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Paris, 12.-14.5., Seminar Crise & Critique mit Roswitha Scholz und Herbert Böttcher


Infos zu Ort und Zeit sowie Programm auf französisch unter:www.palim-psao.fr

Roswitha Scholz, Paris, 12.5.23

Das Geschlecht des Kapitalismus

Das Patriarchat ist ein zum Verschwinden verurteilter vorkapitalistischer Überrest, der im voll entwickelten Kapitalismus keinen Platz mehr hat; er könnte daher auch ohne die Vorherrschaft des weißen, westlichen und heterosexuellen Mannes existieren – so eine gängige marxistische Annahme. Der traditionelle Marxismus hat die Beziehung zwischen den Geschlechtern nie als grundlegend betrachtet. Einige feministische Strömungen sehen das Patriarchat hingegen als ein fast überhistorisches System der Ausbeutung, von dem der Kapitalismus nur die neueste Adaption ist. Aber für Roswitha Scholz ist der Kapitalismus ein System, das im Grunde auf der asymmetrischen sozialen Beziehung zwischen den Geschlechtern basiert, ein warenproduzierendes Patriarchat, das durch die geschlechtliche Spaltung zwischen „männlich“ und „weiblich“ bestimmt wird.

The sex of capitalism

Patriarchy is a doomed pre-capitalist remnant that no longer has a place in fully developed capitalism; it could therefore exist without the domination of the white, Western and heterosexual male - so a common Marxist assumption. Traditional Marxism has never considered the relationship between the sexes as fundamental. Some feminist currents, on the other hand, see patriarchy as an almost super-historical system of exploitation, of which capitalism is only the latest adaptation. But for Roswitha Scholz, capitalism is a system fundamentally based on the asymmetrical social relationship between the sexes, a commodity-producing patriarchy determined by the gender division between "male" and "female".

Herbert Böttcher, Paris, 13.5.23

„Dass es ‚so weiter‘ geht, ist die Katastrophe.“ Zur Aktualität Walter Benjamins

Walter Benjamins Denken zielt auf Unterbrechung des Flusses der Geschichte als einer gleichförmigen und leeren Zeit. Im „Augenblick der Gefahr“ von Faschismus und Krieg zielte sein Nachdenken auf Unterbrechung des katastrophischen ‚Weiter so‘. Er wollte die Geschichte so lesbar machen, dass sie ihren leeren Gang aufsprengt und die Gegenwart in Bedrängnis bringt. Erkennbar werden muss das, was in der Geschichte untergegangen ist, vor allem die Opfer, über die sie als Geschichte der Sieger hinweg gewalzt ist. Die Aktualität des Denkens von Walter Benjamin wird Herbert Böttcher im Blick auf die Katastrophen, die im Kontinuum der Krise des Kapitalismus geschehen und auf Weltvernichtung treiben, darstellen.

"That it 'goes on like this' is the catastrophe." On the actuality of Walter Benjamin

Walter Benjamin's thinking aims to interrupt the flow of history as a uniform and empty time. In the "moment of danger" of fascism and war, his thinking aimed at interrupting the catastrophic 'carry on'. He wanted to make history legible in such a way that it bursts open its empty course and puts the present in distress. What must become recognisable is that which has perished in history, above all the victims over whom it has rolled away as the history of the victors. Herbert Böttcher will present the actuality of Walter Benjamin's thinking in view of the catastrophes that occur in the continuum of the crisis of capitalism and are driving towards world destruction.

Roswitha Scholz, Paris, 13.5.23

Identitätspolitik und Klassenpolitik. Einige gesellschaftskritische und sozialpsychologische Anmerkungen zum linken Abstraktionsverbot

Nicht nur im linken Diskurs nimmt heute das Spannungsverhältnis zwischen Identitätspolitik und Klassenpolitik einen breiten Raum ein. Vergessen wird dabei das Problem der gesellschaftlichen Formbestimmtheit, um sich von hier aus mit der konkreten Totalität zu vermitteln und über sie hinauszukommen. Es herrscht ein Abstraktionsverbot. Es kann also nicht angehen, wie es heute gang und gäbe ist, Gruppenidentitäten (und sei es auch in Bezug auf eine imaginäre Arbeiterklasse, die es nicht mehr gibt) und die Betroffenheit als Wahrheitskriterium geltend zu machen. Kritische Theorie braucht reflexive Distanz, gerade um die Kritik letztlich nicht einer falschen Unmittelbarkeit anheimfallen zu lassen und den schlechten Zerfalls-Verhältnissen auf den barbarischen Leim zu gehen. Das tut auch einem praktischen Engagement nicht gut. Partikulare Interessen und Bauchgefühle können nicht primärer Ausgangspunkt sein. Auf die sozialpsychologische Dimension dieses Problems wird im zweiten Teil des Referates eingegangen.

Identity politics and class politics. Some socially-critical and socio-psychological remarks on the leftist ban on abstraction

It is not only in left discourse that the tension between identity politics and class politics takes up a lot of space today. Thereby the problem of the determination of the society formation is forgotten: Only from this point the mediation with the concrete totality has to be undertaken and overridden. But there is a ban on abstraction. It is therefore not acceptable, as is common practice today, to assert group identities (even if it is in relation to an imaginary working class that no longer exists) and affectedness as a criterion of truth. Critical theory needs reflexive distance, so that critique does not ultimately fall prey to a false immediacy and fall for the barbaric conditions of the collapse. This is not good for practical engagement either. Particular interests and gut feelings cannot be the primary starting point. The socio-psychological dimension of this problem will be addressed in the second part of the presentation.




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