exit!-Seminar 2021: Der Kollaps der Modernisierung heute II

Der Kollaps der Modernisierung heute II

Nach dem Finanzcrash 2008, mit dem auch in der Linken kaum jemand gerechnet hatte, machte sich zunächst eine allgemeine Panik breit. Die Angst vor dem „Kapitalkollaps“ (Tomasz Konicz) ging um. Es wurden Rettungspakte für Banken geschnürt, und die EZB versuchte durch Niedrigzinspolitik die Wirtschaft in Gang zu bringen. Schon bald erschien es vielen (zumindest hierzulande) so, als hätte man die Situation wieder im Griff.

Die Flüchtlingsbewegungen bedrohten sodann dieses Gefühl einer wiedergewonnenen Stabilität. Prompt schossen wieder einmal rechte Bewegungen (Pegida, AfD usw.) ins Kraut. „Corona“ steht dabei 2020 für einen neuen Krisenschub, wobei dieses Virus nicht als Ursache, sondern nur als Beschleuniger der fundamentalen Krise zu betrachten ist. Auch ansonsten zischt und lodert es – auch unabhängig von Corona – an allen Ecken und Enden der Welt.

Robert Kurz hatte im „Kollaps der Modernisierung“ (1991) prognostiziert, dass nach dem Niedergang des Ostblocksozialismus die „Krise der Weltökonomie“ folgen werde. Diese Prognose hat sich mehr als bestätigt.

Das diesjährige Seminar setzt letztjähriges, „Der Kollaps der Modernisierung heute I“ fort.

Freitag, 24.09.2021 ab 16 Uhr: Anreise


Freitag, 24.09.2021, 19 – 21 Uhr

Podiumsdiskussion Corona

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion sollen einige Aspekte der Coronakrise 2020/21 diskutiert werden. Es diskutieren Herbert Böttcher/ Redaktion exit!, Andreas Urban und Fritz Uhnrast/ Wertabspaltungskritischer Lesekreis Wien sowie Thomas Bruckner/ Wertkritische Gruppe Karlsruhe.

 


Samstag, 25.09.2021: 10-12 Uhr

Tomasz Konicz: Der letzte Verrat – Opportunismus in der manifesten Klimakrise. Wie schaffen es grüne und linke Karrieristen, mitten in der kapitalistischen Klimakrise am Kapitalismus festzuhalten?

Unter Auswertung seiner reichhaltigen diesbezüglichen Erfahrungen in der deutschen Linken will der Referent in dem Vortrag einerseits die sehr einträgliche Chimäre eines „grünen Kapitalismus“ als das zentrale ideologische Bollwerk des Spätkapitalismus beleuchten, das ein Festhalten an eben dem Gesellschaftssystem ermöglicht, das die Klimakrise befeuert. Zudem soll dargestellt werden, wie das verkürzte linke Klassenkampf- Denken und die Verfallsprodukte des orthodoxen Kommunismus und Antiimperialismus den Weg in sozialdemokratische Krisenverwaltung und einen krisenbedingt verwildernden, rechtsoffenen Opportunismus ebnen, der selbst vor dem Fischen in der braunen Brühe des deutschen Präfaschismus nicht zurückschreckt. Die politische Seilschaft macht im Gefolge der krisenbedingten Verrohung und der zunehmenden Krisenkonkurrenz dem Racket platz, wobei die Marginalisierung der Wert-Abspaltungskritik, deren radikale

praktische Konsequenzen nun offen zutage treten, den gemeinsamen Nenner aller Strömungen des linken deutschen Opportunismus bildet. Dieser setze jetzt zu einem letzten Verrat an, so die Kernthese des Vortrags: Der Karriere in der Gegenwart wird der Kampf um eine lebenswerte Zukunft geopfert.

 


Samstag, 25.09.2021, 14 – 16 Uhr

Gerd Bedszent: Der Osten als Buhmann

Es ist jetzt über 30 Jahre her, dass nach dem (scheinbar) überraschend verkündeten Satz eines (ost)deutschen Apparatschiks die weltweit am besten befestigte und als kaum überwindbar geltende Grenze der Welt unvermittelt verschwand. Der Kapitalismus erlebte in der Folge einen seiner größten Siegeszüge der letzten hundert Jahre.

Runde Jahrestage der Errichtung oder auch des Falls der „Mauer“ werden seitdem von deutschen Politikbetrieb gern dazu benutzt, die Scheußlichkeiten unserer schönen Neuen Gegenwart nach Kräften zu relativieren: Stacheldraht, Mauerschützen und Stasispitzel seien doch allemal schlimmer gewesen als Weltordnungskriege, Bürgerkriegsmassaker und mordende Rechtsradikale. Besonders letztere werden gern als Erblast des längst verschwundenen Staates dargestellt. Politiker der radikalen Rechten pflegen sich umgekehrt gern als „Vollender der der Revolution von 1989“ zu präsentieren, um die besonders in den östlichen Bundesländern wirtschaftlich ausgemusterte Jugend gegen Migrant*innen und Flüchtlinge zu hetzen.

Wenig bekannt: Robert Kurz hatte Anfang der 1990er Jahre den Prozess der deutsche Wiedervereinigung publizistisch begleitet, dabei die Grimassen und Unsinnigkeiten des realsozialistischen Wirtschaftsmodells nicht schöngeredet, aber auch den 1990 begonnenen kriminellen Raubzug westdeutscher Kapitalgruppen keineswegs verschwiegen.

Unter anderem wies er damals nach, dass der Zusammenbruch der DDR und ihrer Volkswirtschaft „innerhalb einer vom Kapitalismus selber gesetzten Logik (erfolgte), die sie niemals verlassen hatte“. Der Modernisierungs-Marxismus als ideologische Grundlade des Realsozialismus sei zwar inzwischen „völlig obsolet geworden, jedoch „nicht weil er ‚falsch‘ war, sondern weil seine Aufgabe erschöpft ist“.

Noch immer aktuell ist die von Kurz damals erhobene Forderung nach einer Alternative zur Allmacht des Marktes samt seiner barbarischen Folgen oder zum von den Rechten favorisierten Marsch in die Barbarei. Eine solche Alternative könne nur in eine „Gesellschaft jenseits von Staat und Markt“ führen, also zu einer „Aufhebung des modernen warenproduzierenden Systems“.

 


Samstag, 25.09.2021, ab 19 Uhr: Mitgliederversammlung Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften e.V.
Die Mitgliederversammlung offen für alle Vereinsmitglieder.


Sonntag, 26.09.2021, 10 – 12 Uhr

Roswitha Scholz: Marxismus-Feminismus 2021

Seit dem letzten Jahrzehnt hat der Marxismus-Feminismus wieder Hochkonjunktur. Es wurden viele Kongresse hierzu veranstaltet und Sammelbände herausgegeben; etliche linke und feministische Zeitschriften hatten dementsprechend einen „materialistischen Feminismus“ zum Thema. Die Diskussionen heute drehen sich heute wieder mehr um Care, Klasse, Subjekt u. ä.; selbst gestandene Dekonstruktivist:innen bzw. Standpunkt- Theoretiker:innen kommen nicht umhin, dem „Materiellen“ einen zentralen Platz

einzuräumen. Dabei erhebt auch ein anachronistisch gewordener Arbeiterbewegungsmarxismus, der im Gegensatz von Arbeiter- und Kapitalistenklasse den gesellschaftlichen Grundwiderspruch sieht, wieder sein Haupt.
Nach einem Fetischhype in der Linken vor allem durch eine „neue Marxlektüre“ vermittelt, kehrt im Fortgang des kapitalistischen Verfalls ein Klassenkampfmarxismus zurück, ungeachtet des Niedergangs des Ostblockmarxismus seit 1989. Rückwärtsgewandte und autoritäre Tendenzen werden nicht nur von rechts sichtbar, sondern auch in der Linken. Man schreckt auch nicht vor einem Bezug auf den verblichenen Staatssozialismus, Lenin usw. zurück. Zu Verschwörungstheorien in der Corona-Pandemie haben die Linke und linke Feminist:innen so auch das ihre beigetragen, indem sie personifizierte Herrschaftsverhältnisse im Sinne der „herrschenden Klasse“ als das grundlegende Problem sehen. Aus der Sicht der Wert-Abspaltungs-Kritik will ich mich nun mit einigen dieser neueren feministisch-marxistischen Konzeptionen, die seit den Nuller-Jahren entstanden sind, auseinandersetzen. Sichtbar wird dabei, dass sie einer fundamentalen Krise und dem „Kollaps der Modernisierung“ nicht wirklich Rechnung tragen.

 


Datum
24.-26.09.2021 in Mainz

Zum Tagungsort
Jugendherberge Mainz
Otto-Brunfels-Schneise 4
55130 Mainz
Telefon 06131/85332

Anreise
Mit der Bahn: Mainz ist EC- und IC-Station. Vom Hauptbahnhof Buslinien 62 und 63 in Richtung Weisenau-Laubenheim, Haltestelle „Am Viktorstift/Jugendherberge“.
Mit dem Pkw: Über Autobahnring A60 Mainz-Darmstadt, Abfahrt Weisenau/Großberg in Richtung Innenstadt/Volkspark.

Teilnahmekosten pro Person mit Übernachtung und Verpflegung
Freitag bis Sonntag:
4/3-Bettzimmer Du/WC: (16 Plätze) 75 € pro Person 2-Bettzimmer Du/WC: (8 Plätze) 90 € pro Person 1-Bettzimmer Du/WC: (6 Plätze) 110 € pro Person

Es stehen also bis zu 30 Plätze zur Verfügung.

Teilnahme nur am Seminar, Tagungsbeitrag 20 € Teilnahme nur am Seminar, inkl. Vollpension 40 €

Teilnahmebeiträge bitte nicht vorher überweisen, sondern in bar mitbringen.

Wer nicht im Haus übernachtet, aber bestimmte Mahlzeiten dort einnehmen will, gebe bitte bei der Anmeldung an, welche (Frühstück, Mittagessen, Nachmittagskaffee, Abendessen).

Teilnehmer:innen, die nicht in der Jugendherberge übernachten wollen, bitten wir, sich selbst um eine externe Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern. Die Jugendherbergsleitung hat uns das Hotel Stiftswingert (Am Stiftswingert 4; Tel. 06131- 982640) und das Ibis-Hotel (direkt am Südbahnhof; Holzhofstr. 2, Tel. 06131-2470) empfohlen; von beiden ist das Tagungshaus gut zu Fuß zu erreichen.

Ermäßigung
Wer sich den TN-Beitrag nicht leisten kann, muss deswegen nicht auf das Seminar verzichten: Bitte sprecht uns in diesem Fall bei Eurer Anmeldung wegen einer Ermäßigung an!

Anmeldung
Bitte bei der Anmeldung angeben, falls vegetarisches Essen gewünscht wird. Ansonsten gehen wir von nicht-vegetarisch aus.
Per Email: seminar + @exit-online.org (bitte manuell zusammenfügen und das Pluszeichen dabei weglassen).

Covid-19
Wir bitten um unbedingte Beachtung des Pandemie- und Hygienekonzeptes, sowohl bei Übernachtung in der Jugendherberge als auch für die Teilnahme am Seminar

Thomas Meyer für die exit!-Redaktion