JustIn Monday„Viel Umsatz und viel Arbeit“Über den Sinn des Keynesianismus, anlässlich Paul Krugmans „Vergesst die Krise!“Paul Krugmans „Vergesst die Krise! Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen“ ist konzipiert als eine keynesianisch inspirierte, populärwissenschaftliche Streitschrift gegen die weltweit weitgehend ähnlichen Reaktionsmuster auf den Finanzmarktcrash, der seit 2008 droht, und auf die Folgen, die seine fortgesetzte Verhinderung zeitigt. Und so liest sie sich auch. Primär geht es gegen die Idee, dass in der Krise gespart werden müsse. „Die 'hochseriösen Experten', wie manche sie sarkastisch nennen, haben eine entscheide Erkenntnis von Keynes auf den Müll geworfen: 'Der Aufschwung, nicht der Abschwung, ist der richtige Zeitpunkt für Sparmaßnahmen'. Heute müssen Regierungen mehr Geld ausgeben, nicht weniger, und zwar so lange, bis der private Sektor wieder in der Lage ist, den Aufschwung zu tragen. Doch stattdessen gelten neuerdings arbeitsplatzvernichtende Sparprogramme als der Weisheit letzter Schluss.“ So fällt bereits der Klappentext mit der Tür ins Haus, und so geht es innen dann auch weiter. Verfehlt wäre es, die Erörterungen im Buch als Ausgangspunkt zur Auseinandersetzung mit der Ansicht zu nehmen, die keynesianische Krisenbereinigung des New Deal sei wiederholbar. Oder aber, auch keine nebensächliche Frage, als Anlass zur Beschäftigung damit, ob die Weltwirtschaftskrise 1929ff tatsächlich so überwunden wurde, wie die wirtschaftswissenschaftlich orientierte Geschichtsschreibung dies darstellt. Anhand dieses Buches kann das nicht gelingen, denn im Wesentlichen behauptet Krugman die Wiederholbarkeit lediglich. Statt theoretischer Herleitung gibt es an vielen Stellen Selbstverständlichkeiten, talkshowtaugliche Plausibilisierungen, das-ginge-hier-nun-zu-weit-und-ist-viel-zu-komplex-Ausflüchte und Beispiele aus Spielfilmen. Für eine grundsätzliche Auseinandersetzung ist das schlichtweg zu wenig. Alles gesagt ist damit aber noch lange nicht, denn das Bild, das die „hochseriösen Experten“ seit dem Crash abgeben, ist ja durchaus dazu angetan daran zu zweifeln, dass die Wirtschaftswissenschaft als Disziplin überhaupt in der Lage ist, ökonomische Sachverhalte so zu registrieren, dass sie theoretisierbar sind. Ihre Selbstverständlichkeiten erweisen sich regelmäßig als Platitüden, und ihre Plausibilisierungsversuche gleiten regelmäßig ins Mythologische ab. Bei Krugman verhält sich dies ein wenig anders, weswegen es ihm durchaus zuzutrauen wäre, eine grundlegendere Argumentation für seinen Standpunkt zu entwickeln, wenn dieser denn haltbar wäre. Hierfür spricht weniger, dass er Professor für „economics and international affairs“ in Princeton ist, Kolumnist der New York Times und 2008 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekommen hat. Titel, Jobs und Auszeichnungen wie diese sprechen hierzulande eher für herausragende Fähigkeiten in Produktion und Reproduktion der herrschenden Dummheit. Und auch in den USA ist die Wahrscheinlichkeit hierfür nicht gerade gering. Denn der Unsinn wird produziert, weil im kapitalistischen Normalbetrieb Kapital hinter dem Rücken der Akteure und ohne Zutun der WirtschaftswissenschaftlerInnen akkumuliert. Davon ausgehend wird der Sachzwang, der aus Wert, Autoritärem Staat und zweigeschlechtlicher Familienordnung resultiert, identifiziert mit dem Glauben daran, dass die volkswirtschaftlichen Vorstellungen vom möglichst blinden Vollzug der Marktgesetzte auch der Realität entsprechen. Für Krugman spricht vielmehr, dass er dem damit verbunden Unsinn zwar nur partiell, aber durchaus an wichtigen Punkten streitlustig widerspricht. Und das ist eben schon eine ganze Menge in dem Moment, in dem Dummheit und Sachzwang kein Traumpaar mehr bilden. Es ist Krugmans Fähigkeit, in der Krise an den oberflächlichen Selbstverständlichkeiten ökonomischer Wertgegenständlichkeit festzuhalten, die ihn in Gegensatz zur herrschenden Sparpolitik bringt. Viele der von ihm oft wiederholten Aufrufe zum Geld ausgeben leben davon, dass er selbstbewusst damit kokettiert, dass er tatsächlich nicht begreift, warum in der Öffentlichkeit und von seinen FachkollegInnen in der Krise Ansichten und Maßnahmen vertreten werden, die jeder ökonomischen Rationalität auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zuwider laufen. Seine Erklärungen hierfür gehören zwar nicht zu den Stärken seiner Darstellung, letztlich sind sie bloß subjektivistisch und betonen „das Interesse der Reichen“, aber wenigstens bleibt der Ausgangspunkt seiner Überlegungen nah an den tatsächlich gegebenen ökonomischen Beziehungen. Sein Credo lautet: „Ihre Ausgaben sind meine Einnahmen, und meine Ausgaben sind ihre Einnahmen.“ (S. 41) Ergo: Wenn alle sparen, sind am Ende alle ärmer geworden. Eine simple Einsicht, die sich mit der genauso simplen Alltagserfahrung beim Warentausch deckt und völlig unspektakulär zu dem Schluss führt, dass bürgerlich-kapitalistischer Reichtum permanente Bewegung ist und nicht in Geld fixierbarer Besitz, der sich dadurch erhält, dass er behalten oder angespart wird. Unmittelbar mit dieser Einsicht verbunden ist Krugmans Beharren darauf, dass sich in einer von Kapitalinvestitionen geprägten Ökonomie permanent alle gegenläufig verhalten, weshalb die ökonomische Theorie Paradoxien beinhaltet: „Wir verdienen weniger, eben weil wir zu wenig ausgeben, und wenn wir noch weniger ausgeben, werden wir noch weniger verdienen. Wir haben ein Schuldenproblem, aber dieses Geld schulden wir keinem Außenstehenden, sondern nur uns selbst, und das ist ein gewaltiger Unterschied.“ (S. 65) Würden hiesige Talkshows, Zeitungskommentare und ökonomische Fachzeitschriften um sämtliche Gedanken gekürzt, die die hiermit ausgedrückte Notwendigkeit permanenter Formwechsel des Werts vermittels Warentausch nicht berücksichtigen, herrschte Ruhe im Karton und gedruckt würden weiße Seiten. Auf die dezidiert abstrakte, anationale Konstruktion des allgemeinen „wir“, die nicht im Ressentiment sondern bei vollem Bewusstsein so beschaffen ist, dass kein Einzelsubjekt der damit ausgesprochenen Allgemeinheit entsprechen kann und auch gar nicht soll, reagiert die hiesige Öffentlichkeit ausgesprochen allergisch. Zu dominant ist ihr Bedürfnis nach dem „Strang“, an dem „wir“ nun „gemeinsam ziehen“ müssten, und der Hang zur Denunziation derjenigen, die dabei angeblich stören. Daher kann auch folgende Argumentation gegen Lohnsenkungen als Maßnahme zum Schuldenabbau nicht in Anschlag gebracht werden: „Es mag zwar sein, dass ein einzelner Arbeiter bessere Aussichten hat, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn er einen niedrigeren Lohn akzeptiert […]. Aber wenn alle weniger verdienen, ändert sich nur eines: Alle verdienen weniger, aber die Schulden bleiben dieselben. Eine Flexibilisierung der Löhne (und Preise) verschlimmert die Situation daher nur.“ (S. 67) Das Wissen darum, dass der ökonomische Gesamtzusammenhang nicht die Summe der Handlungen aller einzelnen ist, Ausgangspunkt jeder Gesellschaftstheorie, die ihren Namen verdient, liegt bei Krugman nicht unter nationalen Phrasen begraben, die alle gesellschaftlichen Gegensätze wiedervereinigen. Zwar darf nicht die ganze ökonomische Theorie in der Reproduktion dieser Oberflächlichkeiten bestehen, aber die Erinnerung an die Erscheinungsformen an der Oberfläche ist die Voraussetzung dafür, dass überhaupt etwas der theoretischen Reflexion zugeführt werden kann. So kommt es, das der Keynesianismus derjenige Strang der bürgerlichen Nationalökonomie ist, der für sich in Anspruch nehmen kann, wenigstens noch die eine oder andere Tasse im Schrank zu haben, wenn es zur Krise kommt. Der titelgebende Aufruf dazu, diese zu vergessen, ist daher auch nicht primär motiviert von der Unfähigkeit, einen Krisenzustand zu erkennen. Vielmehr steht er für die umgekehrte Argumentation: „Die Ursache [der Krise, jm] ist relativ trivial, und die Krise ließe sich relativ einfach beheben, wenn nur genug Leute an den Hebeln der Macht die Situation verstünden.“ (S. 35) Oder: „Es waren nicht die wirtschaftlichen Realitäten, die wirkungsvolle Maßnahmen [seit 2008, jm] verhinderten, sondern politische und geistige Verwirrung.“ (S. 147f) Hier werden nicht bereits die Krisensymptome verleugnet, vielmehr wird erst die Tragweite der Ursache klein geredet, weswegen sich die Formen, in denen Krugman sich der Krise bewusst wird, deutlich von denjenigen der Sparfanatiker unterscheiden lassen. Ohnehin klingt der Titel bereits wie ein Zugeständnis an die hierzulande herrschende Verleugnung der Krisensymptome. Das englischsprachige Original heißt „End This Depression Now!“. Den Krisenzustand selbst kann Krugman also durchaus feststellen, wenn auch ebenfalls nur oberflächlich und sekundär, als sachlich gesetzte Handlungsunfähigkeit derjenigen Institutionen, die im Zustand gelingender Akkumulation den ökonomischen Mechanismus regulieren. Die Situation, die es zu verstehen gelte, bestimmt er durch die sogenannte „Liquiditätsfalle“: „Sie schnappt zu, wenn 0 Prozent Zinsen nicht niedrig genug sind, wenn die Notenbank die Wirtschaft derart mit Geld überschwemmt, dass es nichts kostet, auf diesem Geld sitzen zu bleiben, und wenn die Nachfrage schwach bleibt.“ (S. 47) Er deutet diesen Zustand - der Leitzins der amerikanischen Notenbank FED liegt seit Ende 2008 bei 0.25% und dies wird, nach aktuellen Beschlüssen, auch bis Ende 2014 so bleiben - als Hinweis darauf, dass es angesagt ist, von geldpolitischen Maßnahmen, die an ihr Ende gekommen sind, zu staatlichen Konjunkturprogrammen überzugehen. „Wenn die Wirtschaft schwächelt, wirft die Notenbank die Druckerpresse an. Das hat bis jetzt noch immer funktioniert. […] Diesmal hat das Rezept jedoch versagt.“ (S. 44) Von dieser Diagnose her ist auch zu verstehen, warum er immer wieder betont, dass die Krise keine strukturellen Ursachen habe. Denn damit will er nicht darauf hinaus, dass subjektive Machenschaften die Krise verursacht hätten - diese sorgen ihm zufolge nur für die falschen Reaktionen. Die Feststellung, dass die Zinsen unter 0 Prozent sinken müssten, um die Nachfrage nach Geld zu steigern, bemerkt ja tatsächlich eine sachliche Grenze der Geldpolitik, und keine falsche Politik. Vielmehr will er darauf hinaus, dass die Staaten, die die Konjunkturprogramme durchführen sollen, notwendig zur Struktur des Systems dazugehören, und somit das System auch die Lösung bereitstelle. Dies sei von seinen politischen GegnerInnen aber vergessen worden, weswegen sie die Geldpolitik der Vergangenheit, also staatliches Handeln, bereits als Auslöser der Krise betrachten statt als inkonsequente, d.h. im Umfang zu geringe Krisenvermeidung. Nicht spekulatives, gieriges, unverantwortliches oder wie auch immer Tun ist bei Krugman das zentrale Moment, sondern ausgebliebenes Staatshandeln. Die Zugehörigkeit des Staates zum System wiederum belegt er mit den Erfahrungen mit der Weltwirtschaftskrise: „Was wir damals [2009, in der Reaktion auf die Finanzkrise, jm] erlebten, unterschied sich von der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, denn damals hatte noch niemand verstanden, wie die Krise funktionierte. Es waren neue, bahnbrechende Theorien nötig, um einen Ausweg zu finden. Die 1930er Jahre waren eine Art Steinzeit der Wirtschaft, denn die Werkzeuge der Zivilisation waren noch nicht erfunden. Aber im Jahr 2009 waren diese Instrumente längst geschaffen - und wieder weggeworfen worden. In der Zunft [der Wirtschaftswissenschaften, jm] hatte sich eine neue Barbarei breitgemacht.“ (S. 108) Es ist dies derjenige Baustein der Argumentation in „Vergesst die Krise!“, der am deutlichsten einen Hinweise darauf gibt, dass die hinter Krugmans Angriffslust stehende Theorie doch nicht so stringent durchführbar sein könnte, wie sie sich gibt. Denn was der Theoriegeschichte nach vollkommen korrekt ist - beispielsweise stammen sämtliche Grundlagen der Konjunkturtheorie aus jener Zeit - ist gleichzeitig ein geschichtsphilosophischer Offenbarungseid. Denn ernst genommen, kann es diesen Sätzen zufolge vor den 1930er-Jahren noch gar keinen Kapitalismus gegeben haben. Krugman betont immer wieder, dass es ihm nicht darauf ankäme, die Frage „Wie konnte die Krise passieren?“ zu beantworten, sondern die, was „wir“ nun tun könnten. Dies ist, vor diesem geschichtsphilosophischen Hintergrund, mehr als eine Schwerpunktsetzung im Rahmen seines Themas, die sich ergibt, weil die Zustände dramatisch sind und Zeit drängt. Die Verschiebung der Perspektive verdankt sich auch der technokratischen Rekonstruktion gesellschaftlicher Objektivität, der sich Krugman verschrieben hat. „Der Mann der Wissenschaft kennt die Dinge, insofern er sie machen kann.“ heißt hierzu es in der „Dialektik der Aufklärung“ in Bezug auf die Beherrschung der Natur. Direkt im ersten Abschnitt der Einleitung macht Krugman deutlich, dass die keynesianische Theorie beansprucht, genau dieses instrumentelle Verhältnis auch zu den gesellschaftlichen Naturgesetzen der Kapitalakkumulation einzunehmen: „Die beiden Fragen [wie es kam und was wir tun können, jm] hängen zwar zusammen, aber sie sind keineswegs identisch. Wenn wir wissen, wie es zu einem Herzinfarkt kommt, wissen wir noch lange nicht, wie wir ihn behandeln müssen. Das gilt auch für Wirtschaftskrisen.“ (S. 9) Zwar folgt das Herz mit Herzschrittmacher anderen Zwängen als das ohne, es wird aber doch für „das Herz“ in seiner allgemeinen Form gehalten, weil das Erkenntnissubjekt am Objekt nur das als Gesetz erkennen kann, was es selbst hinein gelegt hat. Genau so entspricht für Krugmann erst der Kapitalismus, dessen naturwüchsiger Zusammenbruch verhindert wurde, dessen eigentlichem, „zivilisatorischem“, nicht steinzeitlichem Wesen. Die Frage, wie die Krise geschehen konnte, bleibt daher nicht nur deshalb unbeantwortet, weil es gerade Wichtigeres zu klären gibt. Vielmehr wird sie auch unbeantwortbar, weil der historische Zustand, in dem die Akkumulation noch nicht am Zusammenbruch gehindert werden musste, in nicht mehr wahrnehmbare Ferne rückt und damit irreal wird. In letzter Konsequenz bedeutet auch die keynesianische Position, wie Krugman sie präsentiert, das Eingeständnis des völligen Unverständnisses von dem, was da in die Krise geraten ist. Damit steht und stand sie historisch aber keineswegs so alleine dar, und die Differenzen sind nicht so groß, wie die von Krugman forsch erklärte politischer Gegnerschaft es impliziert. Die Behauptung, ökonomische Gesetze seien an sich unerkennbar, ist vielmehr eine jener Gemeinsamkeiten, die die zwei bis drei politökonomischen Strömungen, die historisch mit der „Schaffung“ krisenüberwindender „Instrumente“ befasst waren, miteinander verbindet. Es sind dies neben dem Keynesianismus der Neoliberalismus und die völkische Mythologie. Letztere zählt selbstverständlich nur in dem Maß, in dem sie als ökonomische Position betrachtet werden kann und nicht als antiökonomisches Delirium aufgefasst werden muss, dass sie auch ist. So, wie für die KeynesianerInnen der Kapitalismus kontrafaktisch immer schon krisenbereinigt war, war er für Neoliberale, genauso unhistorisch, schon immer die irrationale Struktur des Wettbewerbs, die im Mittelpunkt ihrer Theorien steht. Die völkische Mythologie wiederum hielt den Autoritären Staat schon zum Zeitpunkt seiner Entstehung für einen Garanten von Ewigkeit schlechthin. Die keynesianische Linie unterscheidet sich von den beiden anderen nur insofern, als ihr zufolge der Staat nicht unter Verleugnung, sondern unter Anerkennung der oberflächlichen Struktur der ökonomischen Beziehungen diese fortsetzbar machen sollte. Die Barbarei aber, wenn dieser Ausdruck denn Verwendung finden soll für das Resultat der Dialektik der Aufklärung, entstand gerade nicht Jenseits der Macht des Staates, sondern im Verlauf der Entstehung jener souveränen Macht, die die Instrumente anzuwenden vermag, die nach Krugman aus der „Steinzeit der Wirtschaft“ heraus geführt haben sollen. In dieser Hinsicht hat der Keynesianismus durchaus an ihr Teil, und Keynes selbst hat sich durchaus nicht gescheut, hiermit hausieren zu gehen. Obwohl er seine „general theory“ „hauptsächlich mit Bezug auf die Verhältnisse in den angelsächsischen Ländern erläutert und dargelegt“ habe, könne „die Theorie der Produktion als Ganzes, die den Zweck des folgenden Buches bildet, viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs und eines großen Maßes von laissez-faire erstellten Produktion.“ Diese oft zitierte Stelle aus dem Vorwort der 1936 erschienenen, ersten deutschen Ausgabe von „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (GT), ist zwar kein Beweis dafür, dass Keynes als faschistischer Ökonom gelten muss, der sich hier dem nationalsozialistischen Deutschland als Experte andient. Wohl aber ist er ein Beleg dafür, dass seine Theorie geschichtsphilosophisch im Bann des Autoritären Staates steht. Nicht zufällig ist Krugmans zentrales Beispiel dafür, dass die von ihm favorisierte Wirtschaftspolitik bereits einmal funktioniert hat, die US-amerikanische Rüstungsproduktion im 2. Weltkrieg. Dass die deutsche Kriegswirtschaft zwar in einem anderen Geisteszustand betrieben wurde, aber die gleichen ökonomischen Resultate zeitigte, lässt sich hieraus leicht folgern. Dies im Hinterkopf, klingt Krugmans Rede von der vorzivilisatorischen Steinzeit der Wirtschaft noch einmal gruseliger, wenn sie von deutschen LinkskeynesianerInnen formuliert wird. In Stephanie Blankenburgs und Herbert Schuis, unter GlobalisierungskritikerInnen weit verbreitetem Buch „Neoliberalismus: Theorie Gegner Praxis“ heißt es etwa: „Denn immerhin ist bei der Reformpolitik, die in den 1930er-Jahren ihren Anfang nahm, die Erfahrung gemacht worden, dass man sich dem Markt in schlechten Zeiten nicht anvertrauen muss, sondern dass durch zielgerichtetes Eingreifen und Planen Abhilfe geschaffen werden kann. Dies war ein Stück praktizierte Aufklärung, es war der Versuch, Unmündigkeit in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beenden.“ (ebd., S. 68) So schwammig muss wohl schreiben, wer die Anfänge der Zivilisation in den 1930er-Jahren sich entwickeln sieht. Und wenn auch Linke so reden, entsteht im Zweifelsfall dann doch der Wunsch, die Menschheit hätte die Steinzeit niemals hinter sich gelassen und die Deutschen hätten sich, nach alter germanischer Sitte, mit Keulen selbst verprügelt. Blankenburg und Schui erwähnen die Existenz des gegen den Schein der Marktautonomie agitierenden völkischen Antiliberalismus und den damit untrennbar verbundenen Vernichtungsantisemitismus nicht einmal. Daher, und weil sie auch nicht erläutern, wo sich denn ihrer Ansicht nach ein gegen die Marktvermittlung gerichteter „Versuch“ von „Reformisten“ durchgesetzt hat, ohne dass die „Unmündigkeit in wirtschaftlichen Angelegenheiten“ in Unterwerfung unter den Staat verwandelt worden wäre, offenbaren sie, dass die keynesianische Geschichtsphilosophie auch heute noch Indifferenz dem Autoritären Staat gegenüber impliziert, die jederzeit in Affirmation kippen kann. Der Unterschied zwischen Blankenburg/Schui und Krugman besteht aber primär nicht darin, dass einem amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler die Vernachlässigung der europäischen und/oder deutschen Spezifik nachzusehen wäre, deutschen SozialwissenschaftlerInnen aber nicht. Dafür hat Krugmans Intervention einen viel zu umfassenden Anspruch, und sein zwischen den Zeilen immer wieder aufscheinender Neid auf das Modell des vermeintlich europäischen Sozialstaats resultiert aus der gleichen Ignoranz gegenüber den autoritären gesellschaftlichen Formen, die den liberalen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts als Steinzeit erscheinen lässt. Der Unterschied - und hier wird es politisch interessant - besteht vielmehr darin, dass Leute wie Krugman gar nicht dafür plädieren, Marktmechanismen durch Staatsplanung zu ersetzen. Deswegen lässt sich aus Schriften wie der Krugmans wenigstens etwas darüber lernen, was den Keynesianismus historisch wirkmächtig gemacht hat. In der linkskeynesianischen Rezeption von derartigen Positionen wird die „Theorie der Produktion als Ganzes“ fehl gedeutet als auf unmittelbare Umverteilung des Reichtums orientierte, nicht marxistische Parteinahme im Klassenkampf. Nicht zufällig ist die aktuelle Form des Linkskeynesianismus das Produkt ehemaliger MarxistInnen, die nach 1989 nicht opportunistisch genug waren, mit wehenden Fahnen überzulaufen, andererseits aber auch nicht mehr zu unterscheiden vermochten, ob denn nun die DDR oder ihr verzerrtes Bild „sozialer Marktwirtschaft“ die „sozialistische Alternative“ war. Als nichtmarxistische Theorie vom Klassenkampf macht der Keynesianismus aber nicht einmal den beschränkten Sinn, den er als Form der Artikulation gesamtgesellschaftlicher Notwendigkeit in der Krise macht. Zwar wünscht sich auch Krugman eine Verteilung des Reichtums, nach der niemand unfreiwillig arm bzw. arbeitslos bleiben muss. Der Weg dorthin besteht für ihn aber in der Erweiterung der Produktion und in der damit einhergehenden Zirkulation des Geldes, die in der Krise beide ausbleiben. Die „amerikanische Wirtschaft“, führt er aus, bleibe „heute 7 Prozent hinter ihrem Potential zurück. Oder anders gesagt, wir produzieren heute pro Jahr 1 Billion Dollar weniger an Werten, als wir sollten und könnten. […] Und diese Verluste existieren nicht nur auf dem Papier […]. Hier handelt es sich um wertvolle Produkte, die hätten produziert werden können, aber nicht produziert wurden, oder um Löhne und Gewinne, die hätten erzielt werden sollen und können, aber nicht erzielt wurden.“ (S. 25) Wohlgemerkt: Es fehlen aus dieser Perspektive in der Krise Löhne und Gewinne. Der Klassengegensatz und die wesentlich Differenz der Revenuequellen von Arbeit und Kapital sollen hier nicht nur grundsätzlich bestehen bleiben, sondern auch unmodifiziert über die Krise hinweg getragen werden. Stünden diese Produkte im Wert von einer Billion Dollar zur Verteilung zur Verfügung, so die Botschaft, bliebe die Distribution des Werts des bereits verteilten, restlichen Reichtums stabil. Oder, populärwissenschaftlich plausibilisiert: „Wir alle wissen, das ein Auto im Wert von 30 000 Euro liegen bleiben kann, weil eine Batterie im Wert von 100 Euro nicht funktioniert. Mit seiner Analogie wollte Keynes klar machen, dass einer Wirtschaftskrise ein ähnliches Missverhältnis von Ursache und Wirkung zugrunde liegen kann.“ (S. 35) Hier wird deutlich, dass der Keynesianismus nur Sinn macht, wenn er gerade nicht als Beitrag zu gesellschaftskritischer Theorie gelesen wird. Er wird in dem Moment irreal und damit in der Tendenz auch reaktionär, in dem seine VertreterInnen denken, mit ihm ihren partikularen, klassenkämpferischen Standpunkt als gesellschaftlich allgemeines Interesse ausdrücken zu können. Dort, wo Krugman vom Segen des Kredits für die Volkswirtschaft und von den krisenbereinigenden Effekten der Inflation schreibt, bejammern diese dann - anstatt das Ausbleiben von Löhnen und Gewinnen zu registrieren - ein System, in dem auch in der Krise die einen Profite auf Kosten der Löhne der anderen machen. Das freilich ist, aufs Ganze gesehen, unmöglich bzw. führt nur tiefer in die Krise hinein, wenn es denn versucht wird. Genau hieran setzt Krugmans Polemik gegen die Sparpolitik ja an. Die Einsicht „Ihre Ausgaben sind meine Einnahmen, und meine Ausgaben sind ihre Einnahmen.“ beinhaltet eben auch „Ihre Zinseinnahmen sind die Kosten meiner Investition.“ und „Ihre Investitionen sind mein Lohn.“, sowie, aus umgekehrter Perspektive, „Ihre wieder ausgegebenen Löhne sind meine Einnahmen.“ sowie „Und weil Ihre Ausgaben meine Einnahmen sind, gab es auch viel Umsatz und viel Arbeit.“ (S. 43) Eine Formulierung, mit der Krugmann den Segen der Hypothekenkredite beschreibt, die 2007 wertlos wurden, und mit der er zu der Behauptung übergeht, dass das Problem in dem Moment eine Politik war, die den fortgesetzten Konsum auf Kredit nicht fortgesetzt ermöglichte. Löhne und Profite sind verschiedene Revenuequellen ein und derselben Bewegungsform des Reichtums, der Arbeit umsetzt. Und diese Form und das ihr entsprechende gesellschaftliche Verhältnis muss zunächst einmal bestehen, bevor ihr Inhalt nicht ungleich verteilt wird, sondern sich - den Eigentumsverhältnissen gemäß - ungleich verteilt. Konsequente KeynesianerInnen und damit auch Krugman erlangen ihren Standpunkt, indem sie sich im Gestrüpp dieser Relationen auf keine Seite stellen und betonen, dass die Geldzirkulation nicht still gestellt werden darf, wenn die Krise nicht verschärft werden soll. Sie können unterscheiden zwischen drinnen und draußen, zwischen An- und zwischen Abverkaufen, weil sie einverstanden sind. Es ist alles gut Mutter. <https://www.youtube.com/watch?v=baqa8H3U5Fo> Damit beschreiben sie den Kapitalismus aber unfreiwillig auch als ein von Grund auf absurdes Unternehmen. Der Irrsinn der oberflächlichen Paradoxien lässt sich leicht auch auf die Produktion selbst und damit auf die Arbeit übertragen. Obwohl Krugman das nicht macht, implizierte bereits der Kern der Argumentation von Keynes selbst diese Möglichkeit. Kennzeichen hierfür ist etwa die zentrale Position, die der Begriff der „wirksamen Nachfrage“ in dessen Darstellung inne hat. Auch Keynes musste sich schon gegen ähnliche Sparphantasien durchsetzen, und tat dies, wie Krugman, mit dem Verweis darauf, dass Lohnkürzungen aus Einzelperspektiven heraus etwas anderes bedeuten als aus der Perspektive allgemeiner Notwendigkeit. Nur mit noch expliziterem Hinweis darauf, dass eine „starre Lohnpolitik“ auch im allgemeinen Profitinteresse liegt: „Vielleicht wird es helfen, die grobe Folgerung zurückzuweisen, daß eine Kürzung der Geldlöhne die Beschäftigung vermehrt, 'weil sie die Erzeugungskosten vermindert', wenn wir den Lauf der Ereignisse nach der Hypothese verfolgen, die dieser Anschauung am günstigsten ist, nämlich daß die Unternehmer am Anfang erwarten, daß die Kürzung der Geldlöhne diese Wirkung haben werde. Es ist in der Tat nicht unwahrscheinlich, daß der einzelne Unternehmer, da er seine eigenen Kosten vermindert sieht, am Anfang die Rückwirkung auf die Nachfrage nach seinem Erzeugnis übersehen und nach der Voraussetzung handeln wird, daß er eine größere Produktion als früher mit Gewinn werde verkaufen können. Werden die Unternehmer aber tatsächlich ihre Gewinne vermehren können, wenn sie allgemein nach dieser Erwartung handeln?“ (GT, S. 220) Keynes Antwort hierauf lautete „Nein“. Nach dem bisher Gesagten keine Überraschung, weil damit die „wirksame Nachfrage“, die die Grenze der - in marxschen Kategorien formuliert - realisierbaren Wertmasse darstellt, gesenkt wird. Damit ist implizit eingestanden, dass der Wert nicht nur durch Arbeit vermittelt ist, sondern dass er diese in historischer Perspektive auch überflüssig macht. Denn unter Zeitaspekten betrachtet, ergibt sich hier der Widerspruch, dass diese Wertmasse nicht nur noch in Produktionsmitteln vorliegt - dies tut sie in Hinblick auf die zukünftige Realisierung -, sondern auch - in Hinblick auf die Verwandlung der Natur -, schon. Die Überakkumulation, deren Symptome zeigen , wenn sich die „wirksame Nachfrage“ nicht einstellt, bedeutet, dass die Subjekte der Herrschaft des Werts bereit sein müssen, bereits geleistete Arbeit zu entwerten, um den Wert als Produktionsverhältnis zu erhalten. Ebenfalls eingestanden ist damit, dass in der Welt des Kapitals die Nachfrage selbst dann nicht von den Bedürfnissen bestimmt ist, wenn die sachlichen Mittel hierzu, eben die Produktionsmittel, schon bestehen, sondern dass sämtliche Produktion abhängt von der abnehmenden Fähigkeit des Kapitals, Arbeit zu verwerten. Und hierbei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob die Bedürfnisse ihrerseits bereits dem Produktionsprozess unterworfen sind und damit den kulturindustriellen Schemata gehorchen. Die Implikationen des Begriffs der „wirksamen Nachfrage“ markieren einen gewaltigen Unterschied zur liberalen Nationalökonomie, der zufolge Arbeit und Wert die sachgemäße gesellschaftliche Vermittlung der notwendigen Überwindung der Grenzen sein sollten, die die unbearbeitete Natur den menschlichen Bedürfnissen setzt. In dem Moment aber, in dem „wirksame Nachfrage“ eine den Verhältnissen angemessene Kategorie geworden ist, ist die Grenze der Natur überwunden, ohne dass die Beschränkungen fallen sollen. Für letzteres steht die Idee ewiger Knappheit der Erträge der Naturbeherrschung, zumeist unausgesprochene Voraussetzung der Sparpolitik, die dadurch verschärft worden sein soll, dass die Individuen und die Staaten über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Warum ein solcher gesellschaftlicher Zusammenhang erhaltenswert sein soll, ist eine Frage, die das keynesianische Festhalten an den oberflächlichen Erscheinungen kapitalistischer Ökonomie zumindest nicht völlig verschüttet, gerade wenn damit Partei für das Kapital als solches ergriffen wird. Dass die KeynesianerInnen sich als diejenigen erweisen, die über einen ökonomischen Kategorienapparat verfügen, der der oberflächlichen kapitalistischen Realität angemessener ist als die Konkurrenz, und außerdem im Versuch, es bei dieser Realität zu belassen, ein immer absurderes Bild der Welt zeichnen, ist ein Hinweis auf das Ende jeder ökonomischen Rationalität. Ein Zustand, der seit Keynes nur fortgeschritten ist, denn die Bereitschaft zur Entwertung bereits geleisteter Arbeit - und damit die auch subjektive Verherrlichung der Arbeit als Selbstzweck - erheischte ja bereits das System des Autoritären Staates und nicht erst die heutige Krise. Es zeigt sich an dieser historisch nicht rückgängig zu machenden Dynamik, dass der Kapitalismus arge Probleme damit hat, den Reichtum durch Arbeit knapp zu halten. Herrschte tatsächlich Knappheit, wäre die marktvermittelte und vom Klassenantagonismus bestimmte Reichtumsdistribution zumindest binnenrational, ihre Krisen wären die Bereinigungskrisen des 19. Jahrhunderts, und das Privateigentum an Produktionsmitteln lieferte die Individuen der kapitalistischen Ausbeutung aus, anstatt sie, strukturell arbeitslos, von ihr fern zu halten. Diejenigen, die den Keynesianismus von links mit Klassenkampfphrasen aufpeppen, verstellen diese Einsichten, weil sie sich von der Erörterung der abstrakten Allgemeinheit, durch die sich die Absurdität des Ganzen zeigt, wieder zurück ziehen und statt dessen die Knappheit bei den einen dem Profit der anderen in die Schuhe schieben. Damit unterschlagen sie aber nicht nur, dass sich der Kapitalismus verändert hat, seit ihm mit dem Autoritären Staat ein Herzschrittmacher verpasst wurde. Ebenfalls unterschlagen sie damit, dass bereits diese Konstellation des Kapitalismus der Vergangenheit angehört, weil er seit den 1980er-Jahren immer stärker in eine Krise geraten ist. Damit fehlt dem Linkskeynesianismus aber auch jedes Kriterium für eine Auseinandersetzung um die Frage nach der Wiederholbarkeit keynesianischer Anti-Krisenpolitik. Denn im Kern müsste die ja in der Frage bestehen, wie die aktuelle Staatsverschuldung zu deuten ist. Wer immer, wie Krugman, die Wiederholbarkeit behauptet, müsste zuallererst argumentieren können, warum es nicht angebracht sein soll, die Staatsschulden, die in der momentanen Phase der Krise als der Kern des Problems erscheinen, als das Resultat von jahrzehntelangem Staatskonsum zu deuten. Staatskonsum, der eben nicht mehr in der Lage war, die Krise zumindest aufzuschieben. Dass der Kapitalismus bereits in den 1930er-Jahren arge Probleme damit hatte, den Reichtum durch Arbeit knapp zu halten, bedeutet zwar auch, dass es offenbar Mittel und Wege gab, diesen Irrsinn zu bewerkstelligen. Weil aber auch der im keynesianischen Sinn immer schon krisenbereinigte Kapitalismus der historischen Dynamik unterliegt, die den Herzschrittmacher nötig machte, gilt es nach der neuen Konstellation zu fragen, anstatt die Ewigkeit der alten zu konstatieren. In dieser Hinsicht wäre von Krugman wohl auch dann nicht viel zu erwarten, wenn er die populärwissenschaftliche Darstellung verließe und, ähnlich Keynes, theoretisch präziser würde. Denn zum einen steht ihm hier sein eigenes Programm, nachdem es nicht um das „Warum“ der Krise gehen kann, sehr grundsätzlich im Weg. Auf die Füße fällt ihm in dieser Hinsicht auch, dass bereits Keynes selbst die „wirksame Nachfrage“ entgegen der historischen Dimension, die mit der Gebrauchswertgestalt der Produktionsmittel unvermeidbar vorliegt, enthistorisiert hat. Dies gelang ihm, indem er nur die Tauschwertseite betrachtete, die sich zu jedem gegebenen Zeitpunkt als Summe imaginieren lässt: „Die Arbeitsmenge N, die sich die Unternehmer entschließen zu beschäftigen, hängt von der Summe (D) zweier Größen ab, nämlich von D1, dem Betrag, den das Gemeinwesen voraussichtlich verbrauchen wird, und von D2, dem Betrag, den es voraussichtlich für Neuinvestitionen verwenden wird. D ist das, was wir oben die wirksame Nachfrage genannt haben. (GT, S. 25) Zum anderen ist von Krugman hier nicht viel zu erwarten, weil auch seine Vorschläge, was der Staat im Rahmen der geforderten Konjunkturprogramme nachfragen könne, im Gegensatz zu seinen Polemiken gegen die Sparpolitik, reichlich einsilbig geraten. Hier kommt die andere Seite der enthistorisierenden Reduktion der „wirksamen Nachfrage“ auf den Tauschwert zum Tragen. Denn „das Gemeinwesen“ verbraucht in der Realität bekanntlich keinen „Betrag“, sondern Gebrauchswerte, und wenn Krugman D1 steigern will, wird er auch sagen müssen, was der Staat nachfragen soll, damit die Steigerung geschehen kann. Selbstverständlich merkt er, dass er selbst den Boden seiner eigenen Theorie zugunsten der neoliberal-völkischen Idee vom Kampf um den Mangel verließe, propagierte er, der Staat solle irgendeinen Unsinn nachfragen, Hauptsache Arbeit. Auch seinem historischen Beleg für die Wirksamkeit staatlicher Konjunkturprogramme, dem Militärhaushalt der USA im 2. Weltkrieg, will er selbstverständlich nicht zu unmittelbar nacheifern. Viel mehr fällt ihm aber trotzdem nicht ein: „Eine Analyse der Auswirkungen von Kriegen, beziehungsweise von Rüstungswettläufen vorher und Demobilisierung danach, vermittelt einen guten Eindruck von den Auswirkungen staatlicher Investitionen. Aber lässt sich die Frage wirklich nur anhand von Kriegen beantworten? Wenn wir wissen wollen, wie sich zusätzliche staatliche Ausgaben auswirken, dann leider ja.“ (S. 264) Diese düstere Feststellung auf der vorletzten Seite eines Buches, das optimistisch daherkommen soll, ist bezeichnend, denn die historische Differenz zwischen Keynes und Krugman ist jene „Fordismus“ genannte Zeit, in der sich nicht nur wie im 19. Jahrhundert Distribution und Produktion des Reichtums als Selbstzweck entwickelten, sondern der Reichtum selbst in Widerspruch zu jenen Subjekten geriet, die ihn produzieren und konsumieren. Zur Absurdität, die der Keynesianismus nicht mehr skizziert, auch nicht unfreiwillig, gehört zentral der Umstand, dass sich die Welt aufteilt in diejenigen, die gar nicht mehr hinterher kommen, Bedürfnisse in angemessener Relation zu ihren finanziellen Mitteln zu entwickeln, und jener riesigen Masse an Überflüssigen, die vom ökonomischen Bezug zum gesellschaftlichen Zusammenhang völlig ausgeschlossen sind. Zur Hochphase keynesianischer Politik sammelten sich die Überflüssigen noch in der Peripherie des Weltmarkts, die Zuspitzung der Krise in den letzten Jahren hat diese Entwicklung aber auch in den Metropolen verstärkt. Einer Linken, die diesbezüglich aber kaum mehr zustande gebracht hat als schlechte Konsumkritik und antiimperialistische Dichotomien, sollte dies aber kein Anlass sein, sich überlegen zu fühlen. Denn historisch, d.h. bezüglich der Entwicklung der Krisendynamik, hinkt sie noch weiter hinterher. Daher skizzieren ihre TheoretikerInnen immer wieder fast schon zwanghaft jenen Liberalismus als Feind, der in der „Steinzeit der Wirtschaft“ hätte besiegt werden müssen, heute aber gar nicht mehr existiert. Während der staatstragende Keynesianismus wenigstens in dem Maße reale, und deshalb kritisch reflektierbare gesellschaftliche Widersprüche enthält, in dem er nach der Weltwirtschaftkrise geschichtsmächtig war, hat die historische Linke, bis weit hinein in die Neue Linke, zwar kritischere Absichten zu bieten. Im Ergebnis liegen aber nur unverarbeitete Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929ff. und ein damit zusammenhängender, völlig verfehlter Begriff des Faschismus vor Die tatsächlichen Fragen wurden von der Linken im wesentlichen mit antiimperialistischer, antizionistischer und antiamerikanischer Symptombildung beantwortet. Wenn „Vergesst die Krise!“ auch nicht taugt, um eine ernsthafte Debatte um die Wiederholbarkeit keynesianischer Nachfragepolitik zu führen, reicht die Streitschrift aber doch hin, um sich den aus dieser Symptombildung folgenden, gemeingefährlichen Charakter der gängigen linken Neoliberalismuskritik zu vergegenwärtigen. Denn diese ist das dürftige Substrat, auf dem Antiimperialismus, Antizionismus und Antiamerikanismus gedeihen. Hierzu reicht es, sich die Implikationen von Krugmans Position hinsichtlich des politischen Kräfteverhältnisses vor Augen zu führen. Die vergangene Frontstellung des gesellschaftsunkritischen Keynesianismus gegen den Neoliberalismus war direkt nach 1945 ein simples akademisches Konkurrenzverhältnis im Rahmen der Nachkriegsordnung und der darin angelegten Widersprüche und Kräfteverhältnisse. Daher kann es sich Krugman heute sogar leisten, Elemente neoliberaler Theorie zu wenden und etwa mit Aussagen Milton Friedmans zu kokettieren, um gegen die aktuelle amerikanische Rechte vorzugehen. Die klassenkämpferische Variante hingegen musste die neoliberale Doktrin genau zu dem Zeitpunkt zu einem Dämon stilisieren, zu dem offensichtlich hätte sein müssen, dass seine Zeit zu Ende gegangen ist. Der Neoliberalismus, der einmal die Ideologie zur „sozialen Marktwirtschaft“ war und so auch in jeder halbwegs marxistischen Wirtschaftsgeschichtsschreibung auftauchte, wurde im Verlauf der 1990er-Jahre zu einer US-amerikanischen Erfindung umphantasiert. Die Übernahme angelsächsischer Marktgläubigkeit untergrabe die vermeintlichen Segnungen des sogenannten rheinischen Kapitalismus. Genau dieses Märchen widerlegt Krugman zwar nicht inhaltlich - er befasst sich damit gar nicht - aber faktisch allein dadurch, dass es in den USA politisch bedeutende KeynesianerInnen wie ihn überhaupt gibt. Er befindet sich zwar in einer Minderheitsposition, glaubt und weiß sich aber nicht völlig zu Unrecht in Übereinstimmung mit Teilen des Personals der Weltbank oder mit BeraterInnen von Obama und legt gleichzeitig dar, dass einer der Gründe für die Idee vom Sparen sei, dass „wir oft das Bedürfnis [haben], die Wirtschaft als Moralfabel zu verstehen, und glauben gern, dass schwere Zeiten die notwendige Strafe für frühere Exzesse sein müssten. Im Jahr 2010 hatten meine Frau und ich die Gelegenheit, eine Rede des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble zu hören. Irgendwann lehnte sich meine Frau zu mir herüber und flüsterte: 'Am Ausgang bekommt dann jeder von uns eine Handpeitsche, mit der wir uns selbst züchtigen dürfen.' Zugegeben, Schäuble neigt noch mehr zu apokalyptischen Predigten als die meisten seiner Amtskollegen, doch viele teilen seine Ansichten.“ (S. 35) Womit klar ist, dass die vom Original abweichende deutsche Titelgebung zwar als Eingeständnis an die hiesige Öffentlichkeit wirkt, von Krugman so aber gar nicht gemeint war. Vergessen machen will er statt der vermeintlich behebbaren Krisensymptome die „apokalyptischen Predigten“, vulgo die deutschen Untergangsphantasien, deren PredigerInnen überall Verderben wittern, wenn sich der Wert in seine eigenen Schranken verbeißt. Zwar schreckt er davor zurück, die sozialpsychologischen Implikationen der ökonomischen Formen zu benennen, die in solchen Differenzen zum Ausdruck kommen. In dem Moment, in dem es persönlich wird, schickt er - der fordistischen Form der patriarchalen Trennung von Privatem und Öffentlichem gemäß - seine Frau vor. Klar polarisierende Worte wie diese aber, mit denen er auch seinen eigenen Landsleuten gegenüber nicht spart, sind in den USA Teil eines tatsächlichen gesellschaftlichen Konflikts, und die „Liberals“, aus deren Reihen derartige Angriffe stammen und zu denen sich auch Krugman zählt, agieren dabei pointiert und konfliktfreudig auf eine Weise, von der alle Flügel der Linkspartei vermutlich nicht einmal träumen. Weswegen deren VertreterInnen bereits vor nationaler Verantwortung stinken, bevor sie auch nur ein einziges Bundesministerium von Innen gesehen haben. Die scheinbar identischen sozialpolitischen Konflikte spielen sich in den USA in ganz anderen Konstellationen ab, weswegen Krugman - ohne mit der Wimper zu zucken -, politische Optionen in einer Weise ins Links-Rechts-Schema sortiert, die nach europäischen und erst recht nach deutschen Maßstäben befremdlich wirken. Den gescheiterten Versuch George W. Bushs, die Sozialversicherungen zu privatisieren, betrachtet er etwa als ein Beispiel für eine Initiative von rechts. So weit, so scheinbar vertraut, wäre da nicht die sich direkt anschließende Charakterisierung eines entgegengesetzten Projektes von links, mit dem er sympathisiert: „Ein vergleichbares liberales Programm, beispielsweise die Verstaatlichung der Krankenversicherungen, würde vermutlich ein ähnliches Schicksal erleiden. [d.h. ebenfalls scheitern, jm]“ (S. 251) Das eine Verstaatlichung liberales Programms sein kann, ist hierzulande undenkbar. Es ist eine deutsche Spezialität, unter Liberalismus primär „Sozialdarwinismus“ zu verstehen und sich beim damit verbundenen Prinzip der Auslese Unterstützung vom Herzschrittmacher des Kapitals zu erhoffen, wenn die Marktvermittlung diese nicht mit der gewünschten Radikalität betreibt, weil in ihrem Rahmen halt die humanistische und nicht die rassenbiologische Maßgabe gilt, dass „ihre Ausgaben […] meine Einnahmen, und meine Ausgaben […] ihre Einnahmen“ sein müssen. Es sind aber tatsächlich die Liberals, für die heute noch dieser Satz gilt: „Die Sphäre der Zirkulation oder des Warenaustausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der Tat ein wahres Eden der angebornen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham.“ (MEW 23, S. 189) Diese Spezifik des hiesigen Anti(neo)liberalismus ist es, die sich an Krugmans Buch durch simplen Vergleich lernen lässt. Bei allen sonstigen Defiziten. Dies ist nicht nebensächlich, weil sich mit dem Wissen um diese Differenz auch ideengeschichtlich einordnen lässt, warum es aktuell die deutsche Krisenpolitik ist, die die Sparidee am vehementesten als Sachzwang in den europäischen Institutionen implementieren möchte. Die dem Völkischen kaum entrückten aktuellen deutschen IdeologInnen wollen niemanden mehr ausbeuten, dafür aber alle mehrwertlos knechten, nachdem sie die Schranken niedergerissen haben, in denen sich Kauf und Verkauf der Arbeitskraft bewegen. Dies ist der Sinn des Verlusts des Bewusstseins der Paradoxien des Warentauschs, der diese Schranken beinhaltet. Praktisch impliziert dies einerseits die antigewerkschaftlichen Versuche zu verhindern, dass die Ware Arbeitskraft als das Marktsubjekt um ihren Preis verhandelt, das sie ist, und andererseits die unter Krisenbedingungen gewerkschaftliche Idee, wenn schon der Reallohn sinkt, ließe sich das Wohlbefinden erhöhen mit der Phantasie, keine Ware zu sein, sondern angestellt. Die gesamtgesellschaftliche Distribution des Reichtums soll sich dann nach der korporatistischen Idee richten, nach der diejenigen das größte Stück vom Kuchen abbekommen, deren Herrschaft ihre Angestellten am meisten Vertrauen entgegenbringen können. Auf die Frage, wer das denn sei, nennen nicht zufällig alle ihre eigenen Chefs. Die Neoliberalen unterscheiden sich hiervon nur insofern, als sie darauf achten, dass dabei der „Wettbewerb“ ja nicht auf der Strecke bleibt. Letzterer entsteht freilich ohnehin, denn trotz allem Korporatismus hören die so geschaffenen Schicksalsgemeinschaften ja nicht auf, gegeneinander zu agieren. Dem gegenüber versuchen diejenigen KeynesianerInnen, für die auch Krugman spricht, an denjenigen liberalen Prinzipien der Ausbeutung fest zu halten, nach denen die Verteidigung eigener Interessen im Konflikt zum Wesen der Sache gehört. Verteidigt wird so einerseits eine Welt, in der, nach einer berühmten Formulierung von Marx, das Geld und nicht das Volk das reale Gemeinwesen ist, und andererseits aber auch das Bewusstsein davon, dass es sich im Kapitalismus eben so verhält, so lange er seinen Gang geht. Gerade weil sie als Krisenlöser dem Kapitalismus seine akkumulierte Vergangenheit erhalten wollen, offenbaren ihre Darstellungen den antiliberalen Irrsin, der seiner Gegenwart entspricht. Es überrascht nicht, dass sich so keine antikapitalistische Position begründen lässt, sondern nur das Recht darauf einklagen, als Arbeitskraft auf dem allgemeinen Stand der Produktivität entlohnt zu werden. Daran könnten sich die linkskeynesianischen NeoliberalismuskritikerInnen aber ruhig mal erinnern, wenn sie mal wieder selbiges beabsichtigen, aber angloamerikanische Infiltration und fremdländische Heuschrecken dafür verantwortlich machen, wenn daraus immer wieder neu nichts wird. Der Antiamerikanismus der hiesigen Linken speist sich auch aus der Tatsache, dass es Leute wie Krugman gibt, die ihre eigenen Pappenheimer kennen und mit Büchern wie diesem weltweit dem Spott preisgeben, den sie verdienen. Eine Ehre, die der Linkspartei, den Grünen, der SPD und der CDU/CSU kaum zuteil wird, weswegen die hiesige Organisation des Arbeitszwangs als die erstrebenswertere erscheinen kann. Es ist der untergründige Zug, der den Keynesianismus mit dem klassischen Liberalismus verbindet, der deutlich werden lässt, dass Ausbeutung für alle, „viel Umsatz und viel Arbeit“, eine humanistische Devise ist. Wer darüber gesellschaftskritisch hinaus gehen möchte, müsste zuerst die „Moralfabel“, die „die Wirtschaft“ nach Krugman nicht ist, entschlüsseln als die protestantische Arbeitsmoral, in der der Lohn an vermeintlich individuelle Leistung gekoppelt ist. Denn von dieser ausgehend propagieren ihre VertreterInnen ein Gerechtigkeitsideal, das zu dem Schluss kommt, dass die einen weniger beziehen als sie leisten, während die anderen dafür gegeißelt werden, leistungsloses Einkommen anzueignen. Ein Vorwurf, der deshalb so gefährlich und niederträchtig ist, weil er immer stimmt in einem arbeitsteiligen Zusammenhang, in dem die Einzelnen als Anhängsel des akkumulierten Produktionsapparats grundsätzlich mehr produzieren als sie zustande brächten, wären sie auf sich alleine gestellt. |