind jedoch
nicht ewig durchzuhalten; der unaufhaltsam steigende Wechselkurs des Yen gegenüber
dem Dollar zeigt die gesetzmäßige Korrektur an und die japanischen
Exporte sind bereits zurückgegangen. Irgendwann in naher Zukunft werden
alle Stricke reißen, und hinter dem ständig schwelenden Handelsstreit
zwischen den defizitär aneinandergeketteten USA und Japan steht in Wirklichkeit
die Frage, wer den Löwenanteil des fälligen pazifischen Entwertungsschocks
bezahlen soll.
Ein solcher Schock kann gar nicht mehr weltregional begrenzt werden; er wäre
das Signal für den Entwertungsprozeß nicht nur der kasinokapitalistischen
Gesamtstruktur, sondern wahrscheinlich auch des lange herangereiften »fiktiven
Kapitals« in Form der Staatskredite, in denen abstrakte Arbeit bis in die
ferne Zukunft hinein verpfändet wurde. Eine solche globale Kontraktion
würde nichts anderes bedeuten als die Annullierung allen Geldes und aller
Geldformen, die nicht ursprünglich dem reellen Prozeß G-W-G' entstammen,
sondern dem fiktiven Wertschöpfungsprozeß G-G'. Diese Annullierung
kann entweder die Form der Inflation oder die Form der Deflation annehmen (vielleicht
auch einer Mischung beider Formen).
Um diese Logik zu verstehen, ist es nötig, von den bloß äußeren
Erscheinungsformen einer starken Preissteigerung oder eines starken Preisverfalls
(wie Inflation und Deflation gewöhnlich gekennzeichnet werden) zu abstrahieren.
Es handelt sich ja in Wirklichkeit nicht um eine Bewegung der Warenpreise aufgrund
der immanenten Entwicklung der Gütermärkte selbst, die bekanntlich
äußerlich durch die Bewegung von Angebot und Nachfrage reguliert
wird, sondern um eine Eigenentwicklung auf der Ebene des Mediums Geld, nämlich
um seine Entwertung. Als Entwertung des Geldes sind Inflation und Deflation
identisch; sie unterscheiden sich lediglich durch die Art und Weise, wie diese
Entwertung sich vollzieht. Im Falle der Inflation bleibt das Geld formal im
Umlauf; seine Entwertung erscheint dann als sprunghafte, von Angebot und Nachfrage
völlig unabhängige Steigerung der Warenpreise bis in astronomische
Größenordnungen. Im Falle der Deflation dagegen werden große
Geldmassen bzw. bestimmte Geldformen als solche annulliert und ganz aus dem
Umlauf gezogen; die Entwertung erscheint dann als schlagartige Verminderung
der gesellschaftlichen Kaufkraft bzw. Bonität, was wiederum als allgemeiner
Preisverfall in Erscheinung treten kann (aber nicht zwangsläufig immer
muß).
Ist die Dimension des Entwertungsprozesses groß genug, dann ist es durchaus
denkbar, daß auf verschiedenen Ebenen Inflation und Deflation gleichzeitig
auftreten: etwa als Inflation der Konsum- und Investitionsgüterpreise,
während gleichzeitig Bankguthaben, Staatsschuldscheine, Aktien und Immobilienpreise
verfallen. Eine solche Kombination beider Entwertungsformen des Geldes ist dann
möglich, wenn die Spekulation zusammenbricht und der Staat sich gewaltsam
bei seinen bisherigen Gläubigern entschuldet, gleichzeitig jedoch die Regierung
die Notenpresse anwirft, um den Massenkonsum nicht völlig zum Stillstand
zu bringen und Aufstände zu vermeiden (Konturen einer solchen Konstellation
wurden z.B. in Jugoslawien bzw. Serbien/Montenegro sichtbar).
Wie auch immer die globale Entwertung des Geldes sich im einzelnen vollstrecken
mag, die als hyperinflationärer Zyklus im größeren Teil der
Welt bereits abläuft: sie signalisiert das historische Ende der auf dem
Geld beruhenden Produktionsweise. Es ist nämlich eine Illusion, daß
nach dem großen Entwertungsschock und/oder Entwertungszyklus des globalen
Geldes das alte kapitalistische Spiel auf einem dann »bereinigten«
Terrain wieder von vorne beginnen könnte.47 Denn
im Unterschied zur Vergangenheit ist diese Entwertung jetzt keine bloße
Unterbrechung im Aufstiegsprozeß der industriekapitalistischen abstrakten
Arbeit mehr, sondern markiert einen irreversiblen Strukturzustand der Verwissenschaftlichung
im »Stoffwechselprozeß mit der Natur«: der rapide Abbau industriekapitalistischer
Wertschöpfung durch mikroelektronisch vermittelte Rationalisierung und
Globalisierung einerseits, die ebenso rapide Ausdehnung der kapitalistisch unproduktiven
Arbeit (die vom Systemstandpunkt aus lediglich Konsum für die Rahmenbedingungen
vermittelt) andererseits stellen ein Stadium dar, in dem der Kapitalismus seinen
eigenen Kriterien grundsätzlich nicht mehr gehorchen kann. Sein logischer
Selbstwiderspruch ist in ein historisches Reifestadium eingetreten.
Unter diesen neuen Bedingungen bereiten Entwertungsprozesse des Kapitals nicht
mehr den Boden für einen neuen Akkumulationsschub, wie es noch in der Theorie
von Joseph Schumpeter erscheint. Denn die Entwertung von »alten« Kapitalformen
hilft nur dann neuen Kapitalformen auf die Beine, wenn diese auch neue Vernutzungspotentiale
abstrakter Arbeit auf der Höhe des erreichten Produktivitätsstandards
erschließen; das war einzig und allein bei der fordistischen Expansion
der Fall. Ist dieses Erschließungspotential jedoch nicht mehr gegeben,
weil der Produktivitätslevel zu hoch und die Rationalisierung schneller
als die Erweiterung der Märkte geworden ist, dann nützt die bloße
Entwertung von Geld, Maschinen und Gebäuden überhaupt nichts. Keine
Entwertung führt zu einem früheren, tieferen Stand der Verwissenschaftlichung
zurück, denn der Produktivitätsstandard ist letzten Endes im Wissen
der Gesellschaft und in den Köpfen der Menschen gespeichert, und nicht
in der dinglichen Entäußerung von Geräten, Maschinenaggregaten
usw. Eine bloße Entwertung oder kriegerische Zerstörung dieser Aggregate
würde für sich genommen keine neue Ausgangsbasis schaffen für
einen säkularen Akkumulationsschub.
Die primitive Vorstellung, daß das Kapital sich von Zeit zu Zeit gewissermaßen
selbst verbrennt, um dann wie Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen
und so von ewiger Selbstzerstörung zu ewiger Selbsterneuerung eilt, gehört
in den Bereich des mythologischen, nicht aber des historischen und des analytischen
Denkens. Eine Entwertung als solche, ohne nachfolgende neue Potentiale relativ
arbeitsintensiver, erweiterter reeller Wertproduktion (die nicht einfach Güterproduktion
als solche, sondern eben Vernutzung abstrakter Arbeitsquanta ist), bleibt bloße
Entwertung; eine Wiederaufnahme der kapitalistischen Reproduktion auf der vermeintlichen
neuen Ausgangsbasis würde also sehr schnell die Krise und den Zusammenbruch
reproduzieren. An den Zyklen von Hyperinflation und periodischem Zusammenbruch
der Finanzsysteme ist dieser Sachverhalt in vielen Weltregionen bereits praktisch
zu erkennen.
Der alte Marxismus, der seine sämtlichen Kritik- und Emanzipationsvorstellungen
an die immanenten Formen der kapitalistischen Reproduktion (geldförmiger
Verteilungskampf, Regulation oder »Planung« in der Warenform usw.)
gebunden und die halbverdaute Marxsche Krisentheorie diesen immanenten Bedürfnissen
entsprechend verkürzt hatte, kann auf die neue Krisenentwicklung ebensowenig
mehr eine Antwort geben wie die längst haltlos gewordene bürgerliche
VWL-Theorie. Die Krise der Warenproduktion als jener absurde Selbstzweck, wie
er im Fetischcharakter einer »auf dem Wert beruhenden Produktionsweise«
(Marx) logisch enthalten ist, kann auf ihrem eigenen Boden nicht mehr bewältigt
werden.
Der Entwertungsschock des Geldes ist aber nicht nur ein Entwertungsschock des
bisherigen wissenschaftlichen (warenförmigen) Denkens, sondern ein Entwertungsschock
des gesellschaftlichen Bewußtseins überhaupt. Am definitiven Ende
eines paranoiden Entwicklungsschubs von mehr als 200 Jahren in der irrationalen
Wertform steht eine entscheidende Bewährungsprobe der menschlichen Gesellschaft:
die Frage nämlich, ob sie, ohne vollends wahnsinnig zu werden, über
die historisch eingebrannten Fetisch-Muster der Ware-Geld-Beziehungen hinauskommen
kann, oder ob sie auf ein »barbarisches« Niveau zurückfällt.
In ihrer heutigen Form kann sie jedenfalls nicht mehr bleiben.
1 Vermittler des Geldes als Ware in diesem
Sinne sind die Banken, die sich den Zins mit den Einlegern - teilen wäre
zuviel gesagt, denn zumindest die privaten (nicht institutionellen) Einleger,
vor allem die sogenannten »kleinen Sparer« als Hauptidioten des Geldes,
werden gewöhnlich mit Bröseln abgespeist; eine ständige Quelle
des spießbürgerlichen Ressentiments der »kleinen« Geldmenschen
und verkniffenen Arbeitstiere. Die Macht des Bankensystems ist seine konzentrierte
Vermittlungsmacht über das Geld als Ware, daher der Spruch: »die Bank
gewinnt immer«.
2
Dieser absurde Ausdruck ist zumindest im Deutschen wohl erst in den 80er Jahren
entstanden, als das unter spekulativem Anlagedruck stehende internationale Geldkapital
die Banken und sonstigen Finanzdienstleister dazu bewog, immer neue derivative
Formen der Geldbewegung zu erfinden, die analog zu industriellen Prozessen als
finanzielle »Produktinnovationen« einer »Finanzproduktion«
bezeichnet werden.
3
Daß die krisentheoretischen Implikationen dieses Begriffs aus dem 3. Band
des »Kapital« in der marxistischen Debatte kaum behandelt und sogar
nicht gern gesehen werden, verweist darauf, wie sehr die herkömmlichen
Marxismen sich selber noch an eine vermeintlich handfeste kapitalistische »Seriosität«
klammern; eine Haltung, die sicherlich untergründig mit der Vergottung
der abstrakten Arbeit vermittelt ist. In einem jüngeren Beitrag läßt
auch der »Prokla«-Autor Kurt Hübner durchblicken, daß er
das Problem des »fiktiven Kapitals« lieber unter dem Titel »elastizitätssteigernde
Geld- und Kreditformen« laufen läßt als so etwas Unseriöses
wie eine »Fiktivisierung der globalen Akkumulation« ernsthaft in Erwägung
zu ziehen (Kurt Hübner, Für die Eröffnung der Debatte, in: Konkret
7/95).
4
Der einzelne private oder institutionelle Geldbesitzer merkt davon bei einem
entwickelten Bankensystem normalerweise nichts, weil der Schaden von den Sicherungsfonds
der Banken abgedeckt wird. Erst wenn eine größere gesellschaftliche
Dimension in der Nichtübereinstimmung von Arbeit und Geld erreicht ist,
schlägt die Krise von der Warenproduktion auf das Finanzsystem als solches
durch, was dann mit einer Krise des Bankensystems identisch ist.
5
Ein Aspekt dabei ist, daß die Finanzmärkte dem gewöhnlichen
Marktgesetz von Angebot und Nachfrage unterliegen: die Verzinsung von Krediten
durch neue Kredite erhöht die Nachfrage nach Geldkapital, was wiederum
den Zins als Preis des Geldes nach oben drückt. Das muß bei einer
genügend großen Dimension dieses Prozesses zu einer Verknappung des
Geldkapitals führen, die trotz aller trickreichen Liquiditätszufuhr
letzten Endes an eine unüberwindliche Schranke führt.
6
Bei fast allen Großunternehmen, die sich überall in Aktienkapital
verwandelt haben, ist nicht nur das »fungierende« betriebswirtschaftliche
Management von den bloßen Besitzern der juristischen Eigentumstitel getrennt,
die kaum noch Einfluß auf die realen Unternehmensentscheidungen haben,
sondern auch die »Familien im Hintergrund« (etwa Siemens, Krupp usw.)
treten allmählich unter den wechselnden juristischen Eigentümern hinter
die Banken zurück und werden zum vor sich hin luxurierenden bedeutungslosen
Darmfortsatz der Kapitalgeschichte; auch wenn »Träger des Namens«
noch größere Aktienpakete halten. Denselben Gang, nur mit noch größerer
Durchlaufgeschwindigkeit, nahm die Geschichte der zweiten Gründerzeit-Patriarchen
nach dem 2. Weltkrieg (Grundig, Nixdorf usw.).
7
Um nur einige beliebige Beispiele zu nennen: soweit aus den Bilanzen erkennbar
(diese sind sowieso meistens »getürkt« und geschönt), lag
im Frühjahr 1995 die Eigenkapitalquote von Daimler-Benz noch bei knapp
55 Prozent, die der Konzerntochter AEG bei 17 Prozent; beim Viag-Konzern betrug
sie 20 Prozent, bei der Baiersdorf-AG 35 Prozent, bei Krupp-Hoesch 15 Prozent
und bei Klöckner-Humboldt-Deutz ganze 8 Prozent.
8
Wenn das Zinsniveau strukturell immer wieder trotz aller Gegenmaßnahmen
nach oben gedrückt wird (ein Vorgang, der allerdings noch zusätzlich
durch die Weltmarktvermittlung gefiltert wird, sodaß es in einzelnen Ländern
zeitweilig zu ganz gegenläufigen Entwicklungen kommen kann), verteuern
sich nicht nur die Vorauskosten rentabler Realproduktion, sondern diese muß
auch noch hinsichtlich ihrer Gewinnträchtigkeit mit den Erträgen von
bloßen Finanzanlagen konkurrieren.
9
Soweit rekonstruierbar, existiert auf frühen Entwicklungsstufen und in
vielen Kulturen überhaupt kein abstrakter Arbeitsbegriff, sondern es gibt
nur verschiedene konkrete, kontextgebundene Tätigkeitsbegriffe. In den
agrarischen Hochkulturen entstand zwar ein abstrakter Arbeitsbegriff, aber keineswegs
(wie Marx anzunehmen scheint) als logischer Oberbegriff gesellschaftlicher Tätigkeit,
als (angeblich) »vernünftige Abstraktion« des Denkens, sondern
vielmehr als Bezeichnung für die Tätigkeit der Sklaven bzw. Unmündigen
(»das, was der sozial Abhängige, nicht Satisfaktionsfähige tut«);
es handelt sich also um eine (negative, pejorative) soziale Abstraktion, keineswegs
um eine logische Abstraktion wie »Haus«, »Baum«, »Obst«
usw. Erst im modernen warenproduzierenden System und an dieses logisch wie realhistorisch
gebunden entstand die abstrakte Fetischkategorie der Arbeit als Begriff gesellschaftlicher
Allgemeinheit der (warenförmigen) Tätigkeit.
10
Nicht einmal diese erst oberflächliche, definitorische Bestimmung der »produktiven
Arbeit«, die noch keine analytische Eingrenzung erlaubt, wird von Ökonomen
marxistischer Provenienz immer eingehalten. So behauptet der erwähnte Autor
Kurt Hübner hinsichtlich der Hedging-Operationen zur Absicherung von Wechselkursrisiken
in Export-Unternehmen: »Diese konkreten Tätigkeiten, wiewohl nicht
selbst mehrwertschaffend, sind durchaus im Sinne des Marxschen produktiven Distributionsarbeiters
als integraler Bestandteil des mehrwertheckenden Arbeitsprozesses zu verstehen,
also produktive Arbeiten« (Hübner, a.a.O.). Diese Bestimmung ist völlig
unsinnig, weil dann schlichtweg alle Arbeiten produktive Arbeiten wären,
insofern der Kapitalismus keine Arbeit verschwendet und nur solche Tätigkeiten
in seinem Bereich stattfinden, die für die Reproduktion des Kapitals »notwendig«
sind. Diese Notwendigkeit kann jedoch auch in einem äußerlichen,
technisch-organisatorischen und daher bloß formalen Sinne bestehen, ohne
substantiell mehrwertschöpfend und insofern kapitalproduktiv zu sein (etwa
hinsichtlich der Rahmenbedingungen von Warenproduktion). Logisch sind mehrwertschaffende
Tätigkeit und produktive Arbeit identisch, auch wenn es Tätigkeiten
gibt, die nur indirekt in die Mehrwertproduktion eingehen (z.B. Gütertransport
oder Konstruktion). Der Marxsche »produktive Gesamtarbeiter« macht
die Gesamtheit der mehrwertschöpfenden, in die reale Warenproduktion eingehenden
Tätigkeiten aus; er ist begrifflich abzugrenzen von allen Arbeiten oder
Teilarbeiten (ein Arbeiter kann auch teilweise produktive, teilweise unproduktive
Arbeit verrichten), die überhaupt nicht (also auch nicht indirekt) in die
mehrwertschöpfende Warenproduktion eingehen. Indem Hübner den Begriff
der mehrwertschaffenden und den Begriff der produktiven Arbeit auseinanderreißt,
macht er die ganze Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Arbeit grundsätzlich
hinfällig, weil es dann keinerlei Unterscheidungskriterium mehr gibt. Das
ist freilich die billigste Lösung des Problems, die sich übrigens
nahtlos deckt mit dem »Wertschöpfungs«-Begriff der VWL, der die
strittige begriffliche Unterscheidung ebenfalls nicht kennt.
11
Diese Debatte beschränkte sich entweder auf die Abgrenzung eines normativen
industriellen Produktivismus von der sozialpolitischen »Unzuverlässigkeit«
der noch halbfeudalen Dienstleistungsarbeiter (Diener und »Gesinde«,
Dienstmädchen usw.), die überdies als zahlenmäßig abnehmend
nicht ins Gewicht fielen (so noch bei Karl Kautsky); oder die sich anbahnende
neue Tertiarisierung auf dem Boden der kapitalistischen Entwicklung selbst (z.T.
als »neue Mittelklassen« abgehandelt) wurde nur unter soziologischen,
strategischen und »bündnispolitischen« Gesichtspunkten der »eigentlichen«
industriellen Arbeiterbewegung erörtert. Die Konsequenzen für die
kapitalistische Reproduktion und damit der krisentheoretische Gehalt des Problems
blieben dagegen systematisch unterbelichtet.
12
Was betriebswirtschaftlich als Kostensenkung erscheint, geht hier ebenso wie
bei anderen Formen der Rationalisierung durchwegs zu Lasten der ArbeiterInnen,
denn die Dienstleistungs-Arbeit wird in den spezialisierten Klitschen verdichtet,
während der Lohn meistens niedriger ist als in den früheren innerbetrieblichen
Abteilungen (z.T. durch die veränderten tarifvertraglichen Verhältnisse
außerhalb der gewerkschaftlich gut organisierten Industriesektoren bedingt).
Auch die prekäre, erzwungene Scheinselbständigkeit in Form ausgelagerter
Fuhrparks (System des Subunternehmertums bei Transport-Dienstleistungen) gehört
zu den Teufeleien dieser Sorte von Tertiarisierung. In aller Regel handelt es
sich bei diesen ausgelagerten, verselbständigten Dienstleistungs-Unternehmen
um üble Seelenverkäufer-Klitschen mit brutalisierten Arbeitsbedingungen,
die sich in den Händen von Aufsteigerfiguren mit Yuppie-Physiognomie befinden;
ein typisches Produkt des Neoliberalismus.
13
Über weite Strecken handelt Marx das Problem in dieser Weise ab, so in
den »Theorien über den Mehrwert« und in den »Resultaten
des unmittelbaren Produktionsprozesses«, wobei allerdings nicht ganz klar
ist, ob er dabei nur referiert bzw. virtuell den immanenten Gesichtspunkt der
einzelkapitalistischen Logik einnimmt, oder ob er hier tatsächlich eine
substantielle Veränderung zu erkennen glaubt. Jedenfalls ist klar, daß
Marx nicht durchgehend in dieser Weise argumentiert, sondern auch den Begriff
einer absolut (»an sich«) und daher in jedem Fall unproduktiven Arbeit
kennt, den er vor allem an den rein kommerziellen und auf die bloße Geldtransaktion
bezogenen Sektoren festmacht.
14
Der kreislauftheoretische Aspekt dieser Argumentation ist schon vor mehr als
sechs Jahren in der Nr. 6 unserer Zeitschrift von Ernst Lohoff in seinem Aufsatz
»Staatskonsum
und Staatsbankrott« herausgearbeitet worden, allerdings der damaligen
Themenstellung einer Auseinandersetzung mit dem Keynesianismus entsprechend
auf die Staatstätigkeit im engeren Sinne beschränkt. Außerdem
fallen dort die kreislauftheoretische Bestimmung und der Begriff der produktiven
Arbeit noch auseinander, sodaß die Brisanz des Arguments vielleicht überlesen
werden konnte; so heißt es in dem damaligen Aufsatz: »Alle Produkte,
die...unproduktiv verausgabt werden, also nicht in den nächsten Produktionszyklen
als Bestandteile eines Kapitals wiedererscheinen, verwandeln sich für das
gesellschaftliche Gesamtkapital zu faux frais, auch wenn die in ihrer Erzeugung
vernutzte Arbeit eindeutig als produktive, wertschaffende Arbeit zu klassifizieren
ist« (Ernst Lohoff, Staatskonsum und Staatsbankrott, in: MK 6/89, S. 78).
Hier wird erstens noch mit einem abstrakten, »definitorischen« Begriff
der produktiven Arbeit operiert, der unabhängig von der kreislauftheoretischen
Argumentation erscheint, sodaß paradoxerweise eine »eindeutig«
produktive, wertschaffende Arbeit (implizit auf der Ebene des Einzelkapitals
angesiedelt) dennoch gesamtkapitalistisch plötzlich als »faux frais«
firmiert und »unproduktiv verausgabt« wird. »Produktive Arbeit«
und »unproduktive Verausgabung« fallen begrifflich auseinander. Zweitens
ist die »produktive Verausgabung« lediglich daran gebunden, daß
die Produkte in den nächsten Produktionszyklen überhaupt als Bestandteile
»eines Kapitals« erscheinen, d.h. nicht als Staatskonsum. Dabei ist
noch nicht berücksichtigt, daß auch »ein Kapital« (d.h.
ein kommerzielles Einzelkapital) an sich ebenso unproduktiv sein kann wie der
Staatskonsum. Beide Unstimmigkeiten verschwinden jedoch, wenn - wie oben dargestellt
- der Begriff der produktiven, wertschaffenden Arbeit selber und als solcher
rein kreislauftheoretisch hergeleitet und das Problem auf einer höheren
Abstraktionsebene dargestellt wird, als sie in der bloßen Differenzierung
von privatkapitalistischer Produktion und Staatskonsum zum Ausdruck kommt. Wenn
der Begriff der produktiven Arbeit rein kreislauftheoretisch an den Prozeß
der »produktiven Konsumtion« gebunden ist, werden alle Tätigkeiten
und Produkte, die darin nicht aufgehen, automatisch zum unproduktiven gesellschaftlichen
Konsum, egal ob der äußeren Form nach staatlich oder privatkapitalistisch
vermittelt. Erst auf diese Weise wird eine quer zu den Reproduktionssektoren
verlaufende Bestimmung der produktiven/unproduktiven Arbeit gewonnen, in der
auch der verborgene unproduktive Charakter jenes Teils der »materiellen«,
industriellen Produktion dechiffriert werden kann, dessen Produkte unproduktiv
konsumiert werden.
15
Die strukturelle Krise als absolute Schranke des Kapitals spitzt sich daher
zunächst auch nicht auf der Ebene der Warenmärkte, sondern auf der
Ebene der Finanzmärkte zu. Rosa Luxemburg hat aber das Problem des Kredits
und der wachsenden Bedeutung des zinstragenden Kapitals ebensowenig systematisch
in ihre Krisentheorie aufgenommen wie das damit ursächlich zusammenhängende
Problem der (damals erst undeutlich sich abzeichnenden) »tertiären
Revolution«. Beides wäre wohl auch für sie sozusagen anrüchig
gewesen, weil sie natürlich ebenso wie ihre Kontrahenten ideologisch den
»Standpunkt des Industrieproletariats« einnehmen mußte. Daß
der Kapitalismus nicht an der Ausdehnung, sondern an der Verminderung des Industrieproletariats
und der gleichzeitigen Expansion des tertiären Sektors sowie des »fiktiven
Kapitals« scheitert, war für sie undenkbar. So kommt es in ihrer Krisentheorie
zur seitenverkehrten Betrachtung einer dennoch richtigen Problemstellung; nur
besteht die Krise eben nicht darin, daß die einen »dritten Personen«
(die Überreste vorkapitalistischer Produktionsweisen) verschwinden, sondern
daß die anderen, neuen »dritten Personen« (aus dem Prozeß
der Tertiarisierung) strukturell zu viele werden. Die Kontrahenten suchten Rosa
Luxemburg übrigens durchwegs mit Argumenten zu widerlegen, die allesamt
eine Expansion des Industriekapitals auf lange Sicht voraussetzten.
16
Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, das Marx als das »moralische
Moment« an den Reproduktionskosten der Lohnarbeiter bezeichnet hat. Denn
die menschliche Arbeitskraft ist eben doch nicht eine Ware wie jede andere,
nicht nur ihrer produktiven Wertschöpfungspotenz wegen (die eine Waschmaschine
ebensowenig besitzt wie ein Drillbohrer, weil es sich bei Maschinen eben um
Dinge und nicht um Wesen mit gesellschaftlichen Beziehungen handelt), sondern
auch deswegen, weil sich die »Herstellungskosten« bzw. Reproduktionskosten
der Ware Arbeitskraft nicht in derselben Weise objektivieren lassen wie bei
Waren, die tote Dinge sind. Selbst in ganz primitiven Gesellschaften gehen die
Reproduktionskosten eines Menschen nicht in der puren physischen Überlebensfähigkeit
auf, umso weniger in der entwickelten modernen Gesellschaft. Was nun an notwendiger
Bedürfnisbefriedigung in die Reproduktion der Arbeitskraft eingeht, ist
also historischen Veränderungen unterworfen. Dennoch handelt es sich dabei
nicht bloß um eine »moralische« Bewertung im engeren Sinne,
obwohl sogar diese in gewisser Weise möglich wäre. So fällt das
Niveau der Bedürfnisbefriedigung inzwischen selbst in den westlichen Industrieländern
innerhalb der Gesamtarbeitskraft extrem auseinander; Verarmungsprozessen durch
ein Herunterdrücken der Löhne unter das Reproduktionsniveau selbst
bei elementaren Bedürfnissen steht ein zunehmend destruktiver Fetischkonsum
bei anderen Arbeitskraft-Segmenten gegenüber (irrationaler Ressourcen-
und Landschaftsverbrauch, direkter Zerstörungskonsum usw.). Ökonomisch
aber geht es nicht um die qualitative Bewertung des Reproduktionsniveaus, sondern
um die Frage, welche Momente der Bedürfnisbefriedigung quantitativ jeweils
historisch eingehen und welche nicht. Die Marxsche Theorie auf der Ebene des
»Kapitals im allgemeinen« abstrahiert bekanntlich von der Ebene der
empirischen Weltmarktvermittlung, die jedoch auch in dieser Hinsicht Verzerrungen
hervorbringen kann. Das gilt vor allem dann, wenn bestimmte Momente im Reproduktionsniveau
der Gesamtarbeitskraft einer Nationalökonomie darauf beruhen, daß
durch die stärkere Weltmarktposition ein überproportionaler Teil des
realen Welt-Mehrwerts angeeignet und umverteilt wird. Diese Umverteilung geht
als bloßer zusätzlicher Luxuskonsum über die Reproduktionskosten
der Arbeitskraft hinaus und ist dann ebenso unproduktiv wie der Staatskonsum,
der mit abgeschöpften Wertmengen bezahlt wird. Nur oberflächlich kann
dieses Problem an Lenins Theorem der »Arbeiteraristokratie« erinnern,
denn bei Lenin geht es tatsächlich in dieser Hinsicht nur um die politisch-moralische
Wertung (»Bestechung«), nicht aber um die eigentliche ökonomische
Systemebene; nicht im Traum wäre es Lenin eingefallen, diese Frage unter
explizit krisentheoretischen Gesichtspunkten im Kontext des Unterschieds von
produktiver/unproduktiver Arbeit zu erörtern. Welchen Stellenwert nun der
Tourismus bzw. die einschlägige »Industrie« dabei einnimmt, müßte
einer speziellen Untersuchung vorbehalten bleiben.
17
Der Staatskredit muß natürlich ebenso verzinst werden wie der kommerzielle
Kredit. Die logische Voraussetzung des Kredits ist es jedoch, daß er nur
im Falle einer realkapitalistischen Verwendung, d.h. für reale Mehrwertproduktion,
seine Zinsen wieder »einspielen« kann. Beim Staatskredit ist das von
vornherein nicht der Fall, da er ja durchgehend im Orkus des reinen gesellschaftlichen
Konsums verschwindet. Dennoch werden die Zinseinkommen auch des Staatskredits
so behandelt, »als ob« es sich dabei um Ergebnisse realer Mehrwertproduktion
handeln würde. Marx rechnet daher den Staatskredit ebenso wie die kommerzielle
Spekulation mit bloßen Eigentumstiteln und die »faule« Kreditierung
von bereits verlorenem Kredit durch neue Meta-Kredite zu den Aggregierungen
des »fiktiven Kapitals«.
18
Der Vollständigkeit halber muß noch erwähnt werden, daß
auch der private Konsum, und zwar sowohl der produktiven wie der unproduktiven
Arbeiter, in Form von Konsumentenkrediten noch einmal kreditär gestreckt
wird. Die Arbeiter verpfänden also ihren zukünftigen Lohn ebenso im
voraus, wie die Kapitalien ihre zukünftigen Gewinne im voraus verpfänden.
Diese zusätzliche Dimension des Kreditsystems vermittelt ein noch höheres
Abheben des Geldes von seiner realen Substanz.
19
Wie wenig der dargestellte strukturelle Sachverhalt reflektiert ist, zeigt abermals
der »Prokla«-Autor Kurt Hübner, wenn er erklärt, die »Annahme,
wonach...mittlerweile 40-60 Prozent der Lohnarbeiter mittel- oder unmittelbar
"Staatsbeschäftigte" seien, kann freilich...nicht ernstgenommen
werden« (»Konkret«, a.a.O.). Was aber bedeutet es denn, wenn
die sogenannte Staatsquote eben 40 bis 60 Prozent des Sozialprodukts beträgt?
Doch nichts anderes, als daß der Staat inzwischen nicht nur überall
unmittelbar der bei weitem größte »Arbeitgeber« ist, sondern
daß ein entsprechender Anteil auch der nicht-staatlichen Beschäftigung
indirekt über verschiedene Vermittlungsebenen staatsabhängig sein
muß. Natürlich ist nicht die gesamte staatsabhängige Beschäftigung
kreditfinanziert, sondern nur ein (zunehmender) Teil; sonst wäre das System
schon längst zusammengebrochen. Daß Hübner das Problem nicht
sehen will, könnte seiner Zugehörigkeit zu jener »politizistischen«
Linken geschuldet sein, die dem »politischen Eingriff« in das unaufgehobene
(weil ihrer Meinung nach unaufhebbare) warenproduzierende System Entscheidendes
zutraut, sich damit aber eingestanden oder uneingestanden von der Dehnung der
staatlichen Finanzierungsfähigkeit und damit von der Tragfähigkeit
des Staatskredits abhängig macht.
20
Marx hat dies am Beispiel der indischen Textilproduktion des vergangenen Jahrhunderts
gezeigt, die von der englischen industriellen Produktion überrannt wurde;
ein Vorgang, der sich bei einer Öffnung der indischen Märkte unter
dem Diktat der neoliberalen Reform heute zwischen Indien und dem Westen bzw.
Südostasien wiederholen könnte. Dasselbe Prinzip war übrigens
die Ursache für den Zusammenbruch der DDR-Industrie nach der ungeschützten
Eingliederung in die Wirtschaftszone der BRD. Die inzwischen eingeschlafene
Litanei der alten antiimperialistischen Linken vom »ungleichen Tausch«
rollte dasselbe Problem nicht mit ökonomischen, sondern mit untauglichen
moralischen Kategorien auf; im Grunde handelte es sich dabei immer nur um das
ökonomisch absurde Einklagen eines weltgesellschaftlichen Durchschnittsstandards
der Produktivität auf der Basis historischer Ungleichzeitigkeit der Produktionsniveaus:
eine nicht weniger illusionäre Forderung als die nach dem »Weltstaat«.
Dies beweist nur, daß die bisherige Linke selber nur in bürgerlichen
Begriffen einer unaufgehobenen Warenproduktion und in phantasmatisch auf die
Weltgesellschaft extrapolierten nationalökonomischen Kategorien denken
konnte.
21
Streng genommen ist natürlich auch schon die rein administrative Maßnahme
der Zollschranken an sich nicht kostenneutral; es müssen ja Beamte dafür
beschäftigt werden, es entsteht das Problem der Überwachung, des Schmuggels
usw. Schon das moderne Urbild einer solchen Maßnahme im großen Maßstab,
Napoleons »Kontinentalsperre« gegen England, ist bekanntlich mit Pauken
und Trompeten gescheitert.
22
Es zeugt von einer unglaublichen ökonomischen Naivität, wenn die Reste
des politizistischen alten Linksradikalismus in ihrer negativen Anbetung der
kapitalistischen Herrlichkeit ohne jede Ahnung des hier dargestellten Problems
einfach die Zahlen der Arbeitsplätze in Ländern wie China, Indien
usw. hochrechnen. Rainer Trampert und Thomas Ebermann, die Ex-Matadore der grün-linksradikalen
»Fundis«, glauben damit gegen die Prognose einer großen Krise
»beweisen« zu können, daß dem Kapitalismus keineswegs »die
Arbeit ausgeht« und die Mehrwertproduktion global sogar ansteige (Artikelserie
in »Konkret« 4-6/95). Diese zusätzlichen Arbeitsplätze sind
aber entweder direkt »substanzlos«, d.h. durch Staatskredit simuliert,
oder es handelt sich um Arbeitsplätze der Exportindustrialisierung im Zuge
der neoliberalen Reform, die aber eine zwangsweise Öffnung zum Weltmarkt
implizieren und damit eine riesige Liquidation bis jetzt »geschützter«
(simulierter) Arbeitsplätze in den staatlich betriebenen bzw. subventionierten
und vom Standpunkt des Weltmarkts aus unrentablen Industrien. Per Saldo könnten
auf jeden zusätzlichen Arbeitsplatz der »offenen« Exportindustrialisierung
je nach Land der Verlust von 10 oder 100 Arbeitsplätzen in der kreditär
simulierten Binnenindustrie (und Landwirtschaft) kommen. Diese Negativbilanz
ist bis jetzt noch nirgendwo konsequent ratifiziert, aber der Spagat zwischen
Binnensubventionierung und Weltmarktöffnung wird zwangsläufig zur
Zerreißprobe; beides gleichzeitig geht nicht. Sowohl hinsichtlich der
Arbeitsplätze und Arbeitsmengen als auch hinsichtlich der realen Mehrwertschöpfung
im Weltmaßstab handelt es sich letztlich um eine Negativbilanz, die unvermeidlich
zum Vorschein kommen muß.
23
In den 70er und 80er Jahren fand hier noch einmal ein Sprung statt, der das
Finanzsystem sowohl hinsichtlich der Beschäftigung als auch des Sozialprodukts
zu einem der wichtigsten Wachstumsträger machte; ein Indiz für das
Obsoletwerden der VWL-Kategorien und die Zuspitzung der strukturellen Krise.
24
Dies gilt sowohl für die Theoriebildung der VWL, soweit von einer solchen
gesprochen werden kann, als auch für die marxistische Debatte und ihren
inzwischen fast ganz abgestorbenen neulinken Wurmfortsatz. Schon Rosa Luxemburg
hatte sich zu versichern beeilt, der Zusammenbruch werde natürlich nie
faktisch erreicht werden, weil vorher schon das Proletariat »die Macht
übernehmen« müsse; in der Antikritik zu ihren Kritikern stellte
sie ihre Krisentheorie sogar ausdrücklich gegen ein Ende des Kapitalismus
durch den Fall der Profitrate, was sich »so etwa bis zum Erlöschen
der Sonne« hinziehen könne. Die instinktive Ablehnung einer »objektiven«
absoluten Krisenschranke führte im Marxismus überhaupt dazu, diese
»innere Schranke« nur in einem rein logischen, nicht aber in einem
historisch dingfest zu machenden Sinne anzuerkennen. Bei den Nachfahren und
Restbeständen des Marxismus verkehrt sich dieses Verhältnis in einer
Ironie ohnegleichen dazu, daß in demselben Maße, wie die »innere
Schranke« tatsächlich historisch erscheint, sie selbst im logischen
Sinne nicht mehr für existent gehalten wird. Stattdessen nimmt die Ex-
und Noch-Linke mehr und mehr am Simulationstheater des untergehenden warenproduzierenden
Systems auf allen Ebenen teil.
25
Daraus läßt sich natürlich kein staatsökonomischer Vulgärsozialismus
ableiten, wie es Wagner zu seiner Zeit noch annehmen konnte, sondern eben nur
die Reproduktionsschranke des warenproduzierenden Systems.
26
Dieser Umstand ist dafür mitverantwortlich, daß die sogenannten Leitzinsen
(Diskont- und Lombardsatz) der staatlich organisierten Zentralbanken ihre Regulationsfunktion
weitgehend verloren haben; denn das Gewicht der Staatsnachfrage auf den Finanzmärkten
bleibt von der Leitzinspolitik unberührt. Im Unterschied zu den privaten
Nachfragern wird der Staat als »infallibler Schuldner« von der Leitzinspolitik
weder hemmend noch stimulierend »geleitet«, sondern von ganz anderen
Zwängen und Erwägungen jenseits des privaten monetären Kalküls.
27
Am längsten hielt die Nabelschnur der Goldbindung beim Dollar, die erst
1973 riß und bis dahin über den Dollar als Weltgeld wenigstens noch
eine indirekte Verbindung von Wertform und Wertsubstanz der Geldware übriggelassen
hatte. Diese allein der ökonomischen Übermacht der USA am Ende des
Zweiten Weltkriegs geschuldete Sonderstellung des Dollar hinsichtlich der Goldkonvertibilität
konnte aber nur ein Vierteljahrhundert gehalten werden. Vgl. dazu ausführlich
den Aufsatz von Ernst Lohoff in dieser Ausgabe, der das Problem auf der Ebene
des Weltwährungssystems und seiner Geschichte darstellt.
28
Entscheidend ist freilich, daß ein erheblicher Teil des substanzlosen
Geldes in den kapitalistischen Kernländern vorläufig gar nicht als
reale Nachfrage in Erscheinung tritt, sondern in Form von Rentenansprüchen
an den Staat oder in Form der kommerziellen Spekulation auf den Finanzmärkten
geparkt wird und dort weiterwuchert. Genau deswegen ist die Inflation sogar
niedriger als in den 70er Jahren, obwohl die Masse des »fiktiven Kapitals«
um ein Vielfaches größer geworden ist. Voraussetzung für diese
ebenso eigentümliche wie vorübergehende Konstellation bleibt allerdings
die Ausblutung der inflationierten Mehrheit der Weltbevölkerung. Sobald
aber die Externalisierung der Inflation nicht mehr gelingt und/oder die Schleusen
des staatlichen wie des spekulativen Finanzüberbaus im Westen brechen,
wird das Geld auch hier auf die eine oder andere Weise entwertet.
29
Das Moment des relativen Mehrwerts erscheint (wie die Wertkategorie überhaupt)
nicht unmittelbar auf der Ebene des einzelkapitalistischen Kalküls, sondern
als Effekt der blinden Systementwicklung auf der nur theoretisch-analytisch
zu rekonstruierenden Ebene des Gesamtkapitals. Die unter dem Diktat der Konkurrenz
durch technologische Anwendung von Naturwissenschaft immer weiter gesteigerte
Produktivität verbilligt alte und neue Güter so stark, daß sich
trotz steigenden Konsums und steigender Löhne der relative Anteil des Mehrwerts
an der gesamten Wertschöpfung pro Arbeiter erhöht; d.h. die relativen
Reproduktionskosten der Arbeitskraft im Vergleich zu ihrer absoluten Wertschöpfung
sinken. Am deutlichsten wird das in Zeiteinheiten: für den Gegenwert eines
Eis, eines Anzugs oder eines Fernsehers muß eine Arbeitskraft im langfristigen
Vergleich immer weniger Stunden oder Minuten arbeiten, d.h. bei gleichbleibender
(oder nur langsam sinkender) Arbeitszeit geht ein relativ wachsender Teil der
Arbeitszeit in die Mehrwertproduktion ein, obwohl die stoffliche Masse des Güterkonsums
der Arbeitskraft gleichzeitig wächst. Allerdings hat die relative Mehrwertproduktion
durch Produktivitätssteigerung eine ökonomisch absurde und ökologisch
langfristig katastrophale Kehrseite, nämlich den ebenso stetig beschleunigten
Wachstumszwang: da pro Produkt immer weniger Wert und somit Mehrwert enthalten
ist, muß die Welt mit einer anschwellenden Flut von Produkten überschwemmt
werden. Diese historische Produktschwemme stößt logischerweise nicht
nur an Kapazitäts- und Sättigungsgrenzen des Konsums, sondern auch
an absolute Naturschranken.
30
Dieser Begriff darf nicht verwechselt werden mit dem des »absoluten Mehrwerts«.
Letzterer bezieht sich auf die Expansion der absoluten Wertschöpfung pro
Arbeitskraft durch Verlängerung und Verdichtung des Arbeitstages, im Gegensatz
zur beschriebenen Erhöhung des relativen Anteils von Mehrwert bei gleichbleibender
oder sinkender absoluter Wertschöpfung pro Arbeitskraft. Der Begriff der
»absoluten Mehrwertmasse« meint hingegen die Summe des gesellschaftlichen
Mehrwerts, die natürlich nicht nur von der Rate pro Arbeitskraft, sondern
auch von der Menge der angewendeten Arbeitskräfte abhängt. Das Maß
des Werts, zurückgeführt auf die eigentliche Substanz »Arbeitszeit«,
bleibt dabei natürlich immer gleich, denn eine Stunde »Verausgabung
von Nerv, Muskel, Hirn« ist unter allen Umständen dieselbe.
31
Ein beliebter theoretischer Kalauer in diesem Sinne ist die sogenannte Regulationstheorie,
die vor allem in Frankreich und Deutschland zur regelrechten »Schule«
hochstilisiert worden ist (u.a. Michel Aglietta, Régulation et crises
du capitalisme, Paris 1976; Joachim Hirsch/Roland Roth, Das neue Gesicht des
Kapitalismus, Hamburg 1986; Rudolf Hickel, Ein neuer Typ der Akkumulation?,
Hamburg 1987). Schon der ursprüngliche Ansatz von Aglietta, obwohl wenigstens
überhaupt noch wert- und akkumulationstheoretisch argumentierend, jubelte
das spezifische fordistische Akkumulationsregime zur allgemeinen, unhistorisch
überhöhten Möglichkeit hoch, durch politische Regulationseingriffe
die inneren Grenzen der Akkumulation fast beliebig weit hinauszuschieben. Bei
den deutschen Rezipienten ist selbst diese verkürzte akkumulationstheoretische
Begründung fast verschwunden und hat der oberflächlichen Spekulation
über »Regulationsmodelle« Platz gemacht. Eine kritische Durchdringung
der Wertform und ihrer historischen Wandlungsprozesse bleibt in diesen Ansätzen
außer Betracht, weil sowohl Wertform als auch weitergehende Kapitalakkumulation
bereits blind axiomatisch vorausgesetzt sind. Letztendlich ist die Regulationstheorie
schon keine ökonomiekritisch fundierte marxistische Krisentheorie mehr,
sondern eher eine politizistische Krisen-Bewältigungstheorie auf dem Boden
der bürgerlichen VWL. Ausgehend von einer einzigen historischen Erfahrung,
nämlich der fordistischen Expansion nach dem Zweiten Weltkrieg, wird die
Fiktion einer Verallgemeinerungsfähigkeit von »Regulation überhaupt«
aufgebaut, ganz so, als könne durch ein politisches Regulationsregime ein
neues Akkumulationsmodell des Kapitals generiert werden (während es sich
real auch im Fall des Fordismus gerade umgekehrt verhalten hat). Die Argumentation
klingt durchwegs so, als habe der Kapitalismus bereits hunderte von Akkumulations-
und Regulations-"Modellen" hinter sich, und als gelte es nur die Konturen
des nächsten festzustellen. In Wirklichkeit war der Fordismus mit seiner
keynesianischen Regulation das erste und gleichzeitig das letzte »Modell«
einer vollkapitalistischen Reproduktion der Gesellschaft, d.h. eigentlich kein
»Modell«, sondern eine einmalige historische Erscheinung. Mit seinem
Ende hört die Reproduktionsfähigkeit in der Fetischform des »Werts«
überhaupt auf, ein Gedanke, der den linken Politökonomen ebenso wie
ihren VWL-Kollegen vielleicht auch deswegen so suspekt ist, weil er die totale
Entwertung ihrer spezifischen Qualifikation impliziert.
32
Als besonders begriffslos erweist sich dabei natürlich wieder der alte
Linksradikalismus, der allen Ernstes unvermittelt von einem »durch die
Automation gestiegene(n) Mehrwert« (Trampert/Ebermann, a.a.O.) spricht
und eine geradezu absurde Kausalität postuliert: »Je produktiver die
Beschäftigten werden, desto mehr Menschen werden auf absehbare Zeit nicht
mehr für die Mehrwertproduktion benötigt« (a.a.O.). Der gesteigerte
stoffliche Ausstoß durch höhere Produktivität ist aber keineswegs
identisch mit der Produktion von »mehr Wert«. Hier wird der Kapitalbegriff
unmittelbar in eins gesetzt mit dem bornierten betriebswirtschaftlichen Standpunkt,
von dem aus sich die Sache tatsächlich so darstellt (dessen Repräsentanten
aber wenigstens nicht den Ehrgeiz entwickeln, »werttheoretisch« argumentieren
zu wollen). Gesamtkapitalistisch gilt jedoch im Gegensatz zu dieser partikularistischen
Betrachtungsweise, die sich um die Vermittlungszusammenhänge nicht schert,
immer noch, daß permanente »Mehrwertproduktion« auch Ausdehnung
und nicht Verminderung des Vernutzungsprozesses abstrakter Arbeit bedeutet.
»Durch die Automation« als solche steigt der Mehrwert ebensowenig
wie aus einer Beißzange Tomaten wachsen. Im Gegenteil ist es erklärungsbedürftig,
wie trotz zunehmender Automation (bzw. wenigstens Mechanisierung und Rationalisierung)
in der hochfordistischen Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg der Mehrwert dennoch
steigen konnte, statt diesen eigentlich in sich widersprüchlichen Zusammenhang
einfach vorauszusetzen.
33
Nur in Asien gab es noch einmal einen Schub fordistischer Expansion, freilich
im gesamtgesellschaftlichen Sinne beschränkt auf wenige kleine Länder
mit relativ geringer Bevölkerungszahl, die »Exportnischen« besetzen
konnten (die sogenannten »kleinen Tiger« wie Hongkong, Singapur, Südkorea
und Taiwan). Bei den asiatischen Großstaaten beschränkt sich die
exportinduzierte fordistische Expansion auf relativ winzige Sektoren, was zu
schweren gesellschaftlichen Erschütterungen führen muß (vor
allem in China). Insgesamt ist das absolute Volumen der südostasiatischen
Mobilisierung viel zu klein, um die reale Welt-Wertschöpfung noch einmal
als Lokomotive ziehen zu können. Die Joint Ventures der deutschen Automobilindustrie
in China sollen bis zum Jahr 2000 nach Plan gerade mal ganze 60.000 Einheiten
im Jahr produzieren; das ist nicht viel mehr als ein Tropfen im Ozean. Was den
größeren Teil des asiatischen Investitionsgüter-Imports angeht,
so befindet er sich fest in japanischer Hand. Aber auch dieses Volumen ist absolut
klein. Bis jetzt reichen die Exporte der asiatischen spätfordistischen
Exportoffensive bei weitem nicht aus, auch nur den Erhalt der bestehenden maroden
und bis über die Schmerzgrenze belasteten Infrastruktur zu finanzieren.
Nach Angaben der Asiatischen Entwicklungsbank wären allein für die
Erhaltungsinvestitionen in den nächsten 5 Jahren mehr als 1 Billion Dollar
notwendig. Was als südostasiatisches »Wunder« gefeiert wird,
ist bis jetzt kaum mehr als der »Basis-Effekt« hoher Wachstumsraten
von einem extrem niedrigen Ausgangspunkt. Dieser Effekt wird sich in wenigen
Jahren erschöpft haben, und die Expansion der »kleinen Tiger«
wird sich an den unerschwinglichen Investitionskosten für die Infrastruktur,
die Reparatur der katastrophalen Umweltschäden und die Kosten für
die nächste Stufe der Kapitalintensität brechen. Die überwältigende
Mehrzahl der Länder in der heutigen Welt kann aber nicht einmal mehr bis
an die Schwelle des fordistischen »Basis-Effekts« gelangen.
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Weltmeister in dieser Hinsicht dürften Rainer Trampert und Thomas Ebermann
sein, die einfach aufgeschnappte Zahlen addieren und daraus kurzschlüssig
eine vermeintlich ungehemmte Expansion der Mehrwertproduktion herleiten: »In
China wuchs die Beschäftigung von 1983 bis 1992 um 28 Prozent, das sind
absolut 130 Millionen Lohnarbeiter mehr. In vielen asiatischen Ländern
explodierte die Beschäftigung geradezu: in Thailand um 35, in Südkorea
um 30, auf den Philippinen um 26, in Singapur und Malaysia um je 23, in Hongkong
um 13, in Indien um 26 und in Pakistan um 19 Prozent« (Konkret 3/1995,
36). Abgesehen von der teilweise niedrigen Ausgangsbasis ist aber mit dieser
Aufzählung an sich noch gar nichts über die Entwicklung der realen
Wertsubstanz gesagt, solange die theoretischen und empirischen Vermittlungen
auf der Wertebene nicht geleistet sind. Trampert/Ebermann begeben sich auch
hier wieder gar nicht erst auf diese Ebene, sondern begnügen sich mit oberflächlichen
soziologischen Daten und einer bestenfalls moralisch interpretierten »Phänomenologie
der Ausbeutung«. Daß es aufgrund der kapitalistischen Entwicklung
vielen Menschen schlecht geht und miserable Arbeitsverhältnisse herrschen,
sagt aber noch nichts über die reale Akkumulationsfähigkeit des Kapitals
aus.
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Hier muß wieder auf die soziologistisch beschränkte Begriffsstutzigkeit
des Altmarxismus hingewiesen werden, der werttheoretisch völlig naiv vorrechnet:
»Dem Kapitalismus als ganzem wird nicht die Arbeit ausgehen, wenn einer
Senkung der Industriearbeit in Deutschland um rund 2 Millionen Stellen 130 Millionen
neue Arbeitsplätze in China gegenüberstehen« (Trampert/Ebermann,
a.a.O.). Eine solche Argumentation verkennt völlig, daß »Wert«
ein relativer historischer Begriff ist und bei ungleichzeitigen Niveaus nicht
anhand absoluter Beschäftigungszahlen hochgerechnet werden kann.
36
Vom Standpunkt des betriebswirtschaftlichen Kalküls aus heißt das:
pro eingesetztes Kapital kann im säkularen Prozeß immer weniger Profit
erzielt werden, was aber zu kompensieren ist durch Erhöhung des Einsatzes
und damit auch (absolut gesehen) des Profits. Wenn ein Kapital von 1 Million
nur noch 50.000 statt vorher 100.000 Profit bringt, dann wird dieser Rückgang
absolut gesehen durch den Einsatz von 2 Millionen kompensiert und durch den
Einsatz von 3 Millionen steigt der Profit sogar absolut erheblich an. Voraussetzung
dafür ist natürlich, daß die 3 Millionen statt der vorherigen
einen sich auch rentabel und marktfähig produktiv anlegen lassen. Vom einzelkapitalistischen
Standpunkt aus bedeutet dies, daß die pure Umsatzsteigerung und der Kampf
um Marktanteile ein historisch immer mehr zunehmendes Gewicht gewinnen. Denn
auch vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus können nur durch Erweiterung
sowohl die fallende Profitrate kompensiert bzw. überkompensiert als auch
die steigenden Investitionskosten des Sachkapitals erwirtschaftet werden. Die
Rede vom »Gesundschrumpfen« ist insofern nicht nur gesamtgesellschaftlich,
sondern auch betriebswirtschaftlich eine Illusion. Beim Unterschreiten einer
(sicherlich von Branche zu Branche und von Zyklus zu Zyklus verschiedenen) Mindestgröße
wird das vermeintliche »Gesundschrumpfen« sehr schnell in den Exitus
übergehen.
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Vielleicht könnte man den Sachverhalt so formulieren: es handelt sich gewissermaßen
um den Unterschied zwischen einem relativ »zu kleinen Gewinn« einerseits
und der Absolutheit des schlichten Bankrotts mangels Liquidität und somit
Zahlungsfähigkeit andererseits; nur daß sich dieses Problem hier
auf die Produktionsweise als solche statt auf die betriebswirtschaftliche Ebene
bezieht.
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Desperate Altmarxisten wie Trampert/Ebermann zitieren wohlweislich nur den zweiten
Halbsatz von Marx, daß die Nation »um keinen Heller ärmer«
werde durch das »Zerplatzen dieser Seifenblasen«, während sie
den Verweis auf die mögliche Rückkoppelung des Finanzkrachs auf die
Realakkumulation unterschlagen (Konkret 4/95, 35). Ihr Interesse ist offenkundig:
Es soll suggeriert werden, daß das Problem des »fiktiven Kapitals«
weder damals noch heute etwas Entscheidendes mit der eigentlichen Kapitalakkumulation
zu tun habe und dieser gegenüber eine eher vernachlässigenswerte Größe
sei; bloße luftige Begeleiterscheinung machtvoller Real-Ausbeutung, die
ungebrochen weiter von Gipfel zu Gipfel stürmt. Die Gründe, warum
die beiden Ex-Matadore der »Fundis« unbedingt das Kapital »reich
rechnen« wollen und geradezu seine Kraft und Herrlichkeit besingen, können
jedenfalls nicht mehr im theoretischen bzw. analytischen Bereich verortet werden.
Die krampfhafte Beschwörung der Seriosität globaler Kapitalakkumulation
zeigt höchstens, daß das Bewußtsein des Arbeiterbewegungs-Marxismus
selber auf diese Seriosität angewiesen ist, um am eigenen Selbstverständnis
festhalten zu können.
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Deswegen ist es auch ziemlich blauäugig, wenn etwa der New Yorker Banker
Felix Rohatyn den gutgemeinten Vorschlag macht, das internationalisierte Spekulationskapital
irgendwie für die infrastrukturelle Ausrüstung der 3. Welt, der südostasiatischen
Wachstumsregionen und des ehemaligen Ostblocks anzuzapfen, um es endlich in
produktive Bahnen zu lenken. Rohatyn übersieht völlig, daß es
ja gerade die mangelnde Finanzierungsfähigkeit und Ertragskraft bzw. die
mangelnde produktive Rentabilität im Weltmaßstab war, die das Geldkapital
überhaupt erst dazu gebracht hat, in die spekulative Stratosphäre
aufzusteigen. Er verwechselt also Ursache und Wirkung. Außerdem ist es
natürlich noch einmal blauäugig, das fiktiv aufgeblähte Geldkapital
positiv als solches zu nehmen und wie produktiv erzeugtes behandeln zu wollen.
Der Baron Münchhausen hätte seine Freude an solchen Vorschlägen
gehabt.
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Natürlich stellt sich derselbe Sachverhalt unterschiedlich dar, je nachdem,
welches Produktivitätsniveau ein Land auf der Ebene der realen Reproduktion
noch halten kann, welchen Bonus die jeweilige nationale Währung im internationalen
Finanzsystem noch besitzt und welcher Grad der sozialökonomischen Krise
bereits erreicht ist. Aber die Finanzmafia in Rußland oder das zwielichtige
System von Hinterzimmer-»Banken« in der Ukraine gehören dennoch
auf niedrigem Niveau demselben globalen Kasinokapitalismus an, der sich in Japan
oder in den USA nur auf höherer Ebene darstellt.
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Zu unterscheiden ist hier Fremdkapital, das von sich aus zwecks realer Anlage
in ein Land fließt (was dann heißt, daß der »Standort«
attraktiv ist), und Fremdkapital, das der Staat (bzw. die Unternehmen) sich,
der Not gehorchend, im Ausland leihen und mit Zins und Tilgungsleistungen bedienen
müssen. Im letzteren Falle ist ein Defizitkreislauf bzw. eine potentielle
Schuldenkrise gegeben.
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Natürlich sind alle diese Defizitkreisläufe niemals langfristig durchzuhalten.
Deswegen machen sich die Bundesregierung und die EU-Institutionen auch ständig
selbst Mut, indem sie notorisch Erholungen, Aufschwünge usw. melden, die
doch bestenfalls nur dem Nachheizen mit unproduktiver Liquiditätsschöpfung
zu verdanken sind. Noch idiotischer ist freilich jenes gleichzeitig nationalistische
und monetaristische Quengeln, »Deutschland« sei zum »Zahlmeister
der Welt« geworden und solle sich endlich auf sein Eigeninteresse besinnen.
In Wirklichkeit ist es natürlich einem schon verzweifelten Eigeninteresse
geschuldet, daß die europäischen Defizitkreisläufe mit DM gefüttert
werden, denn die hochgradig exportlastige BRD-Ökonomie liefert zu mehr
als 70 Prozent in die europäischen Nachbarländer und ist somit selber
auf Gedeih und Verderb davon abhängig, daß sämtliche europäischen
Defizitkreisläufe weitergehen.
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So gesehen liegt übrigens das orakelnde Räsonnement der westlichen
Management-Gurus über die japanischen Erfolge, das diese auf »lean
production« und andere »japanische innovative Methoden« zurückgeführt
hat, die nachzuahmen wären, voll daneben. Bis Anfang und sogar noch bis
Mitte der 80er Jahre hielten sich die Erfolge Japans durchaus in Grenzen und
es galt nicht unbedingt als »das« neukapitalistische Wunderland schlechthin.
Zum eigentlichen Weltmeister stieg Japan erst im Zuge seiner durch und durch
unseriös finanzierten Superinvestitionen aus dem kasinokapitalistischen
Scheinboom auf. Hier ist das schmutzige kleine Geheimnis des japanischen Großerfolgs
vor allem zu suchen, und weniger in irgendwelchen besonderen technologischen
oder organisatorischen Innovationen. Schon allein deswegen ist die »japanische
Übermacht« letztendlich eher eine historisch kurzlebige Seifenblase.
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Als symptomatisch mag es gelten, daß vor kurzem die letzte Fabrik zur
Produktion von Farbfernsehern in den USA von einem südkoreanischen Unternehmen
aufgekauft worden ist. Dies gilt sicherlich nicht für alle Produktionssegmente,
jedoch für ein breites Spektrum von hochwertigen Industrieprodukten, bei
denen die USA nicht einmal mehr den eigenen Binnenmarkt halten können;
die Konkurrenzfähigkeit wird dagegen umso größer, je mehr die
Produkte direkt oder indirekt an den Rüstungssektor gebunden sind, also
an den unproduktiven Staatskonsum.
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Wenn oft das Argument ins Feld geführt wird, die Staatsverschuldung sei
in den USA gemessen am Bruttosozialprodukt sogar geringer als in anderen westlichen
Ländern, so wird damit nur die Brisanz der Lage heruntergespielt und »vergessen«,
daß die Staatsverschuldung der USA im Vergleich zu den übrigen Industrieländern
gleich mit drei Negativfaktoren belastet ist: erstens mit der extrem niedrigen
Sparquote, zweitens mit der ebenso extrem hohen privaten Verschuldung in den
USA (Privathaushalte und Unternehmen), und drittens mit der daraus folgenden
Notwendigkeit, daß sich der Staat im Ausland statt bei den eigenen Bürgern
verschuldet.
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Der Auslöser als solcher kann freilich ganz beliebig und irgendein Ereignis
irgendwo auf der Welt sein; egal ob es sich um einen finanziellen Zusammenbruch
in Lateinamerika, um den Ausbruch eines Bürgerkriegs in Rußland oder
China, um spektakuläre Aktivitäten des Fundamentalismus im »moslemischen
Krisenbogen«, um eine dramatische Zuspitzung des Balkankriegs oder um eine
Naturkatastrophe handelt.
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Keineswegs überraschend ist es wieder der alte Linksradikalismus, der mit
moralisch negativem Vorzeichen diese Illusion des in der totalen Warenform befangenen
Denkens voll und ganz teilt; gerade für ihn bleibt es ein Credo, »daß
jede Krise des Kapitalismus...zugleich seine Sanierung vorantreibt« und
daß es »selbst nach einem Zusammenbruch des kapitalistischen Wertsystems
nur eines geben (kann): Kapitalismus, und zwar auferstanden aus Ruinen...«
(Trampert/Ebermann, a.a.O.).