Zuerst erschienen auf: www.oekumenisches-netz.de
Die Kriegstreiberei unterbrechen! Statt: Weiter in die KatastropheDer Krieg Russlands gegen die Ukraine treibt einer immer gefährlicheren Eskalation entgegen, die in einen atomaren Weltkrieg einmünden kann. Statt besinnungsloses ‚Weiter so!‘ wäre reflektierende Unterbrechung das Gebot der Stunde. Das ‚Weiter so!‘ speist sich aus illusionären Wahnvorstellungen. Es ist eine mit Selbstbetrug verbundene Illusion zu glauben, mit der Lieferung von immer weiterer Waffen – auch von schwerem Gerät – mache sich die NATO nicht zur Kriegspartei und tue alles, um eine atomare Eskalation zu verhindern. Faktisch aber macht sich die NATO zur Kriegspartei und die Ukraine zum Schlachtfeld eines sich seit Jahren zuspitzenden Konflikts zwischen Russland und der NATO. Dieser Konflikt wird nun in einem brutalen Krieg auf dem Rücken der Menschen in der Ukraine ausgetragen. Er fordert immer mehr Tote, zerstörte Städte und Dörfer, zerstörte Lebensgrundlagen. Schon jetzt zeigen sich seine tödlichen Auswirkungen auch in der massiven Verschlechterung der Ernährungslagen vor allem in Teilen Afrikas. Immer neue Waffenlieferungen verschärfen und verlängern den Krieg, in dem jene Gräueltaten begangen werden, die zwar beklagt und angeklagt werden, denen aber zugleich dadurch Raum gegeben wird, dass der Krieg verlängert wird und in eine atomare Katastrophe einzumünden droht. Dieser Gang der Dinge schreit nach Unterbrechung und kritischer Selbstreflexion! Dies gilt umso mehr als die NATO im Verlauf des Krieges die Fehler wiederholt bzw. potenziert, die mit zu ihm beigetragen haben: ihre ungebremste Erweiterung nach Osten verbunden mit dem Verzicht auf Rüstungskontrolle und -begrenzung. Dieses verblüffungsfeste ‚Weiter so!‘ findet nun seine Fortsetzung in einer ungebremsten Lieferung von Waffen an die Ukraine und in einer gefährlichen Eskalation des Krieges. Die Resistenz gegen kritische Selbstreflexion spiegelt sich in der vollmundigen, naiven, simplifizierenden und darin gefährlichen Rhetorik, mit der Waffenlieferungen und Aufrüstung in der Regierungskoalition vor allem durch FDP und Grüne gerechtfertigt, in der Opposition von der CDU/CSU befeuert und von der SPD mit gelegentlich schlechtem Gewissen und verzögert vollzogen werden. Sie speist sich aus der gefährlichen Gegenüberstellung eines Kampfes des ‚Guten‘ gegen das ‚Böse‘, des Rationalen gegen den Wahn. Wenn es um Krieg und Rüstung geht, entdecken ihr Herz für Humanität und Menschenrechte, ihre Sensibilität für ‚humanitäre Katastrophen‘ ausgerechnet diejenigen, die in der ‚Normalität‘ der kapitalistischen Krisenverhältnisse weder Empfindsamkeit zeigen noch Bedenken verschwenden, wenn Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken, an Diktaturen ausgeliefert, in den Tod abgeschoben werden, wenn Hunger produziert, Lebensgrundlagen zerstört werden und und und…, kurz: wo westliche Freiheit und Demokratie jene Kehrseite von Tod, Zerstörung und Terror zeigen, ohne die sie nicht ‚zu haben‘ sind. Die Forderung nach Unterbrechung und kritischer Selbstreflexion beinhaltet keine Rechtfertigung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern impliziert seine Verurteilung ohne ‚Wenn und Aber‘. Daraus lässt sich jedoch keine Rechtfertigung des besinnungslosen Handelns der NATO-Staaten ableiten. Unterbrechende Selbstreflexion angesichts sich zuspitzender Katastrophen könnte erkennen lassen, dass sich im Krieg um die Ukraine die Akteure im Zusammenhang des auf seine innere Grenze stoßenden und zerfallenden kapitalistischen Weltsystems gegenüberstehen. Daran scheitern die imperialen Halluzinationen Russlands ebenso wie die der USA bzw. der NATO. Die zerfallende Welt ist auch militärisch nicht mehr ‚beherrschbar‘. Genau das signalisieren die gescheiterten militärischen Interventionen der letzten Jahre. Statt kritischer Erkenntnis der Grenzen und des Scheiterns macht sich Größenwahn breit. Er ist Ausdruck der Fetischverhältnisse, die von dem irrationalen Selbstzweck bestimmt sind, Geld/Kapital um seiner selbst willen zu vermehren. Je mehr dieser abstrakte Selbstzweck ins Leere läuft, desto verschärfter setzt er sein Vernichtungspotential frei. Er fordert seine ‚normalen Opfer‘, das ‚Opfer‘ von immer mehr Menschen in sich zuspitzenden Krisenprozessen, und zugleich sein ‚finales Opfer‘, insofern die Leere des Selbstzwecks immer weniger zu kompensieren ist und der Größenwahn zum Vernichtungswahn wird. Nicht nur ‚einzelne‘ laufen Amok, sondern das wahnsinnige System selbst läuft Amok – exekutiert von seinen besinnungslosen vom Wahn des Systems getriebenen Handlungsträgern. Aus dem Fetisch bestimmten Wahn lässt sich kein Determinismus ableiten. Zwar ist im Rahmen der gescheiterten kapitalistischen Verhältnisse kein immanenter Ausweg aus den sich zuspitzenden Krisen möglich. Das heißt aber nicht, dass der Weg in eine atomare Katastrophe ‚programmiert‘ wäre. Unterbrechung ist möglich und notwendig zugleich. Mit der Forderung nach Unterbrechung ist ein Wort von Walter Benjamin aufgegriffen. Es steht gegen den Lauf der Geschichte in die Katastrophe. Unterbrechung statt ‚Weiter so!‘ könnte ein Zeitfenster für kritisches Nachdenken öffnen und Wege unterbrechen, die in eine globale Katastrophe führen können, die noch einmal weit über das hinausgeht, was wir in den ‚normalen‘ Katastrophen im Krisenkapitalismus erleben. |