Die Immobilien-Blase

erschienen im Neuen Deutschland
am 08.07.2005

Neoliberale Ökonomen und traditionelle Kapitalismuskritiker haben eines gemeinsam: Sie bewundern beide die scheinbar ungehemmte kapitalistische Dynamik. Aber die Akkumulation des Kapitals findet seit längerem hauptsächlich auf den Geldkapitalmärkten in Form von substanzlosen Finanzblasen statt. Und ein wachsender Teil der realen, aber arbeitsarmen und damit substantiell „entwerteten“ Warenproduktion hat Liquidität und Kaufkraft zur Voraussetzung, die aus diesen Blasen stammt und kein reguläres Einkommen (Lohn oder Profit) aus vergangenen Produktionsprozessen ist. Bekanntlich wurden Investitionen und Konsum während der 90er Jahre in großem Maßstab aus der Spekulationsblase an den Börsen finanziert. Seit dem Zusammenbruch der New Economy und dem starken Rückgang auch bei den traditionellen Aktienwerten der „blue chips“ ist diese Liquidität massiv geschrumpft; viele Firmen und Private sitzen auf großen Verlusten. Überall gab es starke Bremsspuren in der Konjunktur.

Ein neuer Schub in der Mobilisierung „abstrakter Arbeit“ ist nicht in Sicht. Aber die Blasenbildung hat sich nach den Aktien auf andere Sektoren verlagert, nämlich auf Unternehmensanleihen und vor allem Immobilien. In Japan führte das zeitgleiche Aufblähen und Platzen von Aktien- und Immobilienblasen schon Anfang der 90er Jahre zu einer Finanzkrise, von der sich das Land nie mehr erholt hat. In den USA und Großbritannien dagegen folgte die Immobilienspekulation erst nach dem Ende der Börsen-Hausse und trägt jetzt die Konjunktur. Inzwischen ist diese neue Blasenbildung auch auf andere Länder übergesprungen. In Spanien gelten heute rund 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als davon induziert, während die produktive Basis verstärkt ins (noch billigere) Osteuropa abwandert.

Häuser werden mit Gewinn weiterverkauft, bevor sie überhaupt fertig gebaut worden sind. Jährliche fiktive Wertsteigerungen zwischen 10 und 30 Prozent machen den Sektor auch für transnationales Geldkapital interessant. Für dessen Zufluß wurden nach dem Vorbild der „Real Estate Investment Trusts“ (REIT) in den USA neuerdings in zahlreichen Ländern „leicht handelbare Instrumente“ (Neue Zürcher Zeitung) mit „steuereffizienten“ Effekten zwecks Durchstarten eines Immobilien-Booms geschaffen; so im asiatischen Raum, in Frankreich und wohl demnächst in der BRD. Nicht nur der Finanzgewinn fließt dabei zu erheblichen Teilen in den Konsum und generiert wie vorher bei den Aktien substanzlose Produktion. Im Unterschied zur Aktienblase ist darüber hinaus schon der spekulative Gegenstand selber nicht bloß Papier, sondern eben Bautätigkeit. Das fiktive Kapital ohne reale Wertbasis besteht in Beton, Röhren, Installationen usw. bis hin zum Boom bei Kipplastwagen. Die scheinbar reale Konjunktur ist also in zusätzlicher Potenz entkoppelt von Produktivität und regulären Einkommen. So entstehen „Wachstums-Stars“ ohne Boden in der Wertproduktion.

Auch die Immobilen-Blase wird unvermeidlich platzen. Bei Anstieg der Zinsen treibt eine Finanzierung der Immobilien mit variablen Zinssätzen wie in Spanien und England die vielen mittelständischen spekulativen Häuslebauer und in der Folge die Banken in Schieflage und Ruin, bei einer Finanzierung mit festen Zinssätzen wie in den USA und der BRD direkt die Banken. Das Resultat wird genau wie beim Absturz der fiktiven Börsenwerte ein Geschrei des „kleinen kapitalistischen Mannes“ über Betrug und gegen die bösen „Geldjunkies“ mit abermals antisemitischen Tönen sein. Solange sich der gar nicht so gesunde Menschenverstand stur der Erkenntnis verweigert, dass die immer neue Aufblähung von Finanzblasen nur die Kehrseite derselben Produktivkraftentwicklung ist, die immer mehr „abstrakte Arbeit“ überflüssig macht, kann die Erfahrung der dichten Folge von Finanzkrächen stets nur ins dumpfe Ressentiment münden.