Startseite Krise und Kritik der Warengesellschaft


11.-13. September 2009:
EXIT!-Seminar in Enkenbach/Pfalz zum Thema "Staat und Krise".
Programm und Anmeldemodalitäten


Ablaufplan des Treffens wertkritischer Lese- und Diskussionskreise
10./11. September 2009 in Enkenbach/Pfalz

10. September 2009

Abends bis ??? Kennenlernen in offener Runde

11. September 2009

Vormittags:

Seminar mit Claus Peter Ortlieb: "Positive Wissenschaft als Ideologie"

Ankündigungstext des Referenten:

Der mit ihr vermachte Mangel an Selbstreflexion ebenso wie der unreflektierte Vorrang der Methode vor dem Gegenstand macht positive Wissenschaft ideologisch. Die Folgen sind gravierend: Die selbst verordneten Scheuklappen führen in der Naturwissenschaft zum falschen oder fehlenden Bewusstsein für das eigene Handeln und dessen Voraussetzungen und Grenzen. Der Gesellschaftswissenschaft verstellen sie den kritischen Blick auf ihren eigentlichen Gegenstand, nämlich die moderne Gesellschaft als ganze.

Nachmittags:

Erfahrungsaustausch und Ideen sammeln, z.B.:

  • Arbeitsweise der Lese- und Diskussionskreise
  • Rezeptions- und Diskussionsmethodik
  • Schwierigkeiten bei Theorierezeption und -vermittlung
  • Neue Mitglieder gewinnen – ja oder nein und wenn ja, wie?
  • Mehr Öffentlichkeit für die Wertkritik – Was können wir leisten?
  • Vernetzung der Lese- und Diskussionskreise – ja oder nein und wenn ja, wie?

Hinweis zum Treffen der Lese- und Diskussionskreise
für weitere, noch nicht angemeldete Interessenten:


EINLADUNG ZUM EXIT!-SEMINAR 2009 VOM 11. BIS 13. SEPTEMBER IN ENKENBACH/PFALZ

STAAT UND KRISE

Diese erneut aufgewärmte Option hat etwas Desperates an sich, denn sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die staatliche Interventionsmacht zusammen mit dem Ende der fordistisch-keynesianischen Epoche an ihre Grenzen gestoßen ist. Die „Staatsknete“ bewältigt die Krise nicht, sondern hebt sie nur auf ein anderes Niveau. Dabei ist auch der historischen Ungleichzeitigkeit in der kapitalistischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Während der Staat der westlichen Zentren bislang in der Krise Transformationsprozesse als Notstandsverwaltung durchläuft, ist der Zerfall staatlicher Strukturen in den Weltregionen der Peripherie („failed states“) in ein neues Stadium eingetreten. Das ist ein Menetekel auch für die Zentren selbst, worauf drohende Staatsbankrotte im Umkreis der EU hinweisen.

Zu erwarten ist im kommenden Jahr eine dramatische Verschärfung der sozialen Krisen- und Armutsverwaltung, begleitet von „Ethik“-Kampagnen, in denen der Staat als „Gerechtigkeits-Retter“ die sozialen Restriktionen ideologisch flankiert, um Volks-Vorurteile zu mobilisieren. Dies wird auch die Krisenverwaltung der Geschlechterverhältnisse betreffen, deren kritische Thematisierung dabei untergepflügt zu werden droht. Gleichzeitig wirft die objektive Seite der Krise die Frage nach dem ökonomischen Status des Staates vor allem in der Geldpolitik auf. Daran wird sich der weitere Verlauf der Krise entscheiden, wenn die Rettungspakete und Konjunkturprogramme nicht mehr in einen erneuerten „selbsttragenden“ Aufschwung der realen Mehrwertproduktion münden.

Freitag, 11. September: Anreise 16 Uhr

19:00 Staatliche Krisenverwaltung in Frankreich (Bernard Schmid, Paris)

Frankreich ist in der deutschen Linken üblicherweise als ein Land bekannt, in dem relativ starke soziale Protestbewegungen mit gewerkschaftlicher Unterstützung anzutreffen sind. Oft konnten sie in der Vergangenheit auch greifbare Ergebnisse erzielen, zumindest in der Eindämmung sozialer Verschlechterungen. Seit dem Ausbruch der jüngsten Krise scheinen jedoch auch in Frankreich die Gewerkschaften sprachlos geworden zu sein und sich freiwillig in eine Defensivposition zu begeben. Obwohl die Bereitschaft zum sozialen Widerstand anfangs groß war, wurde sie in drucklosen „Spaziergangs-Demonstrationen“ verpulvert, zu denen immer weniger Leute kamen. Die ideologische Mobilisierung rund um die Krise betreibt unterdessen nicht die soziale Opposition, sondern der „allgegenwärtige“ Omni-Präsident Nicoals Sarkozy. Eine seiner wichtigsten Ankündigungen besteht darin, eine riesige Staats-“Anleihe“ bei der Bevölkerung aufzunehmen, um Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Diese Anleihe, die laut Kritik von bürgerlichen Experten den Staat teurer kommen wird als das Borgen auf den Finanzmärkten, soll die Bevölkerung ideologisch für die „Krisenbewältigungspolitik“ mobilisieren, indem sie „ihrem“ Staat Geld vorstreckt, noch dazu mit Gewinnerwartung, und dadurch „Vertrauen“ in ihn investiert. Das Projekt, das eher ideologischen als ökonomischen Imperativen gehorcht, scheint allerdings nicht vom Fleck zu kommen. Nur eine Minderheit von „Besserverdienenden“, die in den letzten Jahren von Sarkozys Steuersenkungen profitiert hatte, erwartet nun neue „bombensichere“ Anlagemöglichkeiten.

21:30 Lesung und Gespräch mit Jürgen Lodemann

Jürgen Lodemann, 1936 in Essen geboren, Schriftsteller und Film-Autor, Romane u.a. „Essen Viehofer Platz“, als Herausgeber: „Der große Irrtum. Die Erinnerungen des NSDAP-Mannes Friedrich Lodemann“, liest aus seinem jüngsten Roman „Paradies, irisch“ (2008). Der mittlerweile von der Kritik entdeckte und hoch gelobte Roman verknüpft Gesellschafts- und Menschengeschichte(n), zeitlich in der Mitte des 16. Jahrhunderts und geografisch angesiedelt in der irischen Stadt Galway – ein Roman von besonderem Interesse für uns, denn es ist eine große literarische Parabel zu entdecken auf den Ablösungsprozess vormoderner Fetischverhältnisse und die zerstörerische Konsequenz von Kategorien der Wertvergesellschaftung. Näheres über den Autor: www.juergen-lodemann.de

Samstag, 12. September

10:00 Mit Ethik gegen die Krise (Hanns v. Bosse, Kaiserslautern)

Es ist nicht überraschend, dass die Verarbeitung der Krise im herrschenden Bewusstsein die Gestalt eines Moraldiskurses angenommen hat. Eine Branche wähnt sich wieder im Aufwind, die schon immer alle Übel der Welt darauf zurückgeführt hat, dass man nicht recht auf sie hören wollte: die Wirtschaftsethik. Nachdem ihre bisherigen Versuche, den „Entscheidungsträgern in der Wirtschaft“ auf direktem Weg Moral beizubringen (Unternehmensethik!), nicht gerade vom Erfolg gekrönt waren, setzt sie nunmehr ihre Hoffnungen verstärkt auf den Staat: dieser soll, als Hüter der „Werte“ und Garant des Gemeinwohls, das „Zeitfenster für einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“ nutzen und dafür sorgen, dass dem schrankenlosen Egoismus, der Gier und der sich ausbreitenden Verantwortungslosigkeit Einhalt geboten und „unsere Wirtschaft“ wieder an ihre eigentliche Aufgabe, nämlich „dem Menschen“ zu dienen, erinnert wird. Und der Staat wird sich das nicht zweimal sagen lassen; er wird diese Aufgabe allerdings auf seine Weise interpretieren und seinen Bürgern speziell die Tugenden einbläuen, die das „Gemeinwohl“ in seiner kapitalistischen Form speziell in Krisenzeiten nun einmal erfordert. Das Referat wird versuchen, den zutiefst antiemanzipatorischen Kern dieses ganzen Moraldiskurses herauszuarbeiten und zu zeigen, worauf die „Moralisierung der Märkte“ unter staatlicher Ägide zwangsläufig hinauslaufen wird.

15:00 Der Wandel politischer Herrschaft in der Krise. Nutzen und Grenzen staatlicher Transformationsanalysen (Frank Rentschler, Marburg)

Der Blick auf den Staat ist in wertabspaltungskritischen Analysen bisher vorwiegend durch eine Verfallsperspektive bestimmt. Aufgrund von Ungleichzeitigkeiten ist diese Sichtweise jedoch nicht ausreichend; so lassen sich z.B. Beobachtungen, die in Ex-Jugoslawien gemacht wurden, (zumindest noch) nicht einfach verallgemeinern. Von daher haben Ansätze, die nicht vom Verfall, sondern von der Transformation von Staatlichkeit (so z.B. ein Buchtitel von Michael Felder) ausgehen, nach wie vor ihre Berechtigung. Um solche Transformationsanalysen wird es in dem Vortrag gehen. Sie sind auf mehreren Ebenen angesiedelt. Die erste Ebene ist die der Regierungstechnik, wo eine Abkehr von der Einbindung der Subjekte durch kooperativistische Aushandlungsprozesse um Gruppenrechte (das klassische Government) durch eine indirekte Steuerung und Organisation der Ausgrenzung durch betriebswirtschaftliche Kennziffern konstatiert wird (Governance). Die zweite Ebene betrifft den damit einhergehenden institutionellen Wandel, in dem ehemals öffentlich-rechtliche Einrichtungen in Private Public Partnerships überführt werden, was mit neuen Bürokratisierungsmustern einhergeht (New public Management). Die dritte Ebene betrifft die Folgen für die Rechtssubjektivität. Das ganze geht mit einer Aushöhlung von Bürgerrechten einher (was in einschlägigen Texten als Krise der Demokratie verhandelt wird), da der Rechtsstatus eng mit dem Kundenbegriff kurzgeschlossen wird. Auf allen Ebenen spielt auch die rassistische und geschlechtliche Ausgrenzung eine Rolle. Abschließend soll gezeigt werden, dass ein positiver Bezug auf die Demokratie kein geeigneter Standpunkt der Kritik an den beschriebenen Prozessen ist.

Sonntag, 13. September

10:00 Staat der Ökonomie und Ökonomie des Staates (Robert Kurz, Nürnberg)

Der Begriff der „politischen Ökonomie“ verweist auf die Gleichursprünglichkeit von moderner Staatlichkeit und kapitalistischer Wertvergesellschaftung. Im marxistischen Diskurs ging es vorwiegend um den Bezug des Staates zu den sozialen Klassensubjekten und deren Willensverhältnissen; von der Annahme einer staatlichen Neutralität (Sozialdemokratie) über den Begriff des „geschäftsführenden Ausschusses der Bourgeoisie“ (Engels) bis zu einem Verständnis als Ausdruck von wechselnden „Kräfteverhältnissen“ (Poulantzas). Sowohl in der sozialdemokratischen positiven als auch in der kritischen negativen Staatstheorie gilt der Staat hinsichtlich der Kapitalverwertung als Instanz der Krisenbewältigung, von der Theorie des „organisierten Kapitalismus“ (Hilferding) über den „integralen Etatismus“ (Horkheimer) bis zum postoperaistischen Politizismus. Aus wertabspaltungskritischer Sicht wäre der Staat als sozial übergreifende Instanz des „automatischen Subjekts“ zu begreifen, die nicht einem bestimmten sozialen Interesse dient, sondern der verselbständigten Verwertungslogik als solcher – damit aber auch von dieser abhängig bleibt, einschließlich ihres androzentrisch-universalistischen Charakters. Wenn Marx das Geld und den Staat als die beiden Pole der „abstrakten Allgemeinheit“ bestimmt, rückt in der Frage der Krisenbewältigung das Verhältnis von Staatsintervention und Geldtheorie in den Mittelpunkt. In der aktuellen Verschränkung von globaler Kreditkrise, Weltwirtschaftskrise und staatlichen Rettungspaketen kommt es dabei auf neuem historischen Niveau zu einer Kulmination des inneren Widerspruchs von realer Mehrwertproduktion und staatlicher „Geldsouveränität“. Dieses Kernproblem staatlicher Krisenpolitik auf dem erreichten Entwicklungsniveau, von dem auch das geschlechtliche Abspaltungsverhältnis ergriffen wird, soll in Abgrenzung von gängigen Auffassungen herausgearbeitet werden.

Zum Tagungsort Haus Mühlberg (Tagungs- und Freizeitstätte der Ev. Kirche der Pfalz), Anreisebeschreibung

Am Mühlberg 17

67677 Enkenbach-Alsenborn (Ortsteil Enkenbach)

Tel.: 06303 - 2337

Vom Bahnhof kommend erreicht man das Haus Mühlberg zu Fuß in ca. 10 Minuten: man verlässt den Bahnhof nach links, an der Hauptstrasse wieder links über einen Bahnübergang und einen Kreisverkehr hinweg; ca. 200 m nach dem Kreisverkehr (der mit einem Elefanten aufwartet) links den Berg hoch (Haus Mühlberg ausgeschildert).

Mit dem Auto von der Autobahn kommend fährt man bis zur Kreuzung mit Ampel in der Ortsmitte, dort rechts und dann weiter über besagten Bahnübergang und Kreisverkehr.

Teilnehmerkosten pro Person mit Übernachtung und Verpflegung
Freitag bis Sonntag:

Doppelzimmer o. Dusche/WC (auf dem Flur): 95 Euro

Einzelzimmer o. Dusche/WC (auf dem Flur): 100 Euro

Doppelzimmer m. Dusche/WC: 100 Euro

Teilnahme nur am Seminar: Tagungsbeitrag 15 Euro

Ermäßigung

Anmeldung:

Roswitha Scholz für die EXIT!-Redaktion