Zuerst erschienen auf: www.konicz.info
Unwort KlimagerechtigkeitWie der linksdeutsche Opportunismus die radikale Klimabewegung domestiziertDie deutsche Linke kommt zu spät in der Klimakrise an - und sie schleppt immer noch anachronistischen ideologischen Ballast mit sich. Nahezu jede Strömung derselben stockkonservativen Linken, die jahrzehntelang die Klimakrise belächelte oder bagatellisierte, ist inzwischen zum inflationären Gebrauch des Wörtchens „Klimagerechtigkeit“ übergegangen. Kein Flugblatt, keine Veranstaltung, kein Demoaufruf kann ohne die Verwendung eines Wortes auskommen, das die „soziale Frage“ mit der Klimakrise zu amalgamieren scheint. Von „Junge Welt“ bis zur „Jungle World“, von der Linkspartei bis zur berüchtigten Gewerkschaftslinken, von Postautonomen bis zum Altmarxisten - wenn es noch einen gemeinsamen Nenner in den klimapolitischen Äußerungen dieses in Regression befindlichen Spektrum gibt, dann ist es der inflationäre Gebrauch eines Wortes, in dem tatsächlich Opportunismus, Denkfaulheit und ideologische Verblendung fusionieren. Klimagerechtigkeit meint, dass es gerecht zugehen solle bei Klimafragen. In unterschiedlicher Akzentuierung wird die gerechte Lastenverteilung bei der ökologischen Transformation der Gesellschaft („Dekarbonisierung“), und/oder beim Tragen der Folgen des Klimawandels gefordert. Auf globaler Ebene meint Klimagerechtigkeit, dass reiche Metropolregionen die Hauptlast der Klimakrise und der Dekarbonisierung tragen sollen, um so die geschundene Peripherie zu entlasten und zu unterstützen. Die Klimakrise wird als der große Katalysator angesehen, der eine Umverteilung von Reichtum von oben nach unten ermöglichen solle - sowohl innerhalb der eigenen Gesellschaft, wie auch weltweit zwischen Zentren und Peripherie. Die Kritik insbesondere an den Grünen, die vermittels des Begriffs der Klimagerechtigkeit formuliert wird, beklagt folglich das Fehlen einer sozialen Komponente bei den klimapolitischen Maßnahmen Berlins. Nur, das große Problem bei dem ganzen Gerede von Klimagerechtigkeit besteht schlicht darin, dass die Klimakrise keine Verteilungskrise ist, sie folglich auch nicht durch das Aufwerfen der sozialen Frage beantwortet werden kann. Die Klimakrise ist eine Systemkrise,1 die zwangsläufig die Systemfrage aufwirft. Das Kapital als der sich selbst mittels Warenproduktion verwertende Wert muss die Ressourcen der Welt verbrennen, es muss der Menschheit die ökologischen Lebensgrundlagen entziehen, um seine uferlose Verwertungsbewegung aufrechtzuerhalten. Die ewige Plusmacherei ist das Wesen der fetischistischen Kapitaldynamik. Und sie muss in Geschichte überführt werden - oder sie wird den Zivilisationsprozess in Barbarei umschlagen lassen. Es ist keine Frage des „Lastenverteilung“, sondern des Kampfes um eine lebenswerte Systemalternative. Konkret: Es geht darum, die Warenform emanzipatorisch zu überwinden, in der Bedürfnisse nur befriedigt werden, sofern sie noch eine Marktnachfrage generieren. Es geht nicht darum, die ökologisch ruinöse Warenproduktion, die nur Ausdruck des Verwertungsprozesses des Kapitals ist, gerechter zu verteilen, sondern diese zu überwinden, bevor sie in Barbarei umschlägt. Anstatt von Klimagerechtigkeit zu fabulieren, müsste folglich eine Linke, die noch ihrem Begriff gemäß progressiv agieren wollte, von einer kapitalistischen Klimakrise sprechen, um hierdurch auf die zivilisatorische Überlebensnotwendigkeit der emanzipatorischen Überwindung des Kapitalverhältnisses als einer gesellschaftlichen Totalität hinzuweisen. Nicht etwa, weil dies populär wäre, sondern weil es der objektiven Krisenrealität entspricht, weil es schlicht und ergreifend die Wahrheit ist. Die Systemtransformation ist ein Sachzwang, der sich aus den inneren, ökologischen wie ökonomischen Widersprüchen der Kapitaldynamik ergibt, der die Welt als bloßes Material der realabstrakten Selbstverwertung dient.2 Folglich werden die spätkapitalistischen Gesellschaften an ihren Widersprüchen zerbrechen. Offen ist, was danach kommt. Dies wird sich im Verlauf des kommenden Transformationskampfes entscheiden.3 Aufgabe der Linken wäre es somit, ein radikales Krisenbewusstsein in der Bevölkerung zu verbreiten - als Vorbedingung der Möglichkeit eines emanzipatorischen Transformationsverlaufs. Um den unbewusst über die Menschheit ablaufenden Fetischismus des Kapitals zu überwinden und zu einer bewussten Gestaltung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses zu gelangen, wäre, als erster Schritt, die oben skizzierte Erkenntnis des Krisencharakters notwendig. Die Leute müssten reflektieren können, in was für einer tiefen kapitalistischen Scheiße sie stecken, um hieraus einen Ausweg finden zu können. Es gilt, schlicht zu sagen, was Sache ist. Und es ist keineswegs schwierig oder abgehoben, dies zu praktizieren. Argumente, wonach endloses Wachstum auf einer endlichen Welt unmöglich sei, sind, als Einstieg, einsichtig und allgemein verständlich, ohne die Problematik allzu sehr zu vereinfachen und zu verzerren. Inzwischen hat sich längst ein dumpfes, unreflektiertes Krisenbewusstsein - eher eine Ahnung der Systemkrise - in der Bevölkerung verallgemeinert. Es geht darum, diese Ahnung einer schweren Systemkrise der bewussten Reflexion zuzuführen, um hieraus ein radikales Krisenbewusstsein zu formen - also ein Bewusstsein, das die Überlebensnotwendigkeit einer emanzipatorischen Systemtransformation zur Grundlage jedweder Praxis macht. Knochen für die konservativen AltlinkenEs liegt offen auf der Hand, dass der Kapitalismus außerstande ist, der Klimakrise zu begegnen. Ein Blick auf das entsprechende empirische Material genügt.4 Und es gibt kaum einen pseudolinken Begriff, der diese Einsicht in den notwendigen Transformationskampf um eine postkapitalistische Zukunft effektiver verbaut, als den der Klimagerechtigkeit, der eine objektiv gegebene antikapitalistische Systemfrage zu einer sozialdemokratisch-reformistischen Umverteilungsfrage verzerrt. Klimagerechtigkeit - das ist faktisch in Begriffsform gepresste Ideologie und Opportunismus. Mögen viele Gruppen oder Individuen dieses Wort aus ideologischer Verblendung und blanker Gedankenlosigkeit nachplappern, so gibt es objektive Faktoren, die dessen steilen Aufstieg erklären. Zum einen ist es der Desintegrationsprozess der sogenannten „Linkspartei“, der die Popularisierung solcher Wortungetüme befördert. Die traditionalistischen, national-sozialen und schlicht reaktionären Strömungen in der Linken, die von Wagenknecht mit dem politischen Oxymoron des „Linkskonservatismus“ belegt wurden,5 sind dabei, ihren schon vor gut einer Dekade angetretenen Gang in die Neue Rechte mittels einer Parteineugründung zu vollenden. Dabei sind es gerade populistische Zerfallsprodukte des alten, anachronistischen Klassenkampf-Marxismus, die diese rechtsgerichtete Regression befördern. Diesem Spektrum von Talkshow-Millionärinnen und Porsche-Fahrern, in dem ein substanzloser, national gefärbter und letztendlich faschismuskompatibler Klassenkampf-Fetisch gepflegt wird, soll in Form des Schlagworts „Klimagerechtigkeit“ ein Knochen vorgeworfen, um die Abwanderung der alten Linken aus den Reihen der Linkspartei in die Neue Rechte in Grenzen zu halten. Das Ganze nimmt schon komische Züge an, die einem absurden Reenactment des stalinistischen Proletenfetischs ähneln, wenn etwa die Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler die proletarischen Tugenden der Kandidatenliste zur Europawahl hervorhebt,6 um sie gegen die Kritik der national-sozialen Wagenknecht-Millionäre zu immunisieren, die einen Affront gegen „traditionelle Wähler“ aus der Arbeiterklasse beklagen. Die für ihr Engagement in der Seenotrettung bekannt gewordene Spitzenkandidatin Carola Rackete sei nicht nur eine Klimaaktivistin, die „die Klassenfrage mit dem Kampf um Klimagerechtigkeit“ verbinde, sie habe auch die „harten Arbeitsbedingungen“ der Seeleute kennengelernt und stehe der Arbeiterklasse „deutlich näher“ als viele andere. Dieses anachronistische Lob schwieliger Arbeiterhände in einem von Mittelschichts-Schnöseln und Talkshow-Millionären wie Wagenknecht beherrschten Parteimillieu erfüllt somit eine innerparteiliche Funktion: Es soll dabei helfen, die altlinken, regressiven Strömungen zu integrieren, um deren Abwanderung Richtung Querfront in Grenzen zu halten. Begleitet wird dies durch entsprechende Narrative, die unter abenteuerlichen Verrenkungen (zumeist werden hierbei irgendwelche Marx Zitate bemüht) der Arbeiterklasse eine objektiv gegebene, führende Rolle beim Klimaschutz andichten. Dieser verkürzte linke Klassenkampffetisch mag noch in Ländern wie Frankreich nachvollziehbar sein, die periodisch durch große, wenn auch aufgrund ihrer Krisenblindheit folgenlose Protestwellen erschüttert werden. In der Bundesrepublik ist dies einfach nur absurd. „Ökologischer Klassenkampf“?Dieser Klassenkampffetisch hat somit wenig mir der deutschen Realität zu tun, wo Lohnarbeiter ihren Klassenstandpunkt als variables Kapital durch die Wut auf die Klimakleber der „Letzten Generation“ Ausdruck verleihen, deren Blockaden eine rechtzeitige Arbeitsaufnahme (und somit Kapitalverwertung) erschweren. Und implizit trägt die Linkspartei dem Klassenstandpunkt des variablen Kapitals (sorry, der Arbeiterklasse!) Rechnung. Die „Zeit“ veröffentlichte Auszüge aus einem Brief, den u.A. Linke-Spitzenkandidatin Rackete an die Klimabewegung richtete, um darin die Blockaden und direkten Aktionen der Letzten Generation im Namen eins „ökologischen Klassenkampfs“ zu kritisieren, der „Klimaschutz soziale Gerechtigkeit im Globalen Norden verbessern“ solle. Im Namen der Klimagerechtigkeit sollen „soziale Ungleichheit und Klassenunterschiede“ abgebaut werden (Nicht nur Klaus Ernst,7 alle sollen Porsche fahren?). Diese letztendlich auf soziale Demagogie hinauslaufende Schnapsidee, inmitten der eskalierenden Klimakrise den alten kapitalistischen Sozialstaat wiederbeleben zu wollen,8 wird mit Appellen zur Moderation bei Klimaprotesten gekoppelt. Radikale Protestformen, die auf „Medienbilder“ abzielten, seien keine „ausreichende Lösung“, Aktivistinnen müssten ihren „missionarischen Eifer“ ablegen und auch andere soziale Probleme zur Kenntnis nehmen. Es sei zwar richtig, Klimaverbrecher klar zu benennen, aber man müsse auch „immer wieder die Hand zu Gespräch und Beteiligung ausstrecken und nach gemeinsamen Anliegen suchen“. Radikale Aktionen würden die Ausformung einer „gesellschaftliche Mehrheit“ für den Klimaschutz verhindern, etc. pp. Begleitet von den üblichen Verweisen auf den parlamentarischen Weg, auf dem nun gar RWE und Wintershall enteignet werden sollen (wohl genauso, wie die Linkspartei die Enteignung der Berliner Wohnungskonzerne umsetzte), wird der Sorge Ausdruck verliehen, dass eine „Eskalation der Taktiken“ dazu führen werde, dass die Klimabewegung den „Bezug zur Gesellschaft“ verliere. Einfach absurd, dies in einer Phase zu schreiben, in der die spätkapitalistischen Gesellschaften dank reaktionärer Dauerbeschallung jeden Bezug zur eskalierenden Klimakrise zu verlieren drohen. Das Ganze liest sich wie einer der üblichen Versuche, eine spontan entstandene, disruptive Bewegung zu domestizieren, sie unter Kontrolle zu bringen.9 Es ist klassisches Bewegungsmanagement, um sich den spätkapitalistischen Funktionseliten als Krisenverwalter anzudienen - und es dementiert en passant endgültig den altlinken Glauben an die historische Mission des Proletariats. Das fetischisierte „revolutionäre Subjekt“ wünscht sich, trotz eskalierender kapitalistischer Klimakrise, vor allem Ruhe an der Arbeitsfront - und diese Realsatire eines „Klasseninteresses“ versucht die Linkspartei durch Domestizierungsstrategien umzusetzen. Was ist nun der ökologische Klassenkampf? Es ist ein Fortleben des dumpfdeutschen Wagenknechtismus, der sich schon immer über im Klimastau steckende Arbeitswillige empörte, in der Post-Wagenknecht-Linken. Eine postproletarische Phrasendrescherei, die das Interesse des variablen Kapitals an störungsfreier Kapitalverwertung durchsetzen soll. Diese Phrasendrescherei um das Luftschloss vom ökologischen Klassenkampf dient dazu, real ablaufende Kämpfe, die von der sozioökologischen Systemkrise angefacht werden, im Keim zu ersticken. Das ist der „Klassenstandpunkt“ des variablen Kapitals - es will nicht zu spät zu der Arbeit kommen, die Substanz des Kapitals ist. Radikale Kritik - auch an „Letzter Generation“Es ist nicht nur Opportunismus, der solche Absurditäten wie einen um Kampfvermeidung bemühten Klassenkampf fabriziert, es kann sich auch um schlichte Krisenignoranz handeln, die den fetischistischen Charakter der sich voll entfaltenden Systemkrise nicht erfassen kann. Bei der kapitalistischen Klimakrise handelt es sich um eine marktvermittelte Eigendynamik, bei der die uferlose Akkumulation von Kapital immer größere Mengen an Rohstoffen in der Warenproduktion verfeuern muss. Niemand hat gesellschaftlich diesen blind nach höchstmöglicher Profitrate strebenden Verwertungsprozess des Kapitals unter Kontrolle. Dieser realabstrakte Prozess wird nur dann aufhören, die Welt zu verbrennen, wenn er entweder bewusst überwunden wird, oder wenn er an seinen eigenen ökologischen und sozialen Widersprüchen zerbricht - und den Zivilisationsprozess mit sich in den Abgrund der Barbarei reißt. Um es mal auf dem infantilen Niveau zu formulieren, auf dem Begriffsmonster wie Klimagerechtigkeit fabriziert werden: Es ist der kapitalistischen Klimakrise - der Wechselwirkung von Kapitalverwertung und Treibhausgasemission - absolut egal, was stumpfsinnige Altlinke oder auch ganze Bevölkerungsschichten über sie denken. Da steht kein Interesse dahinter, wenn die sich häufenden Extremwetter ganze Regionen verwüsten, kein Klassenstandpunkt materialisiert sich in der drohenden Unbewohnbarkeit ganzer Regionen. Das Kapital als widersprüchliche blinde Dynamik der Selbstverwertung zerstört die Welt, die Gesellschaft - und seine eigenen Geschäftsgrundlagen. Selbst wenn die übergroße Mehrheit der Bevölkerung sich am Kapitalismus mit aller Macht festkrallt (was nicht weit entfernt von der Realität sein dürfte), wird er an seinen sozialen und ökologischen Widersprüchen zerbrechen. Was die Bevölkerung über den Kapitalismus oder die Klimakrise denkt, ist in dieser Hinsicht egal. Da muss niemand „überzeugt“ oder „abgeholt“ werden, um irgendwie „revolutionär“ zu handeln. Es geht nicht darum, Mehrheiten für irgendwelche „Revolutionen“ zu gewinnen, die sich quasi automatisch aus ihrer Stellung im Verwertungsprozess des Kapitals (Proletariat) ergeben sollten. Da es kein „revolutionäres Subjekt“ gibt, ist die Frage des Krisenbewusstseins entscheidend. Eine Chance, den Absturz in den neuen Faschismus zu verhindern, besteht nur dann, wenn ein radikales Bewusstsein vom Charakter der Systemkrise in der Bevölkerung um sich greift, das die Notwendigkeit der Systemtransformation reflektiert. Und eben diese Ausbildung eines radikalen, transformatorischen Krisenbewusstseins sabotieren weite Teile der Linken. Der destruktive Fetischismus des Kapitals schlägt dem altlinken Denken in „Interessen“ und „Klassenstandpunkten“ alltäglich ins Gesicht. Und es ist fast schon bewundernswert, wie es altlinke Ideologie in Kooperation mit blankem Opportunismus schafft, dies immer wieder zu ignorieren, die alte Klassenkampf-Leier abzuspulen und die Regression inzwischen so weit zu treiben, um in seiner reaktionären Kritik der Klimabewegung inmitten der einsetzenden Klimakatastrophe eine Rückkehr zum rheinischen Kapitalismus oder zum Staatskapitalismus des 20. Jahrhunderts zu fordern. Kipppunkte des Klimasystems wurden bereits überschritten, und die linke Regression will zurück in die DDR oder die alte, westdeutsche BRD. Selbstverständlich muss die Klimabewegung - gerade die „Letzte Generation“ - kritisiert werden. Doch bei einer radikalen, progressiven Kritik ginge es darum, die konkreten Aktionen und Forderungen mit der Realität der kapitalistischen Klima- und Systemkrise zu konfrontieren. Die Bereitschaft der Aktivisten, Leib und Leben bei gefährlichen Aktionen zu riskieren, kontrastiert mit einem naiven Glauben an die Politik, die zu schlicht zu einem effektiven Klimaschutz aufgerufen wird. Hier gilt es für Linke, die dem Begriff gemäß agieren wollen, anzusetzen, um diese spätbürgerlichen Politik-Illusionen mit der Realität der Systemkrise zu konfrontieren. Kritik hat somit nicht an der konfrontativen Praxis, sondern an den braven Forderungen der „Letzte Generation“ anzusetzen, wodurch auch das notwendig radikale Krisenbewusstsein in der Bewegung verankert würde. Die disruptiven Aktionen der „Letzte Generation“, die ganz praktisch die alltäglichen Sachzwänge des spätkapitalistischen Business as usual stören würden dann auf den eigentlichen, unausweichlichen Sachzwang der Systemtransformation verweisen, anstatt Illusionen über ein Politmanagement der Klimakrise zu nähren. Systemkrise, Opportunismus und StaatskapitalismusEs ist offensichtlich, dass die kapitalistische Klimakrise nicht durch das Aufwerfen von Verteilungsfragen gelöst werden kann - weder auf nationaler, noch gerade auf globaler Ebene. Nach all den Jahrzehnten sollte Mensch doch in Erwägung ziehen, dass die marxistische Sichtweise des Klassenkampfs falsch ist. Alles wäre einfacher, wenn das Proletariat als ein „revolutionäres Subjekt“ agierte, wenn Klassenkämpfe die „Lokomotiven des Fortschritts“ wären - das sind sie aber nicht. In Klassenkämpfen verhandelt das variable Kapital (laut Marx, der da widersprüchlich war, ist das die Arbeiterklasse im Produktionsprozess des Kapitals) seinen Anteil am Mehrwert. Das ist alles, da gibt es keine über das Kapital hinausweisende Potenz. Angesichts der Klimakrise ist das einfach lächerlich, diesen Klassenkampf-Fetisch noch zu pflegen. Ähnlich verhält es sich beim Weltsystem. Die ökologischen Folgekosten des Aufstiegs Chinas belegen gerade, dass eine Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Peripherie und Zentren innerhalb des kapitalistischen Weltsystems ökologisch unmöglich ist10 - und folglich ein postkapitalistischer Entwicklungsweg gesucht werden muss, sollen die Menschen der Peripherie nicht in Elend und Klimachaos versinken. Die vernünftige, mittlere, gemäßigte Konsequenz aus der kapitalistischen Klimakrise besteht somit in der Suche nach einer postkapitalistischen Systemalternative, nach Wegen in die Systemtransformation, sowie der entsprechenden, radikalen, kategorialen Kritik der in Agonie befindlichen spätkapitalistischen Gesellschaften. Die ökologisch ruinöse und selektive Bedürfnisbefriedigung in Warenform, die Funktion des Geldes als Wertäquivalent, die Unterordnung der Gesellschaft unter die monströsen, fetischistischen Sachzwänge der an seinen inneren Widersprüchen zerbrechenden Kapitaldynamik - sie müssen nicht deswegen offensiv infrage gestellt werden, weil dies besonders „radikal“ wäre, sondern weil diese Kategorien in krisenbedingter Auflösung sich befinden. Das ist keine abstrakte Prophezeiung. Dieser Selbstauflösungsprozess vollzieht sich, etwa im Fall des seinen Wert verlierenden Geldes, bereits ganz konkret - vermittels der Stagflation.11 Was die Linkspartei samt ideologisch verblendetem Umfeld aus Altkommunisten und Gewerkschaftslinken innerhalb der Linken betreibt, ist die Marginalisierung kategorialer Kritik und radikaler Krisentheorie, um hierdurch der Regression - der obig skizzierten krisenbedingten Verwilderung alter linker Begriffe und Konzepte wie Proletariat, Klasse, Klassenkampf - Platz zu schaffen. Das kapitalistische System befindet sich in einer irreversiblen Krise - ökologisch wie ökonomisch. Die Systemtransformation ist unvermeidbar. Die offene Frage ist nur, was kommt danach? Das wird von den konkreten Kämpfen abhängen, die in der Transformationsperiode geführt werden. Und eben diese unbequeme, einfache Wahrheit wird von der alten Linken mit aller Macht verdunkelt. Was soll das Ganze? Es ist schon davon auszugehen, dass es etlichen Entscheidungsträgern in der „Linkspartei“ klar ist, dass sie hier Unsinn propagieren, wenn sie auf die Folgen Systemkrise mit grandios scheiternden Umverteilungskampagnen reagieren.12 Es ist die hartnäckige opportunistische Hoffnung auf Regierungsbeteiligung. Die Linkspartei sieht sich als „soziales Gewissen“ des schon längst gescheiterten Green New Deal, einer illusionären ökologischen Transformation des Kapitalismus - deshalb kommt das absurde Gerede von Klimagerechtigkeit und einem „ökologischen Klassenkampf“ auf, das mit Appellen zur Mäßigung bei den konkreten Protesten einhergeht. Das anachronistische Proleten-Gerede ist nur Ausdruck der Angst vor der Proletarisierung in einer von Mittelschichts-Schnöseln dominierten Partei, die am Rand des Abgrunds steht und in einem illusionären Opportunismus Zuflucht sucht, um ja bloß nicht in die „Arbeiterklasse“ abzusteigen. Der zu bloßen Phrase degenerierte Klassenkampffetisch wird folglich von einem penetranten Staatsfetisch begleitet, bei dem alle Reformhoffnungen auf den spätkapitalistischen Staat, also eine im Verlauf der kapitalistischen Durchsetzungsgeschichte ausgebildete, für den Verwertungsprozess als „ideeller Gesamtkapitalist“ unabdingbare Institution, die selbstverständlich von den krisenbedingten Erosionsprozessen ebenfalls längst erfasst worden ist. In Krisenzeiten gewinnt der Staat als „Krisenmanager“ an Gewicht - etwa in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts, wo staatskapitalistische Tendenzen oftmals mit einer Faschisierung der krisengeplagten Gesellschaften einhergingen. Das insbesondere in der Bundesrepublik drohende Abdriften in autoritäre Krisenverwaltung eines verwildernden, mit braunen Seilschaften durchsetzten Staatsapparates wird etwa von Taz-Journalistinnen vermittels billiger Umetikettierung als Postkapitalismus verkauft,13 was in einem breiten Spektrum von linksliberalen Strömungen, über die Gewerkschaftslinke bis zu den Steinzeitkommunisten der „jungen Welt“14 auf reges Interesse stößt. Die Hoffnung auf ein warmes Plätzchen im Staats- und Parteiapparat - das ist die praktische Krisenreaktion dieser postlinken Strömungen. Die Horrorvorstellung, von ideologisch durchgeknallten Altlinken und moralisch verwahrlosten Linksopportunisten in der kommenden Systemkrise staatlich verwaltet und drangsaliert zu werden, verblasst aber angesichts der tatsächlich drohenden Realität: Denn es ist die neue deutsche Rechte, die aufgrund ihres raschen krisenbedingten Aufstiegs die besten Chancen darauf hat, Subjekt der drohenden binnenkapitalistischen Krisenverwaltung zu werden.
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