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Texte zur gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise


Krisenwirren

Offener Brief an die InteressentInnen von EXIT zum Jahreswechsel 2014/15

In den zwei Jahren seit dem Tod von Robert Kurz hat sich die von ihm bereits vor 28 Jahren analysierte und prognostizierte Krise des Weltkapitals1 weiter zugespitzt und wird dadurch von einer breiter werdenden Öffentlichkeit wahrgenommen, wenn auch regelhaft auf verquere, die eigentlichen Ursachen verkennende Weise. Insbesondere das Jahr 2014 hatte es in sich, nicht nur seiner an Katastrophen erinnernden Jahrestage wegen, 100 Jahre nach dem Ausbruch des ersten, 75 Jahre nach dem des zweiten Weltkriegs und 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende der sogenannten Systemkonkurrenz.

In ihrem Leitartikel zum Jahreswechsel sorgt sich die SPIEGEL-Redaktion2, das Jahr 2014 könne sich im Nachhinein – wie schon das Jahr 1989, nur ganz anders als damals gedacht – als ein „Scharnierjahr“ der Weltgeschichte erweisen, in dem nämlich das Ende „des Westens“ und seines „normativen Projekts aus Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechten und Freiheit“ eingeläutet worden sei. Der Westen sei 2014 in die Defensive geraten: „In diesem Jahr wurden die Demokratien so kräftig herausgefordert wie lange nicht mehr, vom autoritären und intoleranten Denken und Handeln, von außen wie von innen.“

Als Belege dafür werden angeführt: Russland, das „die Krim annektierte“ und einen Bürgerkrieg im Osten der Ukraine schüre; das Aufkommen des „Islamischen Staates“ und die Demütigung des Westens durch die Enthauptung amerikanischer und britischer Geiseln vor laufender Kamera; China, das sich erstmals zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt aufgeschwungen habe, wenn man die Kaufkraft berücksichtige, und dessen „kommunistische Führung“ das Riesenreich militärisch aufrüsten wolle; die Türkei, die sich anstatt der EU jetzt Russland annähere; das Ende des „Arabischen Frühlings“, von dem nur Tunesien als „positives Beispiel“ übrig geblieben sei, während „das Autoritäre“ anderswo marschiere; die Erfolge rechtspopulistischer Parteien bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, die ähnlich gesinnte „Bürgerbewegung“ Pegida in Dresden, die Erfolge der AfD bei Landtagswahlen; die erstaunlich hohe „Akzeptanz für Putins aggressiven Nationalismus“ gerade in Deutschland und die Finanzierung des französischen Front National durch eine russische Bank.

Interessanter als diese etwas merkwürdige und zusammenhanglos bleibende Aufzählung einzelner, angeblich gegen die westlichen Werte gerichteter Entwicklungen ist womöglich das, was nicht gesagt wird. Zum einen ließe sich der Liste ja noch einiges hinzufügen, so etwa die Belege dafür, dass der Westen in seinem Kampf gegen die „Herausforderungen durch autoritäres und intolerantes Denken und Handeln“ seine eigenen Werte schon lange nicht mehr ernst nimmt. Stattdessen gehören Folter und das gezielte Töten von Zivilpersonen ohne Gerichtsverfahren ebenso zu den Waffen in diesem Kampf wie die flächendeckende Überwachung nicht nur der Telekommunikation der eigenen Bevölkerung, weshalb westliche Politik, die anderswo Menschenrechte einfordert, sich bloß noch lächerlich macht. Zum zweiten wird die Frage gar nicht erst gestellt, woher denn plötzlich diese vermeintliche Gegenbewegung zum „Westen und seinen Werten“ kommt, wenn doch die „Systemkonkurrenz“ seit 25 Jahren beendet ist. Sie zu beantworten würde den SPIEGEL wohl vor unlösbare Probleme stellen.

Wie bereits von Marx hervorgehoben, geht es bei den westlichen Werten, den „unveräußerlichen Rechten“ auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück zentral um die Freiheit und Rechtsgleichheit der Marktsubjekte, die Garantie des Privateigentums und die staatlich garantierte Sicherheit der geschäftlichen Transaktionen, weswegen denn auch Sklaven, Frauen und freie Schwarze bei der Deklaration dieser sogenannten Menschenrechte als deren Träger (noch) gar nicht vorgesehen waren. In ihren Genuss kommen nur warenproduzierende und geldverdienende Wesen. „Nur insofern ist ein Mensch überhaupt rechtsfähig, also auch menschenrechtsfähig, als er im Rahmen der kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten funktionieren kann, die zum Naturgesetz der Gesellschaft erklärt worden sind. Die bürgerliche so genannte Aufklärung hat unter ‚Menschsein‘ einzig und allein die Existenz von Subjekten der abstrakten ‚Arbeit‘ in betriebswirtschaftlichen Funktionsräumen und des Warenverkehrs auf den Märkten (sprich: der Realisationssphäre der Kapitalverwertung) verstanden. Es wird unterstellt, ‚der Mensch‘ komme in dieser gesellschaftlichen Form schon aus dem Mutterleib, weil er sich physisch wie geistig überhaupt nur als ein derartiges ‚ökonomisches‘ Wesen darstellen könne.“ 3

Der Aufstieg der kapitalistischen Produktionsweise und die damit verbundene Einbeziehung immer größerer Teile der Gesellschaft in die Kapitalverwertung brachte es mit sich, dass immer mehr Menschen den Status von rechtsfähigen Marktsubjekten erlangten und damit menschenrechtsfähig wurden. Doch diese Bewegung hat sich inzwischen umgekehrt. In dem Maße, in dem im Zuge der finalen Krise Menschen für die Kapitalverwertung überflüssig werden, trifft für sie „die Voraussetzung nicht mehr zu, die in der aufklärerischen Definition des Menschen gemacht worden ist. Die kapitalistisch ‚Überflüssigen‘ sind gemäß dieser Definition keine Menschen mehr, sondern nur noch Naturgegenstände wie Kieselsteine, Schachtelhalme oder Kartoffelkäfer (der Marquis de Sade hat als erster schon im 18. Jahrhundert diese Konsequenz mit aller zynischen Schärfe ausgesprochen).

Daraus folgt, daß die modernen Menschenrechte eigentlich kein Versprechen sind, sondern eine Drohung: Wenn du nicht mehr betriebswirtschaftlich brauchbar und funktionsfähig bist, bist du auch im Prinzip nicht mehr rechtsfähig, und wenn du nicht mehr rechtsfähig bist, bist du letzten Endes auch kein Mensch mehr. Die potentielle Entmenschung der ‚Überflüssigen‘ ist im bürgerlich-aufklärerischen Begriff der Menschenrechte insofern enthalten, als der kapitalistisch versachlichte Mensch in der ‚naturwidrigen‘ Gestalt des Herausgefallenen eben sogar weniger als eine Sache ist. Diese letzte Konsequenz ist das geheime Prinzip aller politischen Ökonomie, und damit der modernen demokratischen Politik überhaupt. Es ist die Essenz jenes naßforschen ‚Realismus‘, wie er längst auch die politische Linke durchseucht hat. Alle Realpolitik trägt das Kainsmal dieser unerbittlichen Logik.“ 4

Das „prekäre Projekt des Westens“, von dem der SPIEGEL schwadroniert, ist in den letzten Jahren nicht durch eine von außen kommende Gegenbewegung in die Defensive geraten. Vielmehr resultiert diese vermeintliche Gegenbewegung aus den inneren Widersprüchen jenes Projekts und denen der kapitalistischen Produktionsweise, auf der es beruht. In der Phase des Niedergangs dieser Gesellschaftsformation, in der sich die Konkurrenz der Nationalökonomien, der Unternehmen und der Arbeits- und Warensubjekte immer weiter verschärft, werden Demokratie und Menschenrechte zum Luxus; für die Herausgefallenen und die zukünftig Herausfallenden sind sie sowieso nie gedacht gewesen.

Notwendig wäre eine wirkliche Gegenbewegung gegen diese zerstörerische Dynamik, bei der es freilich nicht um die Rettung des westlichen Projekts gehen kann, sondern vielmehr um seine Überwindung im Sinne einer selbstverständlichen „Anerkennung des Menschen, das heißt aller Menschen in ihrer leiblichen, geistigen und sozialen Existenz“, die nur „jenseits der aufklärerisch-kapitalistischen Definition des Menschseins liegen“ kann.5

Die Unhaltbarkeit der herrschenden Zustände hat inzwischen immerhin zu einer Vielzahl von Suchbewegungen nach Alternativen geführt, die allerdings regelmäßig ohne Kapitalismuskritik auszukommen glauben. Das hat zur Folge, dass die sogenannten Alternativkonzepte nahezu zwangsläufig in den kapitalistischen Kategorien befangen bleiben, die sie doch hinter sich lassen wollen. Weil ohne eine tiefgehende Analyse und Kritik der Wert-Abspaltungs-Vergesellschaftung deren bewusste Überwindung nicht möglich ist, wird die Aufgabe des EXIT-Projekts eher in einem „Programm der Abschaffungen“ und darin bestehen, die Defizite der inzwischen reichlich vorhandenen Basteleien an vermeintlich postkapitalistischen Konzepten aufzuzeigen, als sich selbst an ihnen zu beteiligen. Hier ein paar Hinweise auf entsprechende Problemfelder:

Unter allen auch in den Mainstream-Medien wahrgenommenen Antworten auf die ökologische Krise gilt die der Postwachstumsbewegung als die radikalste: Weil ökonomisches Wachstum ohne Zerstörung der natürlichen Grundlagen nicht zu haben ist, werden wir in Zukunft nur ohne Wachstum überleben können. Solange allerdings die Frage, was da eigentlich so zwanghaft wachsen muss, mangels zureichender kapitalismuskritischer Analyse unbeantwortet bleibt, entsteht aus dem wachstums- sofort ein konsumkritischer Ansatz und daraus unvermittelt ein neoliberales Konzept:

Materielle Armut als angebliche Voraussetzung für die individuelle Befreiung schmackhaft zu machen, mag sich ja als Instrument der Krisenverwaltung als durchaus brauchbar erweisen. Der damit letztlich propagierte Rückfall in die Subsistenzwirtschaft kann aber wohl kaum Bestandteil einer anzustrebenden Überwindung des kapitalistischen Wachstumszwangs sein.6

Vor der Gefahr, Bestandteil der Krisenverwaltung und eines neuen, sozusagen auf die Ich-AG bezogenen Unternehmertums zu werden, ist auch eine grundsätzlicher angelegte Kapitalismus- und Fetischismus-Kritik nicht gefeit, sobald sie in den Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft Fuß fasst. Der Kapitalismus hat es bisher noch immer verstanden, der Kritik an ihm die Schärfe zu nehmen, sie den eigenen Formen anzupassen und sich letztlich einzuverleiben. Das kann auch radikaler Gesellschaftskritik passieren, sobald sie in die Mühlen der institutionalisierten Wissenschaft gerät, weil die dort mit ihr befassten Personen eben auch auf ihr eigenes Fortkommen bedacht sein und deshalb die Eigenheiten des opportunistischen Netzwerkkontextes berücksichtigen müssen, in dem sie sich bewegen. Die Auswahl der Fragestellungen ebenso wie die Richtung, in der Antworten gesucht werden, können dabei schnell zum bloßen Mittel zu einem ganz anderen Zweck werden, etwa dem der Profilierung des eigenen „unternehmerischen Selbst“ oder um ganz profan an Drittmittel für das nächste Projekt heranzukommen. Den Ergebnissen einer in solchen Zusammenhängen entstandenen Gesellschaftskritik sollte mit einem gewissen Misstrauen begegnet werden, und allemal ist das Umfeld ihres Zustandekommens immer mit zu reflektieren.7

So erfreulich es auf den ersten Blick erscheint, wenn Teile oder auch nur Versatzstücke der im EXIT-Zusammenhang entwickelten Theorie in anderen Kontexten auftauchen, so genau sollte man also hinsehen, wie sie dort zum Einsatz kommen. Das gilt, in anderer Weise als für den geistes- und sozialwissenschaftlichen Betrieb, auch für die Bereiche, die sich mit den gesellschaftlichen Folgen der IT-Entwicklung auseinandersetzen. Dort finden sich nicht zufällig Krisenerklärungen, die nicht auf das angeblich wild gewordene Finanzkapital abheben, sondern die Ursachen in der Entwicklung der Produktivkräfte und dem mit ihr verbundenen Verschwinden der Arbeit aus der Produktion sehen. So weit, so gut. In diesen technisch orientierten Kontexten scheint allerdings die Vorstellung weit verbreitet zu sein, dass die technische Entwicklung allein quasi automatisch aus dem Kapitalismus hinausführt und den Weg in eine befreite Gesellschaft eröffnet. Ein typischer und zugleich der prominenteste Vertreter solcher Vorstellungen ist Jeremy Rifkin:

Eine bestimmte Technik (das „Internet der Dinge“) werde demnach zum Schwinden des Kapitalismus und zum Aufstieg einer neuen Organisation des Wirtschaftens führen. Von Menschen als Trägern einer solchen bewusst zu gestaltenden Transformation ist nicht die Rede, alles geht wie von selbst. Eine solche Auffassung lässt sich wohl nur als Technikfetischismus bezeichnen.9

Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die damit zusammenhängende und in einschlägigen Kreisen weit verbreitete Vorstellung einer allmählichen Ausbreitung der neuen Gesellschaft in der alten bei gleichzeitigem Schrumpfen des kapitalistischen „Sektors“, von dem Rifkin sogar meint, dass er nicht völlig verschwinden wird. Diese „Keimform“-Vorstellung orientiert sich an einem bestimmten Bild von der Entstehung der kapitalistischen Formation in der Feudalgesellschaft, wonach sie klein angefangen, sich immer mehr ausgebreitet und die alte Formation nach und nach verdrängt habe. Unabhängig von der Frage, ob dieses Bild tatsächlich zutrifft, ist festzuhalten, dass es sich auf die Ablösung des Kapitalismus durch eine wie immer geartete neue Gesellschaft nicht übertragen lässt, und zwar aus einem einfachen Grund: Der Kapitalismus kann nicht schrumpfen. Entweder er wächst, oder er bricht zusammen. Ein immer kleiner werdender kapitalistischer Sektor, der sich harmonisch in die neue Formation einfügt, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Und selbst in Deutschland, das zum einen durch die europäische Abschottung gegen die Flüchtlingsströme aus den angrenzenden Krisengebieten, zum anderen durch seine Exportweltmeisterschaft und den damit verbundenen Export auch der Arbeitslosigkeit die Krise bisher weitgehend von sich fernhalten konnte, zeigt sich allmählich, womit zu rechnen ist, sobald sich dieser Sonderstatus nicht mehr aufrecht erhalten lässt:

Diese der Online-Ausgabe des deutschnationalen Kampfblättchens „Blaue Narzisse“ entnommenen, nichtsdestoweniger paradigmatischen Äußerungen beruhen inzwischen nicht mehr auf bloßem Wunschdenken. Auf die in Politik und Medien hin- und her gewälzte Frage, ob Pegida und ähnliche Bewegungen nun rechtsextremistisch und rassistisch seien, oder sich in ihr nur die berechtigten Sorgen und Ängste der bürgerlichen Mitte ausdrückten, gibt es nämlich eine einfache Antwort: Beides trifft zu, die berühmte „schweigende Mehrheit“ denkt rassistisch – ferner antisemitisch und sexistisch. Die in der Krise ja durchaus begründeten Ängste des Kleinbürgertums vor Abstieg, Prekarisierung und Überflüssigkeit artikulieren sich in dem Wunsch nach einer von der Krise nicht betroffenen volksgemeinschaftlichen Identität, der anzugehören sich aber nur negativ bestimmen lässt, indem diejenigen ausgegrenzt werden, die auf irgendeine Weise als fremd gelten. Anders ließe sich ein „deutsches Deutschland“ wohl gar nicht definieren, und dafür ist „der Islam“ das derzeit naheliegende Instrument, und zwar gerade auch in den Teilen der Republik, in denen Muslime nur sehr vereinzelt in Erscheinung treten.

Dass es der stinknormale deutsche Stammtisch ist, der sich da auf den Straßen tummelt, wenngleich derzeit noch regional begrenzt, wird auch für die der „politischen Mitte“ sich zurechnenden Parteien zum Problem. Es sind halt ihre eigenen Leute, die da mitlaufen und sich mit anerkanntermaßen rechtsradikalen Gestalten zusammentun. Entsprechend ambivalent fallen die Reaktionen aus. Gegenüber den Bekundungen von Verständnis für die Sorgen und Nöte der eigenen, aus dem Ruder laufenden Klientel überwiegen zwar die mehr oder weniger klaren Abgrenzungen von der neuen rassistischen Bewegung. Nur ändert das nichts daran, dass ihr die Realpolitik seit mehr als zwanzig Jahren in vorauseilendem Gehorsam nachkommt, nämlich seit der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl durch den „Asylkompromiss“ von 1993. Seither geht es immer nur um die Frage, ob das Asylrecht generell weiter verschärft oder aber so gestaltet werden soll, dass die für die Kapitalverwertung nützlichen – und insofern menschenrechtsfähigen (s. o.) – MigrantInnen hereingelassen und die überflüssigen draußen gehalten werden können. Eine solche Realpolitik hat der sich jetzt manifestierenden xenophoben bis rassistischen „Rückkehr zum gesunden Menschenverstand“, deren Grundannahmen sie seit mehr als zwanzig Jahren faktisch teilt, außer Symbolik in Gestalt von Neujahrsansprachen nichts entgegenzusetzen.

Nun hat es auch aus gesellschaftskritischer Perspektive wenig Sinn, der hier sich abzeichnenden Entwicklung argumentativ oder durch den Hinweis auf Fakten beikommen zu wollen, etwa dem, dass von einer drohenden Islamisierung doch nun wirklich keine Rede sein kann, auch wenn das einer Umfrage zufolge 34 Prozent aller Bundesbürger glauben.12 Wir haben es hier mit einem ausgewachsenen Wahnsystem zu tun, es hilft daher nichts, sich darauf einzulassen. Man kann nur versuchen, sein Zustandekommen zu erklären. Aus der Sicht der im EXIT-Projekt entwickelten Position ist klar, dass es sich um eine Krisenerscheinung handelt, eine Melange von Krisenideologien, die in Zeiten der ökonomischen Prosperität unter der Decke gehalten, jetzt aber gesellschaftsfähig werden: „In demselben Maße, wie die Biologisierung und Naturalisierung der Gesellschaft abermals das Krisenbewußtsein des Kapitalismus zu überfluten beginnt und die neoliberale soziale Selektion flankiert, schlägt diese mörderische Tendenz auch wieder in eine rechte, faschistoide Pseudokritik des Liberalismus und der kapitalistischen ‚Ökonomisierung der Welt‘ um. Die ‚völkische‘ Nation und die ‚Rasse‘ rücken in einem pathologischen Wiederholungszwang als phantasmatische Gegenbilder an die Stelle einer radikalen Ökonomiekritik, die der Arbeiterbewegungs-Marxismus nicht einlösen konnte.“ 13

Die sich jetzt immer klarer abzeichnende Entwicklung hat Robert Kurz bereits vor 15 Jahren beschrieben: „Vor dem Hintergrund einer allgemeinen Darwinisierung des Denkens und einer Verwilderung der sozialen Beziehungen zersetzen sich ‚Marktwirtschaft und Demokratie‘ in partikularisierte Kampfstrukturen ‚ums Dasein‘. Ob transnationale Konzerne mit Privatarmeen und eigenen Geheimdiensten, ob Söldnerhaufen und geschäftsmäßige Todesschwadronen, ob ‚ethnische‘ Milizen, Untergangssekten oder Neonazi-Banden: Die Landkarte der Entzivilisierung nimmt Gestalt an, während der Medienzirkus gespenstisch weitergeht und der demokratische Plastikdiskurs von Tag zu Tag ignoranter und hohler wird. Wie der Demokratie die ‚vierte Gewalt‘ der kapitalistischen Maschine schon immer vorgelagert war, so ist ihr nun, als Folge der irreparablen Funktionsstörungen dieser Maschine in der Dritten industriellen Revolution, die ‚fünfte Gewalt‘ der Banden nachgelagert. Es gibt keinen emanzipatorischen Aufstand, aber jedermann fängt an, sich zu bewaffnen.“ 14

Claus Peter Ortlieb für die EXIT!-Redaktion, im Januar 2015

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