Die Postmoderne hält sich selbst für fröhlich. In Wirklichkeit
ist sie jedoch nur ignorant. Hier geht es freilich weniger um die philosophische
Mode in zeitgenössischen Proseminaren als um den sozialen Hintergrund
der jüngsten ideologischen Konjunktur. Die neoliberale Wende von der
sozialpädagogischen Staatsintelligenz zum kulturindustriellen Dienstleistungskapitalismus
hat ein dringendes Bedürfnis hervorgebracht, das Terrain von neuen Medien,
Sponsoren, Lebensästhetik und Gewinnspielgesellschaft legitimatorisch
zu besetzen.
In der linken Variante ist daraus eine Farce auf die alte systemimmanente
Arbeiterbewegung geworden. Der Kapitalismus samt sozialer Apartheid erscheint
als primär kultureller Gegenstand, und die radikale Kritik wird zu einer
Politik der Selbstinszenierung entschärft, deren unlustige Selbstkritik
in den letzten Jahren nur der Rettung des Konsumenten als Dissidenten dient.
Aber die Hoffnung auf einen positiven Schub der telematischen Modernisierung
blamiert sich an den Krisenpotentialen der 3. industriellen Revolution; aus
den popmodernen kreativen Billigjobbern und sozialen Simulationskünstlern
wird kein neuer Mittelstand mehr.
An den sozialen Verfall
in der smartie-bunten Risikogesellschaft kann man/frau sich gewöhnen wie
der Pinguin an die Eiswüste, der Landser an den Schützengraben und
der Atlantikschwimmer an den Atlantik. Inflationierte Krisenprozesse werden
nicht mehr als solche wahrgenommen, vor allem wenn es immer noch schlimmer kommen
kann, wie ein Blick über den mitteleuropäischen Tellerrand beweist.
Wenn trotz galoppierender Massenarmut und trotz eines aufgeladenen gesellschaftlichen
Angstpotentials radikale Kapitalismuskritik keine Konjunktur hat, dann ist die
massenhafte Abstumpfung allerdings keineswegs der einzige Grund dafür.
Das kritische Bewußtsein selber kann der Krise nicht standhalten, weil
seine Paradigmen Bestandteil gerade jener Geschichte sind, die zu Ende geht.
Bloß übriggebliebene historische Irrläufer des Arbeiterbewegungs-Marxismus
und marktwirtschaftsfromme Realos erweisen sich gleichermaßen als Dinosaurier
eines untergehenden Zeitalters.
Die Krise der Arbeitsgesellschaft
ist nämlich nur insofern eine Krise des Klassenkampf-Paradigmas, als sie
eine Krise des gemeinsamen Bezugssystems aller modernen Ware-Geld-Subjekte und
damit der fetischistischen Subjektivität überhaupt zur Kenntlichkeit
bringt. Was historisch veraltet, ist der Arbeitsmarkt und damit die gesellschaftliche
Marktbeziehung als solche. Das "Geldmachen" und das "Geldverdienen" werden gleichermaßen
obsolet, wenn die Entwicklung der Produktivkräfte erstmals im großen
Maßstab die abstrakte "Arbeit" als Substanz des sogenannten Werts überholt,
aushöhlt und ad absurdum führt. Diese Essentials einer radikalen Krisentheorie
reichen wesentlich weiter, als gewöhnlich angenommen wird. Keineswegs handelt
es sich dabei um ein Problem, das auf Ökonomie und Sozialpolitik im engeren
Sinne einzugrenzen wäre. Denn zusammen mit dem Fetischismus der Warenproduktion
verfallen gleichzeitig alle von dieser Form der Vergesellschaftung konstituierten
Sozialcharaktere, ihre Lebenswelten und ihre Lebensweisen, auf die kein positiver
emanzipatorischer Bezug mehr möglich ist.
Die Frage der sozialen
Emanzipation kann jetzt nur noch entweder gänzlich preisgegeben oder über
den Klassenkampf hinaus, der auf das bürgerliche Universum eines warenproduzierenden
Systems beschränkt blieb, zu einer radikalen Kritik der Wert- und Geldform
selber zugespitzt werden. Diese Kritik verlangt selbstverständlich ein
entsprechendes höheres Bewußtsein: jenes von Marx ahnungsvoll imaginierte
"enorme Bewußtsein", das nicht mehr an den primitiven warengesellschaftlichen
Kategorien der Moderne klebt, sondern gegenüber der eigenen fetischistischen
Form-Konstitution aufhebend reflexiv wird. Dieser Impetus muß gleichzeitig
auf der Ebene des Alltags als negatorische Haltung erscheinen und bewußt
die neue, weitergehende Zielsetzung als radikales Programm entwerfen, um "geschichtsmächtig"
werden zu können.
Es sind allerdings keineswegs
bloß die altersstarrsinnigen Überreste des "Arbeits"- bzw. Klassenkampf-Marxismus
und die eschatologischen Irrealos eines tausendjährigen Marktwirtschaftsreiches,
die sich als Zerfallsprodukte der Linken einem neuen wertkritischen Paradigma
und dessen Problemstellungen verweigern. In Zeiten des Übergangs und der
Unsicherheit schlägt auch die Stunde der pseudokritischen Blender, Glücksritter,
Harlekine, Obskuranten, Selbstdarsteller und Subjekt-Feuilletonisten verschiedenster
Couleur, mit einem Wort: der Postmodernisten.
Zwar ist der Begriff der
Postmoderne ein schillernder, oberflächlicher und bloß modischer;
aber gleichzeitig handelt es sich auch um einen wirklichen Epochenbegriff, der
allerdings auf eine Epoche der Oberflächlichkeit und des bloß Modischen
verweist. Der Postmodernismus kreiert (inzwischen massenhaft und auf allen Ebenen
des gesellschaftlichen Lebens) einen neuen Positivismus dessen, was ist, aber
in einem Zustand, wo es schon nicht mehr wahr ist. Die Postmoderne ist nichts
als die unaufgehobene alte Moderne, die bloß nicht anständig sterben
kann. Von der Philosophie und Erkenntniskritik über die Medientheorie bis
zur Architektur, Pop- und Alltagskultur reicht das Spektrum der postmodernistischen
Ausdrucksformen, die allesamt vor dem ökonomischen Hintergrund des globalen
Kasinokapitalismus erscheinen, wie er aus der strukturellen Überakkumulation
des Kapitals herausgewachsen ist. So schwach und substanzlos wie das Geld ist
auch die Philosophie dieses Johannistriebs kapitalistischer Zivilisation, den
ein "Zeitalter" zu nennen fast schon eine Übertreibung wäre.
Und selbstverständlich
hat auch diese Schattenzeit nach der Zeit der Moderne ihre eigene systemimmanente,
zeitgeistkonforme Linke hervorgebracht, die (nach einem Bonmot von Helmut Qualtinger)
zwar nicht mehr weiß, wohin sie fährt, dafür aber umso schneller
ankommt. Diese Linke ist, stromlinienförmig ihrer Epoche entsprechend,
nicht mehr die alte, aber auch keine neue - und damit gewissermaßen ein
Prototyp für den postmodernen Sozialcharakter, der freilich auch alles
andere als links sein kann. Die in galoppierender Auflösung begriffene
Modernisierungs-Linke, soweit sie sich im unentschiedenen Zustand des scheinwirklichen
postmodernen Zwischenreichs breitzumachen sucht, trägt insofern nicht unerheblich
zur gesellschaftlichen Kreation eines Typus bei, der durch die Krisen und Zusammenbruchs-Erscheinungen
des Systems glorreich zu surfen hofft. Dieser sich geckenhaft spreizende und
in die Krise mediengeil hineinplappernde Postmodernismus, der vorgibt, die alten
Konfliktkonstellationen hinter sich gelassen zu haben, erweist sich aber gerade
in seiner linken Variante als eine Mischung aus Selbstbetrug und ordinärer
Roßtäuscherei, die haarscharf an der ersehnten Eleganz vorbeizielt.
Namen sind hier freilich
Schall und Rauch, denn das erste Gebot nicht nur des linken Postmodernismus
lautet, daß es ihn gar nicht gibt. Bloß auf nichts sich festlegen,
nicht einmal auf sich selber! Zeitgeistkonform postmodern "drauf" zu sein, muß
gerade für eine theoretisch lediglich abgerüstete Linke nicht unbedingt
bedeuten, auch einen Begriff davon zu haben. Wo die theoretische Bestimmungslosigkeit,
Unverbindlichkeit und Beliebigkeit zum Prinzip erhoben wird, kann die Kritik
unmöglich auf das historische Niveau der Krise gehoben und gegen die totale
Ware-Geld-Beziehung radikalisiert werden. Das ist auch gar nicht beabsichtigt.
Trotzdem erhebt der Postmodernismus, den es nicht gibt, die höchsten Ansprüche
hinsichtlich seiner Geltung. Ihn "mit den Code-Wörtern Spiel und Beliebigkeit
(abzukanzeln)", sei "feuilletonistisch" (Kunisch 1997), sagt das postmoderne
Feuilleton.
Mag also der Anspruch
auch nichtig sein, so ist doch die Nichtigkeit anspruchsvoll. Sowohl gegenüber
dem arbeitsontologischen Altmarxismus als auch gegenüber dem offen marktwirtschaftlichen
Vulgärrealismus gibt die postmoderne Linke sich kritisch und "drübersteherisch",
ohne wirklich etwas zu riskieren. Was ins Feld geführt wird, ist keine
aufhebende Theorie und Praxis, sondern eine sich dennoch "radikal" gebende Mimesis
der marktwirtschaftlichen Erfolgsgeierei. Der alte Linksradikalismus wird dabei
nicht aufgehoben, sondern zum bloßen Gestus verdünnisiert, bis von
ihm wie von der Katze in Carrolls "Alice im Wunderland" nur noch ein Grinsen
übrig ist: die postmoderne Gute-Laune-Simulation und das allgemeine Verkäufergrinsen
des universellen Marktes.
Jedem Tierchen sein Pläsierchen
Wie die postmoderne Postfeministin
"alles will", Model sein und Mutter und marktwirtschaftliche Erfolgsfrau (bloß
nicht ernsthafte Kapitalismuskritikerin), und wie der postmoderne Konsumist
"alles will", Ketchup und Mayonnaise, Luxus und aparte Askese ("Luxese"), so
will erst recht die postmoderne Linke "alles" zugleich: radikal sein und klammheimlich
marktrealistisch, superkritisch und stromlinienförmig, antikommerziell
und kommerziell begehrenswert, antizyklisch-trendsettend und auf jedem Modesattel
reitend, altlinks und neulinks und postlinks - "anything goes". Gegenüber
dem verbiesterten Altmarxismus und dem verantwortungsträgerischen Politrealismus
stellt die postmoderne Linke keine dritte, transformierende Kraft dar, sondern
bloß ein flottes Chamäleon, das mit seiner dekonstruktiven Farbenlehre
überall hinkommt und "Beute" macht, wonach ihm gerade der Sinn steht. Die
kritische Theorie verkommt dabei im Kontext einer nicht bloß theorielosen,
sondern atheoretischen Zeit des sich zeitlos gebenden Marktes zur Attrappe.
Was sich da breit macht,
ist ein theoretisierender Snobismus, der mit Begriffen der Kritik nur
noch äußerlich kokettiert. Der postmarxistisch räsonierende
Snob leidet an der Einbildung, er könne sich "souverän" zu den unaufgehobenen
Realkategorien der bürgerlichen Verkehrsform verhalten und mit ihnen spielen
wie mit den Accessoires der gängigen Outfit-Stilisierung. Die Orwellsche
Sprache des Liberalismus hält Einzug, und so wird
die zeitgeistig grassierende Kritiklosigkeit zur besonders "radikalen" Form
der Kritik hochgeadelt - eine typische Wendung des Postmodernismus. Geradezu
programmatisch erscheint diese kritische Nichtkritik heute in der subkulturellen
"grauen" Literatur der blühenden Zeitgeist-Talente, wo sie als das Evangelium
der 89er Loveparade-Generation verkündet werden darf: "Besteht nicht gerade
in der Verweigerung von intellektueller Kritik, bewußtem Widerständlertum
etc. ihre besondere Form von Subjektivität, die sich einer gewalttätigen
Welt des Handelns und der Rationalität entgegenstellt?" (Erdmann 1997).
Dieser durchsichtige Sophismus,
der Kritik in der Form ihrer Verweigerung anpreist und gleichzeitig gelegentlich
jammert, die Kennzeichnung dieser Denkweise als affirmativ operiere mit "altlinken"
Totschlägerworten, verrät das allgemein bekannte Geheimnis des zu
sich gekommenen Postmodernismus: Die poststrukturalistische Subjektkritik (rezipiert
meistens bloß in ihren Fastfood-Versionen oder vom Hörensagen, wodurch
sie allerdings zur Kenntlichkeit verplappert wird) verabschiedet sich vom alten
sozialen Subjekt der Kritik nicht etwa, um zur aufhebenden Kritik der Subjektform
überhaupt als Ausgeburt des Kapitals und seiner Modernisierungsgeschichte
zu gelangen, sondern um eine aufs Ganze gehende Kritik klammheimlich zu entsorgen
und unschädlich zu machen. Was übrigbleibt als unaufgehobene "besondere
Form von Subjektivität", ist eine widerstandslose Beliebigkeits-Form des
alten bürgerlichen Willens in Gestalt monadisierter und daher gesellschaftlich
handlungsunfähiger Individuen, die hinfort das Erbe des klassischen bürgerlich-aufklärerischen
und arbeiterbewegten Subjekts antreten sollen. Die lächerliche Verfallsgestalt
wird zur großen Zukunft erklärt.
Wenn der Anspruch radikaler
Kritik und die totale Kritiklosigkeit in eins fallen, muß diese Absurdität
auf einen Nenner gebracht werden, der durchaus verschiedene Formen annehmen
kann. Die meisten linken Publikationen, die heute in den seichten Gewässern
des postmodernen "Diskurses" planschen (in Deutschland z.B. die Zeitschrift
"Die Beute"), verbinden einen ökonomiekritisch abgerüsteten Popkulturalismus
mit durchaus uraltlinken Hintergrundannahmen, die bloß unter der postmodernen
Geschenkpapierverpackung schamhaft versteckt werden. Im hippen Popgewand einer
herunterästhetisierten Politik darf der unaufgehobene Klassenkampf- und
Dritte-Welt-Soziologismus durch die postmodernen Hitparaden spuken. Soweit andererseits
Elemente einer scheinbar radikaleren Kritik auftauchen, vor allem die hedonistische
Negation der "Arbeit", können diese jedoch im postmodernen Kontext nicht
mehr als Moment einer Aufhebung des Warenfetischismus erscheinen, sondern figurieren
bloß als schickes Ornament eines warenästhetischen Oberflächenhedonismus,
der den totalen Markt gerade zu seiner stillen Voraussetzung hat (und dessen
Arbeitskritik daher völlig illusionär bleiben muß).
Überhaupt besteht
der Hauptmechanismus für die postmoderne Umpolung aller Gesellschaftskritik
in deren Ästhetisierung. Die postmoderne Linke ist vor allem eine
Lifestyle-Linke, die diesen Charakter auch auf ihren "Diskurs" ausdehnt. Die
Leitmotive sind entweder "political correctness" oder umgekehrt "sozialästhetischer
Tabubruch". Hatte PC in den USA ursprünglich in der Linken eine systemimmanente
soziale Reformfunktion (Quotenrechte für Minderheiten), so handelt es sich
heute im allgemeinen um ein Ersetzen des Streits über Inhalte durch ein
permanentes Aushandeln semantischer Koexistenzen, von dem jede
Theorie-, Analyse- und Strategiedebatte verschlungen wird. So kann z.B. das
Wort "Weinerlichkeit" in einem polemischen Text die Auseinandersetzung nach
sich ziehen, ob dies nicht eine "typische Macho-Vokabel" sei, während der
eigentliche Inhalt der Polemik mehr oder weniger gleichgültig bleibt.
Solche Auseinandersetzungen
können ohne weiteres inflationiert werden. Dabei geht es weniger um ein
(durchaus notwendiges) Ernstnehmen der Sprache und ihrer mit Herrschaft belasteten
Geschichte oder um die Überwindung der unproduktiven altlinken "Streitkultur"
mit ihrem berüchtigten Fraktionskämpfertum (also um eine Entzerrung
von feindseliger Polemik und produktiver Auseinandersetzung), sondern vielmehr
um eine radikale Verschiebung des "Diskurses" von der Inhalts- auf die Formebene
- in Richtung einer sprachlichen "Korrektheits-Ästhetik", die eigentlich
gar nichts mehr will ("Verweigerung von intellektueller Kritik und bewußtem
Widerständlertum" eben).
Der Gegenpol innerhalb
des Postmodernismus, der "sozialästhetische Tabubruch", geht genau umgekehrt
vor: PC wird verspottet, die feministische Schreibweise karikiert, der Habitus
bewußt "unkorrekt" gewählt. Die postfeministische Frau will nicht
nur "alles", sie stellt auch wieder bewußt sämtliche Weiblichkeitsklischees
zur Schau bis zur Claudia-Schiffer-Inkarnation des Blondinenwitzes; aber selbstverständlich
als frei gewähltes "Zitat", weil frau sich einbildet, sowohl die sozialhistorische
geschlechtsfetischistische Weiblichkeit als auch den Feminismus "hinter sich"
gelassen zu haben. Aus demselben Grund kann man sogar wieder Neger- und Judenwitze
erzählen oder Hakenkreuz-Knöpfe auf der Bluse tragen - ein uneingeweihter
tumber und altmodischer Tor, wer dabei Rassismus und Antisemitismus wittert.
Denn man/frau zeigt ja durch all das nur "souverän" an, wie weit die postmoderne
Subjektivität längst "über" den veralteten Auseinandersetzungen
der klassischen Moderne steht.
Es ist leicht erkennbar,
daß die "tabubrecherischen" Anti-PC-ler den "Diskurs" ganz genauso wie
ihr Gegenpart auf die formale und ästhetische Ebene verschieben. Auch ihnen
geht es eigentlich um nichts mehr, auch für sie ist die "Verweigerung von
intellektueller Kritik und bewußtem Widerständlertum" bereits stumme
Voraussetzung. So wird jeder Konflikt um Ziele oder Vorgehensweisen gegenstandslos
und die Auseinandersetzung läuft ins Leere einer Endlosschleife der Ästhetisierung.
Selbstverständlich
ist der Postmodernismus kein im eigentlichen Sinne linkes oder überhaupt
gesellschaftskritisches und transformatorisches Projekt, wofür ja immer
bewußte und aktivistische Negation konstitutiv wäre. Er ist einerseits
ein Projekt des "Abschieds von der Kritik", andererseits ein Produkt des kapitalistischen
Zeitgeistes, der für die totale Käufer-Verkäufer-Gesellschaft
jede Äußerung, egal auf welchem Gebiet, in eine Art Werbespot verwandelt.
Genau hier liegt aber auch das Geheimnis, wie sich dem Anspruch und Selbstverständnis
nach scheinbar gesellschaftskritische Positionen in den Postmodernismus einklinken
können: indem sie nämlich durch Formalisierung und Ästhetisierung
entschärft und auf diese Weise mit dem warenförmigen Beliebigkeits-Universum
kompatibel gemacht werden. Denn Formalisierung und Ästhetisierung sind
identisch mit Kommodifizierung ("Verwarenförmigung") sämtlicher
Inhalte und Gegenstände.
Dieser Sachverhalt darf
nicht verwechselt werden mit dem Problem, daß im Kapitalismus auch radikale
KritikerInnen notgedrungen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen oder daß
es notwendig ist, mit kritischen Theorien in die herrschende bürgerliche
Zirkulation hineinzukommen, um sich überhaupt verständlich zu machen.
Diese Problematik setzt immer schon eine (intuitive wie reflektierte) feindliche
Distanz zur eigenen kapitalistischen Formbestimmung voraus: ein Spannungsverhältnis,
das durchgehalten werden muß, wenn die Kritik durchgehalten werden soll.
Genau diese Spannung ist
im postmodernen "Diskurs" zusammengebrochen. Mit anderen Worten: Die eigenen
Inhalte und Gegenstände werden bewußtlos und apriori immer schon
als Waren unter Marketing-Gesichtspunkten konzipiert, was nichts anderes heißt,
als daß der Inhalt als bloße Form gedacht und somit zum Gebrauchswert
eines Tauschwerts degradiert wird. Die Qualität erscheint als beliebig,
weil die Form im positiven (statt im negatorischen) Sinne entscheidend geworden
ist. Dieser Vorgang, von jeher eine gesellschaftliche Reibungsfläche, hat
offenbar in den 80er Jahren eine neue Qualität der Verinnerlichung und
Selbstverständlichkeit erfahren und ist gewissermaßen reibungslos
geworden. Im Grunde genommen macht dies die eigentliche Qualität des gesamten
Postmodernismus aus. Nachdem die Linke unter dem Vorwand einer Abwendung vom
öden marxistischen "Ökonomismus" gleich die radikale Ökonomiekritik
mitentsorgt hatte, konnte sie sich von den Aporien des Arbeits- und Klassenkampf-Marxismus
freisprechen, ohne ihn wirklich überwinden zu müssen, um von nun an
umso hemmungsloser einem warenästhetischen Kulturalismus zu frönen.
Nur vor diesem Hintergrund
ist es erklärbar, daß und wie sich in postmodernen Kontexten eine
Identität von radikaler Kritik und radikaler Kritiklosigkeit verstecken
kann, indem sowohl die linken Binnendifferenzen als auch die Differenzen zwischen
der linken Kritik und ihren kapitalistischen Gegenständen eingeebnet werden.
Ob altlinks-popkulturell oder pseudo-arbeitskritisch, ob PC oder Anti-PC, der
gemeinsame Nenner ist immer schon die Formalisierung des Inhalts als Ware und
Wertgegenständlichkeit, in der sämtliche qualitativen Differenzen
nivelliert und gegenstandslos gemacht worden sind und somit in der Beziehung
friedlicher Koexistenz erscheinen können.
Sein als Design
Durch die Tendenz zur
totalen Formalisierung aller Inhalte wird irgendwann ein Punkt erreicht, an
dem womöglich sogar die radikale Ökonomiekritik als unschädlicher,
selber bloß kulturalistischer Gegenstand zurückkehren darf - sie
bedeutet dann nichts mehr. Eine Kritik der Wertvergesellschaftung ausgerechnet
in der Form der verinnerlichten Wertgegenständlichkeit stellt sich nur
vom Standpunkt des Inhalts als unmöglicher und absurder Widerspruch dar.
Aber gerade dieser Standpunkt gilt ja dem Postmodernismus als überholt
und der altmodischen klassischen Moderne zugehörig. Vom Standpunkt der
allumfassenden Formalisierung aus gibt es hier überhaupt keinen Widerspruch,
eben weil der eigentliche Gegenstand die Form selber ist.
Im totalen Universum der
Ware ist der Inhalt "nur" Inhalt, bloßes (austauschbares) "Sujet" für
die Form als Eigentliches; ein Vorgang, der durch das postmodern-dekonstruktivistische
Postulat, es gebe gar kein Eigentliches, nur ideologisch eingenebelt wird. Leute,
die Inhalte über Gebühr ernst nehmen, sind selber schuld. Zwischen
ihnen und den postmodernen Formalisierungsästheten ist eine Debatte ungefähr
so sinnlos wie zwischen Wesen, die sich mittels Schallwellen verständigen,
und solchen, die diese Leistung durch den Austausch von chemischen Substanzen
bewerkstelligen - Ameisen z.B. (Macht daraus eine korrektheits-ästhetische
Anklage!).
Die Absurdität einer
Affirmation der Ware durch die Kritik der Ware macht also im postmodernen Verständnis
durchaus Sinn. Natürlich darf die kulturalistisch heruntertransformierte,
in der Form ihres Selbstdementis auftretende Kritik der Warenform nicht allzu
explizit oder gar praktisch fordernd werden, wenn sie als besonders aparter
Bestandteil eines warenästhetischen Sujets fungieren soll. Nur in diesem
Sinne, als Gesamtkunstwerk oder Teil eines solchen, das auf dem Markt der kunsthandwerklichen
werblichen Meinungen und "Events" aus- und dargestellt wird ("diese Wertkritik
wird Ihnen präsentiert von Krombacher", dem Bier aus dem frischen Quellwasser),
kann sogar die Kritik der Warenform sich als harmloser Inhalt in der Warenform
rundum wohlfühlen.
Und nur als dekonstruktiv
jeden Anspruchs auf Wahrheit und Gültigkeit entkleideter, am allgemeinen
Tauschverhältnis (alias "Diskurs" im poststrukturalistischen "Diskurs")
teilnehmender Privatsinn wird "radikale" Kritik im postmodernen Kontext überhaupt
noch wahrgenommen, und zwar von ihren Produzenten wie ihren Rezipienten gleichermaßen.
Ansonsten redet man/frau normalerweise nicht mehr explizit "über" die Marktwirtschaft,
ihre Mechanismen und Prozesse, ebensowenig wie die besseren Kreise ihren Stuhlgang
oder ihre Krankheiten zum Tischgespräch machen. Der allgegenwärtige
Markt ist zum allgemeinen Hintergrundrauschen einer absoluten Selbstverständlichkeit
geworden, die auf der praktischen Erscheinungsebene negativ zu thematisieren
leicht den Ruf der Vulgarität eintragen kann. Eine ästhetisierte postmoderne
Pseudokritik der Warengesellschaft muß sich also von der konkreten Analyse
fernhalten und auf eine "philosophische" Ebene entweichen, wo man/frau vermeintlich
ungestraft gleichzeitig radikale KritikerInnen und fröhliche MitmacherInnen
sein können.
Und deshalb muß
auch überhaupt die Formalisierung des "Diskurses", die allzu durchsichtig
auf die banale Kommodifizierung aller Inhalte und Gegenstände hinausläuft,
durch Ästhetisierung verkleidet werden. Die immergleiche abstrakte Form
der Ware, die in ihrer Nacktheit kaum zu ertragen wäre, wird durch ästhetische
Verschalung bunt gemacht: Die ehemaligen Inhalte verwandeln sich in Markenzeichen
und/oder in pures Design.
Daß ein popkulturell
aufgemotzter altlinker Klassen-Soziologismus neben einer postmodern verwässerten
Pseudokritik der Warengesellschaft und beide gleichberechtigt neben einer Elvis-Fangemeinde
oder einem Netzwerk für die Erforschung der geheimnisvollen Kornkreise
stehen können, rechtfertigt sich durch den gemeinsamen Design-Charakter
dieser doch ziemlich verschiedenen Gegenstände für das Styling warenförmig
durchstrukturierter Lebenswelten. Jeder transzendierende Sinn, was immer dabei
ausgesagt wird, ist auf diese Weise gelöscht. Oder, wie es der kapitalistische
Medien-Oberguru und Telekom-Darsteller Norbert Bolz auszudrücken beliebt:
"Design stellt Sinn dar. Design verschafft und ist selbst Orientierung. Deshalb
hat das Design niemals ein Sinnproblem, sondern ist seine Lösung - es zeigt,
daß der Sinn kein Was, sondern eine Gegebenheitsweise ist...Wer heute
Kants Frage >Was ist der Mensch?< beantworten will, muß Design studieren"
(Bolz 1997, 232). Statt Sinn Design? Nein, Design ist Sinn, oder genauer: Jeder
Sinn wird zum Design. Ist dieses Kunststück erst einmal gelungen, kann
nichts mehr anbrennen für die postmodernen Design-Scheinradikalen.
Nun ist "Sinn" (unabhängig
vom Postmodernismus) natürlich immer nur relativ zu verstehen, als allerdings
bestimmter, wenn auch historisch begrenzter Inhaltsbezug hinsichtlich gesellschaftlicher
Reproduktion und "Stoffwechselprozeß mit der Natur", Erkenntnis, Erotik,
Gesellschaftskritik und gesellschaftlicher Umwälzung, Geschichte und sicherlich
auch Kultur und Ästhetik usw. Das Spezifikum des Postmodernismus besteht
aber darin, daß er ausnahmslos alle Inhaltsbezüge in Ästhetik
verwandelt, und zwar in Warenästhetik, also eben in Design. Das ist die
Mimesis und gleichzeitig die Nemesis der kapitalistischen Form, die ihren eigenen
Inhalt verschlingen möchte. Design muß hier freilich in einem sehr
weiten Sinne verstanden werden.
Das postmoderne Designer-Bewußtsein
ist sich dabei schon längst selber auf die Schliche gekommen, natürlich
durch und durch affirmativ. Noch genauer als bei Bolz findet sich diese selbstaffirmative
Darstellung in dem deutschen Bestseller "Die Tugend der Orientierungslosigkeit"
von Johannes Goebel und Christoph Clermont. Offenbar selber linker Herkunft
und (wie Bolz) wohlvertraut mit den abgeschliffenen Statements der Kritischen
Theorie, stimmt bei diesem Duo (Jahrgang 1968 und 1970) das postmodernistische
Klischee bis aufs I-Tüpfelchen. Diese Autoren reden nicht nur Klartext
über das Postsubjekt einer nur noch schein-emanzipatorischen kulturalistischen
Linken, sie sind es geradezu mit Leib und Seele, selbstverständlich
ohne sich zu genieren. Der pseudosouveräne Gestus und die dazugehörige
Talkshow-Schnoddersprache korrespondieren mit einer sansoschäfchenweichen
Kritiklosigkeit, die in sanftem Einverständnis die Selbstverständlichkeit
des ökonomischen Imperativs feststellt: "Marktwirtschaft ist mehr Praxis
als welterklärende Ideologie" (Goebel/Clermont 1997, 20) und überzeugt
ist von der "offensichtlichen Unbrauchbarkeit marxistisch inspirierten Denkens"
(a.a.O., 21).
Hier wird frischfrommfröhlichfrei
alles ausgeplaudert, was die postmoderne Linke noch in entfernt an den Marxismus
erinnernden Phrasen verklausuliert: Es bedarf keiner "Welterklärung" mehr,
weil die apriorische Praxis sowieso immer schon da ist. Dieses Grundeinverständnis
und Urvertrauen in die Marktwirtschaft ist für Goebel/Clermont die Voraussetzung,
um sich folgerichtig statt gesellschaftskritisch fortan "trendforscherisch"
(und in Konkurrenz zum Hamburger "Trendbüro" des ebenfalls exlinken Zeitgeist-Publizisten
Matthias Horx) als "New Sign - Werbe- und Trendagentur GmbH" zu institutionalisieren,
die übrigens ironischerweise in der Karl-Marx-Straße zu Berlin firmiert.
Die kulturalistischen
Illusionen und die warenästhetische Praxis der postmodernen Linken müssen
nicht einmal besonders verbogen oder umdefiniert werden, um dieses Treiben direkt
in eine Marketingsprache zu übersetzen: "Die New Sign Werteagentur beschäftigt
sich intensiv mit den Lebens- und Wertewelten der 18- bis 35jährigen. Dabei
steht die qualitative Erforschung von Präferenzen und Imaginationen der
für die Zukunft entscheidenden Zielgruppen im Vordergrund. Um die inhärenten
Mechanismen schwer durchschaubarer Handlungs- und Motivationscluster zu beschreiben
und handhabbar zu machen, analysiert die Werteagentur Wertelinks auf Mikro-Ebene.
Sie zeichnet die Käufer-Produkt-Beziehungen nach und operationalisiert
neue Werteverbindungen zur Erstellung konzeptioneller Rahmenwerke. Wertelinks
beschreiben die konkreten Bezüge zwischen Individuum, Motivation und Produkt.
Die Arbeit der Werteagentur ersetzt strategische Planung und liefert die Grundlagen
für plausible Kampagnen. Sie bietet unverzichtbare Entscheidungshilfen
in Märkten, die mit dem traditionellen Instrumentarium der Marktforschung
nicht mehr erforschbar sind" (a.a.O., 205).
Ist das nicht eine geeignete
Tätigkeitsbeschreibung für aufstrebende junge Gesellschaftskritiker,
die als ambulante Händler mit Kritikware im Kasinokapitalismus an ihrem
Bauchladen basteln und Radikalität gerade als "Verweigerung intellektueller
Kritik" verkaufen möchten? Kein Wunder, daß dieses Buch Furore macht
in den deutschsprachigen Niederungen des Postmodernismus. Immerhin ist auf diese
Weise herauszufinden, was die Welt des Designer-Bewußtseins im Innersten
zusammenhält und auf welcher Sozial- und Persönlichkeitsstruktur sie
gründet.
Jede ihre eigene Domina, jeder sein eigenes Gesamtkunstwerk
Die Entdeckung und begriffliche
Kreation von Goebel/Clermont in ihrer kapitalismuskonformen Deskription ist
die Figur des "Lebensästheten", eine durchaus treffende Bezeichnung. Der/die
"LebensästhetIn" ist ein Mensch, der sich selber als wandelndes Gesamtkunstwerk
begreift. Ohne ihn zu erwähnen (womöglich sogar ohne ihn zu kennen)
erinnert diese Kreation an den späten Foucault und seine "Ästhetik
der Existenz". Dieser Ausdruck verweist auf die affirmative Zurückbiegung
der Foucaultschen Gesellschaftskritik mit ihrem expliziten Verzicht, die "großen
Strukturen" angreifen und aufheben zu wollen: Wenn die fetischistische Formkonstitution
der Moderne außerhalb der Reichweite von Kritik bleibt (und das gilt nicht
nur für Foucault, sondern für die gesamte Riege der postmodernen Philosophen
ohne Ausnahme), dann kann das Ende vom Lied immer nur darin bestehen, auf den
Partikularismus der falschen Unmittelbarkeit und zuletzt auf die "Techniken
des Selbst" zurückzufallen, um den einsamen Überlebenskampf in der
sozialen Wüste des Marktes ästhetisch zu maskieren.
Nicht umsonst greift schon
Foucault wie seine postmodernen geistigen Brüder im Grundsätzlichen
nicht auf Marx, sondern auf Nietzsche zurück; wie ja überhaupt die
Ästhetisierung des kapitalistischen Elends und der dazugehörige Begriff
des "Gesamtkunstwerks" schon eine lange Tradition haben. Man/frau muß
nicht an Richard Wagner oder Gabriele d'Annunzio (oder gleich an die Diktatoren
des 20. Jahrhunderts) erinnern, um zu begreifen, daß es sich hier um eine
Ausgeburt des konstruktivistischen Wahns aus der Modernisierungsgeschichte handelt.
Es gibt verschiedene Versionen des Gesamtkunstwerks; die radikalste ist natürlich
die diktatorische, auf die gesamte Gesellschaft bezogene.
Der Diktator ist der gesellschaftliche
Gesamtkunsthandwerker. Voraussetzung dieses Wahns ist die warenförmige
Monadisierung des Individuums, denn nur in dieser Form kann der gesamte Weltbezug
als permanent ästhetisierender Selbstbezug erscheinen (Die Welt ist mein
Design, also bin ich). Der "Führer" als Obermonade hat diesen Bezug am
weitestgehenden verwirklicht; nicht umsonst haben sämtliche Galionsfiguren
der Modernisierungsdiktatur jeglicher Couleur immer künstlerisch-gestalterische
Interessen am Gesellschaftskörper zu erkennen gegeben. Die Nazi-Inszenierungen,
noch heute zu besichtigen in Leni-Riefenstahl-Filmen, stellen Gesamtkunstwerke
in diesem Sinne dar. Vielleicht kann sogar der 2. Weltkrieg, wenigstens in einem
seiner Aspekte, als eine Art blutige Neronische Inszenierung eines Gesamtkunstwerks
betrachtet werden (Anklänge einer solchen Haltung und Betrachtungsweise
finden sich bekanntlich bei Ernst Jünger).
Goebel/Clermont zeigen
unfreiwillig, was aus der finsteren Selbstheroisierung kapitalistischer Geschichte
durch die Modernisierungsdiktaturen und aus dem philosophischen Abgesang radikaler
Kritik bei Foucault in den konsumentendemokratischen Köpfen der kleinen
postmodernen Scheißerchen wird. In der Postmoderne steigt der Gesamtkunsthandwerker
vom Sockel des Maximo Leader herab und wird in Gestalt der vielen kleinen "Lebensästheten"
zur Massenerscheinung. Voraussetzungen sind die volle kapitalistische Monadisierung
des Subjekts (für die der "Führer" in seinen verschiedenen Gestalten
ein traum-artiger und traumatischer Archetypus oder einfach ein Prototyp der
Moderne war) sowie die volle Kommerzialisierung der Reproduktion und die Totalisierung
der Warenästhetik als demokratische Nachkriegsresultate, die nach der fordistischen
Inkubationsepoche erst in den 80er Jahren zur Blüte gelangten und erst
in den 90er Jahren ihre Früchtchen tragen: "In den Demokratien wurde so
aus dem großen Diktator eine unüberschaubare Zahl kleiner Tyrannen,
und je mehr Egozentriker ein Gemeinwesen aufweist, desto freiheitlicher ist
es in der Regel auch" (Goebel/Clermont, a.a.O., 56). Mit neoliberaler ideologischer
Weihe dürfen also die vermassten "Lebensästheten" als "Alltagsexzentriker"
marktwirtschaftliche Kundschaft darstellen; in der Praxis freilich weniger exotisch,
als man erwarten sollte.
Wir können sicher
sein, daß für etliche dieser "Lebensästheten" z.B. Richard Wagner,
der Faschismus, Leni Riefenstahl usw. "Faszinosa" darstellen, allerdings weniger
in direkt ideologischer als eben in ästhetischer und selbstästhetisierender
Hinsicht (bzw. auch die Ideologie erscheint ästhetisch, als bloße
Form). In demokratisch vermasster und kommerzialisierter Gestalt umfaßt
aber der Herrschaftsbereich des diktatorischen Gesamtkunsthandwerkers "nicht
mehr als eine Person" (a.a.O., 52), deren Ziel eine absurde "Perfektionierung
des Seins...und die Inszenierung einer glorreichen Geschichte" (ebda), also
die permanente Erfindung einer Biographie ist, die das reale Dasein als Arschloch
der Marktwirtschaft in eine Art ritterliche Lebensaventüre uminterpretiert.
Der kapitalistisch monadisierte
Mensch wird in seiner letzten Gestalt zum Selbstdarsteller, das Leben zu einer
einzigen Selbstinszenierung, die Welt zur Bühne für die Qual des abstrakten
"Selbst". Dementsprechend werden Outfit und Ambiente mit einer überdimensionalen
Bedeutung aufgeladen. Nicht sich wohlzufühlen oder in einer angenehmen
Umgebung zu leben (um dabei zur jeweiligen Sache, d.h. zum Inhalt zu kommen)
ist "eigentlich" die Frage, sondern ob und wie die Requisiten zur selbstdarstellerischen
Realinszenierung passen.
Keineswegs nur Kleidung
und Mode gewinnen auf diese Weise gewissermaßen "inszenierungspolitische"
Bedeutung, sondern (einer Zwangsneurose vergleichbar) überhaupt jedes Alltagsdetail:
"Einen Staubsauger oder gar Kaffeefilter zum bedeutungsschweren Bestandteil
einer in sich stimmigen Biographie machen zu müssen, ist ein Unternehmen,
das vor zwanzig Jahren Kopfschütteln ausgelöst, vor fünfzig Jahren
den direkten Weg in die Psychiatrie bedeutet hätte...Wo jedes noch so winzige
Detail zum Baustein des Gesamtkunstwerks >Ich< werden kann, gibt es einfach
nichts Unwichtiges...Das frei schwebende Angstpotential hat sich letztlich von
der Apokalypse abgewandt und beschäftigt sich eher mit Fragen wie >ist
der grüne Badezimmerschrank nun ein adäquater Ausdruck meines Lebensgefühls
oder nicht?<..." (a.a.O., 42, 46).
Das ist keineswegs beißend
ironisch, sondern ganz ernsthaft markt- und trendforscherisch gemeint. Und in
diesen Kontext gehört, wie ein anderer Zeitgeistbeobachter bemerkt, auch
das Postulat, daß jeder Mensch ein Künstler sei: "Die kommunikativen
Möglichkeiten der Oberbekleidung sind in diese immer fieberhafter werdende
Ausdruckstätigkeit längst ebenso fugenlos eingearbeitet wie die Weltreligionen,
die künstlerischen Stile seit dem Barock, sämtliche symbolisch verwertbaren
Reiseziele und Weltgegenden oder die Lebensentwürfe der Boheme von Franziska
Gräfin zu Reventlow bis Rudi Dutschke und Johnny Rotten" (Wackwitz 1996).
Es ist leicht absehbar,
wie sich für die "lebensästhetische" Selbstdarstellungs-Monade ihre
Gesellschaftlichkeit gestalten muß. Die Gesellschaft als diktatorisch
inszenierter Ausdruck des eigenen Selbst kommt nicht mehr in Frage, jedes Individuum
ist nur noch sein eigener Diktator. Die "Lebensästheten" kommen
der Thatcher-Definition ziemlich nahe, daß es "keine Gesellschaft gibt,
sondern nur Individuen". Goebel/Clermont veredeln diesen Sachverhalt zur marktwirtschaftsdemokratischen
Tugend: "Die Heimat des Lebensästheten ist die Zivilgesellschaft...Der
Lebensästhet benötigt die liberale, demokratische Gesellschaft zum
Erhalt seines kleinen >Imperiums<..." (a.a.O., 84 f.). Womit schon gesagt
ist, wohin auch der linkspostmodernistische Lebens- und Politästhetizismus
eigentlich gehört, der den "intellektuelle Kritik und bewußtes Widerständlertum
verweigernden" Sozialcharakter der "Lebensästheten" geradezu als eine Art
revolutionäres Subjekt stilisiert.
Die Feier des "demokratischen
Bargaining" zwischen "souveränen" Individuen ideologisiert nur die höchstentwickelte
Form eines warenfetischistischen Systems, in dem bekanntlich jeder Mensch den
anderen zum Mittel seines ökonomischen Selbstinteresses machen muß
und so eine wechselseitige Verdinglichung entsteht. Der Postmodernismus erweitert
diesen sozialökonomischen Grundsachverhalt nur um die warenästhetische
Dimension, d.h. alle machen sich wechselseitig zu Requisiten des eigenen Ich
als Gesamtkunstwerk - nicht nur einzelne andere Personen, sondern Gesellschaft
und Welt überhaupt.
Und da dies in der marktwirtschaftsdemokratischen
Weltversion eben nur nach deren Spielregeln gehen kann, also über die verinnerlichte
bürgerliche Rechtssubjektivität, werden Markt und Geld (oder symbolisch-interaktionistische
Markt- und Geldsurrogate) zu zentralen Medien dieser wechselseitigen Instrumentalisierung
als Design-Requisiten. Natürlich ist der Begriff des/der "LebensästhetIn"
eine (induktive) Abstraktion, in der niemand völlig aufgehen kann. Aber
es handelt sich um eine gesellschaftliche Großtendenz des kapitalistischen
Endstadiums in den westlichen Metropolen, die samt der dazu passenden Ideologie
diesen Typus hervorbringt und zum unbewußten Leitbild macht, dem sich
die Mainstream-Individuen so weit wie möglich anzunähern suchen.
Dieses Realkonstrukt weist
verdächtige Ähnlichkeit mit Wahnvorstellungen von Schizophrenen auf,
die alle Erscheinungen, Ereignisse, sogar Landschaften usw. zwanghaft auf sich
beziehen. In der gesellschaftlichen Lebenspraxis auf allen Ebenen bedeutet dies
eine solide Basis von Beliebigkeit und letzter Unverbindlichkeit: "Der lebensästhetische
Utilitarismus ist einzig und allein der jeweiligen individuellen Biographie
verpflichtet" (a.a.O., 89). Dies gilt allerdings nicht unmittelbar, sondern
durchaus vermittelt über Beziehungen, Inhalte und Gegenstände, die
den abstrakten Stoff des Selbstdarstellungs-Design bilden müssen, ganz
wie die abstrakte Materie des Gebrauchswerts der Wertform einen Körper
verleiht.
Die "Lebensästheten"
können sich also im Einzelfall vordergründig durchaus engagiert, altruistisch,
gesellschaftskritisch usw. (möglicherweise sogar wertkritisch) verhalten
- aber eben nicht aus einem verbindlichen persönlichen und inhaltlichen
Bezug heraus, sondern einzig und allein deswegen, weil sie den jeweiligen Gegenstand
oder die jeweilige Beziehung mehr oder weniger zufällig in ihre Selbstinszenierung
eingebaut haben. Wie die bizarren kriegerischen Taten des "politexzentrischen"
Poeten Gabriele d'Annunzio nicht das geringste mit der realen Geschichte zu
tun hatten (oder nur indirekt, insofern diese Geschichte eben solche Figuren
hervorgebracht hat), sondern einfach im Drehbuch seiner Selbstinszenierung standen,
so folgen auch die postmodern vermassten "Lebensästheten" nur den selbstverfassten
Regieanweisungen ihrer jeweiligen gesamtkunsthandwerklichen Realinszenierung,
wenn auch in einer vergleichsweise alltagsbanalen Art und Weise.
Als soziale Wesen, die
sie trotz alledem sein müssen, schreiten die "Lebensästheten" somit
über morastigen Grund. Da die Selbstinszenierung immer zweifelhaft ist
und die Selbstdarsteller deswegen ewig "an der eigenen Biographie, der eigenen
Moral (basteln)" (a.a.O., 92) müssen, bleibt alles im Zustand der permanenten
Unsicherheit und Wechselhaftigkeit. Soll ich nun Maler oder Filmregisseur werden
oder doch lieber Lokomotivführer? Paßt der grüne Badezimmerschrank
eigentlich zur gegenwärtigen Entwicklung meines Stils? Entspricht meine
Freundin oder überhaupt meine sexuelle Orientierung noch dem gegenwärtigen
Stand meines Gesamtkunstwerks? Ist die Stadt Nürnberg, Hamburg, Berlin
weiterhin ein zureichender Ausdruck meiner Persönlichkeit? Ist dieser Kontinent
es noch wert, daß ich auf ihm verweile?
Und was für Dinge
oder Personen gilt, das gilt selbstverständlich erst recht für Ideen
oder gesellschaftskritische Positionen, die ihren Wert in letzter Instanz nicht
aus sich selbst beziehen, sondern daraus, daß sie (temporäre oder
längerfristige) Requisiten MEINER Selbstinszenierung sind. So erklärt
sich auch letzten Endes die "korrektheits-ästhetische" Formalisierung von
zunehmend inhaltslosen Debatten, wie Goebel/Clermont in aller affirmativen Unschuld
ausplaudern: "Diskussionen drehen sich in der Regel dann auch weniger um Inhalte
als um persönliche Verletzungen...die Trennung von Sache und Person ist
heute im Streitfall nicht mehr möglich" (a.a.O., 84).
Mit bloßem Auge
ist zu erkennen, daß es hier um Reinformen abstrakter Individualität,
um das warenförmige Styling kapitalistischer Persönlichkeitsattrappen
mit einem ungeheuren Illusionspotential geht, wie es der Individualanarchismus
schon im 19. Jahrhundert mit Max Stirners "MIR GEHT NICHTS ÜBER MICH" vorgedacht
hat. Aus einer damals bizarren Ideologie, die nur im Randgruppenmilieu einer
intellektuellen Boheme gedeihen konnte, hat sich dieser Typus über viele
Stationen hinweg (und immer wieder begleitet von der konstruktivistischen Idee
des Gesamtkunstwerks) in der kapitalistischen Durchsetzungsgeschichte weiterentwickelt,
bis zu seiner Banalisierung und (relativen) Vermassung in der Postmoderne.
Daß dabei die "neue
Linke" und ihre Nachfahren eine bedeutende Rolle gespielt haben, ist keineswegs
zufällig. Die 68er Bewegung hat ja weder theoretisch noch praktisch den
Arbeiterbewegungsmarxismus historisch aufheben können, und das gilt für
ihre Ausläufer und Nachfolger erst recht. Sämtliche Emanzipationstheorien
und -Bewegungen der Vergangenheit wurden vielmehr gewissermaßen auf einer
kulturell beschränkten Ebene "nachinszeniert", bis der Mainstream der Realos
wieder dort ankam, von wo die "neue Linke" einst ausgezogen war: bei Marktwirtschaft
und Demokratie, also im bürgerlichen Heimathafen. Aufs Ganze gesehen war
die gesellschaftskritische Radikalität insofern in den letzten 30 Jahren
immer nur Attrappe, wie Goebel/Clermont mit interessierter Schläue feststellen:
"Die Revolutionäre von 68 waren die Entdecker der Lebensästhetik.
Ihr Widerstand war nicht zuletzt ästhetisch motiviert, die kommunistischen
Ideale wohlgestaltete Selbstinszenierungen" (a.a.O., 81).
Mit fortschreitender Entwicklung
löste sich allerdings die Ästhetisierung und Selbstinszenierung von
den ererbten gesellschaftskritischen Bezügen und Theoriegebäuden ab,
insbesondere von der Ökonomiekritik. Jede neue Bewegungsgeneration wurde
um einiges "kulturalistischer" als die vorhergehende und damit zum Bühnenboden
von immer offener produzierten Selbstdarstellungen. Schon Ende der 70er Jahre
sprach der US-Historiker Christopher Lasch vom "Zeitalter des Narzißmus"
und ordnete die "neuen sozialen Bewegungen" trotz ihres vordergründigen
Moralismus (oder gerade deswegen) als Schrittmacher dieses Zeitalters ein: "Die
Popularisierung psychiatrischer Denkweisen, die Verbreitung der >Neuen Bewußtwerdungsbewegung<,
der Traum vom Ruhm und das gequälte Gefühl des Versagens, welche die
Suche nach geistigen Allheilmitteln allesamt noch dringlicher machen, haben
eins gemeinsam: eine ungewöhnlich starke Beschäftigung mit dem Ich.
Diese Selbstbezogenheit prägt das moralische Klima der zeitgenössischen
Gesellschaft. Es geht nicht mehr darum, die Natur zu erobern oder neue, gesellschaftliche
Herausforderungen zu suchen, sondern um Selbstverwirklichung...Der Narzißmus
scheint praktisch die beste Art und Weise zu sein, sich den Spannungen und Ängsten
des modernen Lebens gewachsen zu zeigen, und die herrschenden gesellschaftlichen
Umstände bringen deshalb die narzißtischen Charaktereigenschaften
deutlich zum Vorschein, die in unterschiedlichem Grade bei jedem einzelnen anzutreffen
sind" (Lasch 1986/1979, 42, 69).
Der Postmodernismus scheint
diesen bewußtlos gesellschaftlich produzierten Impetus vollenden zu wollen,
und die postmoderne Linke schwimmt voll in diesem Mainstream des kapitalistischen
Bewußtseins mit. Die "Lebensästheten" stellen nur eine Radikalisierung
der schon seit 1968 und in den neuen sozialen Bewegungen spukenden Idee der
"Selbstverwirklichung" dar, nunmehr getragen vom Individualisierungsschub der
80er Jahre. Dieser Begriff bezieht sich nicht mehr (wie gelegentlich im Marxismus)
auf ein bewußt mit allen anderen vermitteltes Selbst, auf die "Verwirklichung"
des konkreten gesellschaftlichen Menschen, sondern nur noch auf die "verwirklichte"
Selbstdarstellung der atomisierten "vereinzelten Einzelnen", deren gesellschaftlicher
Status vor aller Kritik zum bewußtlosen Apriori geworden ist. Es ist keineswegs
erforderlich, konservative Tugenden á la Gräfin Dönhoff oder
Bürgersinn nach kommunitaristischer Art zu beschwören, um diesen narzißtischen
Begriff der "Selbstverwirklichung" radikal kritisieren zu können. Denn
ganz offensichtlich wird hier die abstrakte Individualität ontologisiert
statt emanzipatorisch aufgehoben. Was sich da "verwirklichen" soll, ist das
immer schon unkritisch vorausgesetzte verdinglichte Ich des fetischistisch konstituierten
Menschen.
Lasch, der selber gelegentlich
in kulturkonservative Argumente abgleitet, macht andererseits deutlich, daß
der Narzißmus eigentlich Selbsthaß ist, geboren aus dem irrational,
affirmativ und destruktiv verarbeiteten Versagen an den kapitalistischen Kriterien,
die gar nicht real durchgehalten werden können. Hatte sich aber der scheinpolitische
Narzißmus der 70er und frühen 80er Jahre noch an die Kategorie der
"Echtheit" oder Authentizität geklammert (die eine letzte ideologisch verzerrte
Erinnerung an den verlorenen Inhaltsbezug darstellte), so erscheint der postmodern-dekonstruktiv
geläuterte Narzißmus umgekehrt schon als "echte Falschheit", die
virtuos und nahezu vollautomatisch jeden Inhalt in Form und jede Beziehung in
Design verwandelt.
"Selbstverwirklichung"
ist insofern nichts anderes als die Verdrängung von Gesellschaftskritik
durch ihre Umwandlung in Sinn- und Persönlichkeits-Design, das den affirmativen
Selbsthaß der kapitalistischen Verlierer narzißtisch maskiert (auch
die vorläufigen Gewinner sind unter dem Damoklesschwert der Konkurrenz
immer schon potentielle Verlierer).
Das Verschwinden der gesellschaftlichen Konstitutionsproblematik und die Reflexionslosigkeit
auf die eigene fetischistische Bewußtseinsform mündet in die Parolen
"Let it be", "Steh dazu" und den jugendkulturellen Spruch "Sei es einfach" (in
dieser Reihenfolge); und gerade deswegen erübrigt sich ja auch jede inhaltlich
verbindliche Auseinandersetzung über intersubjektive Strukturen, Bedrängnisse
und Projekte, die allesamt nur noch Requisiten des biographischen Selbstinszenierungs-"Films"
abgeben können.
Diese paradoxe Art der
Amalgamierung von Realität und Illusion, Sieg und Niederlage, Gewinn und
Verlust, Echtheit und Falschheit, Kritik und Kritiklosigkeit usw. im System
der totalen Konkurrenz macht auf perfide Weise wehrlos. Auch die Politik wird,
ebenso wie die Kunst, nicht aufgehoben, sondern in Design umgeformt. So stellt
der dekonstruktiv fortentwickelte Postmodernismus die vielleicht raffinierteste
kapitalistische Integrationsleistung dar, vorgedacht und vollbracht von den
Borderliner-"Lebensästheten". Die radikale Kritik der Wertvergesellschaftung
ist der einzig mögliche Ausweg aus dem Labyrinth der warenproduzierenden
Moderne. Aber gerade deswegen ist die wertkritische Polemik gegen den Postmodernismus
eine veritable Notwehr. Denn in den Händen der narzißtischen "Lebensästheten"
kann sogar der Sprengstoff der Wertkritik zu Limonade werden.
Keine Krise, nirgends
Der linke Lifestyle-Postmodernismus,
wie er heute an den meisten Unis und in bestimmten "Selbstverwirklichungsmilieus"
als "expressiver Individualismus" komplementär zum klassischen, sozialökonomisch
zentrierten "utilitaristischen Individualismus" der Volkswirtschaftslehre (vgl.
Früchtl 1994) grassiert, stellt in gewisser Weise ein Nachhutgefecht dar.
Der Zeitgeist ist eigentlich schon weitergezogen und hat den Marxismus als intellektuelle
Modeerscheinung der 70er Jahre längst hinter sich gelassen, denn der Postmodernismus
als solcher stellt den Kapitalismus ja explizit nicht mehr in Frage; freilich
nicht in Form einer traditionellen ideologischen Konversion, sondern er erklärt
die Problemstellung und den feindlichen Gegensatz von Gesellschaftskritik und
antikritischer Affirmation als solche für gegenstandslos. Aber gerade deswegen
kann eine Art dekonstruktiv kupierter Marxismus vielleicht unter postmodernen
Umständen auf eine gespenstische Weise wiederkehren.
Denn erstens gibt es jetzt
bereits Generationen, die nicht mehr in den Kategorien des 70er-Jahre-Marxismus
intellektuell sozialisiert worden sind, sondern von Haus aus in den kulturalistischen
Kategorien der Postmoderne. Sie können nun den Marxismus unbefangen wiederentdecken,
allerdings eben in ihren ansozialisierten Kategorien des Designer-Bewußtseins,
d.h. als "frei verfügbares Zeichensystem", das dem eigenen "lebensästhetischen"
Sinn-Design möglicherweise einverleibt wird (die eigentliche gesellschaftskritische
Entdeckung dieser Generationen wäre es, diesen Zusammenhang zu durchschauen
und zu durchbrechen, wovon weit und breit nichts zu sehen ist).
Zweitens aber gibt es
natürlich auch jede Menge mehr oder weniger angejahrte Neupostmodernisten,
die schon etliche Durchläufe von Bewußtseinskonjunkturen hinter sich
haben und von denen einige nicht ganz damit zurechtkommen, ihre linke oder gar
linksradikale Vergangenheit ordnungsgemäß zu entsorgen. Gewohnheitsmäßig
färben sie die neueste Masche mit den schon etwas blassen Tönen ihres
alten Begriffsapparats ein (oder umgekehrt, was auf dasselbe hinausläuft).
Das gilt nicht bloß für die heutigen Rezipienten, sondern sogar für
die theoretischen Protagonisten des Postmodernismus selbst, die ja fast alle
in ihren jüngeren Jahren mehr oder weniger den damaligen neomarxistischen
intellektuellen Milieus angehört haben (zu denken wäre etwa an die
direkten und indirekten Beziehungen von Althusser, Foucault, Derrida usw.),
sodaß in ihren Texten noch Elemente eines marxistischen Kauderwelsch herumspuken
und ihnen den Anschein eines (selbstverständlich soziologistisch verkürzten)
Sinnbezugs verleihen. Die "Bourgeoisie" z.B. führt ein höchst eigentümliches
Dasein im postmodernistischen Schattenreich der abgerüsteten Theorie.
Der alte Modernisierungs-Marxismus
wurde im Kontext der postmodernen Linken ebensowenig kritisch aufgehoben wie
im Kontext der alt-neuen 68er Linken. Aber ist er auch als Potential einer realen
gesellschaftlichen Transformation endgültig kraftlos und obsolet geworden,
so kann er als Bewußtseins-Design dennoch in Gestalt einer billigen Retro-Mode
wiedererscheinen. Daß der ehemalige Inhaltsbezug sich zur Gegenstandslosigkeit
verflüchtigt hat, ist ja geradezu Voraussetzung dafür. Was auf diese
Weise herauskommt, ist eine Art posthistorische Karikatur auf den Arbeiterbewegungs-Marxismus,
dessen unaufgehobene Requisiten allesamt in teils bizarren postmodernistischen
Verkleidungen wieder auftauchen (nicht nur die "Bourgeoisie").
Und es gibt sogar ein
Moment von Stimmigkeit dabei, denn wie der Postmodernismus insgesamt nichts
weiter als ein schräger Fortsetzungsbegriff der unaufgehobenen Moderne
ist, die sich selber überleben will, so steht auch das postmoderne Linkssein
noch auf demselben Boden wie das alte "klassisch moderne" Linkssein. Wertkritisch
gesehen ist die alles durchdringende gemeinsame Essenz von Moderne, Postmoderne
und bisheriger Gesellschaftskritik natürlich der gemeinsame Fetischismus
des warenproduzierenden Systems, der sich nur von verschiedenen systemimmanenten
Standpunkten aus und in verschiedenen Entwicklungsstadien des Systems unterschiedlich
darstellt.
Ein Gegenstand, an dem
sich dies besonders deutlich zeigt, ist das Problem der Krise. Der Postmodernismus
im allgemeinen und seine linken Versionen im besonderen haben nicht nur die
Ökonomiekritik kulturalistisch eskamotiert, sondern damit auch die Krise
überhaupt und als solche. In den postmodernen Theoremen kommt die Krisentheorie
nicht einmal mehr als Schatten vor (oder nur insofern, als sie abgewehrt und
madig gemacht werden soll). Das ist kein Zufall. Schon im alten Arbeiterbewegungs-Marxismus
war die Krisentheorie immer ein Fremdkörper, auch wenn die marxistische
Orthodoxie natürlich die einschlägigen Bestandteile der Marxschen
Theorie notgedrungen aufnehmen mußte. Aber die gesamte klassische krisentheoretische
Debatte samt ihren Nachzüglern im 70er-Jahre-Marxismus läßt
sich als einzige Abwehrschlacht gegen die darin enthaltene Zumutung lesen.
Denn die Krisentheorie
war schon von Anfang an derjenige Bestandteil des Marxismus, in dem die innere
Schranke der Wertform als solcher und damit der fetischistischen Subjektivität
aller kapitalistisch konstituierten Klassen und Sozialcharaktere aufscheinen
mußte. Krisentheorie und Fetischkritik bilden eine logische Einheit, die
implizit bereits auf eine historische Problemstellung jenseits des soziologistisch
beschränkten Klassenkampf-Denkens verweist. Deswegen machte sich in diesem
Kontext stets etwas Unerträgliches für jeglichen Arbeiterbewegungs-Marxismus
geltend, der ja als historisches Subjekt der Modernisierung an die Wertform
gefesselt blieb. So mußte der alte Marxismus stets der Krisentheorie den
Zahn ziehen und sie in ein harmloses zyklisches Modell verwandeln, um den eigenen
Status als Binnensubjekt des warenproduzierenden Systems erhalten zu können.
Kein Wunder also, daß
heute eine radikale Krisentheorie mit der Hypothese einer historisch aktuell
werdenden, absoluten inneren Schranke der Wertvergesellschaftung trotz aller
empirischen Evidenz den Abscheu und die Entrüstung von Resten des alten
Marxismus wie von postmodernen Linken gleichermaßen hervorruft. Besonders
das Reizwort "Zusammenbruchstheorie" läßt die Jalousien quer durch
das wertimmanente linke Spektrum heruntergehen. "Zusammenbruch" der Wertform
(was immer darunter jeweils verstanden und herausgehört wird) darf nicht
sein, weil die eigene Subjektivität letzten Endes daran gebunden ist.
Die Krise darf also nur
vorkommen im Zusammenhang eines Räsonnements über "das neue Gesicht
des Kapitalismus" (Hirsch/Roth 1986), denn stets soll es "auf ein neues" gehen
im warenförmigen "Gehäuse der Hörigkeit" (Max Weber); niemals
kann die Möglichkeit ernsthaft in Betracht gezogen werden, daß wir
es mit einer Epoche der strukturellen Grenze, der objektivierten Selbstzerstörung
und des Zusammenbruchs von Wertsubstanz und Warenform zu tun haben. Demnach
erübrigt sich dann auch die Entwicklung einer neuen, anderen Kampfperspektive,
die auf eine reale Aufhebung warenförmiger Beziehungen abzielt. Stattdessen
begnügt man/frau sich mit der Eruierung der vermeintlichen "neuen Bedingungen"
innerhalb der unaufgehobenen, nicht ernsthaft gefährdeten und auch
nicht ernsthaft anzugreifenden oder gar aufzuhebenden Verkehrsformen der Wertvergesellschaftung.
Ökonomiekritik, Krisentheorie
und Fetischkritik müssen somit als logischer und analytischer Zusammenhang
bei den Resten des Altmarxismus ebenso wie bei der postmodernen Linken gänzlich
zum Verschwinden gebracht werden, gerade weil das Ende der aufsteigenden Modernisierungsbewegung
es nicht mehr erlaubt, diese Gegenstände der Theorie "nebenseitig", verwaschen
und entschärft in ein positives Modernisierungs-Paradigma mehr oder weniger
elegant hineinzuschmuggeln. Je brüchiger die fetischistische Konstitution
wird und je massiver die reale Krise den Subjekten auf den Pelz rückt,
desto mehr wird eine in den Handlungs- und Denkformen der Wertvergesellschaftung
befangene Restlinke "wie von selbst" von diesen Gegenständen abrücken
und sie geradezu tabuisieren.
Soweit also radikale Kritik
in postmodernes Sinn-Design verwandelt werden soll, muß zwangsläufig
als erstes die krisentheoretische Seele der Radikalität wegoperiert werden,
und zwar auf allen Ebenen: von der wert- und akkumulationstheoretischen Abstraktion
bis zu den empirischen Befunden. Natürlich kann und will die krisentheoretische
Analyse der unter unseren Augen aufscheinenden absoluten Schranke der Wertvergesellschaftung
keinen positivistischen, quasi mathematischen Beweis für einen bestimmten
Zeithorizont und eine bestimmte Verlaufsform geben; aber sie kann zeigen, daß
und wie jede neue finanztechnische Auffangstellung oder umgekehrt jede neue
Flucht nach vorn (gegenwärtig in die Globalisierung des Kapitals) nur neue
Widersprüche aufreißen und den historischen Krisenprozeß weitertreiben
wird. Aber nicht um eine Analyse der realen Verlaufsform geht es dem (linken)
Postmodernismus, sondern um die ideologische Entsorgung des Krisenproblems überhaupt.
Denn seinem affirmativen
und kulturalistischen Wesen nach ist das postmoderne Lebensgefühl bereits
"vortheoretisch" völlig auf systemkonforme warenästhetische Erwartungen
und Hoffnungen fixiert, die gar keine Krise mehr brauchen können und überhaupt
nur noch in den westmitteleuropäischen Fußgängerzonen mit ihren
demokratischen Tempeln des warenkonsumierenden Schwachsinns angesiedelt sind.
Deshalb ist speziell vom linken Postmodernismus auch keine akkumulations- und
krisentheoretische Argumentation als Teil einer inhaltlichen Auseinandersetzung
zu erwarten, die sich auf das Krisenproblem ernsthaft einließe, sondern
eher eine von Schutzbehauptungen geprägte "Antikrisentheorie" (die nur
wie gehabt die ewige "Anpassungsfähigkeit" des Kapitalismus ideologisch
verteidigt) - oder überhaupt das schiere Desinteresse am Gegenstand. Mehr
noch, die Krisentheorie wird bereits als solche in einen grundsätzlich
denunziatorischen Zusammenhang gebracht, indem die theoretische Argumentation
zur inneren Schranke der Verwertung, zur strukturellen Überakkumulation
des Kapitals, zur historischen Expansion der unproduktiven Arbeit, des fiktiven
Kapitals usw. im neopositivistischen postmodernen Bewußtsein nur noch
unter dem Rubrum "orakelhafte Prophezeiungen" erscheint, um sich der Problemstellung
als solcher entledigen zu können.
Keineswegs zufällig
stößt gerade "Die Beute" in dieses Horn, indem sie die wertkritische
Krisentheorie mit einem gelegentlichen Seitenhieb als "apokalyptische Zukunftsprognosen,
wie sie bei manchen linken Wirtschaftswochen-Ökonomen mit Blick auf die
(ökonomische) Globalisierung beliebt geworden sind" (Die Beute 11/1996)
eilfertig zu denunzieren sucht. Eine leicht erklärbare Abneigung; ist es
doch offensichtlich, daß diese kulturalistische Zeitgeist-Gazette, die
kapitalistische Ökonomie für ein "Wirtschaftswoche"-Phänomen
hält, schon länger daran bastelt, ihren hippen Postmodernismus mit
dem altlinks-abgestandenen vulgärdemokratischen "Radikalreformismus" eines
Seitenzweigs der Habermas-Dynastie zu verheiraten. Bezeichnenderweise kam dieselbe
Denunziation schon früher aus einer ganz anderen Ecke der altmarxistischen
Restlinken, die mit dem Postmodernismus sicherlich nichts am Hut hat, nämlich
von der Zeitschrift "Gegenstandpunkt" der ehemaligen "Marxistischen Gruppe";
dort figurierte die wertkritische Krisentheorie als "Der Untergang des Abendlandes
- linksherum" (Gegenstandpunkt 2/1992).
Die Gemeinsamkeit der
Anwürfe über alle sonstigen Grenzen hinweg verrät nicht nur,
daß arbeitsontologische Steinzeitmarxisten und postmoderne Linke hinsichtlich
der Krisentheorie in demselben Sack stecken und sich theoretisch wie praktisch
nur innerhalb der fetischistischen Konstitution (wenn auch auf unterschiedliche
Weise) bewegen können. Vor allem wird auch deutlich, daß sie ebenso
gemeinsam mit den Wölfen des bürgerlichen Aufklärungsdenkens
heulen, das schon immer jedes auch nur angedeutete Aufscheinen einer immanenten
Fundamentalkrise der kapitalistischen Moderne als Propaganda der "finsteren
Reaktion" abqualifizieren wollte. Es gehört zu den ältesten Essentials
des Liberalismus, daß er jede Benennung der evidenten Katastrophenpotenz,
wie sie die Vergesellschaftungsform des warenproduzierenden Systems auszeichnet,
als "apokalyptische Prophezeiung" in die Ecke eines abergläubischen und
irrationalen, rückwärtsgewandten und "antizivilisatorischen" Denkens
drängen will. Verhöhnt werden damit nicht nur die Hekatomben von Schlachtopfern
der Modernisierung und die im 18. und frühen 19. Jahrhundert vom Liberalismus
blutig erstickten sozialemanzipatorischen Bewegungen (wie es etwa Edward P.
Thompson gezeigt hat); mit bodenloser Ignoranz ignoriert werden auch sämtliche
Signale der zeitgenössischen Situation, die auf das Erreichen einer absoluten
inneren Schranke der Wertvergesellschaftung hindeuten.
Die Ideologen des Marktsystems
und ihre linkspostmodernistischen nützlichen Idioten möchten die Krisentheorie
in eine Fin-de-siècle-Stimmung einordnen und die rein äußerliche
Zufälligkeit der Jahrtausendwende in der christlichen Zeitrechnung dafür
ausnutzen, den strukturell kollapierenden inneren Selbstwiderspruch des warenproduzierenden
Systems durch Verweis auf irgendwelche unbegründeten, bloß irrationalen
Milleniums-Ängste wegzudefinieren. Dabei merken sie nicht einmal, daß
sie sich sogar innerhalb dieses kruden Konstrukts blamieren. Denn immerhin behielten
bei der letzten Fin-de-siècle-Stimmung selbst noch die verrücktesten
Krisenheiligen gegenüber den damaligen bürgerlich-"vernünftigen"
Entwarnern insofern recht, als wenig später das Wilhelminische Reich und
überhaupt der bürgerliche Fortschrittsoptimismus im Inferno des 1.
Weltkriegs verglühten. Und die Folgeereignisse (Weltwirtschaftskrise, Faschismus
und Holocaust, Zweiter Weltkrieg) übertrafen bei weitem sämtliche
mittelalterlichen Milleniums-Katastrophenszenarios.
Als kaum weniger affirmativ
und ignorant erweist sich der heutige "antifundamentalistische" Feldzug seichter
prokapitalistischer Ideologen, die mit ganz ähnlichen Motiven wie die postmoderne
Linke gegen die "Endzeit-Propheten" als "Offensive der Antiwestler" (Herzinger/Stein
1995) mobil machen wollen. Hier wird die durchaus kapitalimmanent erklärbare
Existenz eines rechtskulturalistischen und neonationalistischen Antiamerikanismus
samt seinen antisemitischen Ober- und Untertönen dafür instrumentalisiert,
jegliche Kapitalismuskritik als reaktionäre Ideologie zu identifizieren
und damit die soziale Emanzipation von den kapitalistischen Zumutungen für
unmöglich zu erklären. Die Kritik des Warenfetischismus soll als "gegenaufklärerische
These..., die Erfolgsgeschichte des Kapitalismus beruhe auf einer magisch-blendenden
Wirkung des Geldes" (Herzinger/Stein, a.a.O., 182) dem Reich des Irrationalismus
zugerechnet und damit abgeblockt werden. "Widerwillen gegen die Moderne", und
jedwede Aufklärungskritik usw. erscheinen wie selbstverständlich unter
dem Rubrum des Bösen, als hätte es die "Dialektik der Aufklärung"
niemals gegeben und als wäre das Aufklärungsdenken nicht selber zutiefst
vom Irrationalismus durchdrungen, der von Anfang an die Kehrseite (die Nachtseite)
derselben Medaille bürgerlicher Rationalität darstellte.
Die Menschen sollen nur
noch zwischen der Pest der kapitalistischen Aufklärungsmoderne und der
Cholera apokalyptischer Blutopferideologien wählen können (dürfen)
und sich schließlich angesichts dieser famosen Alternative aufatmend "zur
befreienden Durchsetzungskraft des Geldes bekennen" (Zielcke 1995). Ausgeblendet
wird dabei nicht nur jegliche Möglichkeit emanzipatorischer Kapitalismuskritik;
unterschlagen wird auch der doppelte innere Zusammenhang von Liberalismus und
Neofaschismus/Fundamentalismus. Denn erstens sind es die marktwirtschaftlichen
Katastrophen und die "stummen", subjektlosen Blutopferrituale des Liberalismus
und seiner institutionellen Ausgeburten selbst, aus denen das Gespenst des Stahlgewitter-Irrationalismus
hervorkriecht; zweitens ist der rechte Neofundamentalismus auch ideologisch
kein Gegenpol, sondern ein historisches Derivat des Liberalismus, eine Ideologie
der "Fortsetzung der Konkurrenz mit anderen Mitteln" (eine Schnittmenge stellt
z.B. der Sozialdarwinismus dar). Prokapitalistische Hurraliberale wie Herzinger/Stein
haben überhaupt kein Recht, sich als Warner und weiße Ritter gegen
die Bocksgesänge neurechts raunender Edelirrationalisten aufzuspielen,
denn ihr Denken gehört demselben ideologischen Kontinuum an und ist ebenso
blutopferträchtig.
Die Restlinke altmarxistischen
oder postmodernen Zuschnitts kann demgegenüber eine soziologistisch verkürzte
Kapitalismuskritik, die nichts weiter ist als eine Variante bürgerlicher
Modernisierungsideologie, in der strukturellen Krise der Wertvergesellschaftung
nur noch schwächelnd und unglaubwürdig geltend machen; eben weil ihre
Voraussetzung, die historische Aufstiegsbewegung des warenproduzierenden Systems,
zum Stillstand gekommen ist. Der historische Nebel lichtet sich und zum Vorschein
kommt auch die innere Verwandtschaft der gesamten Linken mit dem Liberalismus,
aus dem sie ja ursprünglich im 19. Jahrhundert als illegitimer Bastard
hervorgegangen war. Auch wenn natürlich Liberalismus, Sozialismus und Faschismus
nicht identisch sind, sondern den Kampf um die Gestalten der Modernisierung
führten, so sind sie doch feindliche Brüder, entstammen derselben
Wurzel und trugen ihre Konflikte auf dem gemeinsamen Boden der unreflektierten,
zum neutralen Gegenstand geronnenen Wertform aus. Was die "neue Unübersichtlichkeit"
(Habermas) der gegenwärtigen Epoche ausmacht, ist die Tatsache, daß
jetzt dieser gemeinsame Boden der Wertform ins Wanken gerät.
Die Linke wollte immer
nur die bürgerliche Aufklärung verlängern oder vollenden, ohne
deren Charakter jemals zu durchschauen. So mußte sie in der Nachkriegsgeschichte
immer wieder hinter das theoretische Niveau der "Dialektik der Aufklärung"
zurückfallen (geschweige denn, daß sie jemals darüber hinausgekommen
wäre). So ist sie jetzt unter allem Niveau angelangt und es ist absehbar,
daß sie sich nur noch mehr oder weniger verschämt dem Neoliberalismus
an den Hals werfen kann - ganz besonders in ihrer kulturalistisch-warenästhetischen
postmodernen Gestalt, die das Paradox eines neoliberalen Linksradikalismus darstellt..
Die gemeinsame, wörtlich identische Sprache mit den neoliberalen Ideologen
gegen die wertkritische radikale Krisentheorie ("apokalyptische Prophezeiungen",
"orakelhafte Endzeitideologie" usw.) zeigt bereits diesen Schulterschluß
an.
Das Mitschwimmen auf der
Welle des postmodernistischen "lebensästhetischen" Waren-Konsumismus im
Windschatten der kapitalistischen Globalisierung macht postmoderne Linke und
Neoliberalismus gleichzeitig auch auf der Alltagsebene in einem gemeinsamen
Bewußtsein der Krisenignoranz kompatibel. Der vordergründige postmodernistische
Antirassismus und Antinationalismus etc., zunehmend von jeder ernsthaften Kapitalismuskritik
entkoppelt und eingebaut in die Selbstinszenierungen der "Lebensästheten"
mit ihrer narzißtischen "Sorge um sich" (Foucault), ist schon längst
völlig zahnlos geworden und lebt nur noch auf neoliberalen Kredit. War
aber einst der Arbeiterbewegungs-Marxismus in der Weltkriegsepoche von der faschistischen
Nachtseite der Aufklärung zermalmt worden, weil er in den Schrecken der
kapitalistischen Katastrophe nur einen schwachen Aufguß der Modernisierungsideologie
zu bieten hatte, so könnte die postmoderne Linke ein ähnliches Schicksal
umso mehr erwarten, als sie noch viel weniger ausgerüstet und vorbereitet
ist.
Die Ahnung dieser katastrophalen
Zukunft kann aber für den Postmodernismus nur in eine starke Verdrängungsleistung
münden. Das beste Mittel dafür ist es, die Krise radikal zu subjektivieren,
etwa nach dem Motto: "Wie du hinschaust, so schaut es zurück"! Auch ökonomietheoretisch
nähert sich so die postmoderne Linke in gewisser Weise dem Liberalismus
an, der in Gestalt der Grenznutzenlehre schon vor mehr als hundert Jahren die
Wertkategorie (im Unterschied zu seinen eigenen Klassikern wie Smith und Ricardo)
radikal subjektiviert und in ein System von Käuferpräferenzen (subjektiven
Nutzenschätzungen) aufgelöst hat. Der substantielle Wertbegriff verschwindet
dabei letzten Endes völlig und wird vom bloß relativen Preisbegriff
aufgesaugt. In ähnlicher Weise läßt die postmoderne Linke nun
die Krisentheorie in den subjektiven Präferenzen der Marktteilnehmer verschwinden;
eine fundamentale Krise erscheint als gar nicht möglich, solange es mehrheitlich
"eine Art Gottvertrauen" in das Funktionieren des Systems gibt.
Eine solche Denkweise,
die das Problem der fetischistischen Konstitution "hinter dem Rücken" der
munteren Marktwirtschaftler vollständig ignoriert, ist natürlich dem
Postmodernismus umso mehr eigen, sobald er sich von der linken Kapitalismuskritik
endlich ganz "emanzipiert" hat. Die "apokalyptischen Prophezeiungen" der finsteren
"Endzeitpropheten" erscheinen dann nur noch als dumme oder bösartige "Miesmacherei",
von der die Krise womöglich noch "herbeigeredet" wird, ganz wie die Postmodernisten
selber sie wegreden wollen, um ihren irren Frohsinn nicht unterbrechen zu müssen.
Während die wunderbare marktwirtschaftliche Welt in Elend und Barbarei
versinkt, wollen sie rosige Zeiten heraufdämmern sehen. "Nur Mut" und "Keine
Panik", mit diesen Roman-Herzog-Parolen endet denn auch die postmoderne Eloge
auf den Kapitalismus von Goebel/Clermont; werden für sie doch "heute die
Umrisse einer zivilen Arbeitsgesellschaft der Zukunft sichtbar", in der "das
innovative Biotop unternehmerischer Lebenskünstler blüht" (a.a.O.,
196 f.).
Die Reihen der großen
Koalition von "prowestlichen" Antikrisenideologen und Mutmachern des "positiven
Denkens" im Namen der kapitalistischen Globalisierung schließen sich,
wenn auch noch Warnfried Dettling in der "Zeit" gegen die "Miesmacher" leitartikelt,
die sich weigern, marktwirtschaftlich anzupacken: "Statt dessen entwerfen die
Meisterpsychologen unserer Tage ein Szenario der Bedrohung, sie beschreiben
Globalisierung, Digitalisierung und die Folgen als Niedergang der Arbeitsgesellschaft...Von
den Zinnen kündet derweil Posaunenschall die Katastrophe: Terror der Ökonomie;
Globalisierungsfalle...Von Tony Blair ließe sich lernen, daß die
Rhetorik der Bedrohung keinen Aufbruch schafft. Die Rhetorik der Chancen könnte
von Zielen sprechen, die die Mühen des Weges lohnen" (Dettling 1997). Und
der liberalkonservative Standort-Ideologe weiß auch gleich, wo die chancenreichsten
Chancen-Rhetoriker zu finden sind: "Die beiden jungen Autoren Johannes Goebel
und Christoph Clermont beschreiben eine - ihre - Generation, die sich längst
aufgemacht hat,...ihren Teil am 21. Jahrhundert zu erobern" (ebda).
Na wunderbar. Statt Krise
und Zusammenbruch also Entwarnung und "Entdramatisierung". Alles halb so wild.
Der Postmodernismus beschert dem Kapital endlich die ersehnte "Wagniskultur",
das positive Denken triumphiert über die Wahrnehmung des Elends (sogar
des eigenen, wie sich noch zeigen wird). Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff:
keine Angst, keine Angst, Rosmarie. Nur allzu durchsichtig ist es, daß
der antikrisentheoretische linke Postmodernismus am Rande dieser Chancen-Rhetorik
mitschwimmt und daß die "neue Subjektivität", mit der er liebäugelt,
als Chimäre einer kritiklosen Kritik oder kritischen Kritiklosigkeit voll
und ganz in diesen Kontext gehört.
Love Parade
Wenn die Krise am Ende
des 20. Jahrhunderts eine Krise der Wertform als solcher ist, dann kann sie
nicht bloß als äußere soziale, ökonomische und ökologische
Krise in Erscheinung treten, sondern muß auch die Subjektform selber erfassen.
Die warenförmige Subjektkonstitution bricht in sich zusammen. Das bedeutet
vor allem, daß der schon immer prekäre Subjekt-Objekt-Dualismus der
Wertvergesellschaftung gewissermaßen implodiert und das vormals selbstherrliche
Subjekt gerade dadurch negativ zu sich kommt, daß es sich nicht nur auf
der unaufgehobenen Objektseite wiederfindet, sondern sich an diesem Ort auch
noch selber in seiner ebenso unaufgehobenen Form affirmiert. Gerade diese Haltung
macht das Gespenstische an der infantil vor sich hin schäkernden postmodernen
Unbeschwertheit aus. Diese falsche Lustigkeit mit flackernden Augen, so offenkundig
sie ein Krisenphänomen kapitalistischer Subjektivität darstellt, muß
von den affirmativen postmodernen Jungideologen jeglicher Couleur geradezu zwanghaft
zum transzendierenden Phänomen umgeschminkt werden.
Als Symptom und gleichzeitig
leuchtendes Exempel erscheint die mittlerweile institutionalisierte Berliner
Love Parade, die nicht nur alljährlich das Tiergartengelände
zupißt und einige hundert Tonnen Müll hinterläßt, sondern
auch die Vermüllung der bürgerlichen Subjektivität demonstriert,
aus dessen Krise sie hervorgegangen ist. "Eine Art Freiheitsbewegung" sei dieser
Aufmarsch der "Techno-Generation", wie die Deutsche Presseagentur für den
Durchschnittsjournalismus titelt; und der Unterschied zum bedröhnten, sektflaschenschwingenden
deutschen Vereinigungsirresein an derselben Stelle kann wohl eher vernachlässigt
werden. Kein Zufall ist es auch, daß die nach scheinemanzipatorischen
Potentialen fahndenden linken Postmodernisten ausgerechnet in diesem Spektakel
die "neue Subjektivität" ihrer wundersamen kritischen Kritiklosigkeit entdecken
möchten, die dieses Kunststück durch ebenso wundersame Verhaltensweisen
zu bewerkstelligen scheint, mit denen sie die obsolet gewordenen bürgerlichen
Ideale seit Iphigenie und Siegfried vermeintlich transzendiert: "Könnten
die Idealsubjekte nicht der sogenannten >verlorenen Generation< angehören,
die sich angeblich >sinnlos< berauscht mit Drogen und Musik, nur ihren
eigenen, marginalen Zwecken folgend, jenseits der >substantiellen< Werte
und vorgeformten Gefühle, der äußeren Erfolgszwecke und der
Geld- und Arbeitslogik? Besteht eine durchschnittliche >Loveparade< nicht
aus Iphigenien und Siegfrieden, die ihre Naivität und nicht ihren Intellekt
der rationalisierten Welt entgegenstellen?" (Erdmann 1997).
Wer hätte das gedacht,
daß am Ende der kritischen Reflexion das Lob der Naivität steht,
die aber natürlich leider keine waldursprüngliche mehr ist, sondern
eine durch und durch vom Kapitalismus geformte; gewissermaßen eine sekundäre
Naivität jener falschen Unmittelbarkeit, auf deren Geltenlassen mehr denn
je Adornos Verdikt in den "Minima Moralia" zutrifft: "Die Verteidigung des Naiven,
wie sie von Irrationalisten und Intellektuellenfressern aller Art betrieben
wird, ist unwürdig. Die Reflexion, welche die Partei der Naivetät
nimmt, richtet sich selbst: Schlauheit und Obskurantismus sind immer noch dasselbe.
Vermittelt die Unmittelbarkeit behaupten anstatt diese als in sich vermittelte
begreifen, verkehrt Denken in die Apologetik seines eigenen Gegensatzes, in
die unmittelbare Lüge. Sie dient allem Schlechten, von der Verstocktheit
des privaten Nun-einmal-so-Seins bis zur Rechtfertigung des gesellschaftlichen
Unrechts als Natur" (Adorno 1983/1944, 89 f.).
Gerade in der popkulturalistischen
Affirmation "naiver" postmoderner Massenkultur lauert der Absturz in eben jenen
Irrationalismus, den die postmoderne Linke der wertkritischen Krisentheorie
gern anhängen möchte; wie überhaupt die ästhetisierende
Entsorgung der Ökonomiekritik durch den Postmodernismus generell einen
anti-reflexiven, "intellektuellenfresserischen" Zug aufweist. Wenn in diesem
Zusammenhang die postmoderne Linke eine ideologische Grundhaltung auszeichnet,
dann ist es wahrhaftig genau die "Verstocktheit des privaten Nun-einmal-so-Seins",
die an den stumpfsinnigen Massen der Love Parade deswegen so gern gesehen wird,
weil sie der eigenen Befangenheit in der Welt der Warenästhetik entspricht,
die dieselbe "Verstocktheit" nur noch einmal pseudo-reflexiv als ideologischen
Bezug verdoppelt, statt sie radikal zu kritisieren.
Das wirkliche Apriori
der falschen Unmittelbarkeit und ihrer scheinbaren "Naivität" sind längst
schon die Imperative des fetischistischen Formzwanges. Daß die bewußtlosen
Träger dieser Imperative im Zustand der Infantilität angelangt sind,
macht sie nun wirklich nicht zum Widerstandspotential. War das Friede-Freude-Eicherkuchen-Bewußtsein
der Friedensbewegung in den 80er Jahren schon unter aller Sau mit seinem seichten
bürgerlichen Moralismus, so steigert die Love Parade die damaligen Dummdeutschparolen
mühelos zum frühkindlichen Lallen. Wie hinter dem Eiapopeia-Friedensgeseiche
der 80er Jahre schon der neue "sekundäre Nationalismus" lauerte (früh
erkannt von Wolfgang Pohrt), so ist Schlimmeres noch von der Love-Parade-Generation
zu erwarten, die keinerlei Gesellschaftskritik mehr hinter sich zu lassen hat.
Das unzurechnungsfähige Love-Gedröhn kann jederzeit umschlagen in
ein ebenso primitives Pogrom.
Denn im Bewußtsein
der Love Parade hat die Beliebigkeit des "dezentrierten Subjekts" bereits die
Grenze zur absoluten Beziehungsunfähigkeit überschritten und damit
jeden Maßstab verloren: Alles kann auch alles andere sein, Emanzipation
und Affirmation sind gleich-gültig wie überhaupt alle Gegenstände
vor der scheinbar totalisierten Warenform gleich-gültig sind, und so wäre
es auch keine Überraschung mehr, wenn der "Schrei nach einem menschenwürdigen
Leben" übergangslos als "Ausländer raus" artikuliert wird. Warum auch
nicht, sind die Worte doch allesamt bloß bedeutungslose "Zeichen", mit
denen man/frau spielen kann. Soziale Beziehungslosigkeit heißt nichts
anderes, als eine Ware auf zwei Beinen zu sein; der "expressive Individualismus"
muß sich auch deswegen aufs Outfit verlegen, weil es hinter den Klamotten
nur noch das Gespenst eines Individuums gibt: Nie war Adorno aktueller als in
den postmodernen Zeiten der Love Parade, deren Mitläufer wirklich eine
grobe Unverschämtheit begehen, wenn sie "Ich" sagen.
Der Begriff der "lebenden
Ware" ist keine Metapher, sondern durchaus wörtlich zu nehmen. Die Karikatur
einer Massendemonstration, die keinen Inhalt mehr artikulieren kann, hebt selbstverständlich
das politische Bewußtsein nicht auf, sondern erscheint in der lückenlosen
Formalisierung unmittelbar als Kommerz, die einzige noch mögliche Pseudo-Vermittlung.
Und darin ist auch die Expressivität des Outfits aufgehoben: "Große
Modefirmen wie H&M lassen Trendscouts durch die Techno-Keller rennen; und
auf der Love Parade stehen sie mit großen Augen am Straßenrand.
Die Berliner Parade ist eine endlose Modenschau. Schutzanzüge, Armeejacken,
Trevirahosen, Russenmützen, alles ist möglich, alles kann mit allem
kombiniert werden - vor ein paar Jahren hieß dieses Konzept Grunge, heute
heißt es Urban Tribal Wear" (Der Spiegel 30/1996).
Die affirmative Scheinreflexion
des linken, popkulturalistischen Postmodernismus möchte daraus einen emanzipatorischen
Ansatz destillieren, von dem nicht einmal Spurenelemente vorhanden sind, und
die verklärten intellektuellen Mitläufer möchten wenigstens eine
"ursprüngliche" Subkultur erkennen, die noch nicht vom Warenuniversum aufgesaugt
war. Aber die Requisitenhändler wissen es besser: "Techno hat keine Weltanschauung,
und wenn doch, dann ist es die Betriebswirtschaftslehre. Unternehmen gründen
und ruinieren und neue gründen gehört zur Techno-Welt wie das Auf
und Ab der Basslinie. Ein paar Leute, die an Techno nichts verdient haben, beklagen
den Ausverkauf einer Kultur, die angeblich mal von unten kam...Aber in Wahrheit
war Techno immer kommerziell, und >es war immer wichtig..., die richtige
Marke zu tragen<. Sneakers von Airwalk, Hosen von Carharrt und Shirts von
Diesel sind Propaganda für ein besseres Leben; die falsche Marke steht
für ein falsches Leben, da ist der Raver dogmatischer als jeder Stalinist"
(a.a.O.).
Wie man/frau es auch dreht
und wendet: Was hier sichtbar wird, ist weder direkt noch indirekt und nicht
einmal um fünf Ecken herum ein Ausdruck emanzipatorischen Willens, sondern
bloß die als Event organisierte Willenlosigkeit der massenhaft zur Schau
gestellten Selbstinszenierung von Volltrotteln der Warengesellschaft. Wenn im
losgelassenen Narzißmus die Individuen bis zur offenkundigen Ichlosigkeit
regrediert sind, kann auch der Gedanke der Emanzipation nur noch in der Form
seines Gegenteils formuliert werden, eben selber als Ware, und dementsprechend
das "richtige Leben" nur noch als Greifen nach der "richtigen Marke" erscheinen.
Dieses Zusammenbrechen der Subjekt-Objekt-Differenz ist bereits die Krise der
gewissermaßen implodierenden gesellschaftlichen Form sowohl auf der subjektiven
wie auf der objektiven Seite.
Wenn so das substantiell
schon immer illusionäre und lediglich in seiner historischen Durchsetzungsgeschichte
scheinbar wirkmächtige moderne Subjekt ganz im Objektivismus seiner eigenen
Form verschwindet, kann es sich demzufolge in dieser Form nur noch als Idiot
verhalten; und zwar im wörtlichen Sinne, denn für den ursprünglichen
antiken Sprachgebrauch ist das "Idiotische" ja gerade die abstrakte Selbstbezüglichkeit:
Der "Idiot" ist der asoziale, seinem eigenen gesellschaftlichen Zusammenhang
gegenüber ebenso blinde wie gleichgültige Geldverdiener und Geldausgeber,
der sich hinsichtlich seines eigenen sozialen Wesens hat dumm machen lassen
und deshalb der Verächtlichkeit anheimfällt. Das auf den äußersten
Punkt der Abstraktheit zusammengeschnurrte Individuum, das nicht einmal mehr
ein Binnensubjekt der Warengesellschaft genannt werden kann, ist damit auch
auf dem äußersten Punkt der Idiotie angekommen.
Am deutlichsten wird dies
in der elementarsten sozialen Beziehung, nämlich der intimen und sexuellen.
Das idiotische Individuum, das sich der gesellschaftlichen Realabstraktion bedingungslos
ergeben hat, wird notwendigerweise gleichzeitig zwanghaft beziehungsunfähig
sogar (oder gerade) auf dieser Ebene. Weil "alles geht", geht am Ende gar nichts
mehr, nicht einmal mehr der Sex. Die narzißtische Dummheit ist vor allem
zu einem unfähig, nämlich zur Intimität. Wenn nichts mehr selbstverständlich
ist, nicht einmal die Bestätigung der eigenen Sexualität, sondern
alles im universellen Supermarkt ausgewählt (und an der universellen Kasse
bezahlt) werden muß, bedarf es des permanenten therapeutischen Konsums
von Lebenshilfen, die dennoch wirkungslos verpuffen. Das Angebot von Instant-Packungen
für alle Lebensbezüge ist uferlos, aber die narzißtische Therapie
für Narzißten dreht sich logischerweise im Kreis.
Die Aporien eines narzißtischen
"Privatismus", der gerade aus dem Mangel an realer Privatheit erwächst
und diesen Mangel reproduziert oder sogar steigert, hat Christopher Lasch schon
vor fast zwei Jahrzehnten an den Anfängen des selbstdarstellerischen postmodernen
Persönlichkeitskonsums gezeigt: "Wenn persönliche Beziehungen mit
keinem anderen Ziel als dem des psychischen Überlebens aufgenommen werden,
bietet das >Private< keinen rettenden Hafen in einer herzlosen Welt mehr.
Im Gegenteil, das persönliche Leben nimmt dann genau die Merkmale der anarchischen
Gesellschaftsordnung in sich auf, gegen die es ein Refugium bilden sollte. Was
kritisiert und verurteilt werden muß, ist die Verwüstung des Privaten
und keineswegs der Rückzug ins Private. Das Fragwürdige an der Bewegung
für ein Neues Bewußtsein rührt nicht daher, daß sie sich
mit trivialen oder irrealen Problemen befaßt, sondern daß sie selbstzerstörerische
Lösungen anbietet. Sie erwächst aus der vorherrschenden Unzufriedenheit
mit der Qualität der persönlichen Beziehungen und rät den Menschen,
sich nicht zu sehr auf Liebe und Freundschaft einzulassen, sich nicht unmäßig
von anderen abhängig zu machen und für den Augenblick zu leben - und
eben so ist die Krise der persönlichen Beziehungen entstanden" (Lasch 1986/1979,
44).
Wie der warenförmige
Narzißmus das Ich nicht etwa erhebt, sondern vernichtet, so erweist sich
die warenförmige Betonung des Persönlichen nicht als Renaissance der
Privatsphäre, sondern als deren Zusammenbruch. Das heißt aber nur,
daß die äußere (soziale und ökonomische) Krise des warenproduzierenden
Systems gewissermaßen im "Atomkern" des warenförmig sozialisierten
Individuums und seiner Subjektivität, auch seiner sexuellen, angekommen
ist. Lasch nimmt deshalb mit Recht die altlinke oder demokratisch-politizistische
Kritik am vermeintlichen "Rückzug ins Private" nicht mehr ernst. In eine
rauchende Ruine kann man/frau sich nicht gemütlich "zurückziehen".
Wenn Autoren wie Richard Sennet (und in Deutschland das markt- und staatsrealistische
exlinke Nachplappermaul Cora Stephan) gegen die angebliche "Tyrannei der Intimität"
(Sennet 1986/1974) die klassische öffentliche Sphäre der Politik einklagen
möchten, dann ignorieren sie den wirklichen Zusammenhang dieser komplementären
Sphären des warenproduzierenden Systems ebenso wie den Zusammenbruch ihrer
systemstabilisierenden Wechselseitigkeit.
Das "öffentliche
Leben" verfällt nicht etwa deswegen, weil die Privatheit überhand
nähme, sondern weil diese ihrerseits verfällt: "Die Sozialisierung
der Jugend reproduziert politische Herrschaft auf der Ebene der persönlichen
Erfahrung. In unseren Tagen ist dieser Eingriff von Mächten organisierter
Herrschaft in die Privatsphäre so umfassend geworden, daß es ein
privates Leben kaum mehr gibt. Weil Sennet Ursache und Wirkung verwechselt,
legt er die zeitgenössische Malaise dem Eindringen des Persönlichen
und Privaten in den öffentlichen Bereich zur Last. Für ihn...stellt
die gegenwärtige Beschäftigung mit Selbst-Entdeckung und -Verwirklichung,
psychischer Entwicklung und intimen persönlichen Beziehungen eine ungehörige
Selbstbezogenheit und zügellos um sich greifende romantische Schwärmerei
dar. In Wirklichkeit aber rührt die Betonung des Privaten keineswegs aus
einer starken Geltung der Persönlichkeit her, sondern aus ihrem Zusammenbruch...Unsere
Gesellschaft fördert mitnichten die Privatsphäre auf Kosten der öffentlichen
und hat dauernde und tiefe Freundschaften, Liebesbeziehungen und Ehen zunehmend
schwieriger gemacht. In dem Maße, wie das gesellschaftliche Leben immer
barbarischer und kriegsähnlicher wird, geraten die persönlichen Beziehungen,
die scheinbar Linderung dieser Bedingungen verheißen, selbst zu vehementen
Auseinandersetzungen. Einige der neuen Therapien beschönigen diesen Kampf
als >Selbstbehauptung<...Andere loben unbeständige Bindungen mit
Formeln wie >offene Ehe< und >Beziehungen auf unbestimmte Zeit<.
So intensivieren sie das Übel, das sie zu heilen vorgeben. Sie tun das
aber nicht etwa, indem sie die Aufmerksamkeit von sozialen Problemen auf persönliche,
von realen auf falsche ablenken, sondern dadurch, daß sie die gesellschaftlichen
Ursprünge des Leidens verschleiern" (Lasch, a.a.O., 47 f.).
War Anfang der 80er Jahre
die Therapie noch Bestandteil des Übels, das sie kurieren sollte, so ist
heute, auf dem Höhepunkt des Postmodernismus, nicht einmal mehr ein Bewußtsein
des Übels vorhanden, gerade weil der massentherapeutische Unfug sich zum
Normalzustand gemausert hat. Das Leiden ist damit nicht verschwunden, aber es
wird nicht mehr offen benannt und sucht sich deshalb indirekte, bewußtlose
Ausdrucksformen. Die Love Parade und verwandte Erscheinungen sind nur besonders
signifikante Beispiele dafür, wie die fetischistische Konstitution der
Moderne auf der Ebene der Persönlichkeit zusammenbricht: Der emanzipatorische
Impuls, das Private öffentlich zu machen oder zu "politisieren", der mit
falschen (systemimmanenten) Begriffen operierte und nur durch eine bewußte
Radikalisierung gegen die Warenform der sozialen Beziehungen selber hätte
weiterentwickelt werden können, hat sich aufgelöst in eine "postsubjektive"
Subjektivität des bürgerlichen Endstadiums, die in ihrer narzißtischen
Regression gar nichts mehr ist. Das Private und das Öffentliche der bürgerlichen
Gesellschaft brechen gleichermaßen und gemeinsam zusammen; und in dem
Maße, wie das geschieht, entschwindet natürlich auch das Verhältnis
der beiden Pole in einem aufgelösten Persönlichkeitsbrei, der nur
noch vor sich hinblubbert.
Diese sekundäre Pseudonaivität
und "Verstocktheit des privaten Nun-einmal-so-Seins" nach dem Ende der Privatheit,
worin die selber schon von diesem Zerfallsstadium eingefangene postmoderne Linke
stochert und mit ihrem gar nicht mehr ernst gemeinten restmarxistischen Gestammel
daraus eine Art "gesellschaftskritisches" Design zusammenbasteln möchte,
setzt die narzißtische "Lebensästhetik" bis zur Preisgabe realer
Sexualität fort. Die Unfähigkeit der postmodernen kapitalistischen
Monaden und Persönlichkeits-Attrappen zur Intimität scheint zumindest
in den Spitzen der Entwicklung bereits in einen nicht mehr überschreitbaren
Grenzbereich eingedrungen zu sein.
Der idealtypische postmoderne
Sozialcharakter könnte sich jederzeit vor laufenden Kameras vollständig
entblößen, aber nicht mehr mit einem anderen Menschen ins Bett gehen.
Medialer oder verbaler Exhibitionismus und reale Beziehungsunfähigkeit
erweisen sich als die beiden Seiten derselben Medaille. Die Schamlosigkeit im
traditionellen Sinne wird identisch mit einem aseptischen Asexualismus, der
sich in immer absurdere mediale Simulationen zurückzieht, von denen die
Erbärmlichkeit seiner trostlosen, entsinnlichten Einsamkeit nicht mehr
kaschiert werden kann: "Wir knipsen uns gegenseitig nackt - aber es ist kein
Film drin!" (Kleinanzeige in einem exlinken Stadtmagazin).
Das Doktorspiel von Fünfjährigen
wirkt geradezu erwachsen und von sinnlichem Raffinement erfüllt im Vergleich
zu diesem erotischen Elend der 89er Love-Parade-Generation, die sich nur noch
von der Marktwirtschaft ficken läßt. Nach übereinstimmenden
Berichten geht bei der Love Parade alles ab, bloß kein Sex. Die exhibitionistisch
inszenierte Fleischbeschau ist bloß Modenschau, aber nicht einmal mehr
Knutschen, als wäre die reale Berührung die eigentliche Todsünde.
Jeder für sich und Gott gegen alle, auch in der sogenannten Beziehung,
wie eine Teilnehmerin der Love Parade ganz unschuldig bestätigt: "Was ihr
Freund in den letzten Stunden getrieben hat, kann sie nicht sagen. Er war mit
seinen Leuten in der tobenden Menge untergetaucht, sie mit ihren. Jeder für
sich auf der Suche nach dem besten Platz, dem größten Spaß,
dem lautesten Tieflader. Kontakt hatten sie nur per Handy" (Der Spiegel 30/1996).
Daß es sich hier
um keine Ausnahmesituation, sondern um ein bereits vermasstes alltägliches
Verhalten handelt, bestätigen Goebel/Clermont als glaubwürdige Gewährsleute
des postmodernen Sozialcharakters. Ihre "Lebensästheten" können per
definitionem nur noch gespenstische, medial entwirklichte soziale und sexuelle
Beziehungen aufnehmen. Die Abstraktion der Wertform hat sich längst wie
Reif auf die intimen Verhältnisse der Selbstdarstellungs-Monaden gelegt,
und zwar schon meilenweit vor jeder erotischen Aktion: "Der Feind lauert nicht
mehr in Moskau, sondern im gemeinsamen Bett, Saddam Hussein verliert im Gegensatz
zu Katja, Ralph oder Peter jeden Schrecken...Allein ein gemeinsamer Lebensmitteleinkauf
läßt Welten kollidieren - vor dem Käseregal kommt es nicht selten
zum beziehungstherapeutischen Showdown! Wenn schon die Wahl der Käsesorte
selbst den vertrauten Partner zum unberechenbaren Alien werden läßt,
welche Fallen lauern dann noch im lebensästhetischen Miteinander?" (Goebel/Clermont,
a.a.O., 39).
Als Satire wäre das
nicht schlecht, als affirmative Beschreibung (die bei aller Witzischkeit bluternst
gemeint ist) handelt es sich um eine geradezu grauenhafte Dummheit, die sich
prompt als Schnappen nach der "Chance" outet: "Doch die Inflation des Fremden
relativiert Fremdheit...Die Kommunikation mit dem Unvertrauten ist zur alltäglichen
Aufgabe geworden. Wenn der Feind in meinem Bett lauert, so ist umgekehrt die
Welt auch voller potentieller Freunde" (a.a.O., 39). Vergessen wir das Bett.
Denn zu welcher Konsequenz diese "Chance" treibt, wurde schon vorher ausgeplaudert
am Beispiel von Miriam, 24, Psychologiestudentin: "Ihr Freund lebt in Australien.
Den größten Teil ihrer Beziehung managt sie über E-Mails (!).
Sicher, sie liebt ihn, (aber) er ist schon lang nicht mehr der einzige Garant
für Wärme und Nähe. Ihr großer Freundeskreis ist für
sie da, und doch fühlt sie sich diesen Freunden gegenüber nicht verpflichtet"
(a.a.O., 12).
Der psychische Horror
dieser Beziehungslosigkeit kann nur noch in Filmen aufscheinen wie in "Bettlektüre"
von Peter Greenaway, wo eine der "Körpertypographie" verschriebene "Lebensästhetin"
ihrer Passion frönt, Körper mit kalligraphischen Zeichen zu bemalen:
"Unwichtiges, wie ihr Freund, hat in ihrem lebensästhetischen Gebäude
keinen Platz, er ist Teil einer irrelevanten Außenwelt" (a.a.O., 58),
auch wenn er sich nebenbei umbringt. In einer paradoxen Verkehrung erscheint
der Wahn eines derartigen Narzißmus der Realität gegenüber geradezu
als eine neue Art der Beziehungsfähigkeit: "Der Freund in Kanada ist dann
schließlich doch näher als der Nachbar hinter der Wohnzimmerwand"
(a.a.O., 37).
Woraus folgt, daß
die ferne Nähe, die schon keine Nähe mehr ist, zum Idealzustand avanciert:
"Der Lebensästhet arbeitet an sich. Auch die Liebe dient nur der Vervollkommnung
seiner selbst als Gesamtkunstwerk...Auslagerung von Problemfeldern (!) und räumliche
Distanz (!) sind daher die naheliegenden Reaktionen...Somit steigt die Funktionsfähigkeit
einer Partnerschaft direkt mit der Größe der Distanz...Die oft beschworene
elektronische Beziehung im Labyrinth von Chat-Boxen und E-Mails ist der Inbegriff
einer perfektionierten Partnerschaft. Kein anderes Medium hält einem die
Schwächen und Macken seines Partners besser vom Hals als das Internet.
Der Mensch am anderen Ende der Welt kristallisiert zum reinen Abbild seiner
lebensästhetischen Konstruktion. Beide >Netties< idealisieren sich
und den anderen. Kein Pickel und keine geschmacklose Cordhose steht dem ehrlichen
Glauben an die Perfektion des elektronischen Freundes im Weg. Im global village
ist sowohl totale Ablehnung wie auch grenzenlose Anbetung des Partners zu Hause
- was außen vor bleibt, sind die Mühen der Ebene. Ist die Leidenschaft
erst einmal entbrannt, gibt es nur noch einen wirklichen Horror: die leibhaftige
Begegnung mit dem Fremden...Dabei bilden vor allem zwei Modelle den Rahmen des
lebensästhetischen Beziehungsspektrums: die gemeinsame Wohnung ohne Sex,
aber mit allen Spielarten der bürgerlichen Ehe, und Sex ohne gemeinsame
Wohnung, aber mit den Idealen der romantischen Zweisamkeit" (a.a.O.,101 ff.).
Ich kann mir gut vorstellen,
daß die postmoderne Linke Autoren wie Goebel/Clermont nicht ausstehen
kann und vielleicht gar nicht zur Kenntnis nehmen will, gerade weil diese die
Wahrheit ausplaudern über jene "nicht-traditionellen Formen von Subjektivität",
denen man/frau emanzipatorische Potentiale andichten möchte. Genausogut
wäre es allerdings möglich, einem Rindvieh das Schlittschuhlaufen
beizubringen. Natürlich kann kein Mensch seinen warenästhetischen
Narzißmus so weit treiben, daß er in dieser Karikatur real aufginge;
und wie im 18. Jahrhundert die zynische "Bienenfabel" des Bernard de Mandeville
immer wieder fälschlich als radikale Kritik der heraufdämmernden Marktwirtschaft
gelesen wurde, so könnte auch das Elaborat von Goebel/Clermont ewig zweifelhaft
bleiben. Entscheidend ist, daß es sich in beiden Fällen um eine realgesellschaftliche
Tendenz handelt, der gegenüber radikale Kritik und nichts als Kritik angebracht
ist. Die Realexistenz des Leidens und der (vom Postmodernismus verleugneten)
Fundamentalkrise machen diese Kritik längerfristig erfolgversprechend,
aber nur wenn sie in ihrer Negativität durchgehalten wird, etwa im Sinne
der Devise von Guy Debord und den französischen Situationisten der 60er
Jahre: nämlich die Schmach bewußt und dadurch noch schmachvoller
zu machen. Der linke Postmodernismus dagegen appelliert nicht an das Bewußtwerden
des Leidens, der Krise und der Schmach, sondern im Gegenteil an die blinden
Verlaufsformen und an die Verdrängungsleistungen des "dezentrierten Subjekts",
die er in ebensoviele "emanzipatorische Potentiale" umlügt und umfrisiert.
Er kennt gar keine Schmach der Selbstanpassung an die idiotischen Lockungen
des Marketings mehr, weil er selber so dumm und schamlos geworden ist wie die
Post-Subjekte seines gesellschaftlichen Bezugssystems sich vielleicht bloß
geben. Denn die ideologischen Affirmateure sind allemal schlimmer als die bloßen
Charaktermasken des postmodernen "So-Seins".
Literatur
Adorno, Theodor (1983,
zuerst 1944): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben; Frankfurt/Main.
Bolz, Norbert (1997): Die
Sinnengesellschaft; Düsseldorf.
Erdmann, Jürgen (1997):
Für Theresa; in: Karoshi Nr. 1./ 1997.
Früchtl, Josef (1994):
Was heißt es, aus einem Leben ein Kunstwerk zu machen? Eine Antwort mit
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Moderne; Frankfurt/Main.
Goebel, Johannes / Clermont,
Christoph (1995): Endzeit-Propheten oder die Offensive der Antiwestler; Frankfurt/Main.
Hirsch, Joachim / Roth,
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Kunsich, Hans-Peter (1997):
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zuerst 1979): Das Zeitalter des Narzismus; München.
Roth, Roland: s. Hirsch,
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Sennet, Richard (1986,
zuerst 1974): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der
Intimität; Franfurt/Main.
Stein, Hannes: s. Herzinger,
Richard.
Wackwirt, Stephan (1996):
Akten, Akten, Akten. Über die Underground-Anthologie "speak";
in: Der Spiegel 8/1996
Zielcke, Andreas (1995):
Die Entwaffnung des Volkes; in: Der Spiegel 48/1995.