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Daniel Cunha - Das Anthropozän als Fetischismus. Mit neuem Nachwort


Erschienen in der exit Nr. 13 (2016). Das Nachwort wurde für die Online-Publikation von Thomas Meyer überarbeitet.

Das Anthropozän als Fetischismus

Daniel Cunha1

»Eine Gesellschaft, die immer kränker, aber zugleich immer wirkungsmächtiger wird, hat überall die Welt konkret neu erschaffen als die Umwelt und die Ausstaffierung ihrer Krankheit, als kranken Planeten.«1

Das »Anthropozän« ist zu einem modischen Begriff in den Natur- und Gesellschaftswissenschaften geworden.2 Es wird definiert als die vom Menschen dominierte geologische Epoche, weil in dieser naturgeschichtlichen Periode der Mensch die biogeochemischen Kreisläufe des Planeten kontrolliert.3 Das Resultat ist jedoch katastrophal: Die Störung des Kohlendioxidhaushalts etwa führt zu einer globalen Erwärmung, die wohl den Punkt der Irreversibilität erreicht hat.4 Das exponentielle Wachstum unserer Freiheit und Macht, d.h. unserer Fähigkeit, die Natur umzuformen, übersetzt sich jetzt in eine Einschränkung unserer Freiheit bis hin zur Destabilisierung der Rahmenbedingungen des Lebens selbst – zugespitzt in dem Problem der globalen Erwärmung.5 In diesem Kontext wird deutlich, dass es sich beim »Anthropozän« um einen widersprüchlichen Begriff handelt. Wenn die »vom Menschen dominierte geologische Epoche« zu einer Situation führt, in der die Existenz menschlicher Wesen auf dem Spiel steht, dann stellt diese Art von Naturbeherrschung, die die Natur auf ein »Substrat von Herrschaft« reduziert, ein Problem dar, das untersucht werden sollte.6 Die grundlegende Prämisse, dass es sich um menschliche Herrschaft handelt, ist in Frage zu stellen – schließlich muss an einer Art von Herrschaft, deren Resultat die Auslöschung der Menschheit sein kann, etwas Unmenschliches oder Objektiviertes sein.

Was hier behauptet wird, ist, dass es sich beim »Anthropozän« – genau wie im Fall der »Freiheit« – um ein unerfülltes Versprechen handelt. Wie die Freiheit im Kapitalismus den Zwängen des Fetischismus und der Klassenverhältnisse unterliegt – die kapitalistische Dynamik gehorcht Gesetzen jenseits der Kontrolle der Individuen; die Arbeiter sind »frei« in dem Sinn, dass sie nicht wie Sklaven »Eigentum« sind, aber auch in dem Sinn, dass sie »frei« von den Produktionsmitteln, dass sie also von den Bedingungen ihrer Existenz abgeschnitten sind; die Kapitalisten sind »frei«, soweit sie den objektivierten Gesetzen der Akkumulation folgen, andernfalls gehen sie pleite – so steht es auch um den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur. Ich behaupte also, dass das Anthropozän eine fetischistische Form der Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur darstellt, die historisch spezifisch für den Kapitalismus ist – so wie die »unsichtbare Hand« die fetischistische Form der »Freiheit« des zwischenmenschlichen Austauschs ist.

Seit der ursprünglichen Akkumulation hat das Kapital zu einem Riss im Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur geführt. Dies war mindestens seit der Verschlechterung der Böden, die durch die Trennung von Stadt und Land im Großbritannien des 19. Jahrhunderts bewirkt wurde, empirisch zu beobachten.7 Im 21. Jahrhundert ist dieser Riss globalisiert; er umfasst die kritische Störung des Kohlendioxidhaushalts (globale Erwärmung) und des Stickstoffkreislaufs sowie den Verlust an Biodiversität, was bedeutet, dass sich die Menschheit hinsichtlich der globalen Umweltbedingungen bereits außerhalb einer »sicheren Zone des Handelns« befindet.8 Das Anthropozän erscheint demnach als das globalisierte Zerreißen der globalen natürlichen Kreisläufe – wobei das Entscheidende ist, dass es sich nicht um eine (aus welchem Grund auch immer) geplante, beabsichtigte und kontrollierte Störung, sondern um einen nicht intendierten Nebeneffekt des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur handelt, der zunehmend außer Kontrolle zu geraten scheint. Das kann leicht anhand von Beispielen illustriert werden. Innerhalb des Kohlendioxidkreislaufs findet die Verbrennung fossiler Brennstoffe als Energiequelle für industrielle und Transportsysteme statt. Während der industriellen Revolution begann in England ein massiver Kohleabbau, so dass dank dieser neuen, mobilen Energiequelle die Industriebetriebe aus der Nähe von Staudämmen in die Städte ziehen konnten, wo die billige Arbeitskraft vorhanden war.9

Es gab keinerlei Absicht, den Kohlendioxidkreislauf zu manipulieren oder die globale Erwärmung zu verursachen, noch war man sich dessen bewusst. Das Resultat ist jedoch, dass im 21. Jahrhundert die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre bereits die sichere Grenze von 350 ppm (parts per million) überschritten hat, die für eine langfristige menschliche Entwicklung noch als zuträglich gilt. Der Stickstoffkreislauf wiederum wurde gestört durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und die Düngemittelproduktion, wozu die Bindung atmosphärischen Stickstoffs durch das Haber-Bosch-Verfahren2 gehört. Wiederum gab es keinerlei Absicht oder Plan, um die Eutrophisierung von Seen oder den Kollaps von Ökosystemen zu bewirken. Auch hier ist die Grenze von 62 Millionen Tonnen Stickstoff3, die pro Jahr der Atmosphäre entzogen werden dürfen, mit 150 Millionen Tonnen im Jahr 2014 bei weitem überschritten.10 Ähnliches könnte zu dem Verlust an Biodiversität gesagt werden; der Phosphorkreislauf und die Übersäuerung der Meere folgen demselben Muster. In dieser Hinsicht scheint die »vom Menschen beherrschte« geologische Epoche eher das Produkt von Zufall und Unbewußtheit als von angemessener Kontrolle der weltweiten stofflichen Kreisläufe zu sein – trotz Crutzens Bezug auf Vernadskys und Chardins4 »Zuwachs an Bewusstheit und Denken« und ihre »Welt des Denkens« (Noosphäre). »Sie wissen das nicht, aber sie tun es«, sagte Marx über das fetischistische, durch die Warenform vermittelte gesellschaftliche Handeln – und das ist der Schlüssel für ein kritisches Verständnis des Anthropozäns.11

Tatsächlich verortet Crutzen den Beginn des Anthropozäns in der Erfindung der Dampfmaschine während der industriellen Revolution.12 Jedoch sollte man, anstatt hier nur eine Frage der Empirie zu sehen, die wesentlichen Bestimmungen der »vom Menschen beherrschten« geologischen Epoche im Zusammenhang mit der kapitalistischen Form der gesellschaftlichen Verhältnisse begrifflich untersuchen. Mit seiner Fetischanalyse zeigte Marx, dass der Kapitalismus eine Gesellschaftsformation ist, in der »sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen« vorherrschen und in der »die Zirkulation des Geldes als Kapital […] ein Selbstzweck« ist.13 Das Kapital ist eine Verkehrung, wodurch der Tauschwert den Gebrauch, die abstrakte Arbeit die konkrete dirigiert, »eine Gesellschaftsformation […], worin der Produktionsprozess die Menschen, der Mensch noch nicht den Produktionsprozess bemeistert«; und seine Zirkulation als Geld und Waren um der Akkumulation willen konstituiert das »automatische Subjekt«, den »sich selbst verwertenden Wert«.14 Wenn man also das Anthropozän im Kapitalismus verortet, impliziert das die Untersuchung des Verhältnisses zwischen Anthropozän und Entfremdung beziehungsweise zwischen Anthropozän und Fetischismus, wie vom reifen Marx begrifflich weiterentwickelt.15 Hier liegt der Kern der Widersprüche der »vom Menschen beherrschten« geologischen Epoche. Marx zufolge nimmt die durch Arbeit vermittelte Form gesellschaftlicher Verhältnisse ein Eigenleben an. Dieses ist unabhängig von den an seiner Konstituierung beteiligten Individuen; es entwickelt sich zu einer Art objektiven Systems über den Individuen und gegen sie und bestimmt zunehmend die Mittel und Zwecke menschlichen Handelns. Die entfremdete Arbeit konstituiert eine Gesellschaftsstruktur abstrakter Herrschaft, die die sozialen Bindungen entfremdet, in welchen der Tauschwert, der als »Condottiere des Gebrauchswerts« begann, schließlich »den Krieg auf eigene Rechnung« führt.16 Diese Struktur erscheint jedoch nicht als gesellschaftlich konstituiert, sondern als natürlich.17 Der Wert, dessen Erscheinungsform das Geld ist, wird selbst zu einer Form der gesellschaftlichen Organisation, einer pervertierten Kommunität. Das ist das Gegenteil dessen, was man »gesellschaftliche Kontrolle« nennen könnte.18 Ein quasi-automatisches System jenseits der Kontrolle der Beteiligten, das vom Zwang zu schrankenloser Akkumulation als Selbstzweck angetrieben wird, führt notwendig zum Zerreißen der stofflichen Kreisläufe der Erde. Das als Anthropozän zu bezeichnen ist sehr ungenau: einerseits, weil es das Ergebnis einer historisch spezifischen Form des Stoffwechsels mit der Natur und nicht eines ontologischen Gattungswesens (anthropos) ist; zum andern, weil der Kapitalismus eine »subjektlose Herrschaft« konstituiert, deren Subjekt also nicht der Mensch (auch keine herrschende Klasse) ist, sondern das Kapital.19

Es ist wichtig festzuhalten, dass der Fetischismus nicht eine bloße Illusion ist, die zu entschleiern wäre, damit die »wirkliche« Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Umwelt begriffen werden kann. Wie Marx selbst dargelegt hat, erscheinen den Produzenten »die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen ihren Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. […] als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen«; »der Warenfetischismus entspringt nicht unseren Köpfen, als falsche Wahrnehmung der Realität, sondern der gesellschaftlichen Realität selbst«.20 Das ist der Grund, warum keinerlei wissenschaftliche Erkenntnis über die ökologische Zerstörung, die immer erst post festum zusammengetragen wird, die destruktive Dynamik des Kapitals aufhalten kann, wodurch auf geradezu karikaturenhafte Art die Nutzlosigkeit eines Wissens ohne Gebrauch aufgezeigt wird.21 Jetzt »wissen sie genau, was sie tun, tun es aber trotzdem«, und das widerlegt nicht, sondern bestätigt vielmehr, dass die Form gesellschaftlicher Verhältnisse jenseits gesellschaftlicher Kontrolle liegt; eine bloße Änderung des Namens »Anthropozän« (etwa in »Kapitalozän«) würde die zugrundeliegenden gesellschaftlichen und stofflichen Widersprüche nicht auflösen.22 Die vom Wert gesteuerte gesellschaftliche Produktion, eine Produktion also, die von der Minimierung gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit bestimmt wird, hat eine objektivierte Weise der materiellen Produktion und des gesellschaftlichen Lebens zum Ergebnis, die durch »objektive« Gesetzmäßigkeiten beschrieben werden kann. Zeit, Raum und Technik werden durch das Wertgesetz objektiviert. Natürlich sind die Agenten der »Verwertung des Werts« menschliche Wesen; sie üben jedoch ihre gesellschaftlichen Tätigkeiten als »Charaktermasken« aus, als »Personifizierung ökonomischer Verhältnisse«: der Kapitalist ist personifiziertes Kapital, der Arbeiter personifizierte Arbeit.23 Die fetischistische, selbstreferentielle Verwertung des Werts durch Ausbeutung der Arbeit, gekennzeichnet durch grenzenlose Expansion und Abstraktion vom stofflichen Inhalt, impliziert den ökologisch destruktiven Charakter des Kapitalismus – was bedeutet, dass im Kapitalismus »die Entwicklung der Produktivkräfte zugleich die Entwicklung von Destruktivkräften« ist.24 Der selbstexpandierende Wert bringt ein »industrielles Schneeballsystem« hervor, das keiner bewussten Kontrolle unterliegt, eine »Macht, die von keinem menschlichen Willensakt abhängt«.25 So gesehen ist es also keine Überraschung, dass die Zerstörung globaler ökologischer Kreisläufe als das »Anthropozän« präsentiert wird – ein Begriff, der einen Naturprozess suggeriert. Dass der Mensch als blinde geologische Kraft vorgestellt wird – wie ein Vulkanausbruch oder Änderungen in der Sonneneinstrahlung –, bringt die naturalisierte oder fetischisierte Form gesellschaftlicher Verhältnisse zum Ausdruck, wie sie im Kapitalismus vorherrscht.

Daher sind die technischen Strukturen, innerhalb derer der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur bewerkstelligt, in ihrer Logik vom Fetischismus gekennzeichnet. Wie Marx anmerkte, enthüllt »die Technologie […] das aktive Verhalten des Menschen zur Natur, den unmittelbaren Produktionsprozess seines Lebens, damit auch seiner gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und der ihnen entquellenden geistigen Vorstellungen.«26 Im Kapitalismus werden die Produktionsprozesse nicht gemäß den Wünschen und Bedürfnissen der Produzenten gestaltet, sondern gemäß dem Wertgesetz. Nimmt man zum Beispiel die globalen Energiesysteme, so ist gezeigt worden, dass es keinerlei technische Beschränkung für deren komplette Umstellung auf Solarenergie in zwei oder drei Jahrzehnten gibt, wenn man vom Gebrauchswert fossiler und erneuerbarer Energien (ihrer Energiebilanz und ihren stofflichen Erfordernissen) ausgeht. Das bedeutet, dass es technisch machbar ist, fossile Energie dazu zu benützen, eine solare Infrastruktur zu errichten, die hinsichtlich Quantität und Qualität für die menschliche Entwicklung ausreicht.27Dieser Übergang, der unter dem Aspekt des Gebrauchswerts oder des stofflichen Reichtums wünschenswert, notwendig und dringend (wegen der globalen Erwärmung) ist, wird dennoch nicht vollzogen, weil die fossile Energie der Kapitalakkumulation, der Verwertung des Werts, nach wie vor angemessener ist. So ging Kapital nach China, um billige Arbeitskraft und Kohle auszubeuten und am Vorabend einer Klimakatastrophe einen Spitzenwert der Kohlendioxidemission zu verursachen – was mit aller Deutlichkeit die fetischistische Irrationalität aufzeigt.28 Darüber hinaus zeigte der amerikanische Ökologe Barry Commoner, dass im 20. Jahrhundert viele synthetische Produkte (wie z.B. Kunststoffe5 und Düngemittel6) entwickelt wurden, die natürliche und biologisch abbaubare Produkte verdrängten. Die neuen Produkte waren jedoch nicht besser als die alten; der Wechsel wurde nur vollzogen, weil ihre Herstellung lukrativer war, obwohl sie die Umwelt mehr verdreckten und schädigten. Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass diese neuen Technologien der Hauptfaktor bei der Zunahme der Umweltverschmutzung in den Vereinigten Staaten waren – mehr als der Anstieg der Bevölkerung oder des Konsums.29

Natürlich determiniert das Wertgesetz nicht nur die Endprodukte, sondern auch den Produktionsprozess. Dieser muss ständig intensiviert werden, und zwar sowohl in der Form der Arbeitsverdichtung als auch hinsichtlich der stofflichen Effizienz7 – u.U. auch als Verlängerung des Arbeitstags. Seinerzeit hat bereits Marx den »Fanatismus« hervorgehoben, den die Kapitalisten bei der Ökonomisierung der Produktionsmittel an den Tag legten, wenn sie zum Zweck der Wiederverwertung und des »Recycling« hinter den »Exkrementen« der Produktion her waren.30 Jedoch führt unter kapitalistischen Produktionsbedingungen die Erhöhung der Produktivität zu einer Verringerung des Werts pro stofflicher Einheit, so dass dadurch der Materialverbrauch ansteigt.31 Diese allgemeine Tendenz lässt sich empirisch beobachten am sog. »Jevons-Paradox«, wonach Effizienzgewinne u.U. zu einer Ausweitung der materiellen Produktion führen.32 William Stanley Jevons8, der das als erster gezeigt hat, konnte anhand von Daten demonstrieren, dass die Einsparung von Kohle in Dampfmaschinen während der industriellen Revolution zu einer Erhöhung des Kohleverbrauchs führte.33 Was in einer bewussten gesellschaftlichen Produktion ökologisch segensreich wäre (erhöhte Effizienz im Ressourcenverbrauch), erhöht im Kapitalismus bloß den relativen Mehrwert und verstärkt daher die grenzenlose, destruktive Kapitalakkumulation sowie ein technisches System, das zuallererst einmal untauglich ist. Es ist erstaunlich, dass immer noch viele Umweltschützer Effizienz als einen ökologischen Kernpunkt predigen, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass die kapitalistische Form des gesellschaftlichen Reichtums (Wert) Produktivität in eine destruktive Kraft verwandelt.

Sogar die Art und Weise, wie der Kapitalismus mit dem Problem der Umweltverschmutzung umgeht, wird durch die Entfremdung bestimmt: Über alles darf diskutiert werden, nur nicht über die auf Warenform und Profitmaximierung beruhende Produktionsweise. Da die Produktion in konkurrierenden, von einander getrennten privaten Produktionseinheiten stattfindet, kann die gesellschaftlich-technische Kontrolle nur eine externe sein, nämlich durch staatliche Regulation, die auf sog. End-of-Pipe-Technologien9 setzt und den Marktmechanismus bekräftigt. Das beste Beispiel für den Marktmechanismus ist das Kyoto-Protokoll. Es steht für die Inwertsetzung des Kohlendioxidkreislaufs, indem es das Äquivalenzprinzip – die Form des Warenfetischismus schlechthin – in einer Art Kohlenstoffbörse etabliert. Es impliziert also einen ganzen Prozess der Abstraktion von ökologischen, sozialen und stofflichen Qualitäten, um die Äquivalenz von Kohlendioxidemissionen, -verrechnungen und -endlagern, die in völlig unterschiedlichen sozialen und ökologischen Zusammenhängen angesiedelt sein können, zu ermöglichen. Dieser Abstraktionsprozess impliziert die Gleichsetzung von Emissionsreduktionen in unterschiedlichen sozialen und ökologischen Kontexten, die Gleichsetzung von Reduktionen, die mit ganz verschiedenen Technologien erreicht werden, die Gleichsetzung von Kohlenstoff fossilen und biotischen Ursprungs, die Gleichsetzung unterschiedlicher Moleküle durch das Prinzip des »Kohlenstoffäquivalents« sowie eine Definition von »Wald«, die keinerlei Anforderung der Biodiversität beinhaltet.34

Jedoch wird – wie bei jeder Ware im Kapitalismus – auch hier der Gebrauchswert (Reduktion von CO2-Emissionen) vom Tauschwert regiert. Die fetischistische Verkehrung von Gebrauchswert und Tauschwert, die den Kapitalismus kennzeichnet, hat zur Folge, dass das tatsächliche Ziel des ganzen Emissionshandels Geld – und nicht etwa die Reduktion von Emissionen – ist. Empirische Beispiele sind überreichlich vorhanden. Die Handelsmodalitäten bieten keinerlei Anreiz für einen langfristigen Technologiewandel, sondern nur für kurzfristige Geldmacherei (»Zeit ist Geld«). In der Praxis erlauben die CO2-Verrechnungen es den Umweltverschmutzern, den technischen Wandel auf die lange Bank zu schieben, während das entsprechende »Clean Development Mechanism«(CDM)-Projekt vermutlich einen Gegeneffekt bewirkt, der auf die Ausweitung des Einsatzes fossiler Energien in Entwicklungsländern hinausläuft.35 Technisch leicht umsetzbare Reduktionen wie z.B. die Verbrennung von Methan auf Mülldeponien gestatten es großen Unternehmen, mit der CO2-Emission fortzufahren. Einige Industrien machten einen größeren Profit mit der Senkung der HFC-23-Emissionen10 als mit den Waren, die sie herstellen, während sie riesige Mengen von Verrechnungseinheiten kreierten, die es den Umweltverschmutzern ermöglichen, ihre Emissionen aufrecht zu erhalten.36 Und tragischerweise erlaubt der Vergleich bestimmter Projekte mit Zukunftsszenarien auf Minimalbasis sogar die direkte Steigerung von Emissionen – indem man etwa Kohlebergwerke finanziert, die zur Senkung der Methanemissionen beitragen. Weitere Beispiele könnten angeführt werden. Die Tatsache, dass die globale Erwärmung durch kumulative Emissionen innerhalb jedes sinnvoll in Betracht zu ziehenden Zeitrahmens feststeht, enthüllt die perversen Auswirkungen dieses vom Tauschwert angetriebenen Systems: Der Aufschub von Emissionsreduktionen in der Gegenwart beschränkt die Möglichkeiten der Zukunft.37 Abermals beherrscht hier – wie man sich aufgrund der simplen kritischen Feststellung von Marx vorab klarmachen konnte – der Tauschwert den Gebrauchswert, insofern als die Allokation von CO2-Emissionen nicht von sozialen und ökologischen Kriterien bestimmt wird, sondern durch die Anforderungen der Verwertung oder durch die sog. »optimierte Ressourcenallokation«. Als im Jahr 2011 der globale Kohlenstoffmarkt den Rekordwert von 176 Milliarden Dollar erreichte, stellte die Weltbank fest, dass »ein beträchtlicher Teil des Handels vorwiegend durch Hedging (Absicherungs- oder Deckungsgeschäfte), durch Portfolioanpassung, Profitmitnahme und Arbitrage (Ausnutzung von Kursunterschieden) motiviert ist« – der typische Jargon von Finanzspekulanten.38 Kyoto mit seinem quantitativen Ansatz thematisiert überhaupt nicht den qualitativen Übergang, der zur Vermeidung der Klimakatastrophe notwendig ist (nämlich den zur Solarenergie), sondern behindert ihn. Obwohl durch das Handelssystem gewaltige Kapitalmengen mobilisiert werden, steigen die globalen CO2-Emissionen weiterhin an.

Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass in diesem Szenario die Anwendung von End-of-Pipe-Technologien notwendig werden kann. Seit dem Aufkommen des Sozialstaats und der ökologischen Regulation wurde eine Unzahl solcher Technologien eingesetzt, um industrielle Emissionen ins Wasser, in die Luft und in den Erdboden zu verringern – Luftfilter, Kläranlagen etc.. Das Problem ist, dass diese Technologien nur dann in Einzelunternehmen angewandt werden können, wenn es im Rahmen der an der Verwertung ausgerichteten Produktion machbar ist – will heißen, wenn es nicht die Profitabilität der Unternehmen gefährdet. Jedoch ist es leider so, dass das sog. CCS-Verfahren (carbon capture and storage) immer noch zu teuer ist, um in der Produktion und im Transport angewandt zu werden. Was daher in den Vordergrund tritt, ist das sog. Geoengineering11, die ultimative End-of-Pipe-Technologie, also die technologische Abschwächung der Auswirkungen der CO2-Emmission im planetarischen Maßstab, die direkte Manipulation des Weltklimas selbst – wobei Verfahren zur Anwendung kommen wie die Emission von Aerosolen in die Stratosphäre zwecks Reflexion der Sonnenstrahlung oder die Düngung der Ozeane mit Eisen, um das Wachstum CO2-abscheidender Algen anzuregen.39 Die Ursprünge des Geoengineering können bis zum Vietnamkrieg und zu stalinistischen Projekten zurückverfolgt werden, und einer der ersten Befürworter war Edward Teller12, der Vater der Wasserstoffbombe.40 Dieser Ansatz birgt ungeheure Risiken, da das Klimasystem samt seinen Subsystemen nicht völlig verstanden wird, da all diese Systeme nichtlineares und chaotisches Verhalten mit Kipppunkten und plötzlichen Übergängen zeigen.13 Außerdem bedeutet die Trägheit des Klimasystems, dass die Erderwärmung im Zeitmaßstab eines Jahrtausends unumkehrbar ist; Geoengineering-Techniken müssten für den gleichen Zeitraum angewandt werden, was sie zu einer Bürde für Dutzende zukünftiger Generationen machen würde.41 Im Falle eines technischen Fehlschlags bei der Anwendung des Geoengineering könnte das Ergebnis katastrophal sein, etwa ein plötzlicher Klimawechsel.42

Betrachtet man die relativ geringen Kosten des Geoengineering, so kann man davon ausgehen, dass der Kapitalismus das Risiko des »business as usual« eingehen wird, um in seinem fetischistischen Profitstreben weiterzumachen, und das Geoengineering als Wunderwaffe gegen die Erderwärmung bereithält.43 Natürlich gibt es da auch noch die furchterregende Möglichkeit der Kombination von Geoengineering und Emissionshandel, dergestalt dass Geoengineering-Projekte CO2-Guthaben in einem kompetitiven Markt generieren könnten. Das war die Idee von Planktos Inc. bei einem kontroversen Experiment der Ozeandüngung, welches auf eine dystopische Zukunft hindeutet, in der das Weltklima gemäß den Profitinteressen von Unternehmen manipuliert wird.44 Es ist klar, dass die kapitalistische Kontrolle der Umweltverschmutzung, sei es durch Marktmechanismen oder durch staatliche Regulation, Hegels Eule der Minerva gleicht, die nur (re)agiert nach dem entfremdeten Produktionsprozess und dem allgemeinen Prozess gesellschaftlicher Entfremdung. Wenn jedoch der Kern der Destruktivität der fetischistische Prozess selber ist, der von den Handelsschemata reproduziert wird; wenn die End-of-Pipe-Technologien scheitern können und einer komplexen Dynamik unterliegen, die im Zeithorizont menschlicher Institutionen (wenigstens in ihrer gegenwärtigen Form) rational nicht zugänglich ist, dann kann es sein, dass Markt und Staat beim Versuch, die Klimakatastrophe zu verhindern, scheitern werden.

Zukunftsprojektionen neoklassischer Ökonomen zur Erderwärmung enthüllen den Wesenskern der Entfremdung hinsichtlich des Anthropozäns. In integrierten Modellen der klimatischen und ökonomischen Entwicklung, wie sie etwa von William Nordhaus und Nicholas Stern entworfen wurden, ist es die Zinsrate, die letztlich darüber entscheidet, welche atmosphärische Konzentration von Treibhausgasen samt den damit zusammenhängenden Auswirkungen (Küstenüberflutungen, Verlust an Biodiversität, Schädigung der Landwirtschaft, Ausbruch von Seuchen) noch akzeptiert werden kann. »Kosten-Nutzen-Analysen« sehen nämlich von zukünftigen Auswirkungen ab und stellen gegenwärtige Einkünfte in Rechnung.45 Aber wie Marx gezeigt hat, ist der Zins der Teil des Profits, den der Industriekapitalist, welcher ihm Geldkapital vorgeschossen hat, nach dem erfolgreichen Verwertungsprozess zahlt.46 Zinstragendes Kapital ist Wert, der den Gebrauchswert besitzt, Mehrwert bzw. Profit zu generieren. Daher erreicht »im zinstragenden Kapital […] das Kapitalverhältnis seine äußerlichste und fetischartigste Form«, »Geld heckendes Geld«, »der sich selbst verwertende Wert«.47 Zinstragendes Kapital ist die perfekte fetischistische Verkörperung des Kapitals, die automatische geometrische Progression der Mehrwertproduktion, ein »reiner Automat«.48 Dementsprechend ist die Determinierung des zukünftigen Stoffwechsels mit der Natur durch die Zinsrate (gleich welcher Größe) der ultimative Ausdruck des fetischistischen Charakters dieser historischen Form jenes Stoffwechsels, d.h. des fetischistischen Wesenskerns des sog. Anthropozäns. Im Kapitalismus bestimmt die Zinsrate Investitionen und Ressourcenallokation. Dies zu überwinden geht nicht, indem man (wie Stern) moralisierend (und unrealistisch) eine niedrigere Zinsrate ansetzt, sondern durch die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise selbst.49

Zukunftsszenarien, die durch die Zinsrate bestimmt sind, negieren letztlich die Geschichte, denn nur im Kapitalismus ist die Zinsrate – Kapital in seiner reinsten Form – gesellschaftlich bestimmend. Während im Kapitalismus das zinstragende Kapital ganz an die Bedingungen der Produktion angepaßt ist und diese durch die Entwicklung des Kreditsystems fördert, »verelendet« in vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen das »Wucherkapital diese Produktionsweise, lähmt die Produktivkräfte«.50 Der Grund ist, dass im Kapitalismus der Kredit in der Erwartung gewährt wird, dass er als Kapital fungieren wird, dass das geliehene Kapital dazu verwendet wird, um den Wert zu verwerten, um unbezahlte »freie« Arbeit anzueignen; im Mittelalter dagegen beutete der Wucherer Kleinproduzenten und Bauern aus, die für sich selbst arbeiteten.51 Die Determinierung zukünftiger gesellschaftlicher Stoffwechselbeziehungen mit der Natur durch die Zinsrate extrapoliert also die kapitalistische Produktionsweise samt all ihren Kategorien (Wert, Mehrwert, abstrakte Arbeit usw.) in die Zukunft und fetischisiert Geschichte – das wiederum liegt auf der gleichen Linie wie der Begriff »Anthropozän«, der sich auf einen ahistorischen Menschen bezieht.

Überdies tendiert die Art von Kosten-Nutzen-Analyse, wie sie Nordhaus und Stern vornehmen, dazu, nicht nur Geschichte, sondern das Stoffliche überhaupt zu negieren. Das Verrechnen der Zerstörung materieller Ressourcen mit dem abstrakten Wachstum läuft nämlich auf die absolute Austauschbarkeit von unterschiedlichen materiellen Ressourcen und daher von abstraktem Reichtum (Kapital) und stofflichem Reichtum hinaus, was eine praktisch falsche Annahme ist. Beispielsweise ist der elementarste, für das Leben wichtigste synthetische Naturprozess, den wir auf Erden kennen, die Photosynthese, technisch nicht zu substituieren; keine Tauschwertsumme könnte ihn ersetzen.52 Außerdem ist die Synthetisierung der komplexen Wechselwirkungen und der stofflichen und Energieflüsse, die Ökosysteme unterschiedlichster Art und Dimension mit ihrem je eigenen Entwicklungsgang und ihrer eigenen Naturgeschichte konstituieren, beileibe keine einfache Aufgabe – stoffliche Wechselbeziehungen und Besonderheiten sind ja genau das, wovon der Tauschwert abstrahiert. Was diese Art von Analyse immer schon voraussetzt, ist die Warenform selbst samt ihrer gemeinsamen Substanz (Wert), welche den quantitativ bestimmten Austausch zwischen verschiedenen stofflichen Ressourcen ermöglicht – völlig losgelöst von ihren materiellen und ökologischen Zusammenhängen. Es ist aber genau diese Loslösung oder Abstraktion, die die Destruktivität herbeiführt. »Der Kapitalform hängt der Traum einer äußersten Grenzenlosigkeit an, eine Phantasie von Freiheit als der völligen Befreiung von aller Stofflichkeit, von der Natur. Dieser ›Traum des Kapitals‹ wird zum Alptraum für all das und all diejenigen, wovon das Kapital sich zu befreien sucht – den Planeten und seine Bewohner.«53

Zuletzt versucht das Kapital sogar, die von der Aussicht auf die ökologische Katastrophe bewirkte Angst zur Profitsteigerung auszubeuten – eine Art Ausweitung der »Produktion von Subjektivität« durch die Kulturindustrie.54 Die Café-Kette Starbucks etwa bietet ihren Kunden einen etwas teureren Kaffee an und behauptet, dass ein Teil des Geldes für den Schutz des Regenwalds im Kongo, für arme Kinder in Guatemala usw. verwendet wird. Auf diese Weise wird die politische Bewusstheit zum sogenannten »Starbucks-Effekt« entpolitisiert.55 Man kann so etwas auch in der kommerziellen Werbung beobachten. In einem Werbespot, der zunächst Szenen einer Art unklarer Naturkatastrophe, durchsetzt mit Bildern eines Zimmermanns beim Bau eines undefinierbaren hölzernen Gebildes und von Frauen in einer Art Modenschau, zeigt, wird schließlich der wirkliche Kontext enthüllt: die Frauen begeben sich in eine Art Arche Noah (die der Zimmermann gebaut hat), damit sie die ökologische Katastrophe überleben. Zum Schluss wird der Werbezweck aufgedeckt: Es geht um den Verkauf eines Deodorants – »der finale Duft«. Der Slogan – »Happy End of the World« – beutet explizit den ökologischen Kollaps aus, um Waren zu verkaufen.56 Opposition und politischer Wille selbst werden dazu verführt, sich in die Warenform einzufügen, und sogar die Klimawissenschaft wird davon durchdrungen. Einige Wissenschaftler scheinen diesen allgegenwärtigen Druck des ökonomischen Fetischismus auf die Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie erklären: »Befreit die Wissenschaft von der Ökonomie, vom Finanzwesen und von der Astrologie; steht zu euren Schlussfolgerungen, und seien sie noch so unbequem«, oder: »Geoengineering gleicht einem Heroinsüchtigen, der nach einem neuen Weg sucht, seine Kinder um ihr Geld zu prellen.«57 Die CO2-Reduzierung wird immer darauf befragt, ob sie »ökonomisch machbar« ist. Nötig ist jedoch, dass in der öffentlichen Debatte eine radikalere Kritik in den Vordergrund tritt: eine explizit antikapitalistische Haltung, die sich bei der Definition von Umwelt- und Gesellschaftspolitik den Anforderungen der Kapitalakkumulation verweigert – nicht zuletzt deswegen, weil es bereits unmöglich zu sein scheint, die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius mit der gleichzeitigen Aufrechterhaltung von »ökonomischem Wachstum« in Einklang zu bringen.58

Es muss hervorgehoben werden, dass die hier beschriebene Fetischisierung samt ihrer ökologischen Destruktivität eine historische, kapitalismusspezifische Entwicklung darstellt und deshalb auch überwunden werden kann: Der gesellschaftliche Stoffwechsel mit der Natur ist nicht notwendigerweise zerstörerisch. Der Warenfetischismus und die Arbeit als Kategorie der gesellschaftlichen Vermittlung (»abstrakte Arbeit«) sind historisch spezifisch für den Kapitalismus; sie sind mit der ursprünglichen Akkumulation entstanden.59 Das Anthropozän als globalisierte Naturzerstörung ist die Externalisierung entfremdeter Arbeit, ihre logische materielle Folge.60 Sie zu überwinden erfordert die Wiederaneignung dessen, was sich in entfremdeter Form konstituiert hat: die Befreiung des gesellschaftlichen Handelns der Menschen von der Warenform, m.a.W. die Überwindung des Kapitalismus.61 Eine solchermaßen umgestaltete und vergesellschaftete Technik unterläge nicht mehr dem Zwang zur Profitabilität, sondern wäre die technische Umsetzung neuer Werte und würde tendenziell zur Kunst werden.62 Statt von der eindimensionalen Verwertung des Werts determiniert zu sein, würde die gesellschaftliche Produktion das Ergebnis einer Vielzahl gemeinsam ausgehandelter Kriterien sein, die soziale, ökologische, ästhetische und ethische Erwägungen und andere mehr umfassen – mit anderen Worten: Der stoffliche Reichtum ist von der Wertform zu befreien. Technologien wie z.B. Solarenergie, Mikroelektronik und Agro-Ökologie könnten dazu genutzt werden, eine Welt des im Überfluss vorhandenen stofflichen Reichtums und des bewussten gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur zu formen – eine Welt mit reichlich vorhandener sauberer, erneuerbarer Energie, reichlicher freier gesellschaftlicher Zeit als Folge hochgradig automatisierter Produktivkräfte und reichlicher Nahrung, die ökologisch und unter gesellschaftlicher Kontrolle erzeugt wird.63

Dann und nur dann hätte die Menschheit die bewusste Kontrolle über die weltweiten stofflichen Kreisläufe und könnte diese Kontrolle zu menschlichen Zwecken ausüben (selbst wenn man entscheidet, sie in ihrem »natürlichen« Zustand zu belassen). Das heißt in der Tat, das Versprechen des Anthropozäns ganz ernst zu nehmen; die Menschen sollten überhaupt erst die bewusste Kontrolle über die globalen stofflichen Kreisläufe an sich bringen und das Terrain des Politischen, das bislang dem blinden Walten der Natur und – im Kapitalismus – dem Warenfetischismus überlassen war, entsprechend ausweiten.64 Und das nicht nur, weil die vom Kapitalismus entwickelten Produktivkräfte es ermöglichen – wir tun es bereits, aber ohne bewusste gesellschaftliche Kontrolle – sondern auch, weil es sich als notwendig erweisen könnte. Die Zivilisation ist an die Bedingungen des Holozäns14 angepasst, die in den letzten 10.000 Jahren vorgeherrscht haben, und wir sollten darauf vorbereitet sein, einzugreifen, um diese Bedingungen, die die menschliche Entwicklung ermöglichen, zu erhalten oder abrupte Wechsel abzumildern. Denn solche Wechsel können nicht nur durch (fetischistisches) menschliches Handeln, sondern auch durch natürliche Ursachen hervorgerufen werden (man denke an die Zyklen von Eis- und Zwischeneiszeiten, die durch Störungen in der Erdumlaufbahn ausgelöst wurden, oder an die katastrophenhafte Auslöschung der Dinosaurier infolge eines Meteoreinschlags).65 Die (fetischistische) »unsichtbare Hand« und das (fetischistische) »Anthropozän« sind zwei Seiten derselben Medaille, derselben bewusstlosen Vergesellschaftung, und sollten beide durch kommunalisiertes gesellschaftliches Handeln überwunden werden – die wirkliche Kontrolle der globalen stofflichen Kreisläufe hängt nämlich von der bewussten Kontrolle der weltweiten Produktion ab.

Betont werden muss, dass das, was hier als »Fetischismus« kritisiert wird, nicht bloß eine ungenaue Bezeichnung für das »Anthropozän« ist, sondern die Form des stofflichen Austauschs selbst. Und doch ist das, was hier zum Vorschein kommt, eine wahrhaft utopische Perspektive, das Versprechen einer Verwirklichung des Anthropozäns – und zwar nicht als anthropologische Konstante oder »Natur«-Macht, sondern als volles, geschichtliches Gattungswesen, das die materiellen Bedingungen des Planeten bewusst kontrolliert und formt. Wenn – wie vom jungen Marx ausgedrückt – die entfremdete Arbeit das menschliche Gattungswesen entfremdet, dann könnte die befreiende Neugestaltung der gesellschaftlich-materiellen Wechselbeziehungen das Gattungspotential freisetzen, das, obschon gesellschaftlich negiert, im »Anthropozän« eingeschlossen ist.66 Geoengineering und fortgeschrittene Technologie überhaupt könnten, wenn sie von der Wertform und der instrumentellen Vernunft befreit sind, dazu eingesetzt werden, nicht nur das Klimaproblem zu lösen, sondern auch, wie Adorno schrieb, »der Natur zu helfen, die Augen aufzuschlagen«, ihr zu helfen, »auf der armen Erde das zu werden, was sie vielleicht sein möchte«.67 Fortgeschrittene Produktivkräfte implizieren, dass die poetisch-utopische Vision Fouriers, an die Walter Benjamin erinnert hat, materielle Gestalt annehmen könnte: »Nach Fourier soll die wohlbeschaffene gesellschaftliche Arbeit zur Folge haben, daß vier Monde die irdische Nacht erleuchteten, daß das Eis sich von den Polen zurückzieht, daß das Meerwasser nicht mehr salzig schmecke und die Raubtiere in den Dienst des Menschen träten. Das alles illustriert eine Arbeit, die, weit entfernt die Natur auszubeuten, von den Schöpfungen sie zu entbinden imstande ist, die als mögliche in ihrem Schoße schlummern.«68

Sogar die Eliminierung der Brutalität in der Natur (Räuber-Beute-Beziehung) und die Abschaffung der Schlachthäuser durch Produktion von synthetischem Fleisch scheint heute (über »genetische Umprogrammierung« und Stammzellentechnologie) in theoretischer Reichweite zu sein. Das übersteigt die wildesten utopischen Träume Marcuses.69 Natürlich erfordert das alles einen gesellschaftlichen Kampf, der die von der Wertverwertung determinierte Produktion umwälzt und vor allem das menschliche Potential freisetzt. Wenn wir hingegen mit dem »business as usual« fortfahren, dann werden wir höchstwahrscheinlich erleben, dass unsere materielle Zukunft hienieden durch die Zinsrate, durch Geoengineering-Notfallmaßnahmen und durch den Zufall determiniert wird.

Nachwort von Thomas Meyer

Der von uns übersetzte Text von Daniel Cunha versucht das Problem der kapitalistischen Naturbeherrschung und der damit zusammenhängenden Probleme wertkritisch zu entfalten – bezogen auf den tatsächlichen kapitalistischen Verwertungsprozess. Es ist dabei ebenso wichtig, sich nicht nur auf der Ebene der Kapitallogik zu bewegen, sondern es gilt, diese mit den entsprechenden empirischen Verlaufsformen in Beziehung zu bringen und zugleich diese Empirie in einen gesellschaftstheoretischen Hintergrund einzubetten, denn nur dadurch wird jene erst wirklich verständlich. Da vom offiziellen Wissenschaftsbetrieb in dieser Hinsicht wohl nichts zu erwarten ist, ist es Aufgabe kritischer GesellschaftstheoretikerInnen, sich damit zu beschäftigen. Dabei ist es für uns umso wichtiger, dass die Ausarbeitungen Anderer zu solchen Themen (wie z.B. Klimawandel, Agrarkapitalismus, Plastikproduktion und Individualverkehr) zur Kenntnis genommen werden und dass dadurch ein entsprechender gesellschaftskritischer Diskurs sich weiter entfaltet.

Der Text von Daniel Cunha, so lesenswert er auch ist, hat allerdings einige problematische Aspekte, die im Folgenden kritisch kommentiert werden sollen.

Die Art und Weise, wie im Kapitalismus produziert wird, richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen und auch nicht nach den Kriterien ökologischer Nachhaltigkeit. Obgleich Cunha zutreffend feststellt, dass der kapitalistische Verwertungsprozess die Inhalte der Produktion und den Produktionsprozess selbst bestimmt, steht er einigen technologischen Resultaten des Kapitalismus doch eher unkritisch gegenüber. Er sieht zwar, dass die Produktionsmittel und Produktionsprozesse radikal umgestaltet werden müssten, damit sie schlussendlich gar Kunst werden können – also zu etwas definitiv Anderem; aber der übertriebene Optimismus am Ende des Textes wirkt doch im Widerspruch dazu stehend, als deplatziert.

Das betrifft zum Beispiel die Automatisierung. Sie dient, wie im Text dargestellt, im Kapitalismus nicht dazu, Arbeit einzusparen, um das Leben zu erleichtern. Das bedeutet aber, dass, wenn der Kapitalismus abgeschafft ist, es nicht heißt, dass alle Bereiche, die bis dahin automatisiert wurden, es auch bleiben werden. Man denke etwa an die Automatisierung des Autoverkehrs, die u.a. dazu dienen soll, dass Logistik- und Taxiunternehmen »Personalkosten« einsparen.15 Auch von »Pflegerobotern« (!) für Senioren und von »Lehrrobotern« (!) an Schulen ist an manchen Stellen die Rede; in Nagasaki wurde ein Roboterhotel (!) gebaut, in dem das Tragen von Koffern, der Empfang von Gästen usw. von Robotern besorgt werden. Das alles dient natürlich der »Kostenreduktion«. Daran wird deutlich, dass der Kapitalismus sich zunehmend vom Menschen emanzipiert, anstatt der Mensch vom Kapitalismus.

Ob und inwieweit technologische Resultate des Kapitalismus zu ändern, prinzipiell beizubehalten oder abzuschaffen sind, kann nicht von vornherein entschieden werden, sondern immer nur in den jeweiligen Lebenszusammenhängen und mit der Frage nach menschlichen Bedürfnissen. Automatisierte »Menschenpflege« ist ganz sicher nicht wünschenswert – beim automatisierten Bergbau sieht die Situation schon anders aus. Wenn der Kapitalismus abgeschafft ist und kein gesellschaftlicher Zwang mehr existiert, die Produktivität zu erhöhen, unabhängig vom Inhalt, von den Bedürfnissen usw., dann hieße das auch, dass in einer kommunistischen Gesellschaft mehrere »Produktivitätsniveaus« parallel nebeneinander existieren könnten, einen »moralischen Verschleiß« (Marx) gäbe es dann nicht mehr. Es ist sicher sinnvoll, automatisch und sehr schnell viele Stühle zu produzieren, wenn der Bedarf es erfordert; aber es spricht auf der anderen Seite auch nichts dagegen, Stühle auf durchaus mehr »traditionelle« Art herzustellen, aus Freude am Tun, aus Freude an der Ästhetik, aus Freude am gemeinsamen Werken. Wir benutzen Technik als unser Vermögen und gemäß unserer Entscheidung und nicht sie uns, bloß weil sie »da« ist. Daraus folgt aber auch, dass Automatisierung nicht schlechthin etwas Begrüßenswertes ist, und es ist daher falsch zu sagen, sie müsse bloß vom Joch des Kapitals befreit werden. Es klingt ein wenig nach der altmarxistischen Phrase, nach der der »faulende« Kapitalismus die Produktivkraftentwicklung hemmt und im Kommunismus dagegen könne diese sich endlich voll entfalten. Anzueignen, was in entfremdeter Form sich konstituiert hat, wie Cunha es formuliert, kann aber auch heißen, dieses (zum Teil oder gänzlich) einfach abzuschaffen. Hierbei ist Cunhas Bezug auf Marx’ Entfremdungstheorie zu kritisieren. Der Rekurs auf Entfremdung ist insofern problematisch, als er die ontologische Bestimmung eines Wesens voraussetzt, dem gegenüber etwas fremd wird, z.B. entfremdete (»uneigentliche«) Arbeit vs. nicht entfremdete (»eigentliche«) Arbeit. Das hat als Grundlage ein ontologisches Wissen um das »Wesen« des Menschen, zu dem ja die Arbeit als Wesensvollzug menschlicher Kreativität, Gestaltungsmacht in Freiheit als Selbstvollzug menschlichen Wesens bestimmt wird.

Es trifft zwar zu, dass der Kapitalismus menschliches Potential (vor allem was Solidarität und soziale Kooperation angeht) zurückhält oder verbirgt, aber es ist etwas naiv zu schreiben, durch die Abschaffung des Kapitalismus würde dieses bloß freigesetzt werden. Denn erstens brachte der Kapitalismus bestimmtes menschliches Potential im Dienste der Wertverwertung zur vollen Entfaltung, mit teils äußerst fatalen Folgen, so dass dieses Vermögen doch eher zurückgefahren oder abgeschafft und keineswegs »befreit« werden müsste, und zweitens müssten Wege und Fertigkeiten und neue Formen menschlicher Beziehungen jenseits der Wertverwertung erst gefunden und entwickelt werden, sie liegen nicht einfach im Kapitalismus »eingeschlossen« (embedded) vor.

Der Autor legt des Weiteren auch die kapitalistische Naturbeherrschung mit ihren destruktiven Folgen dar, die wohl im perversen Geoengineering ihren Höhepunkt findet. Sobald die Menschheit vom Joch der Wertverwertung und der instrumentellen Vernunft befreit ist, scheint die auf Allmacht abzielende Naturbeherrschung, die Kontrolle der planetaren Kreisläufe, plötzlich kein Problem mehr zu sein. Auch das Geoengineering nicht, obwohl die Klimadynamik auch in einer befreiten Gesellschaft eine sehr komplizierte und chaotische Angelegenheit sein wird und Geoengineering daher sehr riskant bleibt.

Sicherlich wird es auch in einer befreiten Gesellschaft eine Form von »Naturbeherrschung« geben, die sich aber von der im Kapitalismus grundlegend unterscheiden wird. Es würde eine Naturbeherrschung sein, die von den menschlichen Bedürfnissen und denen der Natur und von der Eigenlogik ihrer verschiedenen Subsysteme nicht abstrahierte und sie damit – anders als im Kapitalismus – nicht als bloßes Substrat für die Wertverwertung benutzte. Auf der anderen Seite wäre es naiv, sich das künftige Mensch-Natur-Verhältnis als eine Versöhnung zwischen beiden vorzustellen, oder gar im Sinne einer Harmonie, wie in den Schwärmereien von Charles Fourier dargelegt; denn das würde voraussetzen, dass die Natur uns per se freundlich »gesinnt« wäre, dass sie mit einem Willen ausgestattet wäre, der auf unsere Bedürfnisse Rücksicht nähme. Spätestens bei einer Infektion mit einem tödlichen Virus würde festgestellt, dass Versöhnung nicht möglich ist (es sei denn, es wäre mit Versöhnung ökologische Nachhaltigkeit gemeint, aber es sieht mir nicht danach aus, dass Cunha das so meint).

Die auf Allmacht zielende Naturbeherrschung und ihr vermeintliches Gegenteil, der Wahn einer Harmonie in und mit der Natur, in der sogar der Löwe zum Veganer genetisch »umprogrammiert« wurde, sind meines Erachtens zwei Seiten derselben Medaille. Das bürgerliche, d.h. androzentrische Subjekt ist bestrebt, alle Natur und damit auch sich selbst dergestalt zu unterwerfen, dass es als Substrat der Wertverwertung fungieren kann. Da die Verwertungslogik grenzenlos ist, kann auch der ihr entsprechende Naturbeherrschungswahn keine Grenzen kennen: deshalb die auf Allmacht zielende Naturbeherrschung.

Das Subjekt aber kann andererseits dieses nur durch Abspaltung jener Aspekte vollziehen, die nicht in der Wertform aufgehen können, und dies Abgespaltene wird dann als eine ihm gegenüberstehende »Weiblichkeit« imaginiert, die selbst wiederum »Natur« schlechthin verkörpern soll, eine »Natur« als eine ihm gegenüberstehende, als ein ihn heilendes Anderes; die »Natur« als eine, für das androzentrische Subjekt, »Eier legende Wollmilchsau«: deshalb die »Natur« als imaginiertes Harmoniegebilde.

Weiterhin ist zu kritisieren, dass Cunha genetischen Züchtungsphantasien Vorschub leistet. Auch hier ist es vielleicht durchaus vorteilhaft, Fleisch auch mal – ohne den »Umweg« über ein Tier – zu züchten. Die Viehzucht aber als solche abzuschaffen (also auch jede ökologische Nichtmassentierhaltung), hätte aber katastrophale ökologische Folgen.16 Auch hier schlägt ein naiver technologischer Fortschrittsoptimismus durch. In der Gentechnikszene wurden solche Züchtungsszenarien übrigens schon früher propagiert, z.B. dass Obst und Gemüse in riesigen Biotechfabriken gezüchtet werden mit dem Ziel, den Beruf des Bauern wegzurationalisieren (!)17.

Weiterhin ist kritisch anzumerken, dass Cunha an einigen Stellen der Zinsrate (interest rate) einen gesellschaftlich bestimmenden Effekt zuschreibt. Gemeint ist vermutlich, dass der zu erwartende Gewinn der bestimmende Faktor der Produktion ist. Da aber heute wohl kaum eine Produktion ohne Kredit zu starten ist, kann damit die Zinsrate als Ausdruck des zu erwartenden Mehrwerts bzw. Profites angesehen werden. Dennoch ist es eine unglückliche Formulierung, die zu Missverständnissen führt.18

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die zu kritisierenden Aspekte von Cunhas Text wohl teilweise daher rühren, dass sich Cunha werttheoretisch eher an Moishe Postone orientiert und damit auch an dessen theoretischen Defiziten. Dazu gehört eben auch eine androzentrisch verkürzte Wertkritik, die sich bei Cunha in einer nicht konsequent problematisierten Naturbeherrschung und einem daraus folgenden Technologieoptimismus äußert.

 

Literatur

1 Guy Debord, The Sick Planet, übersetzt von Not Bored (2006 [1971]) http://www.notbored.org/the-sick-planet.html.

2 Ich möchte Claudio R. Duarte, Raphael F. Alvarenga, Salvatore Engel-Di Mauro und den anonymen Lektoren für wertvolle Anregungen danken.

3 Paul Crutzen, Geology of Mankind, Nature 415 (2002) 23.

4 David Archer, The Global Carbon Cycle (Princeton: Princeton UP, 2010), und James Hansen, Storms of My Grandchildren: The Truth about the Coming Climate Catastrophe and Our Last Chance to Save Humanity (New York: Bloomsbury, 2009).

5 Slavoj Žižek, Living in the End Times (New York: Verso, 2010) 333.

6 Max Horkheimer und Theodor Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Neuausgabe Frankfurt 1969, 15.

7 Karl Marx, Capital: A Critique of Political Economy, Volume III, übersetzt von David Fernbach (London: Penguin, 1991 [1894]) 949 (Die Belegstelle konnte in MEW Bd. 25 nicht nachgewiesen werden.) und John Bellamy-Foster, Marx’s Ecology: Materialism and Nature (New York: Monthly Review, 2000).

8 Johan Rockström et al., A Safe Operating Space for Humanity, Nature 461 (2009): 472-75 und Will Steffen et al. (2015), Planetary Boundaries: Guiding Human Development on a Changing Planet, Science 347: 6223 (13 Februar 2015) http://www.sciencemag.org/content/early/2015/01/14/science.1259855.

9 Andreas Malm, The Origins of Fossil Capital: From Water to Steam in the British Cotton Industry, Historical Materialism 21:1 (2013): 15-68.

10 Steffen et al., Planetary Boundaries.

11 Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Bd.1 MEW Bd. 23, 88.

12 Crutzen, Geology.

13 Karl Marx, Das Kapital Bd. 1 MEW 23, 87, 167.

14 a.a.O., 95, 169.

15 Zur Diskussion der Kontinuität zwischen dem Marxschen Konzept der Entfremdung und des Fetischismus siehe die Einführung von Lucio Colletti zu Karl Marx, Marx’s Early Writings, übersetzt von Rodney Livingstone und Gregor Benton (London: Penguin, 1992 [1844]).

16 Guy Debord, Die Gesellschaft des Spektakels, übersetzt von Wolfgang Kukulies, Berlin 1996, 38. Siehe ebenso Moishe Postone, Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft. Eine neue Interpretation der kritischen Theorie von Marx, Freiburg 2003, und Anselm Jappe, Die Abenteuer der Ware. Münster 2005, 43 ff.

17 Postone, Zeit…, 245 ff.

18 Jappe, Die Abenteuer…., 43 ff.

19 Robert Kurz, Subjektlose Herrschaft. Zur Aufhebung einer verkürzten Gesellschaftskritik, in: Krisis. Beiträge zur Kritik der Warengesellschaft Nr. 13 (1993)

20 Karl Marx, Das Kapital Bd. I, MEW 23, 87 (Hervorhebung: D.C.), und Žižek, End Times 190.

21 Debord, Sick Planet.

22 Slavoj Žižek, Mapping Ideology (New York: Verso, 1994) 8.

23 Das Kapital I, MEW 23, 100, 618.

24 Paul Burkett, Marx and Nature: A Red and Green Perspective (New York: St. Martin’s, 1999) 79-98 und Robert Kurz, Schwarzbuch Kapitalismus (Frankfurt am Main: Eichborn, 2009 [1999]) 10.

25 Kurz, Schwarzbuch Kapitalismus 218 und John Holloway, Crack Capitalism (New York: Pluto, 2010) 146.

26 Das Kapital Bd. I MEW 23, 393 (Fußnote).

27 Peter D. Schwartzman und David W. Schwartzman, A Solar Transition Is Possible (London: IPRD, 2011) http://iprd.org.uk/wp-content/plugins/downloads-manager/upload/A%20Solar%20Transition%20is%20Possible.pdf, und Mark Jacobson und Mark Delucchi, »A Path to Sustainable Energy by 2030«, Scientific American (Nov. 2009): 58-65.

28 Andreas Malm, China as Chimney of the World: The Fossil Capital Hypothesis, Organization and Environment 25:2 (2012): 146-77 und Daniel Cunha, A todo vapor rumo à catástrofe? Sinal de Menos 9 (2013): 109-33.

29 Barry Commoner, Chapter 8: Population and Affluence und Chapter 9: The Technological Flaw, The Closing Circle: Nature, Man, and Technology (New York: Knopf, 1971).

30 Karl Marx, Das Kapital Bd. III, MEW 25, 93 u. 110ff.

31 Claus Peter Ortlieb, Ein Widerspruch von Stoff und Form, in: EXIT – Krise und Kritik der Warengesellschaft, Nr. 6 (2009), 23-54.

32 John Bellamy-Foster, Brett Clark und Richard York, The Ecological Rift: Capitalism’s War on the Earth (New York: Monthly Review, 2010): 169-182.

33 William Stanley Jevons, The Coal Question: An Inquiry Concerning the Progress of the Nation, and the Probable Exhaustion of Our Coal Mines (n. d. [1865]) http://www.econlib.org/library/YPDBooks/Jevons/jvnCQ.html.

34 Larry Lohmann, The Endless Algebra of Climate Markets, Capitalism Nature Socialism 22:4 (2011): 93-116 und Maria Gutiérrez, Making Markets Out of Thin Air: A Case of Capital Involution, Antipode 43:3 (2011): 639-61.

35 Kevin Anderson, The Inconvenient Truth of Carbon Offsets, Nature 484 (2012) 7.

36 Lohmann, Endless Algebra.

37 Damon Matthews, Nathan Gillet, Peter Stott und Kirsten Zickfeld, The Proportionality of Global Warming to Cumulative Carbon Emissions, Nature 459 (2009): 829-33.

38 Jeff Coelho, Global Carbon Market Value Hits Record $176 Billion, Reuters (30 May 2012) http://www.reuters.com/article/2012/05/30/ozatp-world-bank-carbon-idAFJOE84T04R20120530.

39 ETC Group, Geopiracy: The Case Against Geoengineering (Manila: ETC Group, 2010) http://www.etcgroup.org/content/geopiracy-case-against-geoengineering.

40 Eli Kintisch, Hack the Planet: Science’s Best Hope – or Worst Nightmare – for Averting Climate Catastrophe (Hoboken: John Wiley & Sons, 2010): 77-102.

41 Susan Solomon, Gian-Kasper Plattner, Reto Knutti und Pierre Friedglinstein, Irreversible Climate Change Due to Carbon Dioxide Emissions, PNAS 106:6 (2009): 1704-9.

42 Victor Brovkin, Vladimir Petoukhov, Martin Claussen, Eva Bauer, David Archer und Carlo Jaeger, Geoengineering Climate by Stratospheric Sulfur Injections: Earth System Vulnerability to Technological Failure, Climatic Change 92 (2009): 243-59.

43 Scott Barrett, The Incredible Economics of Geoengineering, Environmental and Resource Economics 39:1 (2007): 45-54.

44 Martin Lukacs, World’s Biggest Geoengineering Experiment ‘Violates’ UN Rules, The Guardian (15 October 2012) http://www.guardian.co.uk/environment/2012/oct/15/pacific-iron-fertilisation-geoengineering

45 William Nordhaus, A Question of Balance: Weighing the Options on Global Warming Policies (New Haven: Yale UP, 2008) und Nicholas Stern, The Economics of Climate Change: The Stern Review (London: HM Treasury, 2007) http://www.hm-treasury.gov.uk/sternreview_index.htm.

46 Karl Marx, Das Kapital Bd. III, MEW 25, 350-402.

47 a.a.O., 404 f.

48 a.a.O., 412.

49 Stern, Economics.

50 Karl Marx, Das Kapital Bd. III, MEW 25, 609.

51 a.a.O., 614.

52 Robert Ayres, On the Practical Limits to Substitution, Ecological Economics 61 (2007): 115-28.

53 Postone, Zeit…., 576.

54 Horkheimer und Adorno, Dialektik der Aufklärung.

55 Slavoj Žižek, Catastrophic But Not Serious. Lecture video (2011).

56 Axe, Happy End of the World! Advertisement video (2012) http://www.youtube.com/watch?v=n_hnZgEjJD4.

57 Kevin Anderson und Alice Bows, A New Paradigm for Climate Change: How Climate Change Science Is Conducted, Communicated and Translated into Policy Must Be Radically Transformed If ‘Dangerous’ Climate Change Is to Be Averted, Nature Climate Change 2 (Sept. 2012): 639-40 und Kintisch, Hack 57.

58 Kevin Anderson und Alice Bows, Beyond ‘Dangerous’ Climate Change: Emission Scenarios for a New World, Philosophical Transactions of the Royal Society 369 (2011): 20-44.

59 Postone, Zeit…; Holloway, Crack Capitalism; Gruppe Krisis, Manifest gegen die Arbeit (1999) http://www. krisis.org (1999 )

60 Debord, Sick Planet.

61 Postone, Zeit….

62 Commoner, Closing Circle; Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, Neuwied u. Berlin 1967; Herbert Marcuse, Versuch über die Befreiung, Frankfurt 1969

63 Robert Kurz, Antiökonomie und Antipolitik. Zur Reformulierung der sozialen Emanzipation nach dem Ende des Marxismus in: Krisis. Beiträge zur Kritik der Warengesellschaft Nr. 19 (1997); Schwartzman und Schwartzman, Solar Transition; Miguel Altieri, Agroecology: The Science of Sustainable Agriculture (Boulder: Westview, 1995).

64 Eric Swyngedouw, Apocalypse now! Fear and Doomsday Pleasures, Capitalism Nature Socialism 24:1 (2013): 9-17.

65 Hansen, Storms und Rockström et al., Safe Operating Space.

66 Siehe Marxens Frühschriften, vor allem die Philosophisch-ökonomischen Manuskripte, MEW-Ergänzungsband Teil I, 1968

67 Zitiert nach Herbert Marcuse, Konterrevolution und Revolte, Frankfurt 1973.

68 Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte, in: Gesammelte Schriften Bd.I, Frankfurt 1974, 699

69 Siehe David Pierce, Reprogramming Predators (2009) http://www.hedweb.com/abolitionist-project/ reprogramming-predators.html und BBC, World’s First Lab-Grown Burger Is Eaten in London (5. August 2013), http://www.bbc.com/news/science-environment-23576143. Marcuses Skepsis gegenüber einer »Pazifizierung« der Natur ist formuliert in Konterrevolution und Revolte.


  1. Independent.academia.edu/cunhaDaniel. Cunha veröffentlicht in der brasilianischen Zeitschrift Sinal de Menos, sinaldemenos.org. Erschienen ist der Text auf Englisch in Mediations – Journal of the Marxist Literary Group Vol. 28 No. 2, 2015, online auf mediationsjournal.org. Die fortlaufenden römischen Zahlen sind Anmerkungen des Übersetzers, die arabischen die des Autors.^

  2. Erfunden von Fritz Haber (1868–1934) und Carl Bosch (1874–1940). Haber erfand auch das Giftgas, das im 1. Weltkrieg eingesetzt wurde.^

  3. Cunha meint wohl die Menge atmosphärischen Stickstoffs, die fixiert »verträglich« in die Umwelt gebracht werden kann. Für die Atmosphäre selbst mit ihren schätzungsweise109 Mio. Tonnen Stickstoff ist diese Größenordnung unerheblich.^

  4. Wladimir I. Wernadsky (1863–1945), russischer Geologe und Geochemiker; Pierre Teilhard de Chardin (1881–1955), französischer Theologe und Naturwissenschaftler. ^

  5. Vgl. Gerhard Pretting, Werner Boote: Plastic Planet – Die dunkle Seite der Kunststoffe, Freiburg 2014. Die Autoren zeichnen die äußerst erschreckenden Konsequenzen der Plastikproduktion nach, die allgegenwärtige Verschmutzung von den globalen Müllbergen, dem »Müllkontinent« im Pazifik bis zum Eingang winziger Plastikteilchen in die Nahrungskette. Darüber hinaus enthält Plastik zahlreiche Substanzen, die sich aus dem Plastik herauslösen, wie z.B. die sogenannten »Weichmacher«, welche bei Mensch und Tier Krebs und Sterilität auslösen können und sich auch im Körper einlagern. Die Autoren verweisen auch auf die bescheidene Wirkung diverser Maßnahmen hin, die der Staat post festum, d.h. ohne den Produktionsprozess anzutasten, ergreift. Nicht erklären können sie, mangels ökonomiekritischer Voraussetzungen, woher der enorme »Bedarf« an Plastik überhaupt kommt und warum der Verbrauch ständig zunimmt.^

  6. Vgl. Anita Idel: Die Kuh ist kein Klimakiller – Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können, Marburg 2014.^

  7. Gemeint ist sicher die betriebswirtschaftlich relevante Ersparnis bei den Materialkosten und nicht eine qualitativ-stoffliche Verbesserung.^

  8. William Stanley Jevons (1835–1882), englischer Vulgärökonom (wie Marx sagen würde), wurde u.a. durch seine »Sonnenfleckentheorie« bekannt, die Konjunkturschwankungen durch die periodisch auftretenden Sonnenflecke erklärt.^

  9. End-of-Pipe-Technologien sind dem eigentlichen Produktionsprozess nachgeschaltete Umwelttechnologien, die den Produktionsprozess selber nicht ändern, wie z.B. Partikelfilter.^

  10. HFC-23 ist eine andere Bezeichnung für Trifluormethan, CHF3.^

  11. Vgl. Georg P. Kössler: Geo-Engineering: Gibt es wirklich einen Plan(eten) B?, Heinrich Böll Stiftung 2012.^

  12. Ungarisch-US-amerikanischer Physiker (1908–2003). Seine Idee des Geoengineering bestand darin, Atomwaffen »zivil« zu nutzen, um z.B. Kanäle zu bauen oder um Bergketten zu sprengen für den Bau von Autobahnen. Zum Glück wurde nichts von diesem Wahnsinn umgesetzt.^

  13. Das macht die Prognostizierbarkeit und damit technische Beherrschbarkeit tendenziell unmöglich, zumal man sich hier nicht durch »trial and error« vorantasten kann. Wir haben schließlich nur eine Erde, die wir zerstören können. Das macht Geoengineering an sich zu einem wahnsinnigen Unternehmen. Die androzentrische Allmachtsphantasie einer totalen Naturbeherrschung erreicht hier wohl ihren Gipfelpunkt.^

  14. Der jüngste Zeitabschnitt der Erdgeschichte, dessen Beginn zur Zeit der Erderwärmung am Ende des Pleistozäns, also vor ca. 10.000 Jahren, angesetzt wird.^

  15. Vgl. Boris Mayer, Roboter im Straßenverkehr, in: Jungle World Nr. 29/2015.^

  16. Vgl. Anita Idel: Die Kuh ist kein Klimakiller, Marburg 2014.^

  17. Vgl. Jeremy Rifkin: Das biotechnische Zeitalter, München 1998. Zum Agrarkapitalismus vgl. auch: Walden Bello: Politik des Hungers, Berlin/Hamburg 2010 sowie Peter Jonas »Jenseits der Agrarrevolution« in: Kosmoprolet Nr. 3, Berlin 2011, auch online: https://www.kosmoprolet.org/sites/default/files/inline-files/jenseits_der_agrarrevolution.pdf. ^

  18. Zum »Neuen Finanzkapital« und seiner Rolle in der Krise des Waren produzierenden Systems, siehe Robert Kurz: Weltkapital – Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, Berlin 2005.^




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